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4.6. Biochemische Untersuchungen der Gene des 4-MHA Biosynthese Operons

4.6.2. Enzymatische Bestimmung von Kynureninase Aktivitäten

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73 332S/333T ebenfalls die Mischsignatur (ST) von AcmH. Die Präsenz der Mischsignatur in AcmH (oder auch AcmK) könnte Grund für eine präferentielle Substratspezifität für 3-HK sein. Im Gegensatz zu AcmH und AcmK zeigen die katabolischen Kynureninase-Gene aus Streptomyces griseus, Streptomyces avermitilis und S. coelicolor nur die typischen Kynureninase-Signaturen 102W und 332G/333T.

Abbildung 26: Elektronendichteprofil der Atome in der Substratbindungstasche der Homo sapiens Hydroxykynureninase.

Färbung nach CPK, in grün sind noch zusätzlich die Kohlenstoffatome von 3-HK dargestellt (aus Lima et al., 2009).

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wegen des Verlusts ihrer gelben Pigmentierung S. chrysomallus Sc-white genannt, da sie nicht mehr gelb sondern weiß gefärbt war (Abb. 27).

Abbildung 27: Disruption der 4-MHA Biosynthese Gene durch den Einbau der Hygromycin-Resistenzkassette über Rekombination in das Actinomycin-Biosynthese-Gencluster. Die resultierende Mutante Sc-white war nicht mehr in der Lage Actinomycin zu produzieren. Wie in der Abbildung zu sehen, war Sc-white im Vergleich zu Sc1 nicht mehr gelb sondern weiß gefärbt (siehe Methoden, Abschnitt 3.2.10).

Testung von Proteinextrakten aus Myzelium von zwei Tage alten Kulturen der Mutante Sc-white und des Wildtyps Sc1 mit Kynurenin und Hydroxykynurenin als Substrate zeigte, dass die Mutante Sc-white sehr viel weniger spezifische Hydroxykynureninase-Aktivität besaß als der Wildtyp S. chrysomallus Stamm Sc1 (Abb 28). Da Kynureninasen immer zu einem geringen Anteil auch 3-Hydroxykynurenin umsetzen können, war diese geringe (restliche) 3-Hydroxykynureninase-Aktivität in Stamm Sc-white auf die immer noch vorhandene katabolische Kynureninase-Aktivität des Primärstoffwechsels zurückzuführen, die nicht von der Gendisruption betroffen war.

Es war zu erwarten, dass die katabolische Kynureninase-Aktivität – wie bei anderen Bakterien auch - durch Tryptophan induzierbar sein sollte. Tatsächlich verursachte die Zugabe von 2,5 mM Tryptophan zu Kulturen von Sc-white und auch Sc1 innerhalb weniger Stunden die Bildung fluoreszierender Metaboliten (Abb. 29), von denen als ein Hauptmetabolit die Anthranilsäure identifiziert wurde. Messungen an Proteinextrakten aus beiden Stämme (mit und ohne Induktion) zeigte, dass die Kynureninase-Aktivität nach Tryptophan-Zugabe dramatisch (ca. 10fach) angestiegen

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75 war mit nur einem geringen damit verbundenen Anstieg der Hydroxykynureninase Aktivität. Dies zeigte zum einen, dass die restliche Kynureninase Aktivität in dem Stamm Sc-white tatsächlich von der katabolischen Kynureninase verursacht war. Hieraus konnte geschlossen werden, dass S. chrysomallus sowohl eine biosynthetische Hydroxykynureninase als auch eine Kynureninase besitzt in Übereinstimmung mit den Befunden von Haese (1987).

Abbildung 28: Kynureninase und Hydroxykynureninase Aktivitäten in S. chrysomallus Sc1 und Sc-white. Hellblaue Balken, Kynureninase Aktivität; Blaue Balken, Hydroxykynureninase Aktivität. Zum Vergleich wurden auch die Aktivitäten von S.

coelicolor M145 vermessen, welcher kein Actinomycin produziert. Die spezifischen Aktivitäten wurden vermessen in Rohextrakten aus 60 h alten Myzel gewachsen in GMM Medium, für nähere Angeben siehe Methoden, Abschnitt 3.5.1. Im Fall von Sc-white und S. coelicolor waren die Hydroxykynureninase-Aktivitäten sehr niedrig, so dass man sie schwer im Balkendiagramm erkennen kann.

Ähnliche Ergebnisse wie bei den Messungen der Kynureninase in Sc-white mit und ohne Induktion mit Tryptophan wurden auch mit dem Streptomyces coelicolor Stamm M 145 erhalten. Dieser antwortete ebenfalls auf Zugabe von Tryptophan in der Zunahme der Kynureninase-Aktivität, aber nur gering in der Zunahme der Hydroxykynureninase-Aktivität (Abb. 28). Die geringen Hydroxykynureninase-Zunahmen nach Induktion mit Tryptophan sowohl in S. coelicolor wie in S. chrysomallus Sc-white zeigen, dass für die hohe Hydroxykynureninase-Aktivität im S. chrysomallus Stamm Sc1 ausschließlich die Anwesenheit von AcmH verantwortlich ist.

Nachdem gezeigt worden war, dass S. chrysomallus eine von den Hydroxykynureninasen AcmH (und AcmK) distinkte katabolische Kynureninase KynU besitzt, sollte das Gen kynU kloniert werden, um seine Ähnlichkeit mit AcmH (und AcmK) zu bestimmen. Da die Gensequenz der Kynureninase kynU aus S. chrysomallus nicht bekannt war, wurden zunächst Sequenzvergleiche (Alignments) der Gene von kynU in Streptomyces coelicolor A3(2) und in dem dem S. chrysomallus sehr ähnlichen Streptomyces griseus subsp. griseus NBRC 13350 durchgeführt. Frühere taxonomische Studien von Prof. Kutzner hatten S. chrysomallus aufgrund bestimmter morphologischer und biochemischer

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Charakteristiken taxonomisch in die Gruppe von S. griseus eingeordnet (Pers. Mitteilung Prof.

Kutzner, TU Darmstadt).

Abbildung 29: Induktion von Kynureninase-Aktivität in Stamm S. chrysomallus Sc-white (a und b) und Sc1 (c und d) mit Tryptophan. Die Zugabe von 2,5 mM Tryptophan zu Kulturen verursachte innerhalb von 4 Stunden die Bildung fluoreszierender Metabolite, welche unter UV Licht (336 nm) gut erkennbar waren (b und d), für nähere Angaben siehe Methoden, Abschnitt 3.1.1.

Im Vorfeld der Sequenzvergleiche wurde festgestellt, dass kynU sowohl in S. griseus als auch in S. coelicolor von Genen einer Tryptophan-2,3-dioxygenase (5´) und einer Kynureninformamidase (3´) flankiert wird und somit Teil eines Tryptophan-Abbau Operons ist. Es wurde angenommen, dass dies auch in S. chrysomallus der Fall ist. Für die Sequenzierung des KynU Gens aus S. chrysomallus wurden deshalb Primer aus hochkonservierten Sequenzboxen im 3´-Bereich des Tryptophandioxygenase Gens (kynA) und den hochkonservierten Sequenzboxen im 5´-Bereich des Kynureninformamidase Gens (kynB) verschiedener Streptomyceten abgeleitet (für detailliertere Angaben siehe Abb. 16 und Methoden Abschnitt 3.2.12). Die Amplifizierung von Sc-white DNA und die anschließende Sequenzierung des so erhaltenen PCR-Fragments lieferte das Gen der katabolischen Kynureninase kynU von S. chrysomallus (siehe Methoden, Abschnitt 3.2.12). Die Analyse des erhaltenen Fragments ergab, dass es sich um ein Gen mit hoher Ähnlichkeit und gleicher Länge wie kynU aus S. griseus oder S. coelicolor handelte, welches ebenfalls kynU genannt wurde. Die Ähnlichkeit der translatierten Sequenz betrug 93 % bzw. 81 % zu den Orthologen aus S. griseus und S. coelicolor.

Die phylogenetische Analyse von KynU von S. chrysomallus mit AcmH und verschiedenen Kynureninasen/ Hydroxykynureninasen aus Actinomyceten, anderen Bakterien, aus Pilzen und der

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77 Bäckerhefe mit CLUSTALW2 ergab einen phylogenetischen Baum (Abb. 30), der Informationen über die Ähnlichkeiten und möglichen Verwandtschaften von AcmH mit Hydroxykynureninasen und Kynureninasen lieferte.

Abbildung 30: Phylogenetischer Baum von AcmH mit Kynureninasen und Hydroxykynureninasen aus verschiedenen Bakterien und Pilzen. Accession Nummern: S. coelicolor A3(2), NP_627839.1; S. avermitilis, NP_825704.1; S. griseus subsp.

griseus, YP_001824925.1; S. refuineus, ABW71847.1; S. viridochromogenes_1, ZP_05533056.1; S. viridochromogenes_2, ZP_05534763.1; Streptosporangium sibiricum, ACN39740.1; Arthrobacter sp., YP_830926.1; Saccharopolyspora erythraea, YP_001106253.1; Rhodococcus opacus, YP_002778666.1; Penicillium chrysogenum, XP_002565957.1, Neurospora crassa_1 OR74A, XP_959093; Neurospora crassa_2 OR74A, XP_956782; Saccharomyces cerevisiae YJM789, EDN59450.1; Aspergillus niger_1, CAK42891.1; Aspergillus niger_2, CAK44720.1; Pseudomonas fluorescens, YP_257899.1; Micromonospora sp._1 ATCC 39149, ZP_04605354; Micromonospora sp._2 ATCC 39149, EEP69912.1; Geodermatophilus obscurus DSM 43160, YP_003408639.1; Burkholderia thailandensis, YP_441266.1; X. campestris pv. campestris B100, YP_001904112.1; Ralstonia eutropha, CAJ93893.1, S. chrysomallus KynU, HM038107. Die einzelnen Kladen sind durch verschiedene Färbung und ihre Signaturen gekenzeichnet.

Bemerkenswerterweise bilden die für die Analyse ausgewählten Kynureninasen und Hydroxykynureninasen einen Baum mit zwei Hauptkladen (Abb. 30). Eine der Hauptkladen wird von den bakteriellen Kynureninasen (Signatur 102W; 332G; 333T) gebildet, die andere von den eukaryotischen Kynureninasen bzw. Hydroxykynureninasen (Signatur 112H; 332S; 333N) (Lima et al., 2007). Zusätzlich enthält letztere Klade auch bakterielle Hydroxykynureninasen aus Xanthomonas campestris pv. campestris B100 (YP_001904112.1) und Micromonospora sp. ATCC 39149 (ZP_04605354, Micromonospora sp._1). Auch letztere zeigen typische eukaryotische Hydroxykynureninase-Signaturen in ihrer Substrat-Bindungstasche. Von der Xanthomonas pruni Kynureninase wurde früher berichtet, dass sie biochemisch eine Hydroxykynureninase ist (Brown und

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Wagner, 1970; Shetty und Gaertner, 1978), was hier durch die Signatursequenzen der Substrat-Bindestelle bestätigt wurde. Die Micromonospora sp. ATCC 39149 (ZP_04605354) Hydroxykynureninase besitzt ebenfalls die (112H; 332S; 333N) Signatur. Da in Micromonospora sp.

ATCC 39149 neben dem Gen dieser Hydroxykynureninase das Gen einer Kynureninmonooxygenase liegt, ist davon auszugehen, dass 3-Hydroxykynurenin das natürliche Substrat dieser Hydroxykynureninase ist.

Micromonospora sp. ATCC 39149 (EEP69912.1) enthält noch ein weiteres Kynureninase Gen, dessen abgeleitetes Genprodukt (Micromonospora sp._2) jedoch in die Hauptklade der Kynureninasen eingruppiert wird. Es bildet dort zusammen mit AcmH (70 % Identität) und einer Sequenz aus Geodermatophilus obscurus DSM 43160 (62 % Identität) eine von zwei Subkladen. Die Rolle der beiden Gene aus Micromonospora sp. und Geodermatophilus obscurus ist nicht bekannt. Im Unterschied zu AcmH oder auch KynU sind beide auch nicht mit Kynureninformamidase und Tryptophandioxygenase Genen gekoppelt. Sie haben aber im Unterschied zu AcmH eine perfekte Kynureninase-Signatur in ihrem aktiven Zentrum. Ob diese Enzyme Präferenz für 3-Hydroxykynurenin oder Kynurenin besitzen, ist nicht bekannt.

Die zweite Subklade der bakteriellen Kynureninasen ist in mehrere Zweige aufgeteilt. Das KynU aus S. chrysomallus liegt in einer Subklade mit den katabolischen Kynureninasen aus Streptomyceten wie S. coelicolor, S. griseus, S. avermitilis und S. viridochromogenes (Bentley et al., 2002; Ohnishi et al., 2008; Omura et al., 2001) zusammen. Aus der Lage dieser Subklade (und damit von KynU) wird eine größere phylogenetische Distanz zu der AcmH Klade als zu den KynUs der anderen Streptomyceten oder Kynureninasen weiterer Bakterien deutlich. Offensichtlich evolvierten die katabolischen Streptomyces KynUs später und unabhängig von AcmH. Interessanterweise hat die Subklade mit den

„biosynthetischen“ Kynureninasen der Biosynthese-Gencluster des Anthramycins aus Streptomyces refuineus (Hu et al., 2007) und des Sibiromycins aus Streptosporangium sibiricum (Li et al., 2009) einen gemeinsamen Knoten mit der Klade der Streptomyceten KynUs. Offensichtlich sind diese enger verwandt mit den KynUs als mit AcmH. Dies ist bemerkenswert, da SibQ und Orf16 in diesen Stämmen ebenfalls in die Biosynthese von 4-MHA involviert sind und deswegen die gleiche Funktion wie AcmH haben (Abb. 31). Bisher ist nicht bekannt, ob Orf16 oder SibQ Präferenz für Kynurenin oder 3-Hydroxykynurenin haben (Giessen et al., 2011). Allein aus ihrer phylogenetischen Verwandtschaft mit den katabolischen Kynureninasen lässt sich nicht schließen, welches der beiden Substrate sie bevorzugen.

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Abbildung 31: 4-MHA als Baustein von Actinomycin, Anthramycin und Sibiromycin. R stellt die Pentapeptidlactonringe des Actinomycins dar.

Vergleichende Untersuchungen der katalytischen Eigenschaften von rekombinantem AcmH und KynU von S. chrysomallus wurden vor kurzem in der Diplomarbeit von Lena Hochrein (2013) durchgeführt. Ihre Ergebnisse bestätigen die hier aus den Testungen der Zellextrakte von Stamm Sc1 und Stamm Sc-white gezogenen Schlussfolgerungen, dass AcmH 3-Hydroxykynurenin (3-HK) als Substrat bevorzugt. Die katalytische Effizienz kcat/Km von AcmH für 3-HK ist 7fach höher als für Kynurenin. Jedoch ist dieser Unterschied wesentlich geringer als bei ausgewiesenen Hydroxykynureninasen, wie z. B. des Menschen oder Hefe, bei denen der Unterschied bei 100fach liegt (Hochrein, 2013). Interessanterweise ergab die Bestimmung des kcat/Km für KynU einen 60fach höheren Wert für Kynurenin als für Hydroxykynurenin. Dies steht im Einklang mit den Daten anderer bakterieller Kynureninasen, wie aus Pseudomonas fluorescens (Momany et al., 2004), und bestätigt, dass KynU aus S. chrysomallus eine typisch katabolische Kynureninase ist. Der phylogenetische Baum in Abb. 30 bestätigt indirekt, dass AcmH von seiner katalytischen Effizienz noch keine eukaryotische Hydroxykynureninase ist und deswegen möglicherweise zu Recht in die Kynureninase-Sequenzen eingruppiert wird. Bemerkenswerterweise trägt AcmH als einziges Enzym der Kynureninasen-Hauptklade das 332S als mögliches „Überbleibsel“ seines gemeinsamen Vorläufers mit den Hydroxykynureninasen. Dieses 332S könnte aber auch im Laufe seiner Evolution durch eine Mutation entstanden und für die erhöhte Hydroxykynureninase-Aktivität von AcmH verantwortlich sein. Alle anderen Reste im aktiven Zentrum entsprechen weiter der Kynureninase-Signatur.

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