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Extreme Hochwasserverhältnisse

3 Standorteigenschaften und externe Ereignisse

3.3 Verkehrswege, Betriebe, Rohrleitungsanlagen, Wälder

3.5.2 Oberflächengewässer

3.5.2.2 Extreme Hochwasserverhältnisse

Extreme Hochwasserabflüsse werden nachfolgend mit zwei voneinander unabhängigen Methoden ermittelt:

- Probabilistische Methode: Ermittlung des Hochwasserabflusses mit der Überschreitungshäu-figkeit von 10-4/a, wie es für Naturereignisse nach der Verordnung (UVEK 2009) vorgegeben wird.

- Deterministische Methode: Ermittlung des "mutmasslich grössten Hochwassers“, des sog.

PMF (Probable Maximum Flood), wie es im Stauanlagenbau üblich ist.

Ermittlung extremer Hochwasserabflüsse mit der probabilistischen Methode

Die Ermittlung extremer Hochwasserabflüsse mit bestimmter Eintrittshäufigkeit4 erfolgt mit Fre-quenzanalysen. Wie in Kapitel 3.5.2.1 begründet, wird für die Berechnungen die Periode 1972 - 2007 verwendet.

Bei der Durchführung der Frequenzanalysen wurden folgende Verteilungsfunktionen verwendet:

- Gumbel - Pearson III - Log-Pearson III - Log-Normal

- 3-Parameter Log-Normal

Für sämtliche durchgeführten Frequenzanalysen wurden statistische Tests (χ2-Tests) mit dem Sig-nifikanzniveau 5% durchgeführt. Mit dieser Testbedingung werden die Gumbel-, Pearson III- und die log-Pearson III-Verteilungen verworfen und die log-Normalverteilungen akzeptiert. Die Tabelle 3.5-2 enthält die Resultate für die log-Normalverteilungen. Zum Vergleich ist zusätzlich der von den Kantonen Solothurn und Aargau festgelegte Wert für das Hochwasser mit Eintrittshäufigkeit 10-2/a (HQ100) für das WKW Gösgen angegeben (Kanton SO, AG 2009). Für den Standort KKN wird für das 10-4/a-Hochwasser das Maximum aus den beiden Verteilungen gewählt (1'700 m3/s).

Für die 10-2/a und 10-3/a-Hochwasserabflüsse werden aus Kompatibilitätsgründen die Werte über-nommen, die für das WKW Gösgen am Stauwehr Winznau festgelegt sind (Atel Hydro 2009). Die-se Werte liegen zwischen den Werten der zwei log-Normalverteilungen.

4 Der Umkehrwert der Häufigkeit ist in der Hydrologie als Wiederkehrperiode (Jährlichkeit) bekannt.

Tabelle 3.5-2 Ermittelte Hochwasserabflüsse verschiedener Eintrittshäufigkeit am Standort KKN (Wehr Winznau)

Eintrittshäufigkeit [1/a] 10-1 (HQ10)

2 · 10-2 (HQ50)

10-2 (HQ100)

5 · 10-3 (HQ200)

10-3 (HQ1’000)

10-4 (HQ10'000) Log-Normalverteilung 1'100 1'300 1'350 1'450 1'600 1'700 3-Parameter Log-Normalverteilung 1'100 1'225 1'275 1'300 1'400 1'500 Hochwasserabflüsse für den Standort KKN 1’100 1’300 1’450 1’700 Kantone Solothurn und Aargau

(Kanton SO, AG 2009) 1'400

Die 2 · 10-2/a (HQ50)-, 10-2/a (HQ100)- und 5 · 10-3/a (HQ200)-Abflüsse in der Tabelle 3.5-2 sind deut-lich höher als die entsprechenden Werte in der Tabelle 3.5-1 (nach Umrechnung mit dem Faktor 1.073 gemäss Umrechnungsformel im Kapitel 3.5.2.1). Dieser Unterschied widerspiegelt den Ein-fluss der unterschiedlichen Referenzperioden mit der Zunahme der Maximalabflüsse ab 1972.

Für die Überflutungsmodellierungen (Kapitel 3.5.2.7) werden für die Hochwasserereignisse mit den Häufigkeiten von 10-2/a, 10-3/a und 10-4/a die für den Standort KKN festgelegten Abflüsse aus der Tabelle 3.5-2 verwendet.

Abbildung 3.5-4 zeigt die durch die Frequenzanalyse ermittelte Kurve für den Standort KKN (resp.

Wehr Winznau) entsprechend der 3-Parameter log-Normalverteilung mit dem Konfidenzintervall von 90%.

Die Extremwertverteilung (rote Kurve in Abbildung 3.5-4) wird massgeblich durch das extreme Er-eignis vom 9. August 2007 beeinflusst. Für dieses HochwassererEr-eignis wird aus dem in Murgen-thal gemessenen Maximalabfluss von 1'262 m3/s ein Maximalabfluss von rund 1'350 m3/s beim Standort KKN ermittelt.

Ereignis 2007: Qmax = 1'350 m3/s

Abbildung 3.5-4 3-Parameter log-Normalverteilung der Jahresmaxima Standort KKN mit 90% Konfidenzintervall

Ausblick

Eine klimabedingte Zunahme von Extremniederschlägen ist zu erwarten, aber derzeit nicht quanti-fizierbar (siehe Kapitel 3.4.10.1). Der Einfluss einer solchen Zunahme wird in der Überflutungsmo-dellierung im Kapitel 3.5.2.7 mit der Berücksichtigung eines gegenüber dem 10-4 /a-Hochwasserabfluss um 10% erhöhten Abflusses von 1'870 m3/s aufgezeigt.

Für die Festlegung von Auslegungswerten im Baubewilligungsverfahren ist es allerdings nicht vor-gesehen, die Ergebnisse von Extremwertanalysen mit Abschätzungen zu den Auswirkungen von Klimaänderungen zu überlagern.

Ermittlung des PMF (Probable Maximum Flood)

Das PMF wird mit einem deterministischen Ansatz ermittelt. Es wird u. a. aus einem "mutmasslich grössten Niederschlag“ (PMP = Probable Maximum Precipitation) bestimmt. Für die Ermittlung des PMP und des PMF werden Auslöseereignisse ohne bestimmte, begrenzende Eintrittshäufigkeiten

postuliert. Die nicht quantifizierten Eintrittshäufigkeiten können dabei durchaus bei weniger als 10 pro Jahr liegen.

Der Hochwasserabfluss der Aare bei Murgenthal wird im Wesentlichen durch den Abfluss der Emme (Einzugsgebiet 939 km2), durch den Ausfluss des Bielersees beim Wehr Port (Einzugsge-biet 8'293 km2) sowie durch den Abfluss des Zwischeneinzugsgebietes zwischen dem Wehr Port und Murgenthal (Einzugsgebiet ohne Emme 887 km2) bestimmt.

Zur Bestimmung des PMF werden obige drei Abflusskomponenten separat betrachtet und an-schliessend kombiniert. Das Ergebnis wird mit den Untersuchungen über Extremhochwasser im Einzugsgebiet der Aare (Kanton BE 2007), welche im Auftrag des Kantones Bern im Jahre 2007 durchgeführt wurden, verglichen. Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammengefasst. Einzel-heiten sind im Fachbericht (AF-Colenco 2009d) enthalten.

Abfluss aus dem Einzugsgebiet der Emme

Der grösste Zubringer der Aare zwischen dem Wehr Port (Bielersee) und dem Standort KKN ist die Emme. Das Gesamteinzugsgebiet beim Pegel Wiler beträgt 939 km2, beim Pegel Emmenmatt sind es 443 km2. Beobachtungen bei Wiler liegen seit 1922 und bei Emmenmatt seit 1918 vor. Die Hochwasser der Emme weisen typischerweise scharfe, kurzfristige Spitzen auf.

Statistische Auswertungen für die Eintrittshäufigkeiten von 10-2/a (HQ100), 10-3/a (HQ1’000) und 10 4/a (HQ10’000) liefern für den Pegel Wiler Abflüsse von 565, 850 und 900 m3/s. Der Maximalab-fluss der Emme erreichte 2007 mit 663 m3/s den höchsten beobachteten Wert. Das extreme Hochwasser von 2005 betrug 583 m3/s.

Basis zur Bestimmung des PMF der Emme bildet einerseits das Hochwasser von 2005. Für dieses Ereignis von der Dauer von 2 bis 3 Tagen stehen detaillierte Niederschlagskarten zur Verfügung.

Betroffen von den Starkniederschlägen waren dabei vor allem die oberen ca. 675 km2 im Einzugs-gebiet der Emme.

Andererseits wurden im Auftrag des Bundesamtes für Energie an der ETH Lausanne PMP-Karten verschiedener Regendauern für die ganze Schweiz abgeleitet (PMP 2007). Eine Auswertung die-ser PMP-Karten ergibt für Emmenmatt 1.4 bis 1.5 Mal höhere Werte als beim Hochwasdie-serereignis von 2005. Aufgrund dieses Resultats wird durch Skalierung ein PMF von rund 1'000 m3/s für den Pegel Wiler ermittelt.

Abfluss aus dem Bielersee beim Wehr Port

Bei lange dauernden Ereignissen, insbesondere bei grossräumigen Niederschlägen, ist zu

erwar-Im Rahmen der zweiten Juragewässerkorrektion (2. JGK) wurde festgelegt, dass mit Hilfe der Wehrregulierung der Abfluss der Aare beim Pegel Murgenthal im Normalfall höchstens 850 m3/s betragen darf (sogenannte Murgenthalbedingung). Diese Abflussmenge soll sicherstellen, dass sich die Hochwassergefahr in den unterliegenden Gebieten bei ohnehin kritischen Situationen nicht noch zusätzlich verschärft.

Um in Murgenthal den Abfluss von 850 m3/s einzuhalten, muss der Abfluss beim Wehr Port we-sentlich unter 650 m3/s gedrosselt werden.

Betrachtet man die letzten grossen Hochwasser der Jahre 2005, 2006 und 2007, so stellt man zwar einerseits fest, dass die Murgenthalbedingung wegen den Hochwasserspitzen der Emme nicht eingehalten werden konnte (Abflüsse in Murgenthal: 937, 946 und 1'262 m3/s). Andererseits zeigen die Aufzeichnungen des BAFU, dass zum Zeitpunkt des Auftretens der Maximalabflüsse der Emme der Abfluss beim Wehr Port immer deutlich unter 650 m3/s lag (vgl. fettgedruckte Zah-len in untenstehender Tabelle 3.5-3).

Tabelle 3.5-3 Gemessene Maximalabflüsse der Emme und der Aare in Murgenthal und Ausfluss der Aare am Wehr Port (Pegel Brügg Ägerten)

HW-Datum Maximalabfluss Emme [m3/s]

Maximalabfluss in Murgenthal [m3/s]

Ausfluss Wehr Port am HW-Datum / 1 Tag später (Tagesmittel) [m3/s]

22.08.2005 583 937 328 / 567 10.04.2006 179 946 445 / 616 09.08.2007 663 1'262 343 / 631

Aufgrund dieser Fakten wird für die Ermittlung des PMF für den Standort KKN berücksichtigt, dass der Abfluss aus dem Bielersee (Wehr Port), der mit dem PMF der Emme zu überlagern ist, höchs-tens 650 m3/s beträgt.

Abfluss aus dem Zwischeneinzugsgebiet (ZE , Brügg - Murgenthal)

Im Gegensatz zur Emme mit den scharfen, kurzfristigen Spitzen sind die Abflüsse aus dem Zwi-scheneinzugsgebiet ausgeglichener. Sie können daher mit genügender Genauigkeit aus den Ta-gesmitteln (TM) der Abflüsse aus Murgenthal abzüglich der Tagesmittel der Emme sowie Brügg rekonstruiert werden:

QTM-ZE = QTM-Murgenthal - QTM-Emme - QTM-Brügg

Der so berechnete Maximalwert der Tagesmittel von QTM-ZE beträgt 240 m3/s und wurde während des Hochwassers von 2007 erreicht. Frequenzanalysen ergeben einen 10-3/a-Hochwasserabfluss von 300 m3/s und einen 10-4/a-Hochwasserabfluss von 350 bis 400 m3/s. Die Abflüsse aus dem Zwischeneinzugsgebiet werden den Maximalabflüssen der Emme überlagert. Zur Ermittlung des PMF für den Standort KKN wird angenommen, dass der Abfluss des Zwischeneinzugsgebietes bei gleichzeitigem Auftreten des PMF der Emme (1'000 m3/s) nicht mehr als der 10-3 /a-Hochwasserabfluss von 300 m3/s beträgt. Die Kombination dieser beiden sehr seltenen Ereignisse

zur Ermittlung des PMF für den Standort KKN ist konservativ, da sie aus hydrologischen bzw. me-teorologischen Gründen kaum gleichzeitig erfolgen können.

Ermittlung des PMF für den Standort KKN

Gemäss obigen Betrachtungen ergibt sich für das Einzugsgebiet Murgenthal folgendes PMF:

- Abfluss aus dem Bielersee (Wehr Port) 650 m3/s - Abfluss aus dem Zwischeneinzugsgebiet (10-3/a) 300 m3/s - PMF aus dem Einzugsgebiet der Emme 1’000 m3/s - PMF in Murgenthal = 650 + 300 +1’000 m3/s 1'950 m3/s

Das PMF für den Standort KKN berechnet sich proportional der Einzugsgebietsgrösse mit 107.3 % des PMF in Murgenthal.

PMF für den Standort KKN: 2'100 m3/s

Im Fachbericht (AF-Colenco 2009d) wird gezeigt, dass 2'100 m3/s durch die Aare Richtung Wehr Winznau auch tatsächlich abgeführt werden können.

Vergleich mit der Studie "Extremhochwasser im Einzugsgebiet der Aare" (EHW-Studie) In der EHW-Studie (Kanton BE 2007) wurde das gesamte Einzugsgebiet der Aare bis Murgenthal einschliesslich ihrer wichtigsten Zuflüsse in Bezug auf extreme Hochwasserereignisse untersucht.

Dabei wurden verschiedene hydrometeorologische Szenariengruppen (SZG) entwickelt:

- SZG 1: Intensive Schneeschmelze in den Voralpen und den Alpen im Frühling/Frühsommer, kombiniert mit intensiven Niederschlägen, führen zu hohen Seeständen in den Jurarandseen - SZG 2: Schneeschmelze im Mittelland im Spätherbst oder im Winter, die durch einen

Warm-lufteinbruch zusammen mit intensivem Regen ausgelöst wird, führt zu einem sehr grossen Wasseranfall aus dem Mittelland

- SZG 3: Abfolge von mehreren mehrtägigen grossräumigen Niederschlagsereignissen hoher

Auf Basis obiger Szenarien wurde in der EHW-Studie über das Einzugsgebiet der Aare ein hydro-logisches Modell entwickelt. Für die Szenariengruppe SZG 3 ergibt sich dabei für den Abfluss in Murgenthal ein maximaler Tagesmittelwert von 1’355 m3/s. Aufgrund einer Analyse sämtlicher ver-fügbarer Hochwasserdaten bei Murgenthal wird der dazugehörende Maximalabfluss zu 1.2 x 1’355

= 1’626 m3/s ermittelt (AF-Colenco 2009d).

Der korrespondierende Maximalabfluss der Emme wird wie folgt ermittelt:

- Maximalabfluss in Murgenthal 1’626 m3/s

- Maximalabfluss aus dem Bielersee (EHW-Studie) -650 m3/s - Abfluss aus dem Zwischeneinzugsgebiet ohne Emme -300 m3/s

- Maximalabfluss der Emme 676 m3/s

Eine Auswertung der PMP-Karten ergibt 1.2 bis 1.4 Mal höhere PMP-Werte als die verwendeten Gebietsniederschläge für SZG 3 (AF-Colenco 2009d). Aufgrund dieses Resultats wird durch Ska-lierung ein PMF für die Emme von 1.4 x 676 ≈ 950 m3/s am Pegel Wiler ermittelt. Dies ergibt für den Standort KKN ein PMF von 1.073 x (950 + 300 + 650) ≈ 2'040 m3/s.

Das durch zwei Methoden ermittelte PMF von 2’040 - 2'100 m3/s wird nachfolgend mit dem für die Sicherheitsanalyse von Stauanlagen zu betrachtenden Sicherheitshochwasser verglichen. Nach den Richtlinien gemäss (BWG 2002a) entspricht das Sicherheitshochwasser dem 1.5fachen HQ1’000 oder 1.5 x 1'450 m3/s = 2'175 m3/s. In vielen anderen Ländern wird das Sicherheitshoch-wasser für Stauanlagen dem PMF gleichgesetzt.

Das eingangs ermittelte PMF von 2'100 m3/s für den Standort KKN wird durch diese Vergleichs-rechnung bestätigt.

Ausblick

Mit einer Änderung des Regulierreglementes wird neu eine Prognoseregulierung für den Bielersee eingeführt (BAFU 2009). Damit ist zu erwarten, dass die Murgenthalbedingung mit dem Zielwert von 850 m3/s für den Maximalabfluss der Aare bei Murgenthal in Zukunft besser eingehalten wird.