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6 Telemediale Präsentation der Inhalte

6.4 Beschreibung und Analyse exemplarischer medialer

6.4.3 Fallbeispiel C Adaptive und adaptierbare Benutzerführung:

Hintergrundinformationen

Das hypermediale Lernprogramm Incops65: (Introduction to Cognitive Psychology) wurde an der Universität des Saarlandes mit einer doppelten Zielsetzung entwickelt:

Zum einen ist es als multimediales Lehr- / Lernsystem für den Einsatz in der univer-sitären Lehre konzipiert, zum anderen soll es ein Forschungsszenario bieten, um multimediale Lernumgebungen in der Hochschullehre zu untersuchen. Seit dem WS 1998 / 1999 wird Incops am Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Universität des Saarlandes eingesetzt und kontinuierlich weiterentwickelt. Gleichzeitig steht es allen Interessierten frei zugänglich im WWW zur Verfügung.

65 http://www.incops.de

Es bietet eine Einführung in die Kognitionspsychologie und deckt den Stoff der Lehrveranstaltung „Lernen, Denken, Gedächtnis“ ab. Prinzipiell ermöglicht es ein vollständig zeit- und ortsunabhängiges Lernen, das mit Ausnahme einer schriftlichen Klausur komplett webbasiert ist. Evaluationsergebnisse zeigen, dass Incops von den Studierenden zwar als sinnvolle Ergänzung zur Lehrveranstaltung angenommen wird, nicht aber als Ersatz. Studierende und Lehrende halten wöchentliche Präsenztreffen weiterhin für sinnvoll, um inhaltliche Fragen oder Probleme untereinander zu diskutieren (Klein, Dörr & Weber 1999).

Obwohl Kognitionspsychologie nicht zu dem fachlichen Spektrum der tele-matischen Lehr- und Lernformen gehört, die in diesem Bericht betrachtet werden, wird es dennoch vorgestellt, da es eine besondere Form der flexiblen Navigationsunter-stützung durch dynamisch generierte Webseiten bietet. Diese Benutzerführung ist nicht an das Fachgebiet Psychologie gebunden, sondern kann prinzipiell auf alle anderen Fachgebiete übertragen werden.

Mediale Präsentation – adaptive und adaptierbare Benutzerführung

Incops präsentiert den Lehrstoff der kognitiven Psychologie über dynamisch erzeugte Hypertextseiten, die teilweise mit Grafiken versehen sind und einige Animationen ent-halten. Die Animationen dienen zur Simulation psychologischer Experimente und setzen ein Shockwave-Plug-In voraus. Insgesamt umfasst Incops ca. 500 Textseiten und zusätzlich rund 2.100 Fragen zum Stoffgebiet. Implementiert ist das Lernsystem auf einem CL-HTTP-Server, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) für Künstliche Intelligenz-Anwendungen entwickelt wird66.

Bei der Implementierung von Incops sollen die Vorteile des selbst gesteuerten Lernens in einer hypertextbasierten Lernumgebung realisiert, gleichzeitig aber auch die schwerwiegenden Nachteile der Desorientierung und der kognitiven Überlast (vgl.

Kap. 6.1) durch eine besondere Art der Navigationsgestaltung vermieden werden.

Die Unterstützung der Lernenden bei der Orientierung innerhalb des Lernprogramms Incops setzt dabei auf mehreren Ebenen an:

Fest verankerte Steuerungsleiste mit Buttons

Im oberen Teil des Bildschirms findet sich stets sichtbar eine fest verankerte Menü-leiste, über die alle Funktionen des Programms über Buttons aufzurufen sind. Die

66 Da der Quellcode dieses Servers frei zugänglich ist, kann der Server optimal an die Erfordernisse eines spezifischen Kurses angepasst werden. Das Internet-Autorensystem ART-Web (http://www.net-coach.de/index.html) ist speziell auf diesen Server abgestimmt und erleichtert speziell die Implementierung adaptiver Systeme.

Abbildung 36: Navigationsunterstützung im webbasierten Lernprogramm Incops (Universität des Saarlandes)

einzelnen Funktionen werden mit Icons veranschaulicht, sind mit einem Stichwort be-schriftet und eine kurze Erklärung kann per „mouse over“-Effekt abgerufen werden.

Zu den Funktionen des Programms, die an dieser Stelle aufgerufen werden können, gehört auch eine Bedienungsanleitung („Manual“), die über alle Funktionen, die unter-schiedlichen Navigationswege und die wählbaren Unterstützungen sowie ihre visuelle Codierung übersichtlich informiert.

Lokale und globale Inhaltsverzeichnisse

Im linken Bildschirmteil wird in Abhängigkeit von der aktuell aufgerufenen Seite stets ein lokales Inhaltsverzeichnis erzeugt. Es stellt den aktuellen Standort sowie die weitere Struktur des jeweiligen Kapitels dar. Die Kapitelstruktur ist wie in einer Baumstruktur aufklappbar und lässt sich auch nutzen, um weitere Seiten direkt anzu-wählen.

Ein komplettes Inhaltsverzeichnis mit allen verfügbaren Seiten, die ebenfalls als Hyperlinks direkt anwählbar sind, kann über den Button Inhalt in der Steuerungsleiste aufgerufen werden. Der vollständige Inhalt von Incops wird hier entsprechend seiner hierarchischen Struktur angezeigt, wenn ein Gesamtüberblick über das Stoffgebiet erwünscht ist.

Abbildung 37: Animation zur Simulation eines Problemlöseprozesses im webbasierten Lern-programm Incops (Universität des Saarlandes)

Adaptive Benutzerführung

Die adaptive Benutzerführung bietet eine besondere Art der Navigationsunterstützung.

Neben der vollständig selbst gesteuerten Navigation über das direkte Anwählen von Informationsseiten in den Inhaltsverzeichnissen oder dem linearen Blättern durch die festgelegte Kapitelstruktur von Incops besteht die dritte Möglichkeit in einer benutzer-angepassten, individualisierten Guided Tour. Sie wird vom System während der Lauf-zeit generiert, also während der Lernende mit dem System umgeht. Incops erzeugt dabei auf der Basis von Benutzereingaben eine bestimmte Seitenauswahl als empfoh-lenen Pfad durch den Lernstoff. In die Berechnung des Systems gehen verschiedene Informationen ein:

• Angaben, die die Lernenden über ihre Vorkenntnisse gemacht haben,

• bereits besuchte Seiten,

• Ergebnisse aus Vortests zu den jeweiligen Kapiteln bzw. Ergebnisse der Fragen zur Wissensüberprüfung am Ende jeder Lerneinheit.

Die Lernpfadvorgabe erscheint in einem Vorschlag, welche Seite als nächste bear-beitet werden sollte (wobei über die anderen Navigationsmöglichkeiten auch davon abgewichen kann). Sie äußert sich aber auch in der Auswahl und Anzahl zu beant-wortender Übungsfragen (s. weiter unten Wissensdiagnose und Rückmeldungen).

Gleichzeitig wird die ständig dynamisch generierte Guided Tour auch für die visuelle Darstellung der Navigationsmöglichkeiten ausgewertet. Im lokalen wie globalen

Inhaltsverzeichnis werden alle aufgeführten Textseiten bzw. Kapitel mit zusätzlichen Symbolen versehen. Sie zeigen dem Lernenden in Form von farbigen Punkten und be-stimmten Schriftauszeichnungen an, welche Seiten er bereits besucht hat, welche Auf-gaben bereits bearbeitet wurden, welche Seiten seinem Wissensstand entsprechend jetzt sinnvoll zu besuchen wären und für welche Seiten ihm nach Kenntnis des Systems die Voraussetzungen fehlen. Werden solche Seiten dennoch besucht, erscheint ein Warnhinweis in Textform.

Wissensdiagnose und Rückmeldungen

Incops sieht verschiedene Formen der Wissensdiagnose und -überprüfung vor. Zu jedem Kapitel gibt es Vortests, die das Vorwissen zu dem betreffenden Kapiteln ermitteln sollen. Auf dieser Grundlage empfiehlt die adaptive Benutzerführung inner-halb von Incops dann individuelle Wege durch das Lehr- / Lernmaterial. Seiten mit Inhalten, die der Lernende bereits im Vortest bewältigen konnte, werden ihm nicht mehr vorgeschlagen.

Nach jeder Lerneinheit werden den Lernenden Übungsfragen gestellt. Je nach Be-antwortung der Fragen werden weitere Fragen offeriert. Prinzip ist dabei, dass bei fehlerhafter Beantwortung mehr Fragen gestellt werden. Richtig beantwortete Fragen werden dem Lernenden nicht erneut präsentiert. Jedes Kapitel schließt mit einem Ab-schlusstest ab.

Frageformen sind bei allen Wissenstests entweder Multiple-Choice-Fragen, Lückentextaufgaben oder Freitextfragen. Zu allen Fragen gibt es Lösungshinweise und Musterlösungen sowie eine bilanzierende Rückmeldung über Prozentzahlen des

„gelernten“ Stoffes. Diese Form der Überprüfung beschränkt sich allerdings auf deklaratives Wissen. Zusätzlich sind die Freitextantworten kaum fehlertolerant, d.h. es muss eine weit gehend wörtliche Übereinstimmung vorliegen. Damit können nur Fachbegriffe etc. abgefragt werden.

Die Übungsfragen dienen der selbsttätigen Überprüfung des Lernstandes und können damit das selbst gesteuerte Lernen unterstützen. Angestrebt wird mit ihnen auch eine aktivere Auseinandersetzung mit den dargebotenen Inhalten. An der grund-sätzlich rezeptiven Haltung der Lernenden beim Arbeiten mit dem Programm ver-mögen sie allerdings nichts zu ändern.

Adaptierbarkeit des Systems

Mit der beschriebenen Adaptivität ist immer auch die Gefahr einer gewissen Starrheit des Systems gegeben: oft werden dem Lernenden in solchen Systemen freiere, explorative Wege durch das dargebotene Material verstellt oder zumindest erschwert.

Incops zeichnet sich dadurch aus, dass das System auch adaptierbar ist, d.h. der Benutzer kann das System weit gehend an seine Bedürfnisse anpassen. So kann die adaptive Benutzerführung in unterschiedlichen Stufen ab- oder zugeschaltet werden (Vorschläge für nächste Seite / Warnhinweise, falls Vorkenntnisse nicht

aus-reichen / Kommentierung der Seiten in den Inhaltsverzeichnissen). Auf die Präsentation von Übungsaufgaben nach den Lerneinheiten kann vollständig verzichtet werden. Damit wird das Arbeiten mit dem Material auch komfortabel möglich, wenn man nur Teile bearbeiten möchte und Einzelheiten nachschlagen will.

Zusätzlich können weitere Darstellungsparameter auf dem Bildschirm an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden (Frames, Schriftgröße etc.)

Die Adaptivität des Systems erinnert an intelligente tutorielle Systeme im Rahmen der CBT-Entwicklung, die sich aufgrund der Schwierigkeit, flexible, bedienungs-freundliche und mit sinnvoller Adaptivität ausgestattete Systeme zu entwickeln, nicht durchgesetzt haben. Da die Adaptivität von Incops auf die Frage, welche Lerninhalte bereits bearbeitet wurden bzw. auf leicht identifizierbare Vorkenntnisse beschränkt bleibt und gleichzeitig von Vorschlägen des Systems auch flexibel abgewichen werden kann, ist der Beitrag zur Reduzierung der kognitiven Überlast wesentlich höher ein-zuschätzen als der Nachteil von zeitweiliger Starrheit bzw. Fremdbestimmtheit.

Insbesondere die übersichtlichen und visuell codierten Hinweise in den Inhalts-verzeichnissen erleichtern das Navigieren und vermeiden, dass Lernkapazität durch reine Orientierungsfragen gebunden werden.

7 Resümee: Konsequenzen für die didaktisch-methodische