• Keine Ergebnisse gefunden

4.2 Keimzahlbestimmung

5.1.1 Farbstoffauswahl

In dieser Arbeit wurden die DNA/RNA-spezifischen Fluoreszenzfarbstoffe SYTO®9 (Lebend- und Totfarbstoff), TO-PRO®-3 und PJ (Totfarbstoffe) zur Vitalitätsbestimmung von Bakterien eingesetzt.

Während in den Anfängen der Bakterienmessung im Durchflusszytometer vorrangig Farbstoffe eingesetzt wurden, die sich in der Zellfunktionsmessung somatischer Zellen etabliert hatten wie DiOC6(3), FDA, Rh123 (DIAPER et al. 1992), Tinopal CBS-X (DAVEY u. KELL 1996, 1997, DAVEY et al. 1999) wurde in neueren Arbeiten zur Vitalitätsbestimmung meist auf DNA/RNA-spezifische Farbstoffe speziell zur Lebend/Tot-diskriminierung zurückgegriffen.

Nach Sichtung der Literatur wurde aus der SYTO-Farbstoffreihe zur Untersuchung von Bakterien SYTO®9 ausgewählt, welcher sowohl lebende als auch tote Zellen anfärbt (LEBARON et al. 1998). Durch die Absorption bei 485 nm und Emission bei ca. 500 nm ist SYTO®9 als grünfluoreszierend in Fl-1, aber auch in Fl-3 sichtbar. Ebenfalls mit SYTO®9 und PJ als Totfarbstoff färbten AUTY et al. (2001) die probiotischen Stämme L. paracasei und Bifidobacterium spp. in Milch, Magermilch und fermentierter Milch, um diese im

Lasermikroskop auf Vitalität zu untersuchen. Die gleichen Farbstoffe wurden von BUNTHOF et al. (2001a, 2001b) und BUNTHOF und ABEE (2002) sowohl für Bakterien in Bouillon als auch für Milchmischerzeugnisse genutzt, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass keine Interferenzen bei dem Einsatz in Milchmischerzeugnissen zu erwarten waren.

Aus der Reihe der TO-PRO-Farbstoffe, die z.B. bei MORTIMER et al. (2000) und SAKAMOTO et al. (2005) Anwendung fanden, wurde TO-PRO®-3 gewählt. Dieser rotfluoreszierende Farbstoff mit der Anregungswellenlänge von 642 nm und einer Emission von 661 nm entspricht dem Spektrum des 10-mW-Dioden-Lasers und kann gut über den Fl-4 Kanal detektiert werden.

PJ hingegen wird bei 535 nm angeregt und emittiert bei 617 nm, so dass die orange Fluoreszenz in Fl-2 erfasst wird. In den oben bereits erwähnten Studien von AUTY et al.

(2001), BUNTHOF et al. (2001a, 2001b) und BUNTHOF und ABEE (2002) wurde PJ erfolgreich in Kombination mit SYTO®9 sowohl für Reinkulturen als auch für Milchmischerzeugnisse eingesetzt.

Sowohl TO-PRO®-3 als auch PJ wurden als geeignet zur Färbung von unfixierten Zellen beschrieben (SCHIEMANN u. BUSCH 2007), was für die geplanten Untersuchungen von Bedeutung war. Da die Genera LactobacillusundBifidobacterium sehr sauerstoffempfindlich sind und deshalb auf eine umfassende Probenaufbereitung verzichtet werden sollte, boten sich diese Farbstoffe, bei denen eine Zellfixierung nicht notwendig ist, an.

In Kombination ließen SYTO®9 und TO-PRO®-3 oder PJ eine gute Trennung der Fluoreszenzen in verschiedene Kanäle zu und boten gleichzeitig die Möglichkeit einer zuverlässigen, matrixunabhängigen Vitalitätsbestimmung.

5.1.2 Reinkultur

B. bifidum weist meist eine größere Vitalität auf als B. longum (VENTLING u. MISTRY 1993) und Bifidobakterien werden durch Lagerung oft deutlich negativ beeinflusst (LAROIA u. MARTIN 1991, BONAPARTE 1997).

Diese Erkenntnisse beruhen auf kulturellen Keimzahlbestimmungen, ließen sich aber mit der durchflusszytometrischen Methode untermauern. Zur Etablierung der Methode wurde mit Reinkulturen aus Bouillon gearbeitet. Dadurch wurde eine sichere Zuordnung der Bakterien

ermöglicht und gleichzeitig störenden Interferenzen mit Matrixbestandteilen, wie sie z.B. in Milch vorhanden sind, vorgebeugt.

So zeigten im Lagerungsverlauf die Stämme B. animalis (S-4),B. lactis (S-1), B. bifidum (S-10),B. infantis (S-8) eine große Stabilität. Die Stämme B. longum (S-7) und B. breve (S-9) hingegen zeigten in Abhängigkeit zur Lagerungsdauer zunehmenden Vitalitätsverlust.

Aus dem Genus Lactobacillus gilt die L. casei-Gruppe als lagerungsstabil, während für die L. acidophilus-Gruppe ein rascher Vitalitätsverlust bekannt ist (KLEIN et al. 1999).

Auch dieses Lagerungsverhalten konnte in den eigenen Untersuchungen am FACS nachgewiesen und bestätigt werden. Die L. casei-Gruppe mit L. casei (S-16) und L. rhamnosus (S-17) wies annährend gleichbleibende Vitalität auf. Als weniger stabil erwiesen sich L. acidophilus (S-12), L. reuteri (S-15) und L. delbrueckii ssp. bulgaricus (S-23), die deutlichste Abnahme zeigte jedoch L. johnsonii.

Die Vitalitätsbestimmung mittels FACS konnte diese Entwicklung deutlich zeigen, ebenso wie vergleichbare Tendenzen mit dem OSV sowohl im Falle eines stabilen Lagerungsverhaltens als auch bei deutlichem Vitalitätsverlust. Lagerungsstabile Bakterien wie z.B. B. lactis bilden im Dotplot eine klare Wolke, die im Lagerungsverlauf eine feste Position einbehält, während lagerungsinstabile Bakterien wie z.B. L. acidophilus im Laufe der Lagerung im Dotplot ihre Position verlagern.

Bei der Beurteilung der Vitalität ist bei somatischen Zellen eine 5 %-ige methodisch bedingte Tagesvarianz zu berücksichtigen. Diese Tagesvarianz ist ein in der Durchflusszytometrie bekanntes Phänomen, welches in der Zytologie mit den Zellreaktionen auf Schwankungen der Umgebungstemperatur oder des Luftdrucks erklärt wird. MERLE (2003) hat u.a. Temperatur und Lagerungsdauer als Einflussfaktoren auf Zellvitalität und -funktionalität beschrieben und beispielhaft Tagesvarianzen untersucht. Die Erkenntnisse sind nur bedingt auf Bakterienzellen übertragbar, können aber als wertvolle Hinweise auf Schwankungsbreiten und deren Ursachen gewertet werden. So erwies sich auch in dieser Arbeit die Lagerungsdauer als ein Faktor für die Vitalität.

5.1.3 Milchmischerzeugnisse

Die meisten probiotischen Produkte werden in Form von Milchmischerzeugnissen angeboten, so dass der Keimgehalt dieser wirtschaftlich und technologisch bedeutenden Handelsform näher untersucht werden sollte.

Bei der Untersuchung von Produkten mit einer komplexen Matrix wie Milch mit Fett- und Eiweißanteilen stellt sich die Frage der Probenaufbereitung.

GUNASEKERA et al. (2003), die in Rohmilch und ultrahocherhitzter Milch eine bekannte Anzahl von Bakterien (Pseudomonas fluorescens, E. coli, S. aureus) einbrachten und die Proben parallel mittels Durchflusszytometer und Mikroskop untersuchten, bereiteten diese zuvor auf. Für die durchflusszytometrische Analyse der Bakterien wurden die Proben zentrifugiert und mit Detergentien und Enzymen behandelt, um Proteine und Lipide aus der Probe zu entfernen. Allerdings handelte es sich bei den eingesetzten Bakterien nicht um Milchsäure- oder probiotische Bakterien wie in den eigenen Untersuchungen, sondern um Lebensmittelverderbniserreger mit humanpathogenem Potential. Diese Keime sind robust und gedeihen aerob, so dass die etwa einstündige Probenaufbereitung keinen nachteiligen Effekt auf das durchflusszytometrische Ergebnis hat (GUNASEKERA et al. 2000, 2003). Anders verhält es sich bei der Untersuchung von Produkten mit probiotischen Bakterien wie z.B.

L. casei Shirota. Hier konnte durch eine Probenaufbereitung zwar die Zahl der störenden Matrixbestandteile reduziert werden, gleichzeitig findet aber ein beträchtlicher Vitalitätsverlust der Bakterien statt, so dass Analysen besser ohne Aufbereitung durchgeführt werden sollten (BUNTHOF u. ABEE 2002). Da L. casei Shirota als einer der widerstandsfähigeren probiotischen Bakterienstämme gelten kann und viele Laktobazillen und vor allem Bifidobakterien wesentlich sauerstoffempfindlicher und stressanfälliger sind, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf eine über Verdünnung und Färben hinausgehende Probenaufbereitung verzichtet.

Die fünf untersuchten Milchmischerzeugnisse enthielten zwischen zwei und vier verschiedene Bakterienstämme. Teilweise konnten tote und lebende Bakterienwolken bestimmt werden, allerdings wurde eine Zuordnung der Wolken zu einem der deklarierten Stämme durch überlappende Bakterienwolken und Fett- bzw. Eiweißpartikel sehr erschwert. Dies wurde schon von BUNTHOF und ABEE (2002) beschrieben, die von einer Überlappung des FSC/SSC-Signals zwischen Bakterienwolken und Milchpartikeln ebenso berichten wie von

etwa 1010 störenden Partikeln/ml Milch. Diese hohe Partikeldichte kann durch Streuung und Absorption des Anregungs- und Emissionslichts zu einer Störung des Detektionssystems und zu verfälschten Messergebnissen führen. Auch bei der durchflusszytometrischen Analyse von Milchproben mit niedriger Zellzahl ist ein störender Einfluß von Fettpartikeln bekannt, der teilweise eine Auswertung der Messwerte verhindert (Köß 2004).

Die Untersuchung mittels OSV zeigte einen deutlichen Einfluß der Lagerungsdauer auf die L. acidophilus-Gruppe, die bis zum MHD relativ stabil blieb, um dann bis unter die Nachweisgrenze abzunehmen. Andere deklarierte Stämme der Spezies L. casei,L. delbrueckii ssp. bulgaricus und S. thermophilus, zeigten konstante Keimzahlen. Damit stehen die Ergebnisse im Einklang mit den Untersuchungen von NIGHSWONGER et al. (1996), DAVE u. SHAH (1998), KLEIN et al. (1999) und SODONI et al. (2002), die ebenfalls für die L. acidophilus-Gruppe einen deutlichen Vitalitätsverlust im Laufe der Lagerung beschreiben, während S. thermophilus, L. casei und L. delbrueckii ssp. bulgaricus als lagerungsstabil beschrieben werden.