• Keine Ergebnisse gefunden

Altmayers regionenbezogener Ansatz

3 Exkurs: Curriculare Voraussetzungen

Eines der zentralen Probleme im Umgang mit wissenschaftlichen und damit auch theoretisch fundierten Landeskunde- Konzepten besteht darin, dass es keine auch nur im weitesten Sinne allgemeingültige Formen der Umsetzung geben kann, sondern alle Konzepte den jeweiligen Lehr-/Lernbedingungen angepasst werden müssen. Insofern ist auch die stets wiederkehrende Frage nach der konkreten Umsetzung jener Konzepte im Grunde genommen eine Scheinfrage; denn dies auszuloten, ist letztlich Aufgabe der Unterrichtenden, also der einzelnen Lehre-rinnen und Lehrer: Sie sind die Expertinnen und Experten für die jeweils gel-tenden Curricula und damit für die Lehr-/Lernziele bzw. die zu erreichenden

Kompetenzen, die stark voneinander abweichen können; erst recht gilt dies für die Zusammensetzung der Lerngruppen, die Zahl der zur Verfügung stehenden Kontaktstunden usw.

In Schweden ist Landeskunde – unter verschiedenen Bezeichnungen wie Realia und Kulturkunskap – in der Regel fester Bestandteil der Curricula aller neun Uni-versitäten bzw. Hochschulen, an denen Deutsch (Tyska) im Sinne von Germa-nistik im weitesten Sinne studiert werden kann. Im Gegensatz zu Literatur- und Sprachwissenschaft wird Landeskunde jedoch nur in den beiden ersten Fach-semestern gelehrt, also bis zum zweiten Drittel eines zu einem Bachelor- Abschluss (kandidatexamen) führenden Studiums. Auf Masterniveau wird Landeskunde nicht fortgesetzt; von einem konsequent eingelösten wissenschaftlichen Anspruch kann nur bedingt die Rede sein; die Orientierung an jüngeren wissenschaftlichen Modellen hat vielerorts kaum stattgefunden. Im Hinblick auf ihre Sprachkom-petenz dürften die meisten Studierenden im ersten Fachsemester de facto auf Niveau A2/B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens liegen; die Lehrveranstaltungen werden aber ganz im Sinne des lebenslangen Lernens auch von älteren Studentinnen und Studenten besucht sowie von Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern, so dass die Sprachfertigkeitskompetenzen in den jewei-ligen Gruppen sehr heterogen ausfallen können.

Übersetzt man das Curriculum für das erste Fachsemester (A- kurs) grob und möglichst wortgetreu, so sollen die Studierenden nach dem abgeschlossenen Teilkurs (delkurs) in Realia (A) folgende Kompetenzen erreicht haben:

• zentrale Zusammenhänge im Hinblick auf die Geschichte, Geographie und Gesellschaft der deutschsprachigen Länder darstellen können;

• sich in den deutschsprachigen Ländern mithilfe verschiedener Medien orien-tieren können;

• kulturelle Vergleiche zwischen Schweden und den deutschsprachigen Ländern vornehmen können;

• Fragestellungen formulieren und selbständig Gegenstände mit Verbindung zu deutscher Landeskunde untersuchen können. (vgl. Uppsala universitet 2014) Für das zweite Fachsemester (B- kurs) gilt Entsprechendes, wobei die Formulie-rungen eine Progression erkennen lassen. Nach dem abgeschlossenen Teilkurs in Realia sollen die Studierenden folgende Kompetenzen erreicht haben:

• vertiefte Kenntnisse über die Geschichte und aktuellen Gesellschaftsverhält-nisse der deutschsprachigen Länder haben;

• eine gute Übersicht über die deutschsprachigen Medien haben;

• die Fähigkeit haben, Informationen über die deutschsprachigen Länder zu suchen und diese Informationen kritisch bewerten zu können;

• einen Bereich innerhalb von deutscher Landeskunde problematisierend be-handeln zu können. (vgl. Uppsala universitet 2012)

Deutlich ablesen lassen sich sowohl die Forderung nach einer mehr oder we-niger faktenorientierten Landeskunde als auch das Anlegen einer ‚kontrastiven Perspektive‘, die man im weitesten Sinne als ‚interkulturell‘ bezeichnen könn-te. Hinzu treten die hier nicht zitierten ‚generischen‘, das heißt von fachlichen Inhalten weitgehend unabhängige Kompetenzen wie die kritische Bewertung von Informationen bzw. deren Quellen. Eine kulturwissenschaftliche/diskursive Landeskunde wird demnach nicht explizit gefordert, ist aber möglich; so kann die an zweiter Stelle des A- Kurs- Curriculums genannte Kompetenz als ‚Orien-tierungskompetenz‘ oder auch als „Diskursfähigkeit“ im Sinne von zum Beispiel Altmayer (Hrsg.; 2016) verstanden werden.3 Das Uppsalienser Curriculum steht für ein vergleichsweise traditionelles Verständnis des Studiums von Germanistik, in dem sich durchaus auch das Selbstverständnis als 1477 gegründeter und damit ältester Universität Schwedens spiegelt: Die Germanistik kann auf eine bedeu-tende Forschungstradition vor allem im Bereich der historischen Sprachwissen-schaft verweisen; den konkreten Bedürfnissen vieler Studieninteressentinnen und -interessenten nach von literatur- bzw. sprachwissenschaftlichen Inhalten unabhängigen Sprachkenntnissen wird bewusst nur bedingt Rechnung getragen.

Ähnlich traditionell ausgerichtet ist das Curriculum der literaturwissenschaft-lichen Teilkurse: Während es im 1. Fachsemester um eine Art Einführung in Ver-bindung mit der Lektüre von Texten der Moderne geht, wird im 2. Fachsemester de facto eine historische Überblicksdarstellung von der Aufklärung bis in die

3 In der Einführung zu Mitreden benennen Altmayer, Hamann, Magosch, Mempel, Von-dran und Zabel in diesem Zusammenhang drei „Kernkompetenzen“: „die Fähigkeit von Fremdsprachenlernenden, an Bedeutungskonstruktionen in der Fremdsprache mitwirken, diese erweitern und hinterfragen zu können“; „die Fähigkeit, Diskurs-pluralität, das heißt das Nebeneinander unterschiedlicher Positionen, Perspektiven und Meinungen im Diskurs, anzuerkennen und auszuhalten“ sowie „die Fähigkeit, die Praktiken der Bedeutungsproduktion im Diskurs zu durchschauen“. (Altmayer (Hrsg.) 2016, S. 10). Das Uppsalienser Curriculum ist im Hinblick auf die Formulierung von Kompetenzen weniger ausführlich gehalten, bietet aber Raum für eine diskursive Landeskunde. Eine Schwierigkeit dürfte allerdings darin bestehen, dass gleichzeitig auch eher traditionelle Inhalte gefordert werden. Jene stehen zwar nicht unbedingt in direktem, auf Grund einer gewissen Faktenlastigkeit wohl aber in indirektem Wider-spruch zu einer diskursiven Landeskunde.

Gegenwart gefordert (vgl. Uppsala universitet 2014 bzw. 2012). Die literarischen Texte sollen in ihren ‚kulturellen und sozialen Zusammenhängen‘ begriffen wer-den (vgl. ebd.); und die Studierenwer-den sollen über die ‚Aktualität der gelesenen Texte‘ reflektieren können (vgl. Uppsala universitet 2012). Auch das literaturwis-senschaftliche Curriculum ist vergleichsweise offen, ermöglicht aber über die Prä-misse einer Behandlung von Literatur in ihrem kulturellen und sozialen Kontext Verbindungen zur Landeskunde, so dass auch übergreifende thematische Fragen behandelt werden und die Grenzen der Teilkurse überschritten werden können.

4 Das Saarland? – Elemente für die Lehre von