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3. Implementation der Maßnahmen durch Jobcenter und Arbeitsagenturen

3.2 Ergebnisse der Fallstudien .1 Allgemeine Rahmenbedingungen

Insgesamt traf die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter aufgrund der anhaltend guten Konjunktur bis einschließlich 2019 auf günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Es gab eine hohe

Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften sowie ein großes Angebot an Helferstellen, die auch für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und einem niedrigen Qualifikationsniveau gut zugänglich waren. Allerdings stand einer nachhaltigen Integration Geflüchteter in Ausbildung und Arbeit eine Reihe von Hemmnissen im Weg. Schlechte Sprachkenntnisse und mangelhafte schulische und fachliche Vorkenntnisse ließen vielfach keine unmittelbare Vermittlung in qualifizierte Arbeit oder die Aufnahme einer Ausbildung zu. Das in ländlichen Räumen meist unzureichende ÖPNV-Angebot erschwert es den dort lebenden Geflüchteten – die meist über keine alternativen

Transportmittel (z.B. eigener PKW) verfügten – Arbeitsorte und Maßnahmenträger zu erreichen. Als weiteres Integrationshemmnis wird darüber hinaus oftmals fehlender Wohnraum oder die

mangelhafte Qualität der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften genannt. Diese Hemmnisse beschränkten die Möglichkeiten der Regeneration und limitierten Lernmöglichkeiten. Darüber hinaus gebe es in manchen Betrieben auch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber einer Beschäftigung Geflüchteter. Auch Wohnsitzauflagen werden öfter als hinderlich für eine erfolgreiche Arbeitsmarkt-integration angesehen. Dies gilt insbesondere für Wohnsitzauflagen mit lokalem Bezug in struktur-schwachen Regionen und einem unzureichenden Wohnungs- und ÖPNV-Angebot; zudem wird auf unterschiedliche Auslegungspraktiken der Regelungen durch lokale Ausländerbehörden verwiesen.

Für Eltern sind zudem meist Kapazitätsengpässe bei der öffentlichen Kinderbetreuung ein wesentliches Hemmnis hinsichtlich der Aufnahme einer Beschäftigung und der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen. Kommunale Bemühungen, zusätzliche Kinderbetreuung bereitzustellen, erweisen sich als schwierig umzusetzen. Teilweise werden aber auch durch Agenturen für Arbeit und Jobcenter Versuche unternommen, Maßnahmen mit Kinderbetreuung anzubieten.

Generell können die Kommunen im Rahmen ihrer freiwilligen Aufgabenwahrnehmung die (soziale) Integration Geflüchteter unterstützen. Kommunal eingerichtete Integrationsangebote richteten sich primär an Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus und daher nur eingeschränktem Zugang zu Maßnahmen der Sprach- und Arbeitsförderung. Kommunale Integrationsinfrastrukturen wurden in Reaktion auf die Flüchtlingskrise jedoch nicht überall gleich stark ausgebaut, und die kommunale Integrationspolitik gleicht nach wie vor einem „Flickenteppich“ (Schammann 2020). Finanziell schwach aufgestellte Kommunen beschränkten sich in der Regel auf Pflichtleistungen und konnten auch Bundes- und Landes-Förderprogramme, etwa zur Schaffung von Koordinationsstellen, wegen der einzubringenden Eigenanteile kaum nutzen. Wie auf lokaler Ebene organisatorisch und inhaltlich auf den sprunghaft gestiegenen Bedarf an Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete reagiert wurde, ist auch von der Größe der Kommune, der personellen Besetzung von Schlüsselpositionen sowie den Vorerfahrungen mit Zuwanderung abhängig. Kommunen, in denen Migration schon länger ein Thema ist, konnten auf bestehende Integrationskonzepte zurückgreifen, erweiterten diese aber um die Zielgruppe der Geflüchteten oder entwickelten gänzlich neue Konzepte. Kritisch wurde von zivil-gesellschaftlichen und ehrenamtlichen Akteuren angemerkt, dass diese Konzepte auch nur dort in die Praxis umgesetzt wurden, wo es eine starke Selbstverpflichtung der politischen Führungsebene gab.

In Kommunen ohne spezielles Integrationskonzept vollzog sich die Zusammenarbeit der lokalen Akteure meist situativ. Die Fallstudien machen deutlich, dass für die Unterstützung der Geflüchteten auf kommunaler Ebene Netzwerkarbeit unter Einbeziehung von Haupt- und Ehrenamtlichen zwar gängig und auch unverzichtbar ist, jedoch nicht überall und bereits von Beginn an reibungslos funktioniert.

Ein wesentlicher Integrationsfaktor ist schließlich die Akzeptanz der Geflüchteten in der örtlichen Bevölkerung bzw. die lokale „Willkommenskultur“. In dieser Hinsicht zeigen sich große Unterschiede zwischen den Kommunen, die sich offenbar auch aus unterschiedlichen Vorerfahrungen speisen;

dabei ist in den Fallstudien allerdings nur bedingt ein Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland oder eine Differenz zwischen städtisch und ländlich geprägten Regionen

festzustellen. Die Willkommenskultur spiegelt sich unter anderem in der Stärke der ehrenamtlichen Unterstützungsstrukturen für Geflüchtete, die jedoch seit dem Herbst 2016 wieder abgenommen hat.

3.2.2 Akteure und Zielsetzungen

Agenturen für Arbeit und Jobcenter. Die Arbeitsagenturen betreuen nicht nur Geflüchtete, die ALG beziehen, sondern auch Geflüchtete ohne Aufenthaltstitel (Gestattete und Geduldete) und ohne Anspruch auf ALG-Leistungen, zu denen daher kein systematischer Kontakt besteht. Viele Agenturen für Arbeit bemühen sich aber um eine frühzeitige Kontaktaufnahme zu dieser Zielgruppe von

Geflüchteten, etwa durch Präsenz in den Erstaufnahmeeinrichtungen; dies gilt vor allem für die erste Phase der 2015 einsetzenden Fluchtzuwanderung. Die Jobcenter haben zu anerkannten Geflüchteten in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgrund des SGB-II-Leistungsanspruchs regelmäßiger Kontakt. Den Integrationszielen der Agenturen für Arbeit und Jobcentern sind die einschlägigen Normen des SGB III bzw. SGB II vorgegeben. Vorrangiges Ziel im SGB II ist es, Geflüchtete langfristig in Arbeit zu integrieren und so ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden oder zu verringern. Den diesbezüglichen Interviewangaben der Fach- und Führungskräfte zufolge werden dabei auch die individuellen Bedarfe, Voraussetzungen und beruflichen Ziele und Vorstellungen der Geflüchteten berücksichtigt.

Als zentrale Grundlagen der Integration werden seitens der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter Spracherwerb und die berufliche Qualifizierung oder die Anerkennung von Berufsabschlüssen angesehen. Allerdings rücken Arbeitsagenturen und Jobcenter bei Geflüchteten, die möglichst rasch Geld verdienen möchten, auch von dieser Strategie ab und bemühen sich auch dann um eine

Vermittlung in Beschäftigung – oftmals in Helfertätigkeiten –, wenn Sprachkenntnisse und berufliche Qualifikationen gering sind.

Maßnahmenträger. Die privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Träger der Integrations-maßnahmen für Geflüchtete weisen mehrheitlich Vorerfahrungen in der Arbeit mit Personen mit Migrations- oder Fluchthintergrund auf. Sie können dabei sowohl als Dienstleister für die Arbeits-verwaltung oder auch als Interessensvertretung schwächerer Mitglieder der Gesellschaft auftreten (bei gemeinnützigen Trägern). Ihr zentrales Ziel ist die Integration der Zielgruppe in Erwerbsarbeit.

Dieses Ziel wird durch eine direkte Vermittlung in Arbeit oder eine Vorbereitung zur Erwerbs-integration umgesetzt. Von den Trägern wird die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache als zentrale Voraussetzung der Arbeitsmarktintegration genannt. Sie sind jedoch nicht selten damit konfrontiert, dass viele Geflüchtete ein deutlich schlechteres Sprachniveau mitbringen, als es nach Abschluss des Integrationskurses zu erwarten wäre – was die Maßnahmendurchführung häufig erschwert.

Betriebe. Soweit Betriebe arbeitsmarktpolitische Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete (etwa Maßnahmen bei einem Arbeitgeber nach § 45 SGB III) umsetzen, liegen ihrem Engagement unterschiedliche Motive zugrunde. Angeführt werden neben der sozialen Verantwortung auch personalpolitische Ziele wie die Nachwuchs- und Mitarbeitergewinnung – insbesondere dort, wo Fachkräfteengpässe herrschen. Um die Eignung der Geflüchteten zu testen, bieten Betriebe in der Regel Praktika und Probearbeiten an.

Öffentliche Stellen und Kammern. Kommunale und öffentliche Stellen sowie Kammern beteiligen sich als unterstützende und zum Teil auch zertifizierende Stellen in unterschiedlicher Form am Arbeitsmarktzugang Geflüchteter. Beide Akteursgruppen verfolgen primär das Ziel, Geflüchtete

nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und sehen ebenfalls ausreichende deutsche

Sprachkenntnisse und eine gute berufliche Qualifikation als wesentliche Voraussetzungen dafür an.

Kommunale und öffentliche Stellen bemühen sich zudem nach eigener Einschätzung auch um die soziale Integration der Geflüchteten. Hierbei werden eine niedrigschwellige Ansprache und

Unterstützung bei der Wohnungssuche als wichtige erste Schritte gesehen. Kammern verbinden mit der Integration der Geflüchteten oft auch die Zielsetzung der Überwindung von Fachkräfteengpässen und richten daher ihre Bemühungen auf die Integration Geflüchteter in eine Berufsausbildung aus.

Sie beraten und sensibilisieren Betriebe mit Bezug auf die Potenziale der Geflüchteten und auf bestehende Fördermöglichkeiten.

Zivilgesellschaft und Ehrenamtliche. Die in der Flüchtlingshilfe tätigen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Ehrenamtlichen verfolgen als übergeordnetes Ziel die Integration von Geflüchteten in die Gesellschaft und setzen hierbei individuelle Schwerpunkte. Nach eigenem Verständnis stehen dabei Hilfe zur Selbsthilfe und „Empowerment“ im Vordergrund, um so die Zielgruppe zu befähigen, ihre Interessen selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten.

Zivilgesellschaftliche Stellen bieten vor allem Beratungsleistungen an, während sich ehrenamtlich engagierte Einzelpersonen eher auf gemeinsame Freizeitaktivitäten und die Begleitung der Geflüchteten zu Behördenterminen fokussieren.

3.2.3 Strukturen zur Beratung und Vermittlung von Geflüchteten

Jobcenter. Um den Zuwachs von Arbeitsuchenden mit Fluchthintergrund zu bewältigen und das diesbezügliche Fachwissen zu bündeln, nahmen viele Jobcenter zwischen 2016 und 2018 größere Veränderungen vor, die neben der Organisationsstruktur auch die Beratungs- und Vermittlungspraxis betreffen. Zum einen wurden zur Beratung und Vermittlung der Geflüchteten spezialisierte Teams gebildet, zum anderen neue Personalstellen zur Koordination von Sprachkurs- und Maßnahmen-angeboten und zur Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet. Vor allem die Jobcenter in städtischen Regionen mit traditionell hohem Ausländeranteil, Vorerfahrungen in der Arbeit mit Zugewanderten und guten Kooperationsbeziehungen haben in diesem Zeitraum umfangreiche organisatorische Vorkehrungen getroffen und konnten auch ihre bestehenden Strukturen nutzen und weiterentwickeln. Im analytischen Vergleich der 16 Fallstudienstandorte zeigt sich jedoch, dass das Ausmaß der Anpassungsprozesse, die Jobcenter zur Bewältigung der Fluchtmigration vollzogen haben, insbesondere durch den Anteil der Geflüchteten an den jeweiligen SGB-II-Leistungs-beziehenden beeinflusst wurde. Auf den Rückgang dieser Quote reagierten die Jobcenter bereits im Untersuchungszeitraum mit einem Rückbau ihrer flüchtlingsbezogenen Strukturen.

An nahezu allen untersuchten Standorten bauten die Jobcenter ab 2015, so wurde es in den

Interviews geschildert, angesichts der wachsenden Zahl der Arbeitsuchenden mit Fluchthintergrund den Personalbestand für deren Beratung und Vermittlung durch interne und externe Rekrutierung auf. Da die Arbeitsverträge der neu eingestellten Personen, insbesondere von Personen mit

Übersetzungsaufgaben, meist befristet waren, gingen damit Risiken fluktuationsbedingter Verluste an Fachwissen und der Unterbrechung etablierter Routinen einher. Trotz des erhöhten Beratungs-bedarfs Geflüchteter gab es an keinem der 16 Standorte ein flüchtlingsspezifisches Kontaktdichte-konzept. Nur wenige Jobcenter sahen für Geflüchtete einen günstigeren Betreuungsschlüssel vor, manche setzten aber auf spezielle Ansätze zur Beratung- und Vermittlung (z.B. Einsatz spezifisch qualifizierte Beratungs- und Vermittlungskräfte oder Zusammenarbeit mit externen Programmen zur Unterstützung der Integration Geflüchteter), was auch eine günstigere Betreuungsrelation mit sich brachte.

Die Verständigung in den Beratungsgesprächen wurde im untersuchten Zeitraum (2018-2019) überwiegend über die Dolmetscher-Hotline der BA gewährleistet, die für gemeinsame Einrichtungen

eingerichtet wurde. Mancherorts war es auch üblich, dass sprachkundige Begleitpersonen der Geflüchteten übersetzten. Nur wenige Jobcenter griffen auf Sprachmittler – Personen mit

Fremdsprachenkenntnissen, aber ohne Dolmetscherqualifikation – zurück. An einigen Standorten wurde die Antragstellung für Geflüchtete durch eine Straffung der Formulare oder die Einschaltung von Dolmetschern vereinfacht.

Agenturen für Arbeit. Die Arbeitsagenturen haben im Vergleich zu den Jobcentern frühzeitiger spezifische Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen für Geflüchtete bereitgestellt, was auch darin begründet ist, dass sie für nicht anerkannte Geflüchtete zuständig und damit erste Anlaufstelle nach deren Ankunft in Deutschland sind. Die markanteste Neuerung war zunächst die aufsuchende Beratung von Asylsuchenden in Sammelunterkünften. Dieses Beratungskonzept wurde wieder zurückgefahren, als die lokalen Netzwerkpartner damit begannen, die Geflüchteten bei jedem Kontakt routinemäßig auf das Beratungsangebot der Arbeitsagentur hinzuweisen. Bis 2017 noch bestehende Verständigungsprobleme konnten überwiegend durch die Dolmetscher-Hotline, Sprachmittler und die Hinzuziehung sprachkundiger Begleitpersonen zu den Beratungsterminen abgebaut werden. Dennoch musste in den Beratungsgesprächen aufgrund fehlender

Deutschkenntnisse seitens Geflüchteter anfänglich auch häufig improvisiert werden.

Die Arbeitsagenturen reagierten auf die mit der Beratung von Asylsuchenden und Geduldeten verbundenen neuen Anforderungen zum einen mit einer Spezialisierung des Personals, was den Austausch mit den entsprechend spezialisierten Fachkräften der Jobcenter erleichterte. Die

Arbeitsagenturen stellten für den Flüchtlingsbereich weniger Personal neu an als die Jobcenter; bei den Neueinstellungen handelte es sich vor allem um Sprachmittler. Zum anderen konzentrierte man sich angesichts hoher Fallzahlen in der Beratungsarbeit auf arbeitsmarktnahe Personen und Personen aus Ländern mit hohen Anerkennungsraten. Dieser Ansatz wurde mit sinkenden Fallzahlen wieder aufgegeben.

Da die anfänglich von ihnen betreuten Geflüchteten inzwischen in den Rechtskreis SGB II gewechselt waren, wiesen die Arbeitsagenturen bereits im Untersuchungszeitraum kaum noch flüchtlings-bezogene spezialisierte Organisationseinheiten und Prozesse auf. Für ihre Hauptzielgruppe unter den Geflüchteten – die Geduldeten – wollen die Arbeitsagenturen aufgrund der meist unklaren

Aufenthaltsperspektive keine mittel- oder langfristigen Integrationsstrategie entwickeln; aus dem gleichen Grund gestalten sich Vermittlungsbemühungen schwierig, da Arbeitgeber eher bereit sind, Personen mit sicherem Aufenthaltsstatus einzustellen. Aus den Fallstudien kann keine klare Tendenz abgeleitet werden, wie die Agenturen für Arbeit mit dieser Gruppe umgehen. Diesbezügliche

Interviewäußerungen legen das Bestreben nahe, diese Personen (auch mit ehrenamtlicher

Unterstützung) zumindest soweit zu qualifizieren, dass sie im Alltag auch sprachlich zurechtkommen.

Problematisch erscheint, dass die Agenturen für Arbeit keine systematischen Informationen über die Entscheidungspraxis der lokalen Ausländerbehörde hinsichtlich der Gruppe der Geduldeten erhalten.

Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagenturen und Jobcentern. An den untersuchten Standorten haben Arbeitsagenturen und Jobcenter in der Beratung, Vermittlung und Förderung von

Geflüchteten zwischen 2015 und 2017 verstärkt zusammengearbeitet. Später gab es den Interviews zufolge immer weniger Kooperationsanlässe. Schwerpunkt der Zusammenarbeit war die Steuerung des Rechtskreiswechsels vom SGB III zum SGB II, die von den Interviewten mehrheitlich als reibungslos beschrieben wurde. Diese erfolgte zwischen 2015 und 2017 nur an wenigen Orten über eine rechtskreisübergreifende Anlaufstelle. Dies waren städtisch geprägte Standorte mit hohen Ausländeranteilen und Vorerfahrungen im Bereich der Migration, bei denen eine solche

institutionalisierte Steuerung auch aufgrund hoher Geflüchtetenzahlen effizient war und auf bereits bestehenden Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut werden konnte. An den anderen Standorten

fanden in der Regel weniger institutionalisierte Absprachen zwischen den jeweiligen Vermittlungs-teams statt. Für die Einrichtung solcher institutionellen Stellen sind damit die jeweiligen Fallzahlen der zu betreuenden Geflüchteten maßgeblich.

Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Agentur für Arbeit und Jobcenter waren des Weiteren der gemeinsame Arbeitgeber-Service (AG-S) mit der bewerberbezogenen Vermittlung im Jobcenter, die gemeinsame Durchführung und Teilnahme an Informationsveranstaltungen für Unternehmen und Ehrenamtliche sowie der Austausch in lokalen Netzwerken und Arbeitskreisen. Nur an wenigen Standorten gab es Routinen einer gemeinsamen Planung und Besetzung von Maßnahmen der Arbeitsförderung; mancherorts wurden diese erst noch etabliert. In der Anfangsphase der starken Zuwanderung von Geflüchteten intensivierten die Agentur für Arbeit und das Jobcenter an zahlreichen Standorten ihre Kooperation. Ob sich diese Zusammenarbeit auf bereits bestehenden Pfaden bewegte oder einen „Qualitätssprung“ bedeutete, ist für die große Mehrheit der Fallstudien-standorte nicht bestimmbar.

Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren. Mit dem Ziel der Arbeitsmarktintegration Geflüchteter haben Arbeitsagenturen und Jobcenter vor Ort jeweils mit zahlreichen Akteuren kooperiert. Dabei haben zusätzlich zu bereits etablierten Kooperationspartnern auch neue Akteure, wie ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit Tätige, an Bedeutung gewonnen. Gravierende Probleme bei der Abstimmung der Integrationsaktivitäten sind nicht erkennbar – mit einer Ausnahme: An vielen Standorten fordern die in der Arbeitsverwaltung interviewten Akteure eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit der kommunalen Ausländerbehörde. Dies betrifft insbesondere die Betreuung von Geduldeten. Zudem sieht die Arbeitsverwaltung die Notwendigkeit, in Folge rückläufigen ehrenamtlichen Engagements eigene Beratungsangebote für Geflüchtete auszubauen. Erfolgsfaktoren einer guten Zusammenarbeit zeigen sich darin, dass die lokalen Netzwerke flexibel auf neue Situationen reagieren können und ein regelmäßiger, strukturierter und intensiver Austausch mit allen lokalen Akteuren zu den

verschiedenen Bereichen der Arbeitsmarktintegration (z.B. bei der Entwicklung von Maßnahmen) stattfindet. Insbesondere in kleineren Kommunen wird dieser Aspekt besonders hervorgehoben.

3.2.4 Arbeitsmarktpolitische Integrationsmaßnahmen

Die wichtigsten Förderbedarfe, die den interviewten Akteuren zufolge bearbeitet werden müssen, um eine nachhaltige Eingliederung Geflüchteter in Arbeit oder Ausbildung zu ermöglichen, lassen sich den Bereichen Sprache, Wissen, Einstellungen und Verhalten, sowie soziale Stabilisierung zuordnen.

Sprache. Integrationsfachkräfte und Maßnahmenträger berichten, dass häufig das zum Abschluss der Integrationskurse beurkundete Sprachniveau der Geflüchteten der tatsächlichen Sprachkompetenz nicht entspricht. Zurückgeführt wird dies auf die relativ kurze Dauer der Integrationskurse und teilweise auch auf qualitative Mängel, hauptsächlich aber auf rasche Verluste an Sprachkompetenz, wenn Deutsch nach Kursende nicht regelmäßig weiter trainiert wird. Daneben wird ein besonderer Bedarf gesehen, berufsspezifische Fachbegriffe zu vermitteln, ohne deren Kenntnis allenfalls eine Erwerbsintegration im Helferbereich in Frage kommt.

Wissen. Der Bedarf an Wissensvermittlung an Geflüchtete wird zum einen im alltagspraktisch und lebensweltlich relevanten Bereich gesehen, zum anderen im Hinblick auf die schulische Allgemein- und berufliche Grundbildung. So fehlen vielfach Wissensbestände etwa im Bereich der Mathematik, die beherrscht werden müssen, um eine Berufsausbildung absolvieren und erfolgreich abschließen zu können. Dabei variiert der wahrgenommene Förderbedarf zur Wissensvermittlung zwischen den Geflüchteten stark nach Herkunftsland und sozialer Stellung vor Ankunft in Deutschland.

Einstellungen und Verhalten. Nach Feststellung vieler interviewter Integrationsfachkräfte und pädagogischer Mitarbeitenden von Trägern haben Geflüchtete vielfach unrealistische Erwartungen in Bezug auf die für sie in Deutschland erreichbaren beruflichen Positionen und Einkommen. Hieraus speist sich ein Bedarf, Geflüchtete durch Berufsorientierung zu befähigen, sich den eigenen

Neigungen und Fähigkeiten angemessene berufliche Ziele zu setzen. Darüber hinaus wird von vielen Akteuren eine bessere Aufklärung der Geflüchteten über Funktionsweise und Wert der beruflichen Ausbildung in Deutschland gefordert, damit sich mehr Geflüchtete für eine solche entscheiden.

Soziale Stabilisierung. Bei nicht wenigen Geflüchteten müssen zunächst grundlegende Probleme, wie die Wohnungsfrage, die Kinderbetreuung oder gesundheitliche Einschränkungen angegangen werden, bevor eine erfolgreiche Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung erfolgen kann. Für die Lösung dieser Probleme bedürfen die Geflüchteten individueller Unterstützung, die auf den jeweiligen Bedarf abgestimmt ist.

Die Einsatzpraxis der arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete trägt diesen übergeordneten Förderbedarfen nach Einschätzung der in der Arbeitsverwaltung und bei Trägern interviewten Akteure Rechnung. Die folgenden Abschnitte skizzieren organisatorische Umsetzungen und Zugangswege für die fünf im Zentrum dieser Evaluation stehenden Typen von Maßnahmen.

3.2.4.1 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III Die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen lassen bei Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III den Jobcentern, Arbeitsagenturen und Maßnahmenträgern große Gestaltungsspielräume. Im Folgenden werden wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Praxis an den Fallstudienstandorten herausgearbeitet.18

Maßnahmeninhalte und Funktionen im Integrationsprozess

Insgesamt betrachtet beziehen sich die Maßnahmen nach § 45 SGB III für Geflüchtete in den Fallstudienregionen vor allem auf die Förderziele der Aktivierung, der Stabilisierung und der beruflichen Eingliederung; an diesen Zielen sind die im folgenden genannten Inhalte ausgerichtet.

Wissensvermittlung zum Leben und Arbeiten in Deutschland. Weil nach Wahrnehmung der in den Jobcentern und Arbeitsagenturen interviewten Akteure vielen Geflüchteten auch nach Absolvierung des Integrationskurses grundlegendes Wissen über das politische, wirtschaftliche und

gesellschaftliche System in Deutschland – als basale Voraussetzung der sozialen Teilhabe – fehlt, beinhalten die Curricula vieler Maßnahmen nach § 45 SGB III diesbezügliche Inhalte. Dabei geht es neben Sozialkunde vor allem um lebensweltlich relevantes Wissen, das Geflüchtete und ihre Familien bei der Alltagsbewältigung unterstützt. Themen, die in Gruppenmaßnahmen in Unterrichtsform vermittelt werden, sind zum Beispiel das Gesundheitssystem, das Schul- und Bildungssystem, die öffentliche Kinderbetreuung, sowie Verwaltung, Wohnen und Versicherungen. Großes Gewicht haben Themen aus den Bereichen Arbeits(vertrags)recht, Arbeitsschutz, Sozialversicherungen, Tarifverträge und Entlohnung, sowie das Berufs- und Berufsausbildungssystem. Auch wird es oft für notwendig erachtet, die Bedeutung von arbeitsbezogenen Tugenden wie pünktlichem Erscheinen

18 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung können entweder durch einen Träger oder in Verantwortung eines Arbeitgebers durchgeführt werden. Da Maßnahmen bei einem Arbeitgeber (MAG) nur an sehr wenigen Fallstudienstandorten angetroffen wurden, bezieht sich die folgende Darstellung nur auf Maßnahmen bei einem Träger (MAT). Auf MAG wird weiter unten in Abschnitt 3.2.4.4 (zu den Maßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) eingegangen.

und zuverlässiger Präsenz am Arbeitsplatz zu vermitteln. Viele dieser Themen gehören zum Curriculum des Integrationskurses, können dort aber offenbar nicht hinreichend vertieft werden.

Soziale Stabilisierung. Träger bieten im Rahmen von Einzelmaßnahmen nach § 45 SGB III

Unterstützung bei der Bewältigung der vielfältigen alltagspraktischen Probleme an, die seitens der

Unterstützung bei der Bewältigung der vielfältigen alltagspraktischen Probleme an, die seitens der