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Durchführung der Besteuerung

Im Dokument Insolvenzsteuerrecht Jan Roth (Seite 191-200)

Steuerverfahrensrecht im Insolvenzverfahren

A. Durchführung der Besteuerung

Literatur

Bartone, Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf das Besteuerungsverfahren, AO-StB 2002, 22; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insol-venzrecht, DZWIR 2007, 188; Benne, Einkommensteuerliche und steuerverfah-rensrechtliche Probleme bei Insolvenzen im Zusammenhang mit Personengesell-schaften, BB 2001, 1977;Eidenmüller, Forschungsperspektiven im Unternehmens-recht, ZGR 2007, 484;Heese, Forderungsbewertung und Wertermittlungspflichten im Insolvenzfall, DStR 2008, 150;Hölzle, Das Steuerberatungsmandat in der Insol-venz des Mandanten – Mandatsfragen im Vorfeld der InsolInsol-venz, im vorläufigen und im eröffneten Insolvenzverfahren, DStR 2003, 2075;Linn, Die Anwendung des Bei-hilfeverbots im Unternehmensteuerrecht, IStR 2008, 601;Maus, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen als Problem in der Unternehmensinsolvenz, NZI 2000, 449; Nicht/Frege/Berger, Unternehmerische Ermessensentscheidungen im Insol-venzverfahren – Entscheidungsfindung, Kontrolle und persönliche Haftung, NZI 2010, 321;Pflaum, Steuerbescheide in der Insolvenz, StW 2009, 244;Rüsken, Auf-rechnung von Steuern im Insolvenzverfahren in der neueren Rechtsprechung des BFH, ZIP 2007, 2053; Die Rechtsprechung des VII. Senats des BGH zum steuer-lichen Insolvenzverfahrensrecht und zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren, NZI 2006, 330;Schmidt-De Caluwe, Vorläufige Verwaltungsakte im Arbeitsförderungs-recht, NZS 2001, 240;Steinhauff, Die Treuhand im Ertragsteuerrecht, SteuK 2010, 249;Sterzinger, Probleme bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens im Insolvenzverfahren, BB 2008, 1480; Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungs-pflichten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter im Insolvenzver-fahren, NZI 2002, 401.

I. Grundsätzlicher Fortbestand der Rechtsfähigkeit

Der Insolvenzschuldner bleibt auch nach Insolvenzeröffnung weiter rechtsfähig und Steuerrechtssubjekt. Für natürliche Personen versteht sich dies von selbst (§ 1 BGB). Aber auch juristische Personen behalten während des Insolvenzverfahrens ihre Rechtsfähigkeit und ihre Steuer-subjektfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit der juristischen Person endet näm-lich erst mit Eintritt der Vermögenslosigkeit und der Löschung im Han-delsregister.1 Die Löschung allein bewirkt keine Vollbeendigung der Körperschaft. Da die juristische Person, über deren Vermögen das Insol-venzverfahren eröffnet ist, auch während des InsolInsol-venzverfahrens Träger der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände und Verbind-lichkeiten (sowohl Insolvenzforderungen als auch Masseverbindlichkei-ten) ist, kann Vollbeendigung erst dann eintreten, wenn die gesamte In-solvenzmasse an die Gläubiger verteilt ist, denn vor diesem Zeitpunkt ist 1 Haasin Baumbach/Hueck, § 60 GmbHG, Rz. 6; OLG Stuttgart v. 28.2.1986 –

2 U 148/85, NJW-RR 1986, 836 (836).

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die juristische Person noch Vermögensträger. Wird die Gesellschaft trotz vorhandenen Vermögens gelöscht, berührt dies ihre Rechtsfähigkeit nicht. Auch steuerrechtlich tritt durch die Löschung im Handelsregister nicht die Beendigung der Körperschaft ein. Nach ständiger Rechtspre-chung des BFH besteht eine juristische Person trotz ihrer LösRechtspre-chung im Handelsregister steuerrechtlich fort, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide an-greift.1 Dies gilt auch für ausländische Kapitalgesellschaften.2Daher ist auch während des Insolvenzverfahrens die Besteuerung von Insolvenz-schuldnern durchzuführen, die juristische Personen sind.

II. Zuständigkeiten der Finanzbehörde

Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich gem. § 16 AO nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG), soweit keine be-sonderen Regelungen getroffen sind. Solche bebe-sonderen Regelungen fin-den sich beispielsweise in §§ 249 Abs. 1, 328 Abs. 1, 386 Abs. 1 AO.

Sachliche Zuständigkeit bedeutet die Verteilung behördlicher Aufgaben auf verschiedene Verwaltungsträger. Unterarten der sachlichen Zustän-digkeit sind die funktionelle und die verbandsmäßige ZustänZustän-digkeit. Ge-genstand der funktionellen Zuständigkeit sind diejenigen Regelungen, die festlegen, welche Aufgaben auf welcher Hierarchieebene (Unter-, Mittel-und Oberbehörden) wahrgenommen werden. Verbandsmäßige Zuständig-keit meint die Abgrenzung der ZuständigZuständig-keiten verschiedener Rechtsträ-ger zueinander. So sind beispielsweise die Gemeinden gem. § 4 Abs. 1 GewStG in Ansehung der Gewerbesteuer verbandsmäßig zuständig. Ver-waltungsakte, die von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden sind, sind nichtig (§ 125 Abs. 1 AO), wenn der Fehler offensicht-lich ist, sonst zumindest rechtswidrig. Fehlt der erlassenden Behörde die erforderliche Sachkunde für den Erlass eines bestimmten Verwaltungs-aktes, so ist grundsätzlich von Nichtigkeit auszugehen.

Die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich nach §§ 17 ff.

AO. Für die örtliche Zuständigkeit sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns maßgeblich.3 Für natürliche Personen richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörde nach § 19 AO, also nach dem Ort, an dem die Person ihren Wohnsitz hat. Soweit gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen erforderlich sind, wie vor al-lem bei Personengesellschaften, richtet sich die örtliche Zuständigkeit 1 BFH v. 15.2.2006 – I B 38/05, BFH/NV 2006, 1049ff.; v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670ff.; kritischKoenig in Pahlke/Koenig, § 33 AO Rz. 10. Fehl geht insoweit FG Nds. v. 15.9.2005 – 6 K 609/00, EFG 2006, 1195ff., wonach eine Stiftung durch Eröffnung des Konkursverfahrens ihre Rechtsfähigkeit verlieren soll. Das soll sich aus §§ 86, 42 Abs. 1 BGB ergeben. § 42 Abs. 1 BGB bestimmt indessen nur die Auflösung, nicht aber die Beendigung der Rechtsfähigkeit.

2 BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670ff.

3 BFH v. 22.9.1989 – III R 227/84, BFH/NV 1990, 568.

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nach § 18 Abs. 1 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 AO. Dieörtliche Zuständigkeit der Finanzbehörde für Körperschaftenbestimmt sich gem. § 20 Abs. 1 AO nach ihrem Geschäftssitz. Ein Zuständigkeitswechsel tritt gem. § 26 AO dann ein, wenn sich die Umstände, die die Zuständigkeit begründen, än-dern und eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Während des In-solvenzantragsverfahrens und während eines eröffneten Insolvenzverfah-rens tritt allerdings gem. § 26 Satz 3 AO kein Zuständigkeitswechsel ein, auch wenn der Insolvenzverwalter die Geschäfte des insolvenzschuldneri-schen Unternehmens von einem anderen als dem bisherigen Geschäfts-sitz aus führt, beispielsweise von seinen Kanzleiräumlichkeiten. § 26 Satz 3 AO gilt sowohl für das Regelinsolvenzverfahren (§§ 11ff. InsO), als auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304ff. InsO).

In den Fällen, in denen eine natürliche Person während des eröffneten In-solvenzverfahrens in einem anderen Finanzamtsbezirk eine neue gewerb-liche oder selbständige Tätigkeit i.S.d. § 35 Abs. 2 InsO aufnimmt, gilt Folgendes1:

Ist der Steuerpflichtige bereits bisher ertrag- und betriebsteuerlich geführt worden, verbleibt es für diese Steuerarten gem. § 26 Satz 3 AO bei der bis-herigen Zuständigkeit.

Handelt es sich hingegen um die erstmalige Aufnahme einer unternehme-rischen Tätigkeit, wird hinsichtlich der Betriebssteuern erstmals eine Zu-ständigkeit begründet und mithin dies mangels eines ZuZu-ständigkeits- Zuständigkeits-wechsels nicht von § 26 Satz 3 AO erfasst. Die örtliche Zuständigkeit für die Betriebssteuern liegt damit bei dem Finanzamt, von dessen Bezirk der Unternehmer das Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt.

Wechselt der Schuldner während der Wohlverhaltensphase (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) seinen Wohnsitz in den Bezirk eines anderen Finanzamts, so ist die Besteuerung von dem für den neuen Wohnsitz zuständigen Finanz-amt durchzuführen, weil die Wohlverhaltensphase erst an das bereits ein-gestellte oder aufgehobene Insolvenzverfahren anschließt.2

Sofern die örtlich unzuständige Behörde einen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist dieser gem. § 125 Abs. 3 Ziff. 1 AO nicht bereits deswegen nichtig. Sofern keine andere Entscheidung in der Sache hätte ergehen können, kann die Aufhebung des Verwaltungsaktes wegen § 127 AO nicht verlangt werden. Gleichwohl ist der durch die örtlich unzuständige Behörde erlassene Verwaltungsakt rechtswidrig; er ist aufzuheben, wenn in der Sache materiell-rechtlich eine andere Entscheidung hätte ergehen können.

1 OFD Hannover v. 23.12.2008 – S 0127 - 36 - StO 142, DStR 2009, 588 (588) Ver-fügung betr. örtliche Zuständigkeit in Insolvenz- und Liquidationsfällen.

2 OFD Hannover v. 23.12.2008 – S 0127 - 36 - StO 142, DStR 2009, 588 (588) Ver-fügung betr. örtliche Zuständigkeit in Insolvenz- und Liquidationsfällen.

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III. Steuergeheimnis Literatur

Bächer, Steuergeheimnis bei Zusammenveranlagung?, ZInsO 2009, 1147; Drüen, Die Zukunft des Steuerverfahrens, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts 2009, 1; Eich, Grenzüberschreitende Amtshilfe in Steuersachen, KÖSDI 2010, 17041;Haarmann/Suttorp, Zustimmung des Kabinetts zum Steuerhinterziehungs-bekämpfungsgesetz, BB 2009, 1275; Hagen, Steuergeheimnis im Verfahren nach der Insolvenzordnung, StW 2009, 16;Höll, Die Mitteilungspflichten bei Korrupti-onssachverhalten im Regelungsgefüge des Steuergeheimnisses, ZIS 2010, 309; Ja-cobsen/Peters, Schwarzmalerei in Strafsachen, wistra 2009, 458;König, Grundwis-sen zur Zumessung der Geldstrafe, JA 2009, 809;Leitner, Aufforderung zur Vorlage der Buchhaltungsdaten einer Bank auf Datenträger während einer Außenprüfung, EFG 2010, 98;Loose, Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunft des Finanz-amtes, EFG 2009, 639;Matthes, Kein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren wegen einer anonymen Anzeige, EFG 2010, 611;Micker, Die Anwendung des Steuergeheimnisses auf freiwillige und verpflichtete Anzeige-erstatter, AO-StB 2010, 92;Schwedhelm, Praxiserfahrungen in der Steuerstrafver-teidigung, BB 2010, 731;Wagner, Möglichkeiten und Schranken bei der Fertigung von Kontrollmitteilungen anlässlich von Außenprüfungen bei Kreditinstituten, DStZ 2010, 69; v.Wedelstädt, Die Änderungen und Ergänzungen im AEAO durch das BMF, Schr. v. 22.12.2009, DB 2010, 189; Die Änderungen und Ergänzungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung durch das BMF- Schreiben v. 2.1.2009, DB 2009, 254; Wegber, Investitionszulagen; Welche strafrechtlichen Risiken drohen dem steuerlichen Berater?, PStR 2009, 233; Winner, Der Kampf gegen „Steuer-oasen“: Eine ökonomische Betrachtung, StuW 2010, 101.

1. Grundlagen

Das Steuergeheimnis ist in § 30 AO statuiert. Es soll den Steuerpflichti-gen vor der Weitergabe von ihn betreffenden Informationen schützen und somit auch dafür Sorge tragen, dass der einzelne Bürger wahrheitsgemäße Auskünfte erteilt.1Außerdem soll die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gesichert werden.2 Im Ergebnis werden dadurch also sowohl private, als auch öffentliche Interessen geschützt. Dieses Interesse geht aber nicht weiter, als es der Schutz des Steuerpflichtigen erfordert.3

Dem Steuergeheimnis verpflichtet sind Amtsträger i.S.v. § 7 AO. Dazu zählen u.a. auch Angestellte des Finanzamts. Verhältnisse i.S.v. § 30 Abs. 2 AO sind alle persönlichen und wirtschaftlichen Umstände, welche mit einer anderen Person in Zusammenhang stehen.4Der Begriff ist weit auszulegen.5Darunter fallen z.B. geschäftliche und berufliche Aktivitäten des Steuerpflichtigen, Grundlagen von schon abgegeben Steuererklärun-gen, aber auch Daten zur Religionszugehörigkeit, dem Familienstand oder dem Gesundheitszustand. Offenbart werden können Steuergeheimnisse 1 Intemannin Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 1.

2 BFH v. 8.2.1994 – VII R 88/92, DStR 1994, 1081 (1081).

3 BFH v. 25.4.1967 – VII 151/60, NJW 1967, 2228 (2228).

4 Intemannin Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 41.

5 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 205.

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durch jede Handlung, die zur Kenntnisnahme durch andere Personen füh-ren kann. Eine Offenbarung liegt jedoch nur dann vor, wenn die betreffen-den Informationen nicht schon vor der Auskunft durch betreffen-den Verpflichte-ten bekannt waren.1Gegenüber dem Geschützten gilt das Steuergeheim-nis nicht. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige selbst Auskünfte über seine Verhältnisse verlangen kann, ohne dass dadurch eine Verletzung des § 30 AO vorliegt. Sofern es einen befugten Vertreter des Steuerpflich-tigen gibt, ist dieser insoweit zur Einholung von Auskünften berechtigt, wie seine Vertretungsmacht reicht.2

Sofern das Steuergeheimnis verletzt wird, liegt darin eine Straftat nach

§ 355 StGB, welche für den handelnden Amtsträger auch disziplinarrecht-liche Konsequenzen haben kann. Der betroffene Steuerpflichtige kann bei Verletzungen des ihn betreffenden Steuergeheimnisses Schadensersatz-ansprüche geltend machen. Mögliche Anspruchsgrundlagen sind § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; §§ 823 Abs. 2, 831 BGB i.V.m. § 30 AO oder

§§ 823 Abs. 2, 31, 89 BGB i.V.m. § 30 AO. Ferner kann der Betroffene im Wege des Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB analog i.V.m. § 30 AO oder über § 114 Abs. 1 FGO (einstweilige Anordnung) gegen eine Aus-kunft über ihn vorgehen. Die Ansprüche des Betroffenen ergeben sich da-raus, dass § 30 AO ein subjektiv-öffentliches Recht darstellt.

2. Steuergeheimnis während des Insolvenzverfahrens

Auch während des Insolvenzverfahrens ist das Steuergeheimnis grund-sätzlich zu wahren.3

Die Erteilung von Auskünften über den steuerpflichtigen Insolvenz-schuldner an das Insolvenzgericht oder an den Insolvenzverwalter führt aber nicht unbedingt zu einer Verletzung des Steuergeheimnisses. Viel-mehr kann die Auskunftserteilung durch § 30 Abs. 4 AO gerechtfertigt sein. Abs. 4 rechtfertigt die Weitergabe von Informationen, wenn diese zur Durchführung von Verwaltungsverfahren, Rechnungsprüfungsverfah-ren, gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, Strafverfahren oder Buß-geldverfahren benötigt werden. Zulässig ist die Weitergabe auch, soweit sie ausdrücklich durch Gesetz gestattet ist, der Betroffene zustimmt oder ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

Da die Durchführung eines Insolvenzverfahrens dieDurchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen darstellt, darf die Finanzverwal-tung zum Zwecke der Durchführung eines Insolvenzverfahrens gem. § 30 Abs. 4 Ziff. 1 AO jedenfalls folgende Informationen an das Insolvenzge-richt und auch einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter weitergeben:4 1 BFH v. 29.4.1993 – IV R 107/92, BStBl. II 1993, 666.

2 Intemannin Pahlke/Koenig, § 30 AO Rz. 47.

3 FG Rh.-Pf. v. 24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 (894).

4 Zutr. OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077).

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– die in einem Insolvenzeröffnungsantrag des Finanzamtes zur Glaub-haftmachung eines Eröffnungsgrundes notwendigen Angaben,

– die Anmeldung der Abgabenforderungen zur Insolvenztabelle,

– die genaue Bezeichnung der Steueransprüche dem Grund und der Höhe nach.

Darüber hinaus ist eine Weitergabe von Informationen durch das Finanz-amt an den Insolvenzverwalter zwecks Anreicherung der Masse und Er-reichung einer höheren Quote für die Finanzverwaltung ebenfalls gem.

§ 30 Abs. 4 Ziff. 1 AO zulässig, da auch diese Informationsweitergabe der erfolgreichen Durchführung des Besteuerungsverfahrens dient.1Auch die Offenbarung von persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen, welche die Tabellenforderungen des Finanzamtes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründen und stützen, verletzt nicht das Steuergeheimnis.2

Außerdem kann die Auskunftserteilung an den Insolvenzverwalter not-wendig sein, damit dieser seinen steuerlichen Pflichten nachkommen kann. Im Insolvenzverfahren ist nicht mehr der Insolvenzschuldner zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten verpflichtet, sondern der Insol-venzverwalter, weil er gem. § 34 Abs. 3 AO Vermögensverwalter des In-solvenzschuldners ist. Dies bedeutet, dass er sowohl die Buchführungs-und Rechnungslegungspflichten als auch die Pflicht zur Abgabe Buchführungs-und Be-richtigung der Steuererklärungen zu erfüllen hat.3Die Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten durch den Insolvenzverwalter kann Verspätungs-zuschläge (§ 152 AO) oder die Anordnung von Zwangsmitteln (§ 328ff.

AO) nach sich ziehen. Damit ihm die Erfüllung seiner Pflichten über-haupt möglich ist, benötigt der Insolvenzverwalter alle diesbezüglichen Informationen. Sofern der Schuldner selbst keinen ausreichenden Über-blick mehr über seine wirtschaftlichen (und steuerlichen) Verhältnisse hat oder nicht bereit ist, umfassend Auskunft zu erteilen, muss dem Insolvenzverwalter der Zugang zu den erforderlichen Grundlagen für die Erfüllung seiner Pflichten gewährt werden. Soweit die Finanzverwaltung daher Auskünfte an den Insolvenzverwalter erteilt, kann sie das Steuer-geheimnis nicht verletzen. Dies gilt sogar dann, wenn durch die Aus-kunftserteilung auch Auskünfte über Dritte erteilt werden müssen:4

„Der vorläufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter sind Vertreter ge-mäß § 34 Abs. 3 AO und haben auch die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen. Ihnen können deshalb alle Auskünfte über Verhältnisse des Schuldners erteilt werden, die sie zur Erfüllung dieser steuerlichen Pflichten benötigen. So-weit Steuerforderungen streitig sind, bei denen der Schuldner Gesamtschuldner zusammen mit anderen ist, steht das gegenüber den restlichen Gesamtschuldnern 1 OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077).

2 OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 115 - St II 42, DStR 2001, 1077 (1077).

3 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Teil 3, Rz. 1130ff.;Fritsch in Pahlke/Koe-nig, § 251 AO Rz. 37ff.

4 OFD Frankfurt/M. v. 15.3.2001 115 – St II 42, DStR 2001, 1077 (1077).

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zu wahrende Steuergeheimnis einer Auskunftserteilung an den Insolvenzverwal-ter (als Rechtsnachfolger des Schuldners) nicht entgegen (BFH v. 15.6.2000, BStBl. II, 431, m.w.N.).“

Dies gilt auch für zusammen veranlagte Ehegatten,1 und zwar in dem Ausmaß, in dem die Auskunft bei Getrenntveranlagung zu geben wäre.

Der BFH hat diesbezüglich festgestellt:2

„Soweit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht reicht, kann der Insolvenzverwal-ter als Rechtsnachfolger des Beschwerdeführers (Gemeinschuldners) Auskunft über dessen steuerliche Verhältnisse auch dann verlangen, wenn dadurch zugleich die steuerlichen Verhältnisse des anderen Gesamtschuldners – im Streitfall der mit dem Beschwerdeführer zusammen veranlagten Klägerin – offenbart werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz. 22).“

Auch das FG Düsseldorf, das FG Rheinland-Pfalz und das FG des Saar-lands gehen in ihren Entscheidungen davon aus, dass der Insolvenzver-walter grundsätzlich ohne Verletzung des Steuergeheimnisses Auskünfte über den Schuldner erhalten kann.3

Bei der Erteilung von Auskünften an einen vorläufigen Insolvenzverwal-ter ist zwischen dem schwachen vorläufigen InsolvenzverwalInsolvenzverwal-ter, der nur mitZustimmungsvorbehaltausgestattet ist und dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter zu unterscheiden, auf den die Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen übergegangen ist.

Der starke vorläufige Insolvenzverwalter ist Verpflichteter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO und demnach auch Verpflichteter bezüglich der steuerlichen Pflichten des Schuldners.4Somit wird der starke vorläufige Insolvenzver-walter auch Beteiligter i.S.d. § 78 AO. Deshalb ist ihm auch grundsätzlich Auskunft zu geben.5

Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht als Vermögensver-walter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO anzusehen und hat demnach auch nicht die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrzunehmen. Er hat lediglich eine vermögenssichernde Funktion. Daraus ergibt sich, dass dem schwa-chen vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber das Steuergeheimnis zu wahren ist. Eine Auskunftserteilung ohne Zustimmung des Schuldners würde demnach zur Verletzung des Steuergeheimnisses führen. Aller-dings ist eine insolvenzgerichtliche Anordnung möglich, nach der u.a. die Finanzbehörden dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter diejeni-gen Auskünfte zu erteilen haben, die auch dem Schuldner zu erteilen wä-1 So auch BFH v. wä-15.6.2000 – IX B wä-13/00, DStRE 2000, 945 (946).

2 BFH v. 28.3.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182.

3 FG Düsseldorf v. 14.5.2008 – 4 K 242/07 AO, ZInsO 2009, 681 (682); FG Rh.-Pf. v.

24.11.2009 – 1 K 1752/07, ZIP 2010, 892 (893); FG Saarl. v. 17.12.2009 – 1 K 1598/08, ZInsO 2010, 484 (485).

4 BFH v. 29.4.1986 – VII R 184/83, BFH/NV 2007, 1182.

5 BMF v. 17.12.2008 – IV A 3 - S 0030/08/10001, BStBl. I 2009, 6 = DStR 2009, 274 (274).

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ren. Zwar kann das Insolvenzgericht keine vollstreckbaren Anordnungen gegenüber Dritten erlassen. Eine solche Anordnung ist jedoch wie eine Zustimmung des Schuldners zur Offenbarung von Informationen durch die Finanzverwaltung anzusehen. Der Insolvenzschuldner ist nämlich im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens bereits ebenso wie im Rah-men des eröffneten Insolvenzverfahrens zur Auskunftserteilung und Mit-wirkung verpflichtet (§§ 20, 97, 98, 101 InsO). Im Rahmen seiner Mitwir-kungspflichten muss der Schuldner auch Dritte von ihrer Verschwiegen-heitsverpflichtung gegenüber dem Insolvenzverwalter befreien, wenn nur dadurch alle für das Insolvenzverfahren relevanten Informationen gewon-nen werden köngewon-nen.1Es wäre ein überflüssiger Formalismus, wenn man annehmen wollte, das Insolvenzgericht müsse den Insolvenzschuldner zur Not durch Haftanordnung dazu zwingen, die Befreiung von der Ver-schwiegenheitsverpflichtung zu erteilen. Stattdessen ist es als zulässig an-zusehen, wenn das Insolvenzgericht – das schließlich auch jederzeit die vorläufige starke Insolvenzverwaltung anordnen könnte, wodurch die Ver-schwiegenheitspflicht Dritter gegenüber dem Insolvenzverwalter jedenfalls entfiele – auf diese Weise die Befreiung durch den Schuldner ersetzt. Ist eine solche Anordnung erlassen, kann die Finanzverwaltung dem vorläu-figen schwachen Insolvenzverwalter jedwede Information erteilen.

Der Sachverständige hat im Insolvenzeröffnungsverfahren die Aufgabe, die relevanten Tatsachen festzustellen und gutachterlich zu ermitteln, ob die Eröffnungsgründe gegeben sind und eine die Verfahrenskosten de-ckende Masse vorhanden ist. Mitunter hat er auch zu prüfen, ob die Mög-lichkeit der Unternehmensfortführung besteht.2 Er hat somit nicht die Aufgabe, die steuerlichen Pflichten des Schuldners wahrzunehmen. Folg-lich besteht ihm gegenüber das Steuergeheimnis des Insolvenzschuldners fort. Auskünfte über die Verhältnisse des Schuldners würden demnach das Steuergeheimnis verletzen und sind somit nicht zulässig. In der Praxis findet sich mitunter eineinsolvenzgerichtliche Anordnung, nach der u.a.

die Finanzbehörden dem Sachverständigen diejenigen Auskünfte zu ertei-len haben, die auch dem Schuldner zu erteiertei-len wären. Eine solche Anord-nung ist als insolvenzgerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Schuld-ners zur Offenbarung von Informationen durch die Finanzverwaltung an-zusehen. In der Literatur wird eine solche Befreiung zugunsten eines Sachverständigen kritisch gesehen.3Zweifelan der Zulässigkeit einer sol-chen Anordnung bzw. wirksamen Befreiung der Finanzverwaltung vom Steuergeheimnis sind jedoch nicht angebracht. Es ist wohl unstreitig, dass die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes zur Befreiung vom Steuergeheimnis führt. Das Insolvenzgericht kann diese Anordnung während des laufenden Insolvenzantragsverfahrens jederzeit treffen, wenn es sie für angemessen hält. Dabei bewirkt die Anordnung eines all-gemeinen Verfügungsverbotes einen außerordentlich schwerwiegenden 1 Uhlenbruckin Uhlenbruck, § 20 InsO Rz. 28.

2 Beckin Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 1 Rz. 30.

3 Gerhardtin Jaeger, § 5 InsO Rz. 15.

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Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Insolvenz-schuldners und wird im Übrigen öffentlich bekannt gemacht. Es ist nicht zielführend anzunehmen, dass das Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung anordnen muss, um die Erkenntnisquelle der Aus-kunftserteilung von Finanzbehörden (oder anderen Dritten wie etwa Steuerberatern oder Banken) zu erschließen. Als den Schuldner schonende Minusmaßnahme gegenüber der Anordnung der vorläufigen Insolvenzver-waltung wird kaum etwas gegen eine entsprechende insolvenzgericht-liche Befreiung vom Steuergeheimnis auch zugunsten eines Sachverstän-digen einzuwenden sein.

Ohne besondere Befreiung vom Steuergeheimnis ist auch eine Auskunfts-erteilung an einenSachwalterim Rahmen der Eigenverwaltung nicht zu-lässig. Die Rechtsstellung des Sachwalters richtet sich nach den §§ 270ff.

InsO. Der Sachwalter hat zwar eine insolvenzverwalterähnliche Stellung inne, ist in seinen Befugnissen und Pflichten diesem jedoch nicht gleich

InsO. Der Sachwalter hat zwar eine insolvenzverwalterähnliche Stellung inne, ist in seinen Befugnissen und Pflichten diesem jedoch nicht gleich

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