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Fazit: Wege aus den postkolonialen Dilemmata

Ich habe mich in diesem Kapitel auf Fallstudien bezogen, weil letztlich nur induktiv über die Analyse konkreter Situationen und Fälle ermittelt werden kann, wie der eurozentrische und paternalistische Bias der Kinderrechte unterlaufen und Kinderrechte „von unten gebraucht“ bzw. als „Living Rights“ praktiziert wer-den können. Aus wer-den hier dargestellten Fällen lassen sich meines Erachtens fol-gende Schlüsse ziehen:

Vor aller Berufung auf Kinderrechte stellt sich die Frage, ob diese in der gegebenen Situation überhaupt ein effektives und tragfähiges Instrument sein können, um die Menschenwürde der Kinder zu sichern und ihre Stellung in der Gesellschaft zu stärken. Wenn wir uns in diesem Sinne Kinder als Akteure, d. h.

als handelnde Subjekte eigenen Rechts, vorstellen wollen, muss ein Minimum an Voraussetzungen gegeben sein. Dazu gehört, dass die Kinder sich nicht nur zutrauen, sondern auch den nötigen Spielraum haben, um überhaupt agieren zu können. Dazu gehört des Weiteren, dass sie auf der rechtlichen Ebene Ansprech-partner finden, die den Rechtediskurs ernst nehmen, und dass staatliche Struktu-ren existieStruktu-ren, in denen die Menschenrechte nicht vollkommen ignoriert werden (vgl. z. B. Freeman 2009, S. 380). Dazu gehört schließlich auch, dass die Kinder in der Gesellschaft unter den Erwachsenen Bündnispartner finden, die bereit sind,

ihre Rechtsansprüche aufzugreifen und zu unterstützen. Die Entstehung dieser Voraussetzungen ist ebenso wie die Entstehung der Menschenrechte nicht als eine Art Naturtatsache, sondern als Ergebnis sozialer Kämpfe zu verstehen, kann also herbeigeführt und verändert werden (vgl. Stammers 2009, 2013).

In den Fallstudien zeigt sich, dass es für die Kinder nicht ausreicht, über die eigenen Rechte nur informiert zu sein. Kinder haben keinen plausiblen Grund, an diese Rechte zu „glauben“ und sich auf sie zu berufen, wenn diejenigen, die mehr Macht haben als sie selbst, auf die Rechte der Kinder pfeifen oder sie in selbst-herrlicher Weise und zu eigenen Gunsten instrumentalisieren (etwa um ihr Image zu verbessern). Kinder müssen die Möglichkeit haben, ihre eigenen Vorstellungen von Rechten und daraus abgeleitete Ansprüche und Forderungen ins Spiel zu brin-gen. Dabei ist es auch wichtig, Kinderrechte nicht nur als individuelle, sondern auch als kollektive Rechte zu verstehen, d. h. zu akzeptieren und ggf. zu unterstützen, dass Kinder – in welchen Formen auch immer – sich auf der Basis gemeinsamer Interessen zusammenschließen und in organisierter Weise handeln können (vgl.

Kimiagar und Hart 2017). Werden Kinderrechte nur als individuelle Rechte ver-standen, bleiben sie zumindest dann „hilflos“, wenn die Umsetzung der Rechte auch strukturelle Änderungen notwendig macht und die bestehenden Machtverhält-nisse infrage stellt. In diesem Sinn unterscheiden Didier Reynaert und Rudi Rose (2017) ein „minimalistisches“ und „maximalistisches“ Verständnis der rechte und demonstrieren dies am Umgang mit sozialer Ungleichheit und Kinder-armut. Nach minimalistischem Verständnis ist Ungleichheit und Armut das Ergebnis unzureichender individueller Inanspruchnahme von Rechten und kann durch die Erziehung zu individueller Verantwortung behoben werden. Nach maximalistischem Verständnis müssen dagegen die strukturellen Ursachen in den Blick genommen und eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums vorgenommen werden.

Van Daalen et al. (2016) weisen in ihrer Fallstudie zu Recht daraufhin, dass sich im Handlungsfeld der Kinder verschiedene Interessen kreuzen und oft auch widersprechen. Kinder, die für ihre Rechte eintreten, können deshalb nicht davon ausgehen, dass diese selbst von Kinderrechtsbefürwortern immer in ihrem Sinne verstanden und in ihrem Interesse „umgesetzt“ werden. Für Kinder im Globalen Süden ist im besonderen Maße relevant, dass die Kinderrechte nicht nur in adul-tistischer bzw. paternalistischer, sondern auch in eurozentrischer Weise gedeutet werden. Um dem entgegenzuwirken und den eigenen Deutungen der Kinder Gewicht zu geben, führt kein Weg an der Frage vorbei, wie mit dem Universali-tätsanspruch der Kinderrechte umgegangen werden kann.

Angesichts ihres Universalitätsanspruchs müssen Kinderrechte in offener, dynamisch-pozesshafter, kultursensibler und kontextbezogener Weise verstanden werden. Dazu gehört, mit den in der UN-Kinderrechtskonvention kodifizierten

Rechten in kritischer und reflexiver Weise umzugehen und anzuerkennen, dass sie nicht der Endpunkt einer Entwicklung sind, sondern geändert und weiter-entwickelt werden können und sogar müssen (vgl. Reynaert et al. 2015). Hier-bei muss den Sichtweisen und Forderungen von Kindern besondere Beachtung geschenkt werden, zumal wenn sie diese selbst in Form von Rechten und Rechts-ansprüchen zum Ausdruck bringen (zu Beispielen vgl. Liebel 2009, S. 63 ff.).

Die unter Bezug auf bestimmte Artikel der UN-Kinderrechtskonvention vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hervorgehobenen „allgemeinen Prinzi-pien“ scheinen mir geeignete Orientierungspunkte für ein solches dynamisches und kultursensibles Verständnis der Kinderrechte zu sein. Hierbei handelt es sich um folgende vier Rechtskomplexe:

• Das Recht auf Nichtdiskriminierung (Art. 2);

• Das Recht auf vorrangige Berücksichtigung der besten Interessen des Kindes (Art. 3, Abs. 1);

• Das Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung (Art. 6);

• Das Recht auf Berücksichtigung der Sichtweisen und Meinungen des Kindes in allen es betreffenden Angelegenheiten (Art. 12).

Wie bei allen Menschenrechten ist zu bedenken, dass auch diese Prinzipien und die Begriffe auf denen sie basieren, nicht eindeutig sind und auf verschiedene Weise interpretiert werden können. Zum Beispiel stellt sich die Frage, was unter

„bestmöglicher Entwicklung des Kindes“ zu verstehen und nach welchen Maß-stäben sie zu bewerten ist. Oder welche Kriterien als relevant gelten, um zu beurteilen, ob von Diskriminierung gesprochen werden kann oder muss. Oder wie das „beste Interesse des Kindes“ definiert wird, das lange Zeit als Recht-fertigung paternalistischer Praktiken gegenüber Kindern gedient hat und oft noch heute dazu dient (vgl. Cantwell 2016). Wenn die genannten Prinzipien aber im Zusammenhang gesehen werden, drücken sie zumindest tendenziell aus, dass jedes Kind ungeachtet seines Alters und anderer persönlicher Eigenschaften als eigenständiges Subjekt von Rechten anzuerkennen und dessen Würde als Mensch mit gleichem moralischem Status unter allen Umständen zu gewährleisten ist.

Nach meinem Verständnis bedeutet dies, dass weltweit die Verpflichtung besteht, die bestmöglichen Lebensverhältnisse für Kinder herzustellen und dafür zu sor-gen, dass kein Kind in vermeidbarer Weise behindert, benachteiligt, diskriminiert, ausgebeutet oder auf andere Weise in seiner Würde verletzt wird. Ebenso bedeutet es, dass bei jeder zu treffenden Entscheidung das beste Interesse der Kinder vorrangig und unter Beachtung der Sichtweisen der betroffenen Kinder zu berücksichtigen ist (vgl. Maywald 2012; Liebel 2015b, S. 104 ff.).

Dabei ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Prinzipien einerseits, auf deren Einhaltung alle Kinder der Welt einen uneingeschränkten rechtlichen Anspruch haben, und ideologisch oder kulturell spezifischen Bestimmungen andererseits, die nicht uneingeschränkt anwendbar, sondern unter Beachtung der jeweiligen kulturellen und sozialen Kontexte auszudeuten und ggf. zu pro-blematisieren sind. Zu letzteren zähle ich z. B. Bestimmungen, die ein (chrono-logisches) Mindestalter für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, die von Kindern selbst gewählt oder gewünscht sind,24 oder die das Recht auf Bildung auf die Ver-pflichtung zum Schulbesuch eingrenzen. Kritisch zu reflektieren ist auch, dass bestimmte Rechte in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen können und sich unter Umständen gegenseitig ausschließen oder behindern. Dies ist z. B. der Fall, wenn Schutzrechte so gedeutet werden, dass sie einer Entmündigung von Kindern gleichkommen und ihren Status als Subjekte, denen das Recht auf Par-tizipation und Selbstbestimmung zusteht, verletzen. Oder wenn Förder- und Ent-wicklungsrechte nur als Verpflichtung staatlicher Autoritäten, nicht aber auch als subjektive Rechte der Kinder verstanden werden, die sie selbst konkretisieren, mitgestalten und praktisch einfordern können (vgl. Liebel 2013, S. 120 ff.).

Die uneingeschränkt geltenden allgemeinen Prinzipien werden in der heutigen Welt auf mindestens zweifache Weise verletzt:

• Die postkoloniale Weltordnung hat für die große Mehrheit der Kinder vor allem im Globalen Süden zur Folge, dass sie vermeidbarer Not, Gewalt, Krankheiten und Zwängen ausgesetzt sind, die ihre Menschenwürde verletzen und ihre bestmögliche Entwicklung verhindern.

• Überall auf der Welt existieren verschiedene ideologisch oder religiös gerecht-fertigte Praktiken, die den moralischen und rechtlichen Anspruch der Kinder auf die Anerkennung ihrer Subjektivität, die Wahrung ihrer Menschenwürde und die Mitwirkung an den sie betreffenden Maßnahmen und Entscheidungen missachten.

Dies sei an einigen, mir besonders wichtig erscheinenden Geltungsbereichen kon-kretisiert: Dominiert im Umgang mit Kinderrechten das europäisch-westliche Kindheitsverständnis, liegt es nahe, den Schutz von Kindern in paternalistischer

24James Schmidt (2010) zeigt in einer detaillierten historischen Studie über die Entstehung rechtlicher Normen zum Umgang mit der Arbeit von Kindern und Jugendlichen in den USA, wie es zur Etablierung von Mindestaltern kam; in diesem Prozess, so Schmidt, habe sich die Mittelklasse des Kinderrechtediskurses bemächtigt und ihn gegen die Selbstbe-stimmungs- und Emanzipationsbestrebungen der arbeitenden Kinder und Jugendlichen gewendet. Zur Debatte um die Festlegung von Mindestaltern vgl. das Diskussionspapier des Child Rights International Network (CRIN 2015).

Weise auf Kosten ihrer (relativen) Autonomie und Partizipation zu praktizieren.

Allerdings bringt auch ein eher im Globalen Süden verbreitetes Kindheitsver-ständnis, das die Mitverantwortung der Kinder betont, die Gefahr mit sich, den gleichen moralischen Status und das Recht der Kinder zu missachten, eigen-ständige Entscheidungen über ihr Leben zu treffen und an für sie wichtigen Ent-scheidungen gesellschaftlicher und staatlicher Institutionen mitzuwirken.

Die postkolonial bedingte und mit der kapitalistischen Globalisierung ver-stärkte materielle Ungleichheit erhöht die Gefahr, dass Kinder, die in Armut und prekären sozialen Verhältnissen leben müssen, in ihrer Menschenwürde verletzt und größeren Risiken ausgesetzt werden. Da sie weniger Optionen für eigene Entscheidungen haben, sind sie in besonderem Maße dem Risiko wirtschaft-licher Ausbeutung sowie der Gefährdung ihrer Gesundheit und sogar ihres Lebens ausgesetzt (auch durch Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Lebensumwelt). Ebenso werden sie daran gehindert, ihr Recht auf eine ihnen dienliche und mit ihrem Leben verbundene Bildung wahrzunehmen. Dies kann auch die Folge von Bildungssystemen sein, die den Zugang von materiellen Ressourcen abhängig machen und in ihren Lernformen und -inhalten die spezi-fische Lebenssituation und das aus den Alltagserfahrungen der Kinder resultie-rende Wissen missachten. Mit der postkolonialen Weltordnung sind nicht zuletzt Formen sozialer Ungleichheit verknüpft, die auf der ungleichen Bewertung von Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarbe beruhen. Sie können sich zu rassistischen Praktiken verdichten, die in Verbindung mit anderen sicht-baren Persönlichkeitsmerkmalen zu multiplen Formen von Diskriminierung und Behinderung führen („Intersektionalität“).

Schwieriger ist es, mit den als traditionell bezeichneten Bräuchen umzu-gehen.25 Sie können Kindern schaden, etwa indem sie Schmerzen verursachen und zu langwierigen körperlichen Beeinträchtigungen führen. Dies gilt z. B. für

25In Art 24.3 KRK heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“ Diese Formulierung wirft die Frage auf, ob nicht auch „neue“ Bräuche, die mit der Kapitalisierung von Gesellschaften und dem „technischen Fortschritt“ einhergehen (z. B. solche, die auf einem durch die kommerzielle Werbung propagierten Schönheits-ideal beruhen und auf dem Wege der plastischen Chirurgie herbeigeführt werden), schäd-liche Wirkungen haben können. Auch die mit den neuen reproduktionsmedizinischen und genetischen Technologien verbundenen Vorstellungen und Praktiken, die auf das „perfekte (Wunsch-)Kind“ zielen, können für Kinder extrem negative Auswirkungen haben (vgl.

z. B. die Debatte um die sog. liberale Eugenik als Teil eines „genetischen Supermarktes“:

Robertson 1996; Habermas 2001; Sandel 2007; Compagna 2015; Sorgner 2015). Sie haben auch schon dazu geführt, dass im Globalen Süden ein florierender Geschäftszweig zur Rek-rutierung von Leihmüttern entstanden ist (zu diesem und weiteren Beispielen vgl. Cregan und Cuthbert 2014, S. 147 ff.).

oft religiös kaschierte traditionelle Bräuche, wie die Beschneidung der Klito-ris von Mädchen oder die Amputation der Penisvorhaut von Jungen in den ers-ten Lebensmonaers-ten oder -jahren. Auch der Brauch, Mädchen oder Jungen früh zu verheiraten, missachtet die Subjektivität der Kinder. Sie kann ihre Unver-sehrtheit in physischer ebenso wie in psychischer Hinsicht gefährden, mit nega-tiven Folgen für ihre Gesundheit verbunden sein und ihre Lebensperspeknega-tiven einschränken. Aber statt sie als Ausdruck einer „barbarischen Kultur“ schlicht von außen zu verurteilen und zu verbieten, entspräche es einem kultursensi-blen Verständnis der Kinderrechte, im respektvollen Dialog mit den involvierten Menschen und Gemeinschaften nach Lösungen zu suchen, die für die Kinder eher Vor- als Nachteile mit sich bringen und ihnen ermöglichen, letztlich selbst Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. Da die Kinder weiter in ihre sozio-kulturellen Gemeinschaften eingebunden sind, können Lösungen im Interesse der Kinder nicht von außen herbeigeführt, sondern müssen innerhalb dieser Gemein-schaften gefunden werden (zu Beispielen misslungener und gelungener Praxis vgl. Wessels und Kostelny 2017; Richter 2016).

Auch die fehlende Anerkennung der moralischen Gleichheit der Geschlechter („Sexismus“) oder „abweichender“ sexueller Orientierungen („Homophobie“) kann ebenso zu sozialer Benachteiligung und Diskriminierung führen wie die fehlende Anerkennung der moralischen Gleichheit allein aufgrund des gerin-gen Alters der Kinder („Adultismus“). Doch hierbei handelt es sich nicht um besondere Kennzeichen „postkolonialer“ Weltregionen, sondern um den Aus-druck von Gesellschaften, die in starkem Maße hierarchisch strukturiert sind, rigide Herrschaftsstrukturen aufweisen und Gleichheitsprinzipien gering schät-zen. Sie sind allerdings eng mit kolonialen oder quasikolonialen Denkweisen und Praktiken insofern verbunden, als sie solche Menschen und Lebensformen abwerten und ausgrenzen, die nicht den in der Welt oder in einzelnen Gesell-schaften dominierenden Vorstellungen und Interessen entsprechen. Sie können sogar selbst ein Resultat von Kolonialisierung oder religiöser Missionierung sein.26 Deshalb ist auch beim Umgang mit sog. traditionellen Bräuchen darauf zu achten, dass sie nicht mit dem besserwisserischen Gestus des vermeintlichen aufgeklärten Menschen schlicht abgeurteilt werden. Wie die Menschen- und Kinderrechte im Allgemeinen müssen auch sie im jeweiligen historischen Kon-text verstanden und in kultursensibler Weise bewertet werden. Dabei sollte immer

26Dies haben z. B. Karl Hanson und Roberta Ruggiero (2013) an der Verfolgung von sog.

Hexenkindern gezeigt. Vgl. auch die Studien zu Hexenkindern, Kinderbanden und Straßen-kindern in: Behringer und Opitz-Belakhal (2016).

auch bedacht werden, dass sich in sog. traditionellen Bräuchen sogar ein Wissen verkörpern kann, das durch den Kolonialisierungsprozess marginalisiert wurde und dessen Wiederbelebung den Menschen zugutekäme (z. B. naturkundliche Heilmethoden).

Die Anerkennung und hier beispielhaft erläuterte Interpretation allgemeiner Prinzipien der Kinderrechte ist noch keine Gewähr dafür, dass sie auch im Sinne der von Rechtsverletzungen betroffenen Kinder praktiziert werden. Hierzu ist es unabdingbar, auch die Sichtweisen der Kinder zu beachten und die Kinderrechte in der Weise zu verstehen, dass sie von den Kindern selbst sowohl individuell als auch kollektiv in Anspruch genommen werden können. In diesem Sinne müssen Kinderrechte nicht nur als individuelle, sondern auch als kollektive Rechte ver-standen werden. Und es muss bedacht werden, dass die Rechte selbst nur prakti-sche Bedeutung erlangen, wenn sie mit strukturellen Änderungen der jeweiligen Gesellschaften einhergehen, die zu mehr Egalität und sozialer Gerechtigkeit füh-ren und insbesondere die soziale Stellung der Kinder stärken. Dies schließt die Vertretung der Kinder durch Erwachsene und staatliche Institutionen nicht aus, erfordert jedoch zu erkennen, dass jede Repräsentation durch „Andere“ auch mit Risiken verbunden ist, denen nur durch eine umfassende Partizipation und Selbst-organisation der Kinder begegnet werden kann.27

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27Es sei zumindest am Rande vermerkt, dass dies auch Konsequenzen für die Kindheits- und Kinderrechtsforschung haben muss in dem Sinne, dass sie die Kinder im Forschungs-prozess nicht zu Objekten degradiert und ihre Lebensäußerungen ebenso wie den Umgang mit Kinderrechten immer auch aus der Sicht der Kinder zu beleuchten und verstehen ver-sucht (vgl. Bessell et al. 2017).

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