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2 Planung und Vorbereitung von Monitoringaktivitäten

2.2 Anforderungen der Risikobewertung an die Monitoringprogramme

2.2.1 Expositionsschätzung entlang der Prozessketten

Für die Expositionsschätzung ist es von besonderer Bedeutung, die jeweiligen Wege (Pfade) zu beschreiben und hierbei die Veränderung der Prävalenz und Konzentration eines Erregers zu betrachten. Die Ergebnisse aus gezielten Studien (Surveys), Monitoringprogrammen sowie den Surveillance-Programmen sind somit wichtige Informationsquellen für die Expositions-schätzung. Diese Ergebnisse werden ergänzt durch Erkenntnisse der prädiktiven Mikrobiolo-gie, die es erlauben, die Wirkung von Prozessen auf die Veränderung der Prävalenz oder Er-regerkonzentration vorherzusagen.

Prävalenzschätzung. Zielstellung der nationalen Monitoringprogramme ist es, die Prävalenz der jeweiligen Erreger sowie ggf. der Antibiotikaresistenzen auf der jeweiligen Stufen der Lebensmittelkette zu schätzen. Hierbei werden Erreger und Resistenzen betrachtet, die von Bedeutung für die menschliche Gesundheit sind. Ergänzend werden Informationen erhoben, die es ggf. erlauben, Faktoren mit besonderem Einfluss auf die Prävalenz bzw. die Risiken für die menschliche Gesundheit zu erfassen. Nach Durchführung derartiger Programme auf ver-schiedenen Stufen der Lebensmittelkette oder nach wiederholter Durchführung auf der glei-chen Stufe der Lebensmittelkette können Veränderungen in der Prävalenz, sowohl der Erreger wie auch ihrer Eigenschaften bewertet werden.

In Publikation 5 wurde dies für die Gewinnung von Daten zu Antibiotikaresistenzen bei kommensalen E. coli im Detail beschrieben. Resistente Krankheitserreger und kommensale Keime können über verschiedene Wege (Expositionspfade) auf den Menschen übertragen werden (FDA, 2001; EFSA, 2007d; FAO/WHO/OIE, 2008; EFSA, 2008c). Die Exposition der Bevölkerung durch den Verzehr oder die Handhabung von Lebensmitteln ebenso wie durch den direkten Kontakt mit Tieren, und die Exposition über die Umwelt können zu einer Besiedelung oder Infektion mit resistenten Keimen oder dem Transfer von Resistenzeigen-schaften (Determinanten) auf andere Keime führen. Aber auch der Austrag der Erreger in die Umwelt kann zur Ausbreitung der resistenten Keime oder der Resistenzdeterminanten führen.

Daher wird von verschiedenen Internationalen Organisationen betont, dass es wichtig ist ein Resistenzmonitoring implementiert zu haben, das Tiere, Lebensmittel und den Menschen

um-fasst (FAO/WHO/OIE, 2008; EFSA, 2008c; EFSA, 2009a). Die Abschätzung der Risiken, die sich für den Verbraucher durch die Exposition mit von Lebensmitteln übertragenen resisten-ten Keimen ergibt, sowie die Ableitung von geeigneresisten-ten Begrenzungsmaßnahmen für diese Gefahren soll hierbei den vom Codex Alimentarius in 2011 etablierten Prinzipien folgen (Co-dex Alimentarius, 2011).

Wirkung von Prozessen auf die Prävalenz. Bei der Aus- und Bewertung von Daten ist es wichtig und hilfreich, dies durch mathematische Modellierung zu unterstützen. Dieses Thema wird in Publikation 6 für die Futtermittelkette betrachtet. So kann z. B. das Überleben, die Vermehrung sowie die Ausbreitung von Mikroorganismen in einer definierten Umgebung (z. B. einem Lebensmittel) anhand von Methoden der prädiktiven Mikrobiologie abge-schätzt werden. Hierbei werden, aufbauend auf Wissen zu den Eigenschaften eines Erregers (z. B. D-Referenzwert (Dezimale Reduktionszeit): Zeit, die bei einer bestimmten Temperatur erforderlich ist, um eine Reduktion der Keimzahl um 90% zu erreichen) und einem mathema-tischen Modell (z. B. nach Bigelow (Bigelow, 1921)) unter Berücksichtigung der im jeweili-gen Lebensmittel vorherrschenden Bedingunjeweili-gen (z. B. Temperatur-, pH-, aw-Wert (Wasser-aktivität, activity of water)) die Reduktion der lebensfähigen Mikroorganismen ermittelt (van Asselt u. Zwietering, 2006). Aufbauend auf den hierbei abgeleiteten Hypothesen können ge-zielt Untersuchungen geplant und durchgeführt oder die Wirkung möglicher Maßnahmen ab-geschätzt werden. Obwohl das Verfahren der prädiktiven Mikrobiologie in Fachkreisen gut bekannt ist, wurden bisher nur wenige Bemühungen unternommen, dieses Wissen auch in anderen Bereichen, wie z. B. der Ausbreitung von Keimen nach absichtlicher Kontamination, zu verwenden.

Beispiel 1. In der Publikation 6 wurde exemplarisch das Verfahren der prädiktiven Mikrobio-logie in der Futtermittelkette angewendet. Es wurde abgeschätzt, in welcher Größenordnung eine Reduktion von sporenbildenden Keimen (hier am Beispiel Bacillus anthracis bzw. Bacil-lus cereus) bei verschiedenen Prozessierungsvarianten von pelletiertem Alleinfutter erwartet werden kann. Hierfür wurden die wesentlichen Prozessschritte bei der kommerziellen Herstel-lung von Fertigfuttermitteln in Futtermittelwerken identifiziert und strukturiert. Abbildung 3 verdeutlicht die wesentlichen Prozessschritte, die bei der Modellierung beachtet wurden.

Abbildung 3. Vereinfachte schematische Darstellung der Futtermittel-Prozesskette (Käsbohrer et al., 2011)

In einem nächsten Schritt wurden für jeden Prozessschritt (hier: Mischen, Pelletieren, Expan-dieren, Extrudieren) die wesentlichen beschreibenden Einflussgrößen Temperatur und Dauer des Prozesses, pH- und aw-Wert der Matrix identifiziert und die möglichen Wertebereiche anhand von Literaturrecherchen und Expertenbefragungen zusammengestellt. Die Wirkung von Druck als weitere Einflussgröße wurde grob abgeschätzt, da Erkenntnisse aus der Litera-tur keinen wesentlichen Einfluss aufgrund der kurzen Einwirkungszeit erwarten ließen.

Zudem mussten für den betrachteten Erreger Informationen zu den relevanten Eigenschaften zusammengestellt werden. Da für Bacillus anthracis nicht alle Informationen zur Verfügung standen, wurde ergänzend ein Surrogatkeim, Bacillus cereus, in die Modellierung einbezogen.

Literaturrecherchen hierzu hatten gezeigt, dass sich die Eigenschaften der beiden Bazillus-Spezies (z. B. D- und z-Werte (Maß für die Hitzebeständigkeit; gibt die Temperaturerhöhung in °C an, die notwendig ist, um den D-Wert auf ein Zehntel zu reduzieren)) im Hinblick auf Wachstumsverhalten in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit überschneiden bzw. nicht grundlegend unterscheiden.

Das erstellte Modell erlaubte es, systematisch verschiedene Herstellungsprozesse im Hinblick auf ihr Inaktivierungsvermögen zu prüfen und die Ergebnisse mit dem bisher bekannten Wis-sen sowie zu Untersuchungen mit anderen Keimen zu vergleichen.

Im Kontext der Risikobewertung können mathematische Modelle z. B. dazu genutzt werden, die Konsequenzen von Prozessen auf die Veränderung der Prävalenz u/o Konzentration eines Erregers ausgehend von einem Ausgangswert (Prävalenz, Konzentration) zu schätzen und anhand der Ergebnisse von Prävalenzschätzungen validiert werden. Abbildung 4 verdeutlicht schematisch die Interaktion zwischen Monitoringprogrammen zur Prävalenzschätzung und Verfahren der prädiktiven Mikrobiologie.

Abbildung 4. Vereinfachte schematische Darstellung des Zusammenwirkens von Prävalenzschätzungen (z.B. am Ende einer Produktionsstufe) und mathematischen Modellen (z.B. prädiktive Mikrobiologie; Wa-renketten) für die Expositionsschätzung.

Beispiel 2: Die Nutzung der Ergebnisse von Surveys für die Expositionsschätzung im Rah-men einer Risikobewertung soll nachfolgend an einem weiteren Beispiel erläutert werden. In dem Verbundprojekt RESET (www.reset-verbund.de) wurde, den Prinzipien des Codex Ali-mentarius folgend, ein Rahmenplan für eine Risikobewertung von ESBL-bildenden E. coli erarbeitet, der auch Source Attribution-Verfahren nutzt und die Ergebnisse integriert. Hierfür wurde auf das von Nauta et al. 2007 erarbeitete modulare Risikobewertungsmodell für

Mast-hähnchen am Schlachthof aufgebaut. Das Zusammenspiel zwischen dem Modellierungsansatz für die Expositionsschätzung und der Nutzung der Erkenntnisse aus Querschnittsstudien (Sur-veys) zeigt Abbildung 5.

Dieses Beispiel macht auch deutlich, dass für eine derartige breite Betrachtung der Problema-tik in einer Risikobewertung eine Fülle von Erkenntnissen erforderlich ist. Zur Verbreitung von ESBL-bildenden E. coli konnten bereits Daten in Querschnittsstudien beim Rind und bei Lebensmitteln gewonnen werden. Beim Rind konnte eine weite Verbreitung des Erregers mit Unterschieden in den Produktionsgruppen beobachtet werden (Schmid et al., 2013). Longitu-dinalstudien zur Prävalenz und Konzentration von ESBL-bildenden E. coli beim Geflügel und beim Schwein zu Beginn, im Verlaufe sowie am Ende der Mastdurchgänge erlauben hierbei, die Infektionsdynamik vertiefend zu berücksichtigen (Laube et al., 2013, van Salviati et al., 2012).

Abbildung 5. Schematische Darstellung des Expositionsmodells nach Nauta et al. 2007 und Beispiele der zur Parametrisierung verwendbaren Quellen (Sharp et al., 2013a)