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Eröffnetes Verfahren

Im Dokument Insolvenzsteuerrecht Jan Roth (Seite 85-183)

I. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Literatur

Bales, Einflussmöglichkeiten von Banken bei der Auswahl des Insolvenzverwal-ters, BKR 2003, 967; Busch, Die Bestellung des Insolvenzverwalters nach dem

„Detmolder Modell“, DZWIR 2004, 353;Frind, Der Einfluss von Gläubigern bei der Auswahl des und der Aufsicht über den Insolvenzverwalter, FD-InsR 2007, 233549; 25 Fragen und Antworten zur Praxis der Verwalter-Vorauswahl, ZInsO 2008, 655;Gaier, Verfassungsrechtliche Aspekte der Auswahl und Abwahl des In-solvenzverwalters, ZInsO 2006, 1177;Graeber, Auswahl und Bestellung des Insol-venzverwalters, DZWIR 2005, 177; Die Auswahl des Insolvenzverwalters durch das Gericht, FPR 2006, 74;Hess/Ruppe, Auswahl und Einsetzung des Insolvenzver-walters und die Justiziabilität des Nichtzugangs zur Insolvenzverwaltertätigkeit, NZI 2004, 641; Jacoby, Auswahlermessen auch im Insolvenzverwalter-Voraus-wahlverfahren, ZIP 2009, 2081;Kirchhof, Die Rechtsstellung vorläufiger Insolvenz-verwalter im Lastschriftverfahren, WM 2009, 337;Kluth, Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters oder die „Insolvenz“ der Verwaltertheorien, NZI 2000, 351;

Marotzke, Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2009, 1929; Prüt-ting, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, ZIP 2002, 1965;Sabel/Wimmer, Die Auswirkungen der europäischen Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, ZIP 2008, 2097; Schmidt, Privatinsolvenz, 3. Aufl., § 4: Regelinsolvenzverfahren Rz. 29–31; Smid, Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht als Rechtsfrage betrachtet, DZWIR 2001, 485;Uhlenbruck, Zur Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzver-walters, NZI 2000, 289; Braucht der Markt neue Maßstäbe für die Auswahl von In-solvenzverwaltern?, BB 2007, 1; Uhlenbruck/Wieland, Die Bestellung des Insol-venzverwalters, ZIP 2007, 462.

1. Übergang der Verfügungsberechtigung des Schuldners

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, § 80 InsO. Zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört neben der Verwaltung und Verwertung des Schuldnervermögens, die Feststellung der zu befriedigenden Ansprü-che und die Erlösverteilung an die zu befriedigenden Gläubiger. Er ist so-mit die zentrale Gestalt des Insolvenzverfahrens.1

2. Auswahl des Insolvenzverwalters

Die Ernennung des Insolvenzverwalters erfolgt im Eröffnungsbeschluss.

Bezüglich der Kriterien zur Ernennung eines Insolvenzverwalters gilt gem. § 56 InsO, dass das Insolvenzgericht eine für den jeweiligen Einzel-fall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von dem Schuldner und Gläubiger unabhängige natürliche Person zu ernennen hat. Juristi-sche Personen können demnach nicht zum Insolvenzverwalter ernannt 1 Runkelin Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 167.

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werden. Hierauf hat der Gesetzgeber im Hinblick auf Aufsichts- und Haf-tungsprobleme, die bei juristischen Personen allein schon wegen der Aus-tauschbarkeit des gesetzlichen Vertreters auftreten können, wie auch mit Rücksicht auf mögliche Interessenkollisionen bewusst verzichtet.1 In der Regel handelt es sich bei den bestellten Insolvenzverwaltern um in besonderer Weise wirtschaftsrechtlich geschulte und erfahrene Rechts-anwälte mit betriebswirtschaftlichem Know-how und einem auf die spe-ziellen Bedürfnisse von Insolvenzverwaltungen zugeschnittenen Backoffi-ce. Vertieftes insolvenzrechtliches Spezialwissen ist dabei nicht zuletzt mit Blick auf die beträchtlichen persönlichen Haftungsrisiken ebenfalls eine unabdingbare Voraussetzung für die Übernahme des Amtes. Daher kommt es nur in Ausnahmefällen zur Bestellung eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters als Insolvenzverwalter.

In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenz-verwalters folgt, können die Gläubiger gem. § 57 Satz 1 InsO anstelle der vom Insolvenzgericht bestellten Person einen anderen Insolvenzverwalter wählen. Das Insolvenzgericht kann dann die Bestellung nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes offensichtlich nicht geeignet ist, vgl. § 57 Satz 2 InsO. Nach der ersten Gläubigerversammlung kann das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter gem. § 59 Abs. 1 InsO nur noch aus wichtigem Grund entlassen. Ein wichtiger Grund ist beispiels-weise die Nichtanzeige bestehender Interessenkollisionen oder die Bevor-zugung einzelner Gläubiger oder Gruppen von Gläubigern.2

3. Zivilrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters

In der Literatur sehr umstritten ist die zivilrechtliche Stellung des Insol-venzverwalters. Vordergründig geht es dabei um die Frage, in welcher Be-ziehung der Verwalter zur Insolvenzmasse steht. Da dieser Streit in der Praxis jedoch kaum Auswirkungen hat, soll hier nur die sowohl von der Rechtsprechung3als auch der ganz herrschenden Meinung in der Litera-tur4 vertretene sog. „Amtstheorie“ kurz angerissen werden. Danach ist der Insolvenzverwalter ein unabhängiges Rechtspflegeorgan, das in den rechtlichen Auseinandersetzungen, die er für den Schuldner führt, als

„Partei kraft Amtes“ fungiert. Gesetzlichen Niederschlag findet diese Auffassung in § 116 Satz 1 Ziff. 1 ZPO. Außerdem passt sie am ehesten zu §§ 80 Abs. 1, 92, 93 InsO und bringt ohne Bruch mit der zivilrecht-lichen Dogmatik zum Ausdruck, dass derInsolvenzverwalter funktions-bezogen für ein Sondervermögen zuständig ist, das er als unabhängiges 1 Runkelin Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 157.

2 OLG Zweibrücken v. 31.5.2000 – 3 W 94/00, NZI 2000, 373 (373).

3 Vgl. z.B. BGH v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, NJW 1987, 3133 (3135); v. 27.10.1983 – ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 (334).

4 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur beispielhaft: Ott/Vuia in MünchKomm/

InsO, § 80 Rz. 20ff. m.w.N.; Wittkowski in Nerlich/Römermann, § 80 InsO Rz. 40;Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 9 Rz. 90.

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Organ der Rechtspflege im allgemeinen Interesse zu verwalten und zu verwerten hat. Der Insolvenzverwalter übt seine Kompetenzen also nicht im eigenen Interesse, sondern treuhänderisch für andere aus.1

Der Insolvenzverwalter handelt demnach für die Insolvenzmasseim eige-nen Namen als Inhaber eines privaten Amtes in Erfüllung der ihm auf-erlegten gesetzlichen Verpflichtungen. Prozesse führt er in gesetzlicher Prozessstandschaft für den Schuldner, dessen Rechte er kraft der ihm übertragenen Verfügungsbefugnis im eigenen Namen geltend machen kann.2Nach der herrschenden Amtstheorie ist nicht der vom Insolvenz-verwalter vertretene Schuldner Partei, sondern der InsolvenzInsolvenz-verwalter als solcher. Folglich hat er auch die Prozesskosten aus der Masse zu beglei-chen, falls er den Prozess verliert. Will er vollstrecken, benötigt er einen auf seinen Namen lautenden Titel. Hatte jedoch der Schuldner bereits ei-nen auf seiei-nen Namen lautenden Titel, so ist dieser auf den Insolvenzver-walter als Rechtsnachfolger (in die Verfügungsmacht) umzuschreiben.

Werden Ansprüche gegen die Masse geltend gemacht, so ist nach Ansicht der Amtstheorie der Insolvenzverwalter als solcher, nicht jedoch der Schuldner zu verklagen, was vor allem auch im arbeitsrechtlichen Kündi-gungsschutzprozess gilt.3

4. Pflichten des Insolvenzverwalters

Gemäß § 148 InsO hat der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des In-solvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Notfalls kann er die Herausgabe ge-gen den Schuldner nach §§ 883ff. ZPO unter Einschaltung eines Ge-richtsvollziehers durchsetzen. Titel ist dabei gem. § 148 Abs. 2 InsO der Eröffnungsbeschluss, auch wenn dieser die Massegegenstände nicht ein-zeln aufführt. Um sich einen Überblick über die Aktiva und Passiva zu verschaffen, hat er ein Verzeichnis der einzelnen Gegenstände der Insol-venzmasse (§ 151 InsO), ein Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) und eine Vermögensübersicht nach § 153 InsO aufzustellen.

Das Amt des Insolvenzverwalters ist höchstpersönlich. Besonders bedeut-same Rechtshandlungen muss der Insolvenzverwalter daher auch persön-lich vornehmen. Insoweit kommt Bevollmächtigung eines Dritten nicht in Frage, weder durch Erteilung einer Generalvollmacht noch durch be-schränkte Vollmacht.4Solche verfahrenstypischen Tätigkeiten umfassen beispielsweise:

– Wahrnehmung der Gläubigerversammlung einschließlich Prüfungster-mine und Schlusstermin, insbesondere die Abgabe der dort vorgesehe-nen Erklärungen

1 Ott/Vuiain MünchKomm/InsO, § 80 Rz. 27.

2 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 68.

3 BAG v. 21.9.2006 – 2 AZR 573/05, NJW 2007, 458 (459); v. 17.1.2002 – 2 AZR 57/01, NZA 2002, 999 (999).

4 Runkelin Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 193.

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– Prüfung angemeldeter Forderungen,1 – Erfüllungswahl nach § 103 InsO,

– Ausübung des Insolvenzanfechtungsrechts, – Entscheidung über die Aufnahme von Prozessen,

– Einreichung der Schlussrechnung und des Schlussverzeichnisses.

In dem Berichtstermin (§ 156 InsO) hat der Insolvenzverwalter die Gläubi-gerversammlung über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ur-sachen zu unterrichten. Um der Gläubigerversammlung eine ihrer wich-tigsten Aufgaben, die Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens gem.

§ 157 InsO, zu ermöglichen, muss der Verwalter darlegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen ganz oder in Teilen zu erhalten, welche Mög-lichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und wie sich Sanierung bzw.

Insolvenzplan auf die Befriedigung der Gläubiger auswirken würden, § 156 InsO. Im Anschluss an den Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter un-verzüglich mit der Verwertung der Insolvenzmasse zu beginnen, soweit nicht die Gläubigerversammlung etwas anderes beschlossen hat, vgl. § 159 InsO. Da an die Gläubiger nur Zahlungsmittel verteilt werden dürfen, müs-sen die zur Insolvenzmasse gehörenden werthaltigen Vermögensgegen-stände zu Geld gemacht werden.2 Dies geschieht in der Regel durch den Einzug von Forderungen und die Veräußerung aller Vermögensgegenstände, einschließlich solcher, an denen einzelne Gläubiger ein dingliches Recht haben, § 166 InsO. In der Wahl der konkreten Verwertungsart ist der Insol-venzverwalter im Grundsatz völlig frei. Er muss allerdings dafür sorgen, dass die Vermögensgegenstände bestmöglich verwertet werden.

Parallel muss der Insolvenzverwalter die auf seine Aufforderung hin ange-meldeten Forderungen auf ihren rechtlichen Bestand hin überprüfen und ggf. zur Insolvenztabelle feststellen (Rz. 3.269ff.).

Der Umfang der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters wird durch den In-solvenzzweckbestimmt. Demzufolge sind Maßnahmen, welche dem Ver-fahrenszweck offenbar, d.h. für den Geschäftsgegner erkennbar, zuwider-laufen, unwirksam.3 Als diesbezügliches Abgrenzungskriterium können die von Rechtsprechung4 und Literatur5 entwickelten Grundsätze zum 1 Vgl. dazu sehr ausführlich:Smid, Praxishandbuch Insolvenzrecht, § 9 Rz. 29ff.

2 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 53.

3 Eickmannin HeidelbergerKomm/InsO, § 80 Rz. 12.

4 St. Rspr.; vgl. BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, RGZ 136, 356 (359); v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112 (114) = NJW 1968, 1379 (1380, 1381); v. 15.12.1975 – II ZR 148/74, BGH WM 1976, 658 (659); v. 10.12.1980 – VIII ZR 186/79, BGH WM 1981, 66, (67); v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1461 (1462); v.

18.5.1988 – IVa ZR 59/87, NJW 1988, 3012 (3013); v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, NJW 1990, 384 (385); v. 31.1.1991 – VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315 (320) = NJW 1991, 1812 (1813); v. 28.4.1992 – XI ZR 164/91, BGH NJW-RR 1992, 1135 (1135, 1136).

5 Leptienin Soergel, § 177 BGB Rz. 15;Schilkenin Staudinger, § 167 BGB Rz. 94;

Krebs in MünchKomm/HGB, Vor § 48 Rz. 69, 71; Joost in Staub, § 50 HGB,

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Missbrauch der Vertretungsmacht herangezogen werden, also insbeson-dere die Fallgruppen der Kollusion und Evidenz, etwa bei der Bevorzugung eines Gläubigers gegenüber anderen.

5. Überwachung des Insolvenzverwalters

Der Insolvenzverwalter unterliegt der Aufsicht des Insolvenzgerichts, das von ihm gem. § 58 InsO jederzeit Rechenschaft verlangen kann. Grund-sätzlich ist der Insolvenzverwalter in seiner Amtsführung jedoch frei, was bedeutet, dass er auch bei wirtschaftlich einschneidenden Maßnahmen nicht der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedarf, sondern nur gem.

§ 60 Abs. 1 Satz 2 InsO derSorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaf-ten Insolvenzverwaltersunterworfen ist. Somit ist etwa die Erteilung von Weisungen durch das Insolvenzgericht ausgeschlossen. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kommt allerdings gem. § 59 InsO eine Entlassung des Verwalters in Betracht. Außerdem können gesetzli-che Rechnungslegungs- und Berichtspflichten durch Androhung und Ver-hängung von Zwangsgeldern durchgesetzt werden (§ 58 Abs. 2 InsO).1 Daneben sieht § 69 InsO eine Überwachung des Insolvenzverwalters durch den Gläubigerausschussvor, sofern ein solcher im konkreten Ver-fahren bestellt ist. Für besonders bedeutsame Maßnahmen hat der Insol-venzverwalter gem. § 160 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschus-ses, wenn ein solcher nicht bestellt ist, die Zustimmung der Gläubiger-versammlung einzuholen. Eine ohne die erforderliche Zustimmung getroffene Maßnahme des Insolvenzverwalters ist allerdings gleichwohl gem. § 164 InsO wirksam. Der Gläubigerausschuss hat wie auch das In-solvenzgericht gegenüber dem Insolvenzverwalter kein Weisungsrecht, ist aber gehalten, sich über die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu infor-mieren, ihn zu beraten und notfalls das Insolvenzgericht einzuschalten.

Zu beachten ist, dass die Aufsichts- und Beteiligungsrechte nur dem Gre-mium als solchem, nicht aber einzelnen Gläubigern zustehen.2

6. Beendigung des Amtes

Die Insolvenzverwaltertätigkeit endet mit der Aufhebung oder endgülti-gen Einstellung des Verfahrens (§§ 200, 215 InsO), anderenfalls mit der Er-nennung eines neuen Verwalters gem. § 57 InsO, dem Tode oder der Ge-schäftsunfähigkeit des Verwalters sowie mit seiner vorzeitigen Entlas-sung aus wichtigem Grund gem. § 59 InsO. Zuletzt ist eine EntlasEntlas-sung des Insolvenzverwalters auch auf eigenen Wunsch möglich.3

Rz. 45, 51;Canaris, HandelsR, § 14 Rz. 40;Köhler, BGB AT, § 11 Rz. 63;Larenz/

Wolf, BGB AT, § 46 Rz. 141;Leipold, BGB AT, Rz. 830;Hoptin Baumbach, § 50 HGB, Rz. 6.

1 Vgl. BGH v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, NZI 2005, 391 (391); LG Köln v. 20.12.2000 – 19 T 148/00, NZI 2001, 157 (158).

2 BGH v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, NZI 2009, 238 (239).

3 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 62.

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II. Stellung des Insolvenzverwalters als Vermögensverwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO

Die Vorschriften des Steuerrechts werden durch das Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht berührt.1 Das Insolvenzrecht wirkt auf das Steuer-recht nur soweit ein, wie eine unveränderte Geltung der steuerSteuer-recht- steuerrecht-lichen Vorschriften mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens unvereinbar wäre.2

Der Insolvenzverwalter muss nach § 34 Abs. 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrnehmen, dem durch die Verfahrenseröff-nung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen worden ist.3Der Insolvenzverwalter ist verfahrensrechtlich Vermögensverwalter i.S.v.

§ 34 Abs. 3 AO.4Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt jedoch die steuerliche Rechtsstellung des Schuldners unberührt. Dieser bleibt auch während des Verfahrens für alle Steuerarten Steuersubjekt und daher auchSteuerschuldneri.S.v. § 43 AO undSteuerpflichtigeri.S.v. § 33 AO.5 Allerdings hat der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners in Bezug auf das von ihm verwaltete Vermögen vollumfäng-lich zu erfüllen.6

Die steuerlichen Pflichten ergeben sich vor allem aus §§ 90, 93ff., 137ff., 140ff., 149ff. AO und bestehen insbesondere in

– der Steuererklärungspflicht,

– den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und – den Auskunfts-, Anzeige- und Nachweispflichten.7

Auskünfte zur Sachaufklärung darf die Finanzbehörde vom Insolvenzver-walter jedoch erst dann einfordern, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten i.S.d. § 78 AO nicht zum Ziel führt oder keinen Er-folg verspricht, § 93 Abs. 1 Satz 3 AO.8 Die handels- und steuerrecht-lichen Pflichten zur Buchführung und Rechnungslegung bestehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverändert fort (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO). Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfüllen (Rz. 3.114ff.). Die Pflicht des Insolvenzverwalters, die die Insolvenzmasse betreffenden Steuererklärungen abzugeben, folgt aus § 34 AO.9 Die Bestimmung des

§ 34 Abs. 3 AO lässt die Abgabe von Steuererklärungen durch andere Per-sonen auch dann nicht zu, wenn diese dazu willens wären. Selbst im Fall 1 Voigt-Salusin Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 44, Rz. 1.

2 Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 33 Rz. 2.

3 Olbrich, ZInsO 2004, 1292 (1293).

4 Onusseit, ZInsO 2000, 363 (365);Maus, ZInsO 1999, 683 (686).

5 Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rz. 2.1.

6 Ott/Vuiain MünchKomm/InsO, § 80 Rz. 131.

7 Maus, ZInsO 1999, 683 (686).

8 FG Brandenburg v. 12.5.2004 – 1 K 2447/01, ZIP 2005, 41 (42).

9 Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 33ff.

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der Massearmut wird der Insolvenzverwalter nicht von den Steuererklä-rungspflichten frei (Rz. 2.274ff., 3.178f.). Der Insolvenzverwalter ist trotz Masseunzulänglichkeit grundsätzlich verpflichtet, Steuererklärungen selbst zu erstellen, wenn die Masse nicht ausreicht, ein Steuerberaterho-norar zu bezahlen (Rz. 3.179).1

III. Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse Literatur

Elfring, Die Verwertung verpfändeter und abgetretener Lebensversicherungs-ansprüche in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NJW 2005, 2192; Ganter, Betriebsfortführung durch den vorläufigen Verwalter trotz Globalzession?, NZI 2010, 551; Gundlach/Frenzel/Jahn, Die Inbesitznahme von Aussonderungsgut, DZWIR 2007, 320;Gundlach/Frenzel, Zu den Konseqenzen der Inbesitznahme des Sicherungsgutes vor Insolvenzeröffnung, DZWIR 2007, 458; Gundlach/Frenzel/

Jahn, Die Inbesitznahme durch den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, ZInsO 2010, 122; Blick ins Insolvenzrecht, DStR 2010, 658;Gundlach/Schirrmeister, Die aus- und absonderungsfähigen Gegenstände in der vorläufigen Verwaltung, NZI 2010, 176;Humbeck, Kosten der Verwertung des Vorratsvermögens bei Unternehmensfortführung, § 171 Abs. 2 InsO, DZWIR 2003, 283;Kranenberg, Kraftfahrzeugsteuer in der Insolvenz – neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung, NZI 2008, 81; Modifizierte Freigabe – Quo vadis?, NZI 2009, 156;Mankowski, Bestimmung der Insolvenzmasse und Pfändungsschutz unter der EuInsVO, NZI 2009, 785;Nehrig, Umsatzsteuerpflicht der Masse bei vorinsolvenz-licher Inbesitznahme des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer, DZWIR 2006, 141;Obermair, Der Neuerwerb – eine unendliche Geschichte – Anmerkung zum Urteil des BFH vom 7.4.2005, DStR 2005, 1561;Obermüller, Kostenbeiträge und Ausgleichsansprüche bei Verwertung von Mobiliarsicherheiten, NZI 2003, 416; Verwertung von Mobiliarsicherheiten im Insolvenzantragsverfahren, DZWIR 2000, 10;Schlegel, Der Verwalter als Zahlstelle nach § 166 InsO, NZI 2003, 17;

Smid, Zahlung von Lästigkeitsprämien aus der Insolvenzmasse, DZWIR 2008, 501;

de Weerth, Zur Frage der Umsatzsteuerschuld bei der Anfechtung bei Inbesitz-nahme von sicherungsübereigneten Gegenständen durch Gläubiger vor und Ver-wertung nach Verfahrenseröffnung, NZI 2007, 396;Wischemeyer, Maßnahmen der Sicherung, Verwaltung und Verwertung bei Mitberechtigung des Schuldners an Im-mobilien im Insolvenzverfahren, FD-InsR 2009, 275674;Zimmer, Eigentumsauf-gabe und Aneignung nach § 928 BGB, NotBZ 2009, 397.

1. Legaldefinition der Insolvenzmasse

Die Verwaltung der Masse umfasst die Sichtung, Sammlung und Siche-rung der Insolvenzmasse. Dabei beinhaltet „Sichten“ nicht einzig das Feststellen körperlich vorhandener Vermögensgegenstände oder die Erfas-sung von Forderungen oder Rechten, sondern auch die Prüfung eines Un-ternehmens dergestalt, dass festgestellt werden muss, ob entsprechend der Intention des Gesetzgebers eine erfolgreiche Sanierung desselben in Betracht kommt.2

1 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, NJW 1995, 1696 (1696).

2 Vgl.Runkelin Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 171.

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In § 35 InsO wird die Insolvenzmasse als das gesamte Vermögen definiert, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Anders als etwa der Vermögensbegriff des § 1922 BGB umfasst jener des § 35 InsO lediglich die Gesamtheit des schuldnerischen Aktivvermögens. Hierunter fallen alle geldwerten kör-perlichen Gegenstände, Forderungen, einschließlich anfechtungsrecht-licher Rückgewähransprüche nach § 143 InsO, Unternehmensbeteiligun-gen und andere FinanzanlaUnternehmensbeteiligun-gen, sonstige Rechte sowie alle im Ausland1 be-findlichen Vermögensgegenstände. Die Grenzen der Beschlagswirkung bestimmt § 36 InsO. Danach fallen grundsätzlich nur solche Gegenstände in die Masse, die auch der Zwangsvollstreckung unterliegen.

2. Inbesitznahme

Gemäß §§ 148ff. InsO hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insol-venzmasse gehörende Vermögen nach der Eröffnung des Verfahrens in Be-sitz zu nehmen. Das von §§ 35f. InsO umfasste Vermögen stellt aber regelmäßig nicht die Masse dar, die der Insolvenzverwalter nach seiner Bestellung beim Schuldner vorfindet. Man spricht in dem Zusammen-hang daher auch von Sollmasse als der Summe der letztlich im Inte-resse der Gläubiger verwertbaren Vermögensgegenstände des Schuld-ners.2Die Summe der Vermögensgegenstände, die der Insolvenzverwalter beim Schuldner vorfindet, ist demgegenüber die Istmasse. Diese ist vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmen und im weiteren Verfahrensver-lauf zur Sollmasse zu bereinigen, etwa indem schuldnerfremde Ver-mögensgegenstände durch Herausgabe an den Berechtigten ausgesondert werden.

Die Inbesitznahme erfolgt durch Begründung der tatsächlichen Sachherr-schaft i.S.v. § 854 BGB. Ob die Vermögensgegenstände mit Rechten Drit-ter belastet sind, ist für die Inbesitznahme bedeutungslos. Sind die Gegen-stände mitAbsonderungsrechteni.S.v. § 50ff. InsO belastet, ist der Insol-venzverwalter grundsätzlich zur Verwertung befugt (§ 166 Abs. 1 InsO).

Hierzu muss er sie auch in Besitz nehmen dürfen. Sind Aussonderungs-ansprüchenicht abschließend geklärt, greift die Eigentumsvermutung des

§ 1006 BGB zugunsten der Masse. Daher können sich aus- und absonde-rungsberechtigte Dritte gegen die Inbesitznahme nicht wehren.3Haben al-lerdings die Ermittlungen im Eröffnungsverfahren ergeben, dass Ausson-derungsrechte bestehen, so muss der Insolvenzverwalter diese Gegen-stände nicht in Besitz nehmen.4Befinden sich bewegliche Gegenstände im Besitz des Schuldners und verweigert dieser die Herausgabe, kann der 1 BGH v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, NJW 1997, 524 (524).

2 Mohrbutterin Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 6 Rz. 164.

3 Wegenerin FrankfurterKomm/InsO, § 148 Rz. 4.

4 BGH v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156 (161); Füchs/Weishäupl in MünchKomm/InsO, § 148 Rz. 12.

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Insolvenzverwalter mit einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröff-nungsbeschlusses die Herausgabevollstreckung betreiben.1

Der Insolvenzverwalter muss auchRechte in Besitznehmen. Soweit diese in einer Urkunde (Wertpapiere, Sparbücher, Grundpfandbriefe etc.) ver-körpert sind, hat der Insolvenzverwalter Letztere in Besitz zu nehmen.

Darüber hinaus muss er sicherstellen, dass die Rechte nicht durch Dritte beeinträchtigt werden.2 Für die wirksameInbesitznahme von Forderun-genist erforderlich, dass die Verfahrenseröffnung den Drittschuldnern an-gezeigt wird, jeweils verbunden mit dem Hinweis, dass erfüllungswirk-sam nurmehr an die Masse geleistet werden kann.

Die Insolvenzmasse umfasst auch die Geschäftsbücher des Schuldners,

§ 36 Abs. 2 Ziff. 1 InsO. Daher kann der Insolvenzverwalter diese von den Stellen, die diese in der Vergangenheit geführt haben, heraus verlan-gen.3 Das gilt gleichermaßen für Unterlagen, die ein Steuerberater oder Buchhalter im Rahmen seiner Auftragsleistung für den Schuldner erstellt hat. Ausführlich zu den Rechtsverhältnissen des Insolvenzverwalters in Bezug auf den Steuerberater des Insolvenzschuldners (Rz. 2.386ff.).4 Gehören Immobilien zur Insolvenzmasse, erfolgt deren Sicherung zu-gunsten der Masse mittels Eintragung des Insolvenzvermerkes in das Grundbuch, § 32 InsO. Soweit Immobilien vermietet sind, ist zusätzlich eine Anzeige gegenüber den Mietern als Drittschuldnern erforderlich.5

§ 36 Abs. 2 Ziff. 1 InsO. Daher kann der Insolvenzverwalter diese von den Stellen, die diese in der Vergangenheit geführt haben, heraus verlan-gen.3 Das gilt gleichermaßen für Unterlagen, die ein Steuerberater oder Buchhalter im Rahmen seiner Auftragsleistung für den Schuldner erstellt hat. Ausführlich zu den Rechtsverhältnissen des Insolvenzverwalters in Bezug auf den Steuerberater des Insolvenzschuldners (Rz. 2.386ff.).4 Gehören Immobilien zur Insolvenzmasse, erfolgt deren Sicherung zu-gunsten der Masse mittels Eintragung des Insolvenzvermerkes in das Grundbuch, § 32 InsO. Soweit Immobilien vermietet sind, ist zusätzlich eine Anzeige gegenüber den Mietern als Drittschuldnern erforderlich.5

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