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2.1 Probiotika

2.1.5 Anwendungsgebiete

2.1.5.1 Lebensmittel und Futtermittel

In fermentierten Lebens- und Futtermitteln werden Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien aus verschiedenen Gründen eingesetzt. Dazu zählen Geschmacksbildung und Texturgebung, Steigerung des Nährwertes, Vernichtung unerwünschter Komponenten, Steigerung der Verdaulichkeit und Haltbarmachung der Lebensmittel ebenso wie der Nutzen probiotischer Effekte.

Starterkulturen werden eingesetzt, um einen Reifungsprozess zu ermöglichen, anzustoßen oder zu beschleunigen. Einige Starterkulturen können zudem noch Lebensmittel vor ungünstigen Umwelteinflüssen oder Kontamination bewahren.

Tabelle 10: Wichtige wirtschaftlich genutzte Genera und Stämme der Milchsäurebakterien und ihre Anwendungsgebiete (modifiziert nach KLEIN 1998)

Anwendung1)

Genus Spezies

P S M F H

Lactobacillus L. acidophilus-Gruppe : • • • •

(L. acidophilus,L. crispatus,L. gasseri, L. johnsonii)

L. casei-Gruppe : • • • •

(L. casei,L. paracasei,L. rhamnosus)

L. reuteri/L. fermentum • • • • •

L. sakei/L. curvatus

Bifidobacterium B. longum, B. animalis, B. infantis, B. breve

Enterococcus Ec. faecium,Ec. faecalis

Lactococcus L. lactis subsp. lactis

Pediococcus P. acidilactici,P. damnosus, P. pentosaceus

Leuconostoc Lc. mesenteroides,Lc. lactis

Streptococcus Sc. salivarius subsp. thermophilus

Carnobacterium C. piscicola

1)= hauptsächlicher Anwendungsbereich F = Fleischtechnologie H = Humanmedizin M = Milchtechnologie P = Probiotikum S = Starterkultur

Probiotische Bakterien werden in der humanen Ernährung meist in Milchprodukte wie Joghurts, fermentierte Getränke aber auch Käse eingebracht. Hier sind vom Genus Bifido-bacterium v.a. B. bifidum,B. breve, B. infantis,B. longum und B. animalis von Bedeutung (ANONYM 1999c), während vom Genus Lactobacillus vor allem die L. acidophilus-, L. casei- und L. reuteri- Gruppe eingesetzt werden (KLEIN 1998). Einen Überblick über die Anwendungsgebiete der wichtigen witrschaftlich genutzten Genera und Stämme bietet Tabelle 10.

Für den bevorzugten Einsatz in Milchprodukten gibt es verschiedene Gründe (HELLER 2001):

x Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt haben gemeinhin den Ruf, gesundheitsförderlich zu sein

x Konsumenten sind mit der Tatsache vertraut, dass fermentierte Lebensmittel lebende Bakterien enthalten

x Probiotische Bakterien als fermentierende Mikroorganismen kombinieren das positive Ansehen von probiotischen und fermentierenden Bakterien

x Das Ansehen joghurtähnlicher Produkte als gesundes Nahrungsmittel erleichtern die Empfehlung des täglichen Verzehrs von Probiotika

Probiotische Bakterien werden aber ebenfalls in Rohwürsten, Schokolade, Kaugummi, Fruchtsäften, Müsli und Eis verarbeitet.

Hier sollten sie, um im menschlichen Organismus physiologische Leistung erbringen zu können, im Produkt in einer Konzentration von 106 KbE/ml bzw. g beinhaltet sein, die tägliche Dosis sollte bei 108- 109 KbE/ml bzw. g liegen (ANONYM 1999a).

Das Überleben und die spätere Aktivität von probiotischen Bakterien hängen von ver-schiedenen Faktoren ab. Abhängig vom physiologischen Status scheinen Bakterien während der logarithmischen Vermehrungsphase stressanfälliger als während der stationären Phase zu sein (KOLTER et al. 1993). Physikalische Lagerungsbedingungen nehmen Einfluss, so wirkt sich eine kühle Umgebungstemperatur positiv auf das Überleben der probiotischen Bakterien aus (SHAH et al. 1995, DAVE u. SHAH 1997). Chemische Eigenschaften des Produktes wie pH-Wert, Sauerstoff- und Kohlenhydratgehalt nehmen ebenso wie mögliche Interaktionen mit Starterkulturen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit und das Wirkungspotential der probiotischen Bakterien (RADKE-MITCHELL u. SANDINE 1986, PEREZ et al. 1991).

Milchprodukte

Klassischer Joghurt wird per definitionem durch den Starterkultureneinsatz von S. thermophilus, und L. delbrueckii subsp. bulgaricus hergestellt, welche sich gegenseitig im Wachstum fördern, was innerhalb weniger Stunden zu einer pH-Wert Absenkung unter 4,0 führt. Ein Initialwachstum von S. thermophilus in Milch bildet die ersten Wachstumsreize für L. bulgaricus, welcher seinerseits Proteolysate sezerniert, die das Streptokokkenwachstum fördern. Milder Joghurt enthält ebenfalls S. thermophilus, aber als Laktobazillus-Spezies zumeist L. acidophilus, so dass die Säuerung etwa 6-8 Stunden dauert und der pH-Wert des Produktes meist höher als 4,0 ist.

Der beste Zeitpunkt für den Zusatz von probiotischen Bakterien für Joghurtprodukte ist nach dem Rühren oder vor dem Verpacken, wobei der Zusatz bei stichfestem Joghurt bereits vor der Fermentation erfolgen muss, um die produkttypische Textur zu bewahren. Bei mildem Joghurt können probiotische Bakterien auch als Starterkulturen genutzt werden, allerdings ist die Herstellung ein Kompromiss zwischen der vollen Entfaltung des probiotischen Potentials und der technologischen Eignung der Bakterien. In der Frischkäseherstellung behindert der Prozess des Brennens, also des Erhitzen der Gallerte, den frühen Einsatz von probiotischen Bakterien, da die Überlebensfähigkeit bei Temperaturen von • 50 °C fraglich ist. Ferner würde durch die Trennung von Molke und Käsebruch ein unkalkulierbarer Verlust von probiotischen Bakterien auftreten, so dass keine Mindestanzahl garantiert werden kann.

Besser ist die nachträgliche Zugabe zum Koagulum mit der Sahne. In gereiften Käse werden kaum probiotische Stämme eingebracht, da wegen der langen Reifungszeit einerseits die Überlebensfähigkeit der Bakterien, andererseits die Beeinflussung ihrer Funktionalität bisher nicht ausreichend geklärt ist (HELLER 2001, HELLER et al. 2004).

Fleischprodukte

Milchsäurebakterien wie Laktobazillen und Pediokokken, aber auch ausgesuchte Hefen, Schimmelpilze und Staphylokokken werden als Starter- und Schutzkulturen zur Herstellung und Reifung von Fleischwaren eingesetzt. Genutzte technologische Eigenschaften sind z.B.

Laktatbildung und daraus resultierende pH-Wert-Absenkung sowie die antagonistische Wirkung gegen unerwünschte Begleitflora. Vor allem bei der Herstellung von Rohwürsten

nutzt man die schnellere Nitratreduzierung und –abbau als Folge des raschen niedrigen pH-Wertes (CORETTI 1977).

Anders als bei Milchprodukten wurde bisher wenig auf das probiotische Potential von Fleischwaren geachtet (ARIHARA 2004).

TYÖPPÖNEN et al. (2003) sind der Ansicht, dass in Fleischprodukten Milchsäurebakterien sowohl als bioprotektive Kulturen und fermentierte Substanzen als auch als Probiotika eingesetzt werden können.

2.1.5.2 Pharmazeutische Präparate

Als pharmazeutische Präparate werden probiotische Bakterien in galenischer Formulierung als Tütchen oder Kapseln mit lyophylisiertem Bakterienpulver, gepressten Tabletten, wässrige oder ölige Lösungen mit lebenden Bakterien oder deren Bestandteilen sowie Vaginalzäpfchen vertrieben.

Probiotische Therapeutika werden bei durch Antibiotikatherapie oder durch pathogene Mikroorganismen bedingten Entgleisungen der gastrontestinalen Mikroflora ebenso eingesetzt wie zur Behebung einer Dysbakteriose der Vagina oder der Stimulation des Immunsystems (TUOHY et al. 2003, SARTOR 2004, SCHULTZ et al. 2004, PODGORSKII et al. 2006).

Als Voraussetzung für den therapeutischen Einsatz ist die Auswahl geeigneter Präparate und eine entsprechende Dosierung zu sehen sowie die laufende bakteriologische Kontrolle bei Drogen mit lebensfähigen Bakterienarten (REUTER 1969).