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Teil I................................................................................................................... 5

5 Fazit

Welches Fazit lässt sich aus den angeführten Überlegungen und Befunden ziehen? Ist den Mitgliedern der EORTC Quality of Life Study Group (Küchler et al. 2000) zuzu-stimmen, wenn sie den gegenwärtigen Stand und die Bedeutung in folgenden Thesen zusammenfassen?

Thesen (ebenda, S. 34)

LQ ist nach der Überlebenszeit das wichtigste Behandlungsziel für Krebspatienten

Gesundheitsbezogene LQ ist heute mit naturwissenschaftlichen Methoden zuver-lässig messbar

Auswirkungen von Krankheit und Therapie lassen sich systematisch darstellen undvergleichen

Patienten erleben die LQ-Messung als einen Teil der Humanisierung in der onkologischen Behandlung

LQ-Messung stellt einen Beitrag zur Qualitätssicherung dar

Niemand wird der These, dass LQ nach der Überlebenszeit das wichtigste Kriterium für Patienten ist, widersprechen. Im Hinblick auf die Interpretation der empirischen Befun-de wird allerdings die fehlenBefun-de theoretische Explikation, Befun-der Mangel an einer einheitli-chen Definition und das Fehlen von Hypothesen über das Zusammenwirken von ein-zelnen Dimensionen/Variablen sehr schnell deutlich. Sinnvolle Ergebnisinterpretation ist nur dann möglich, wenn durch den Kontext der Datenerhebung, sowohl für Forscher als auch für Patienten, zumindest der Referenzrahmen definiert wird. Implizit legen zahlreiche Instrumente den Referenzrahmen „körperlicher Funktionszustand“ nahe.

Hohe Korrelationen mit allgemeinen LQ-Werten weisen daraufhin, dass Patienten die-ser Vorgabe folgen.

Auch die Zweckbestimmung der LQ-Daten sollte transparent gemacht werden, damit Patienten nicht LQ mit „lebenswert“ resp. „unwertem Leben“ gleichsetzen.

Gesundheitsbezogene LQ ist mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zuverlässig messbar. Das, was gemessen werden kann, sind einzelne Aspekte – Beschwerden, Funktionen, Symptome, Einschränkungen usw., die mit LQ assoziiert werden. Schuldig geblieben ist die psychometrische LQ-Forschung bislang den Beleg dafür, dass LQ ein sinnvoller Begriff ist, der mehr enthält als die Summation von Einzelaspekten. Die De-finition erfolgt, je nach individuellem Interesse des Forschers, über die Erhebungsin-strumente. Durch unterschiedliche Operationalisierungen und Besonderheiten der je-weiligen Stichproben sind inkonsistente Ergebnisse nicht verwunderlich. Auch bei glei-chen Instrumenten erschwert die Kontextabhängigkeit Vergleiche und Verallgemeine-rungen. Bei der begrifflichen Unschärfe scheint der Verfasserin das Vorgehen der häu-fig kritisierten englischen Gesundheitsbehörde konsequenter: Unter dem Stichwort LQ

wird gefordert, dass neben einer Symptomcheckliste ein Screeninginstrument bezüg-lich Angst und Depressivität eingesetzt wird. Dieses Vorgehen ermögbezüg-licht es dann auch, dem Vorschlag von Aaronson (1990) zu folgen, nämlich nur das zu erheben, was im klinischen Kontext auch als beeinflussbar gilt. Diese Bescheidung auf „weniger“

würde den Umgang mit den Daten erleichtern und konzeptioneller Kritik entgegen wir-ken. Das kritisierte Verfahren, primär über Fragebögen Auskünfte über das Krank-heitsempfinden einholen zu wollen ist ja nicht nur deshalb so problematisch, weil es entscheidende Elemente dieses Empfindens nicht wirklich erfassen kann, sondern weil es auch der besonderen Leistung der Patienten nicht gerecht wird und somit sowohl bei den Forschern als auch bei den Patienten Unbehagen hinterlassen kann.

Zumindest für den deutschsprachigen Raum gilt, dass Patienten sehr bereitwillig an den Fragebogenuntersuchungen teilnehmen. Hervorgehoben wird von den Patienten immer wieder, wie wichtig es für sie ist, ihre Sicht darzulegen und ihre Fragen mit Mit-gliedern - am liebsten mit den behandelnden Ärzten - des Behandlungsteams zu besprechen. Wenn dies im Kontext der Datenerhebung möglich ist, dann lässt sich vielleicht von „Humanisierung“ sprechen. Das anonyme Ausfüllen von Fragebögen ohne einen interaktiven Kontext trägt sicherlich nicht zur Humanisierung bei. Nicht die Messung selber ist ein Indiz für Humanisierung, sondern einzig und allein der Kontext der Datenerhebung und Datenverwendung. Dazu gehört in besonderer Weise, dass die sich aus den Auskünften ergebenden Schlussfolgerungen mit den Patienten einge-hend erörtert werden. Dieser Aspekt wird überhaupt nur in einer einzigen Arbeit er-wähnt.

Im diesem eingeschränkten Sinne leistet LQ-Messung einen Beitrag zur Qualitätssi-cherung. In der Tat lassen sich Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen, die z.

B. die Ausprägung von Symptomen bei gleichen Therapieverfahren in unterschiedli-chen Einrichtungen oder unterschiedliche Therapien in gleiunterschiedli-chen Einrichtungen mitein-ander vergleichen.

Nicht erwähnt wird in den Thesen die prognostische Bedeutung von „Allgemeiner LQ“

sofern sie eng mit der physischen Funktion korreliert. Diese Bedeutung ist durch zahl-reiche Studien gut belegt. Allerdings ist es dabei notwendig, den Einfluss von soziode-mographischen Variablen zu kontrollieren da diese ebenfalls einen Einfluss haben und als Moderatorvariable wirken können.

All das schmälert keineswegs die Bedeutung der Ergebnisse, die unter dem Etikett der LQ-Forschung gewonnen wurden. Diese Forschung hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, Belastungen als Folgewirkungen von Krankheit und Therapie zu verringern. Verbesserungen haben sich am unmittelbarsten ergeben in Bezug auf eine

effektivere Symptombehandlung. An erster Stelle sind hier Schmerztherapie35 und Anti-Emese-Behandlung zu nennen. Neuerdings ist Fatigue als belastende Konsequenz ebenfalls in das Blickfeld gerückt.

Auch das Aufzeigen von psychosozialen Belastungen hat im Kontext dieser Forschung eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Die Umsetzung dieser Erkenntnisse hat aller-dings in den verschiedenen medizinischen Sektoren ganz unterschiedliche Auswirkun-gen gezeitigt. Während die Erkenntnisse der LQ-Forschung die Praxis der Rehabilitati-onsbehandlung verändert haben, sind ihre Auswirkungen auf den Bereich der akuten und ambulanten Behandlung verschwindend gering.

Auf dieser Ebene ist die LQ-Forschung uneingeschränkt positiv zu werten. Die Proble-matik der unscharfen und beliebigen Verwendung des Begriffes liegt auf einer anderen Ebene und wird im Schlussteil behandelt

35 Auch wenn Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern in der Schmerzthe-rapie hinterher hinkt, haben sich in den letzten zehn Jahren Verbesserungen abgezeichnet.