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5. Maßnahmenspezifische Effekte

5.6 Beschäftigung schaffende Maßnahmen .1 Einleitung

Als Beschäftigung schaffende Maßnahmen zählen einerseits Arbeitsgelegenheiten (AGH) und

andererseits Förderungen von Arbeitsverhältnissen (FAV) nach §16e SGB II, die beide aus Mitteln des Rechtskreises SGB II finanziert werden. Auf letztere, die als Folgeinstrument für die seit 2012 nicht mehr angebotenen AGH in der Entgeltvariante implementiert wurden, entfallen in der vorliegenden Untersuchung nur noch etwa 0,6 Prozent der Maßnahmeneintritte. Diese Fördervariante ist Ende 2018 ausgelaufen. In diesem Kapitel wird daher statt von Beschäftigung schaffenden Maßnahmen von AGH gesprochen. Wie in Kapitel 2.1 erläutert werden AGH nachrangig gegenüber einer Vermittlung in Ausbildung sowie Maßnahmen der Berufsvorbereitung und der Weiterbildung eingesetzt, und die Zuweisung in AGH gilt gemäß den Fachlichen Weisungen als ultima ratio.

Als Regelinstrumentarium sind AGH nicht explizit passgenau auf die Bedürfnisse der Geflüchteten zugeschnitten. Daher können sich die kurz- und mittelfristigen Zielsetzungen von AGH für

Geflüchtete von denen der sonstigen Zielgruppe unterscheiden. So haben beispielsweise – nach Aussagen von Praktikern – AGH bei geflüchteten Personen häufig eine Brückenfunktion, um Wartezeiten auf Sprachkurse zu verkürzen. Bei der hier betrachteten Personengruppe der Geflüchteten spielen zudem Aspekte der sozialen Teilhabe eine entscheidende Rolle. Der

Mechanismus zwischen Teilhabe und Beschäftigungsfähigkeit ist hierbei reziprok: Soziale Kontakte können einerseits den Einstieg in Beschäftigung oder andere gesellschaftliche Bereiche erleichtern;

gleichzeitig ist die Bildungs- oder Arbeitsmarktteilhabe immer auch mit einer Erweiterung der sozialen Kontakte und Netzwerke verbunden (Brenzel et al. 2019). Vor allem die sozialen Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft unterstützen die Integration in den Arbeitsmarkt, das Bildungssystem und viele andere gesellschaftliche Bereiche (z.B. Kanas et al. 2012; Lancee 2010, Lancee und Hartung 2012). Nach Brücker et al. (2020b) ist bei Frauen in diesem Kontext die insgesamt geringere Anzahl an Kontakten mit Einheimischen auch auf eine geringere Beteiligung am Erwerbs- und Bildungsleben zurückzuführen. Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang, dass ausreichenden Sprachkenntnissen bei der sozialen Teilhabe eine Schlüsselfunktion zukommt.

Anhand der Merkmale der AGH-Teilnehmenden (siehe Tab. 6 in Abschnitt 5.1.2) wird deutlich, dass es sich dabei um eine spezielle Zielgruppe handelt. Somit muss für eine Identifikation der

Maßnahmenwirkung eine Kontrollgruppe mit vergleichbaren Eigenschaften gebildet werden. Um dies zu gewährleisten, müssen die potenziellen Kontrollpersonen zunächst aus gesetzlicher Sicht überhaupt berechtigt sein, hypothetisch in eine Maßnahme eintreten zu können. Dazu werden folgende Kriterien angewendet: Betreffende Personen müssen zu einem definierten Stichtag ALG II beziehen, allerdings nicht gleichzeitig ALG I, sie dürfen sich nicht in einer Maßnahme (außer Aktivierung und berufliche Eingliederung) befinden121 und sind nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Es werden alle Teilnehmenden, die im Untersuchungszeitraum eine AGH begonnen haben, berücksichtigt. Da dieser Maßnahmentyp nicht auf konkrete Qualifizierungsziele angelegt ist und vermehrt auch wiederholte Teilnahmen vorkommen, schränken AGH-Teilnahmen vor dem Untersuchungszeitraum die Untersuchungsgruppe nicht ein. Dies betrifft rund zwölf Prozent der Teilnehmenden. Beginnt eine Person im Untersuchungszeitraum mehr als eine AGH wird lediglich die

121 Maßnahmen zur Aktivierung werden nicht ausgeschlossen, da kein inhaltlicher Widerspruch zwischen der Teilnahme an einer Aktivierungs- und Beschäftigung schaffenden Maßnahme besteht. Zudem verdeutlichen weiterführende Analysen, dass ein Drittel der Teilnehmenden eine exakt parallele Aktivierungsmaßnahme absolviert.

erste evaluiert. Zudem werden AGH, die kürzer als drei Tage dauern, nicht berücksichtigt. Hier ist davon auszugehen, dass diese Maßnahmen zwar in den BA-Systemen gebucht wurden und damit in den Daten registriert sind, aber in der Realität nicht stattgefunden haben.

Unter Anwendung dieser Kriterien können im Evaluationszeitraum 6.026 Teilnehmende identifiziert werden, die zwischen dem 1. August 2017 und 11. September 2018 eine AGH begonnen haben. Pro Monat bedeutet dies zwischen 400 und 550 Maßnahmeneintritte. Als potenzielle Kontrollpersonen stehen 348.932 Nichtteilnehmende zur Verfügung, die in diesem Zeitraum nicht durch eine AGH gefördert wurden, aber ebenfalls alle voraussetzenden Kriterien erfüllen. Die durchschnittliche Dauer einer AGH betrug im Untersuchungszeitraum 142 Tage, die fünf Prozent längsten Teilnahmedauern mindestens 451 Tage.122 39 Prozent der AGH wurden im Untersuchungszeitraum frühzeitig

abgebrochen, das entspricht 62 Prozent aller AGH für die Informationen bezüglich eines Abbruchs vorliegen.123 In rund der Hälfte der Fälle folgt relativ kurz nach dem Abbruch ein Sprachkurs (siehe Kapitel 5.6.3).

Um sich ein Bild über den Zugangsprozess in AGH zu machen, erfolgt die Schätzung multivariater Probitmodelle, mithilfe derer – bei Kontrolle jeweils aller anderen Merkmale – statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen individuellen, organisationsbezogenen sowie regionalen Merkmalen und der Maßnahmenteilnahme identifiziert werden können.124 Wie bereits die deskriptive Auswertung in Tab. 6 in Abschnitt 5.1.2 zeigt, richten sich Beschäftigung schaffende Maßnahmen überdurchschnitt-lich oft an ältere und/oder arbeitsmarktferne Personen. So weisen Geflüchtete, die älter als 34 Jahre sind, eine höhere Wahrscheinlichkeit auf an einer AGH teilzunehmen als jüngere Geflüchtete. In Bezug auf Schul- und Ausbildung zeigt sich, dass das Fehlen eines Abschlusses mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergeht, an einer AGH teilzunehmen. Lange Phasen des Grundsicherungs-leistungsbezugs sind ebenso mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Maßnahmenteilnahme verbunden wie lange Phasen der Arbeitslosigkeit bzw. der Teilnahme an Aktivierungsmaßnahmen.

Die Zeit seit Einreise nach Deutschland besitzt dagegen keinen zusätzlichen Erklärungsgehalt. Aus der Merkmalsgruppe der Längsschnitt-Befragung erweist sich eine der Variablen, die als Proxy für die soziale Stellung im Heimatland zu verstehen sind, als statistisch signifikant. Eine hohe berufliche Stellung des Vaters im Heimatland ist negativ mit der Wahrscheinlichkeit einer AGH-Teilnahme verbunden. Gleiches gilt, wenn die geflüchtete Person selbst eine Führungsposition in ihrem

Heimatland innehatte. Arbeitslosigkeitserfahrung im Heimatland spielt dagegen für die Teilnahme an einer AGH keine Rolle. Bei Betrachtung der regionalen Merkmale fällt auf, dass die Wahrscheinlich-keit für einen AGH-Eintritt in Jobcentern mit unterdurchschnittlicher Quote erwerbsfähiger

Leistungsbezieher (Vergleichstypen der Kategorie I–V) signifikant höher ausfällt als in Jobcentern mit (über-)durchschnittlicher Quote. Bei Betrachtung der Indikatoren aus der Organisationsbefragung zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit an einer AGH teilzunehmen in Jobcentern, die angeben kaum auf die Situation vorbereitet gewesen zu sein bzw. sich einer völlig neuen Situation gegenüber gestellt zu sehen, höher ist als in Jobcentern, die diesen Aussagen weniger zustimmen. Hierzu passen auch die Ergebnisse zum Themenblock „Probleme bei der Versorgung mit geeigneten Förder-maßnahmen“. So zeigen sich in Jobcentern, die der Aussage zustimmen, dass es zu Kapazitäts-engpässen bei bestimmten Maßnahmen kam, ebenso höhere Wahrscheinlichkeiten für eine

122 Im Vergleich zu Kasrin et al. (2021) zeigt sich hier eine Tendenz zu längeren AGH, sowohl gemessen an der mittleren Dauer als auch bei den oberen 5 Prozent.

123 37 Prozent der AGH werden von zugelassenen kommunalen Trägern betreut. Diese übermitteln keine Informationen zu Abbrüchen.

124 Hierbei handelt es sich um die Analyse von Korrelationen und nicht um ein Kausalmodell, mithilfe dessen sich der Zugangsprozess in eine Maßnahme kausal erklären lässt.

Teilnahme wie in Jobcentern, die angeben, dass gewünschte Maßnahmen von den Trägern nicht angeboten werden.125 Auch die Betreuungssituation in den Jobcentern scheint bei der Zuweisung in AGH eine Rolle zu spielen. So zeigt sich eine höhere Wahrscheinlichkeit für AGH bei Trägern, deren Vermittlungsfachkräfte die Geflüchteten häufiger zum persönlichen Gespräch sehen. Lediglich für Frauen gilt, dass die AGH-Wahrscheinlichkeit in Jobcentern höher ist, die der Aussage zustimmen, dass die Orte, an denen Maßnahmen stattfinden, für Geflüchtete schwer zu erreichen sind. Die Wahrscheinlichkeit für weibliche Geflüchtete, an einer AGH-Maßnahme teilzunehmen, ist in

Jobcentern mit einer Integrationsanlaufstelle höher als in solchen ohne. Darüber hinaus zeigt sich in Jobcentern, die einen höheren Bedarf sehen, Frauen besonders zu fördern, auch eine höhere AGH-Wahrscheinlichkeit für weibliche Geflüchtete. Für männliche Geflüchtete lassen sich bei beiden Variablen keine signifikanten Unterschiede feststellen.

Die Gruppe der Teilnehmenden und die mithilfe des Radius-Matching ermittelte Kontrollgruppe unterscheiden sich bezüglich ihrer Mittelwerte für keine der verwendeten Kontrollvariablen signifikant voneinander, d.h. die Merkmale zwischen Kontrollpersonen und Teilnehmenden sind ausbalanciert. Somit verbleibt als einziger wesentlicher Unterschied in den beobachtbaren

Merkmalen nur die Tatsache, dass die Gruppe der Teilnehmenden in die zu evaluierende Maßnahme eintritt, während Personen in der Kontrollgruppe dies nicht tun.

5.6.2 Durchschnittliche Maßnahmeneffekte auf die Arbeitsmarktintegration In Abb. 40 sind die Ergebnisse des Matching-Ansatzes im Hinblick auf zentrale Variablen der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit dargestellt. Die Grafik zeigt dabei die Punktschätzer und die dazugehörigen 95%-Konfidenzintervalle der jeweiligen ATT (average treatment effects) und damit die ermittelten Differenzen zwischen den Teilnehmenden und der Kontrollgruppe für die Mittelwerte der einzelnen Ergebnisvariablen im zeitlichen Verlauf nach dem Maßnahmeneintritt.

In Bezug auf Beschäftigung, welche alle sozialversicherungspflichtigen wie auch geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse beinhaltet, zeigen sich über alle Monate negative Teilnahmeeffekte.126 Das bedeutet, dass Teilnehmende eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweisen, beschäftigt zu sein als die Kontrollgruppe. Für die ersten drei bis vier Monate kann dieses Ergebnis mit dem Lock-in-Effekt begründet werden, da auch die mittlere Dauer der AGH gut drei Monate beträgt.

Dementsprechend können sich Personen während ihrer Maßnahme weniger intensiv der Stellensuche widmen als Personen, die keine oder geringere zeitliche Einschränkungen bei ihren Suchaktivitäten verzeichnen. Da die negativen Beschäftigungseffekte aber bis zu zwölf Monate nach Maßnahmeneintritt signifikant sind, wird deutlich, dass Teilnehmende zusätzlich eine gewisse Zeit benötigen, um diesen Beschäftigungsrückstand aufzuholen. Mit zunehmender Dauer wird der Teilnahmeeffekt absolut gesehen kleiner, und die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Teilnehmenden und Kontrollpersonen gleicht sich an. Während drei Monate nach Maßnahmen-eintritt 18 Prozent der Kontrollpersonen beschäftigt sind, befinden sich nur 12 Prozent der Teilnehmenden in einem entsprechenden Beschäftigungsverhältnis. Nach zweieinhalb Jahren sind schlussendlich 39 Prozent der Kontrollpersonen und 38 Prozent der Teilnehmenden in

Beschäftigung.

125 Eine hohe Zustimmung zur allgemeineren Aussage „Bei der Beratung, Vermittlung und Förderung der Geflüchteten sind bei uns Kapazitätsengpässe aufgetreten“ ist nur für Frauen mit einer höheren AGH-Wahrscheinlichkeit verbunden.

126 Bei den Kontrollpersonen wird in den nachfolgenden Analysen stets ihr fiktiver Maßnahmeneintritt berücksichtigt.

Abb. 40 Durchschnittliche Effekte der Teilnahme an einer Beschäftigung schaffenden Maßnahme auf die Wahrscheinlichkeit beschäftigt oder arbeitslos zu sein (Matching-Ansatz, in Prozentpunkten)

Quelle: Eigene Berechnungen und eigene Darstellung auf Grundlage von Daten der Untersuchungsstichprobe und der Verbleibsnachweise der BA im Rahmen der „Begleitevaluation der arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete“.

Anmerkungen: Gezeigt werden die durchschnittlichen Teilnahmeeffekte mit 95%-Konfidenzintervallen (geclustert nach Stichtagen) auf Basis von Matching-Analysen. Geförderte und ungeförderte Beschäftigung können in den Verbleibsnachweisen nicht differenziert werden. Somit können diese Effekte ab 29 Monaten nach Maßnahmeneintritt nicht mehr ermittelt werden.

Lesebeispiel: Zwölf Monate nach Maßnahmeneintritt weisen Teilnehmende an einer AGH eine 0,9 Prozentpunkte niedrigere Quote in Beschäftigung (SV, geringfügig) auf als vergleichbare Nichtteilnehmende.

Diese Erkenntnisse werden durch weitere Analysen zur Qualität der Beschäftigung gestützt, welche in Tab. 18 dargestellt sind. Insgesamt benötigen Teilnehmende knapp einen dreiviertel Monat länger als Kontrollpersonen bis sie erstmals beschäftigt sind. Die kumulierte Dauer in Beschäftigung ab Maßnahmeneintritt ist ebenfalls signifikant geringer, was wiederum längere Hilfebezüge erforderlich macht. Allerdings weisen Teilnehmende eine leicht (aber signifikant) höhere Wahrscheinlichkeit auf, jemals eine über sieben Tage dauernde Beschäftigung zu finden. Ihre leicht erhöhten Chancen spiegeln sich ebenfalls in einer höheren Anzahl begonnener Beschäftigungsverhältnisse wider.

Einerseits kann dies auf geringere Hürden bei weiteren Beschäftigungen hinweisen, weil sie während der geförderten Maßnahme mehr Kenntnisse über den deutschen Arbeitsmarkt erwerben konnten.

Andererseits können viele kurze begonnene Beschäftigungen auf einen instabilen Erwerbsverlauf ohne eine langfristige Perspektive hinweisen. Letzteres wird dadurch gestützt, dass Teilnehmende trotz einer höheren Anzahl an Beschäftigungsverhältnissen dennoch geringere kumulierte

Beschäftigungsdauern aufweisen.

Insgesamt wird deutlich, dass Teilnehmende ihren anfänglichen Beschäftigungsrückstand (durch Lock-in-Effekt) zwar leicht zeitversetzt wieder aufholen können, es ihnen allerdings nicht gelingt, im Beobachtungszeitraum ein höheres Beschäftigungsniveau zu erreichen als die Kontrollpersonen.

Somit sind Teilnehmende nach ungefähr einem Jahr zwar nicht häufiger, aber auch nicht seltener beschäftigt als die Kontrollpersonen. Inwieweit es sich bei den Beschäftigungsverhältnissen der Teilnehmenden im Vergleich zur Kontrollgruppe um qualitativ höherwertige Stellen handelt, ist nicht eindeutig zu beurteilen. So ist sowohl das Tagesentgelt am Anfang der ersten Beschäftigung als auch die Lohnsumme für die Teilnehmenden höher, letztere aber nicht signifikant. Gleichzeitig erhöht sich

durch die AGH die Wahrscheinlichkeit, trotz eines beruflichen Abschlusses als erste Beschäftigung nach der Maßnahme eine Helfertätigkeit auszuüben.

Tab. 18 Durchschnittliche Effekte der Teilnahme an einer Beschäftigung schaffenden Maßnahme auf die Merkmale der ersten Beschäftigung sowie der weiteren Erwerbsbiografie (Matching-Ansatz)

Quelle: Eigene Berechnungen und eigene Darstellung auf Grundlage von Daten der Untersuchungsstichprobe im Rahmen der

„Begleitevaluation der arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete“.

Anmerkungen: *, **, *** weisen auf eine statistische Signifikanz von jeweils 10%, 5% und 1% hin. Gezeigt werden die durchschnittlichen Teilnahmeeffekte Basis von Matching-Analysen. Bei den abgebildeten Beschäftigungsverhältnissen handelt es sich um Beschäftigungen, die mindestens sieben Tage dauern, ausgenommen sind die kumulierte Dauer der Beschäftigungen, die Anzahl der begonnenen Beschäftigungen und die Lohnsumme aus Beschäftigung.

Betrachtet man diesen Beschäftigungseffekt differenziert, wird deutlich, dass dieser insbesondere aus der ungeförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung resultiert (Abb. 40).127 Während zu Beginn nur knapp zwei Prozent ungefördert beschäftigt sind, befinden sich nach zwei Jahren knapp 30 Prozent in einem derartigen Beschäftigungsverhältnis.

Hinsichtlich der geringfügigen Beschäftigung zeigen sich bis zu zwölf Monate nach Maßnahmen-eintritt signifikant negative Teilnahmeeffekte (Abb. 40). Teilnehmende weisen folglich eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, geringfügig beschäftigt zu sein, als Kontrollpersonen. In diesem

Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass bei AGH eine Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden als zumutbar gilt (Bundesagentur für Arbeit 2017). Daraus könnte gefolgert werden, dass zusätzlich zur AGH auch geringfügig gearbeitet werden kann und demnach positive Teilnahmeeffekte möglich sind.

Allerdings sei an dieser Stelle auf den bereits geschilderten Lock-in-Effekt durch die Maßnahmen-teilnahme verwiesen, sodass Teilnehmende auch zeitliche Restriktionen bei der Suche nach einer geringfügigen Beschäftigung verzeichnen. Weiterführende Analysen zeigen zudem, dass ein knappes Viertel der Teilnehmenden parallel zur AGH noch zeitgleich Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung absolviert (siehe Kapitel 5.6.3). Demnach werden die verfügbaren

Ressourcen der Arbeitszeit auch in weitere Qualifizierungsmaßnahmen investiert. Mit zunehmender Dauer steigt dann der Anteil der Teilnehmenden in geringfügiger Beschäftigung leicht, aber

kontinuierlich an. Während drei Monate nach Maßnahmeneintritt nur vier Prozent der

127 Geförderte Beschäftigung spielt weder für die Teilnehmenden noch für die Kontrollgruppe eine Rolle. Dies bestätigt, dass AGH als

„letztes Mittel“ gelten und der entsprechende Personenkreis nicht für die Förderung durch andere Maßnahmen, die ein Beschäftigungsverhältnis begründen, in Betracht gezogen wird.

Teilnehmenden geringfügig beschäftigt sind, sind es zwei Jahre später immerhin knapp sieben Prozent. Im Gegensatz dazu erreichen die Kontrollpersonen diesen Anteil an geringfügiger Beschäftigung zwar bereits ein Jahr nach fiktivem Maßnahmeneintritt, allerdings stagniert dieser Anteil in den nachfolgenden Monaten. Nach einem anfänglichen Lock-in-Effekt durch die Maßnahmenteilnahme erreichen auch die Teilnehmenden demnach – etwas zeitversetzt – das gleiche Niveau an geringfügiger Beschäftigung wie die Kontrollpersonen, können dieses im Rahmen des Beobachtungszeitraums jedoch nicht übertreffen.

Die Teilnahmeeffekte auf Arbeitslosigkeit zeigen sich komplementär zu den Beschäftigungseffekten.

Während also temporär tendenziell negative Teilnahmeeffekte auf die Beschäftigung vorliegen, zeigen sich positive, also erhöhende Effekte in Bezug auf Arbeitslosigkeit (Abb. 40). Teilnehmende sind im ersten Jahr nach Maßnahmeneintritt häufiger arbeitslos als die Kontrollpersonen. Allerdings reduzieren sich diese Anteile in Arbeitslosigkeit sowohl für Teilnehmende als auch Kontrollpersonen mit zunehmender Dauer seit Maßnahmeneintritt deutlich. Zwei Jahre nach Maßnahmeneintritt sind demnach 66 Prozent der Kontrollpersonen und 64 Prozent der Teilnehmenden arbeitslos gemeldet.

An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sowohl Teilnehmende als auch Kontrollpersonen zum Zeitpunkt des (fiktiven) Maßnahmeneintritts nicht beschäftigt sein dürfen und zum Bezug von ALG II berechtigt sein müssen, da diese Kriterien als Voraussetzung gelten, dass sie für eine AGH ausgewählt werden könnten. Zum (fiktiven) Eintrittsdatum sind also sowohl Teilnehmende als auch Kontrollpersonen arbeitslos. Mit zunehmender Dauer verlassen immer mehr Personen die Arbeits-losigkeit, wobei Teilnehmende etwas (aber signifikant) länger benötigen als Kontrollpersonen.

Die dargestellten Analysen beruhen bisher ausschließlich auf Variablen, die in den administrativen Daten der Bundesagentur für Arbeit enthalten sind. Auf dieser Datengrundlage werden den

Teilnehmenden, unter Anwendung des Matching-Verfahrens, möglichst ähnliche Nichtteilnehmende zugeordnet. Weiterführende Informationen über die Personen, die sich aus ihrem jeweiligen

Heimatland ergeben oder ihr jeweiliges Sprachniveau betreffen, werden bisher nicht berücksichtigt.

Bei den folgenden Analysen werden nur noch Personen berücksichtigt, die an der Längsschnitt-Befragung teilgenommen haben. Diese Einschränkung führt dazu, dass sich die Fallzahlen stark reduzieren (937 befragte Teilnehmende versus 6.026 Teilnehmende) und die ermittelten

Schätzergebnisse deutlich unsicherer werden. Allerdings steht diesen Einschränkungen der Vorteil einer umfassenderen Charakterisierung von Teilnehmenden und Kontrollpersonen durch zusätzliche Merkmale gegenüber. Neben der Erwerbshistorie im Herkunftsland sowie Informationen über die berufliche Stellung des Vaters und dessen Bildung wurden weiterführende Informationen über die Geflüchteten selbst, wie beispielsweise ihre Bildung, Religionszugehörigkeit sowie spezifische Persönlichkeitseigenschaften (Resilienz, Kontrollüberzeugung) und Hintergründe ihrer Flucht hinzugefügt.128,129

128 Weiterhin nicht möglich – obgleich sehr wünschenswert – ist es allerdings, Informationen zum Sprachniveau zum Zeitpunkt des (fiktiven) Maßnahmeneintritts zu berücksichtigen. Die meisten Teilnehmenden wurden erst einige Monate nach Maßnahmeneintritt interviewt, d.h. das in der Befragung angegebene Sprachniveau kann nicht als Matching-Variable aufgenommen werden.

Aufgenommen wurden jedoch ihre Angaben zu besuchten Sprachkursen in Deutschland vor dem (fiktiven) Maßnahmeneintritt. Um sicherzustellen, dass sich die im Nachfolgenden dargestellten Teilnahmeeffekte auf Basis der Befragungsdaten lediglich durch ein besseres Abbild des Matching-Prozesses ergeben, wurde zuvor überprüft, dass sich die bisherigen Ergebnisse auch mit der Stichprobe der befragten Personen reproduzieren lassen. Die diesbezüglichen Analysen weisen vereinzelte Unterschiede auf, die allerdings von sehr geringem Ausmaß und nicht signifikant sind. Somit beruhen Abweichungen in den Ergebnissen auf Basis der Befragungsdaten im Vergleich zu den oben auf Basis nur von administrativen Daten, nicht auf einer anders selektierten Gruppe unter den Befragten, sondern auf die zusätzlichen Informationen, die durch die Befragung erzielt werden.

129 Weil auf Grund des Designs der Befragung Teilnehmende an anderen Maßnahmen überproportional vorhanden sind, werden hier Personen ausgeschlossen, die als Teilnehmende oder Kontrollpersonen für andere Maßnahmenkategorien befragt wurden. Da auf

Abb. 41 Durchschnittliche Effekte der Teilnahme an einer Beschäftigung schaffenden Maßnahme auf die Wahrscheinlichkeit beschäftigt oder arbeitslos zu sein nach Berücksichtigung von Merkmalen aus der Längsschnitt-Befragung von

Geflüchteten (Matching-Ansatz, in Prozentpunkten)

Quelle: Eigene Berechnungen und eigene Darstellung auf Grundlage von Daten der Untersuchungsstichprobe, der Verbleibsnachweise der BA und der ersten Welle der Längsschnitt-Befragung im Rahmen der „Begleitevaluation der arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete“.

Anmerkungen: Gezeigt werden die durchschnittlichen Teilnahmeeffekte mit 95%-Konfidenzintervallen (geclustert nach Stichtagen) auf Basis von Matching-Analysen. Geförderte und ungeförderte Beschäftigung können in den Verbleibsnachweisen nicht differenziert werden und enden 28 Monaten nach Maßnahmeneintritt.

Lesebeispiel: Zwölf Monate nach Maßnahmeneintritt weisen Teilnehmende an einer AGH eine 2 Prozentpunkte niedrigere Quote in Beschäftigung (SV, geringfügig) auf als vergleichbare Nichtteilnehmende.

In Abb. 41 sind für die befragten AGH-Teilnehmenden – unter Berücksichtigung der zusätzlichen Matching-Variablen – die wesentlichen Ergebnisvariablen dargestellt. Dabei sind zunächst die

In Abb. 41 sind für die befragten AGH-Teilnehmenden – unter Berücksichtigung der zusätzlichen Matching-Variablen – die wesentlichen Ergebnisvariablen dargestellt. Dabei sind zunächst die