• Keine Ergebnisse gefunden

Entwicklungstrend der Governance-Typen

Im Dokument Profil und Passung (Seite 45-48)

Aber was ist nun der Stand der derzeitigen Entwicklung? Wir sind in Deutschland und Europa übergegangen vom rationierten offenen zum Anreiz- und Aushandlungsmodell. Die historische Erklärung für die zu Beginn genannten sechs Probleme liegt darin, dass wir mit vielen Verfahren bereits diesen Schritt des Übergangs vollzogen haben, mit einigen Verfahren aber „zurückgeblie-ben“ sind und das vielleicht erst nach und nach in den Griff bekommen.

Schlussfolgerungen hieraus sind: Die Bedeutung des Tagungsthemas erklärt sich aus dem Wandel des Governance-Modells. Der Anlass für die neuen Auswahlverfahren ist gerade im neu-en Governance-Kontext, nicht die bessere Prognose des Studineu-enerfolgs (da bleibt nach wie vor der Erfolg beim Schulabschluss der beste Prädiktor!), sondern es geht primär um die Fragen der Profilbildung und der Studierendenbindung. Probleme entstehen, wenn Teile des Governance-Modells „zurückbleiben“. Hinzu kommt, dass auch bei einer neuen Rolle der Auswahlverfahren im Governance-Modell die bisherigen „alten“ Funktionen nicht völlig obsolet geworden sind; die Fra-ge der Chancengleichheit und anderes, die im alten Verfahren ein hohes Gewicht hatten, bleiben natürlich als Zielsetzung weiterhin erhalten. Es besteht eine gewisse Gefahr, dass die bisherigen

Funktionen vernachlässigt und über neue Modelle nicht mehr in derselben Weise gewährleistet werden. Diese beiden letzten Punkte möchte ich im Weiteren näher beleuchten.

Zum einen die Frage, dass Teile des Governance-Modells zurückbleiben, was in verschiedenen Ländern in Europa unterschiedlich aussieht, hier an den Beispielen Deutschland und Österreich aufgezeigt. In Deutschland ist man mit dem zu geringen „Geld für Studierenden“- Anteil und der Kapazitätsverordnung im Bereich des alten Steuerungsmodells verblieben; mit der Profilbildung, den Zielvereinbarungen, den leistungsbezogenen Formen der Finanzierung und den selbst ge-steuerten Auswahlverfahren zum neuen Modell übergegangen. In Österreich sieht die Situation völlig anders aus. Die Österreicher sind mit der Profilbildung, den Zielvereinbarungen usw. auch in der neuen Modellwelt, aber durch den offenen Hochschulzugang, also durch die Verpflichtung im universitären Bereich weiterhin jeden zu nehmen, der kommt, im alten Steuerungssystem ver-blieben. Hier ist also ein völlig anderer Konflikt zwischen altem und neuem Steuerungsansatz ge-geben. Erweitert man die Perspektive auf andere europäische Länder hinsichtlich dieser Frage der Inkonsistenz von Governance-Systemen, dann sind in verschiedenen Staaten auch unterschied-liche Handlungsbedarfe zur Herstellung von Konsistenz erkennbar. Dennoch ist das hier gewähl-te Vorgehen, Inkonsisgewähl-tenzen über den historischen Wandel zu erklären und die Bedingungen zur Herstellung der Konsistenz der Steuerungselemente zu analysieren, ein Ansatz, der generell trägt, aber zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Zum zweiten geht es um die Frage der Vernachlässigung traditioneller Funktionen. Wenn wir den Hochschulzugang so wie derzeit praktizieren, werden dann Defizite bei traditionellen Funk-tionen, zum Beispiel „widening participation“, also die Ausdehnung der Partizipation bildungs-ferner Schichten an Hochschulbildung, auftreten? Aus steuerungslogischer Sicht sollte zur Behe-bung der Defizite keinesfalls wieder in die alten Verfahren zurückgefallen werden. Eine Gefahr, die besteht, wenn das neue System nicht richtig funktioniert: erhöhte Partizipation soll mit den alten Mechanismen der Regulierung herbeigeführt werden. Es besteht also die Gefahr des Rückfalls in alte Modelle, was zu dem Schluss führt, wenn wir die traditionellen Funktionen aufrechterhalten wollen, dann müssen wir sie auch im neuen Governance-Modell verankern. Für das Beispiel „Par-tizipation/Chancengleichheit“ ist Großbritannien ein sehr gutes Beispiel. Über verschiedene Me-chanismen haben es die Briten geschafft, Chancengleichheit sehr stark als Profilierungsaufgabe in den Hochschulen zu verankern; das heißt, in der Welt der profilorientierten Governance spielt der soziale Aspekt eine sehr große Rolle, damit wird geworben, was an den Entwicklungen im Be-reich der Studienbeiträge zu sehen ist. Vor einigen Jahren wurden die Studiengebühren in Eng-land in einer großen Bandbreite (von 0 bis 3.000 Pfund) freigegeben, und das Ergebnis war, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen praktisch alle Hochschulen 3.000 Pfund verlangen, aber über Stipendien und Sozialkriterien miteinander in Wettbewerb treten. Somit wird nicht die Höhe der Studiengebühren zum Werbeargument, sondern die soziale Ausrichtung, welche die Hochschu-le praktiziert. In diesem Kontext wurde das „Office for Fair Access“ gegründet, was im weitesten Sinne eine Art Akkreditierungsagentur für die sozialen Gerechtigkeitsmechanismen der Hoch-schule ist. England bemühte sich, die „alte“ Funktion des Hochschulzugangs „jung“ bleiben zu las-sen und in das Steuerungsmodell auf konsistente Art und Weise zu integrieren. Zudem gibt es in England auch finanzielle Anreize in Form von Prämien für eine Hochschule, die es schafft, Studie-rende mit bestimmten sozialen Hintergründen zu attrahieren. Diese Zielsetzungen werden zum Bestandteil des neuen Modells mit wettbewerblich profilorientierten Verfahren. Dies ist ein wich-tiger Aspekt, da diese Zielsetzungen sonst in einem neuen Hochschulmodell immer als konserva-tives Element betrachtet werden, das in systemfremder Weise aufgezwungen wird.

Folgen neuer Governance-Modelle für die Hochschulen im Kontext Auswahlverfahren Bislang ging es sehr stark um das Governance-System im Sinne der aufeinander bezogenen staat-lichen Regeln; jetzt will ich in die Hochschule hineinblicken ausgehend von der Annahme, die neu-en Typneu-en seineu-en umgesetzt, also das Anreiz-/Aushandlungsmodell bestehe in einer konsistneu-entneu-en Form. Zugang und Auswahl sind dementsprechend ein integraler Bestandteil dieser neuen Sys-temwelt und die Profilbildungs- und Passungsidee stehen im Zentrum der Auswahl. Was bedeu-tet dies für hochschulinternes Management?

Wenn wir uns in einem Anreiz- oder Aushandlungsmodell bewegen, dann gibt es die bereits genannten Funktionen der Studierendenauswahl: es geht einerseits um Passung und Profilie-rung, also den Studierenden zu finden, der von seinem Profil her genau zu dem Profil der Hoch-schule passt, und andererseits um die Frage der Studierendenwerbung und Studierendenbin-dung, die mehr eine emotionale Frage, eine Frage der „Corporate Identity“ ist. Vom Grundsatz

„form follows function“ her gedacht: Je nachdem, ob die eine oder andere Funktion überwiegt, werden daraus andere Verfahren resultieren. Wenn die Hochschule die Bindung fördern will und den Werbungsaspekt in den Vordergrund stellt, dann sind Auswahlgespräche notwendig. Für viele private Hochschulen sind Interviews ein erster Schritt zur dauerhaften Bindung an diese Hoch-schule. Für das Ziel der Passung können auch Tests eingesetzt werden, die Passungsfragen lösen.

Die gewählte Orientierung auf Ziel A oder Ziel B wird zu unterschiedlichen Auswahlinstrumen-ten führen beziehungsweise verschiedene Auswahlinstrumente in den Vordergrund stellen. Viel-leicht sagt eine Hochschule, die Studierendenwerbung und -bindung ist nur in bestimmten Teil-segmenten unserer Hochschule besonders relevant und fokussiert daher die Auswahlgespräche nur auf jene Teilsegmente.

Weiter erscheint mir die Frage nach der Konsistenz neuer Governance-Modelle auch auf Ebe-ne der Hochschulen interessant. Wie gut ist das Auswahlverfahren tatsächlich auf eiEbe-ne bestimmte Strategie der Hochschule insgesamt abgestimmt? Sind Strategien überhaupt so formuliert, dass sie sich in Zugangsverfahren umsetzen lassen? Beispiele für im Hochschulzugang umsetzbare Strategien sind Exzellenzprofil, „admit only low-income students and require all students to work in a college job“ (Beispiel eines US-amerikanischen College), oder das Leitbild der Universität Wit-ten-Herdecke, das ein bestimmtes Bild von den Studierenden mit besonderen Anforderungen in Bezug auf Selbständigkeit und Background enthält. Solche Leitbilder können unmittelbaren Nie-derschlag in die Kriterien der Auswahlverfahren für Studierende finden.

Die Profilierung einer Hochschule findet auf verschiedenen Ebenen statt: Die Hochschule pro-filiert sich, die Fakultät propro-filiert sich, der Studiengang propro-filiert sich. Was bedeutet das für das Auswahlverfahren in diesem Spannungsfeld? Bei gutem strategischem Management ist die Pro-filierung zumindest konsistent auf diesen drei Ebenen und sollte nicht in Widerspruch treten. Of-fenbleibt aber die Frage, wie dezentral steuern wir die Hochschule? Wollen wir dieses gemein-same Profil, die gemeingemein-same „Headline“ oder lassen wir differenzierte Wege der Subeinheiten zu?

All das bestimmt letztlich wieder die Gestaltung des Auswahlverfahrens. Sollen die zentralen Ziele der Hochschule zum Auswahlkriterium gemacht werden oder eher die dezentralen Ziele auf Stu-diengangsebene, wie zum Beispiel die Erschließung eines bestimmten Nachfragepotenzials, das vielleicht mit der Ausrichtung der Hochschule insgesamt wenig zu tun hat.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass das Zusammenspiel zwischen Governance-Elementen nicht nur für den Staat zutrifft, sondern auch für das hochschulinterne Management. Im Prinzip bestehen ähnliche Zusammenhänge; notwendig sind als komplementäre Element zur Studieren-denauswahl (unter der gemeinsamen Klammer der Hochschulstrategie):

„ein abgestimmtes internes System der Kapazitätsplanung;

„eine Informationspolitik; es kann nicht nur eine Aufgabe des Ministeriums sein, Informati-onen vorzuhalten, das muss zusätzlich ein Wettbewerbsinstrument der Hochschule selbst werden;

„interne Anreizsysteme und

„eine am Profil ausgerichtete Produktgestaltung der Studienprogramme.

Ein inkonsistentes internes Management ist genauso schädlich wie die Inkonsistenz auf der staatli-chen oder auf der Systemebene. Ich will dies an einem Beispiel deutlich mastaatli-chen: Einer Hochschu-le gelingt es, über Eingriff der HochschulHochschu-leitung sich zu profilieren als die „HochschuHochschu-le der Praxiso-rientierung“. Sie richtet ihr Auswahlverfahren darauf aus und stellt hinterher aber fest, dass sie es gar nicht geschafft hat, auf dezentraler Ebene die Lehrangebote entsprechend praxisorientiert zu konzipieren. Das heißt, die Gestaltung der Produkte, die Ausrichtung von Lehrinhalten und Lehr-Lernformen muss gleichzeitig erfolgen, andernfalls werden die Erwartungen der nach Praxisori-entierung ausgewählten Studierenden enttäuscht. Internes Management bedeutet also nicht nur, den Hochschulzugang zu berücksichtigen, sondern auch hier eine Bezogenheit der verschiedenen Managementbereiche herzustellen. Im Beispiel ist das Marketing angesprochen.

Schließlich brauchen wir natürlich auch einen ökonomischen Umgang mit Auswahlverfah-ren, da der Aufwand nicht gering ist. Hier ist ebenfalls die Frage zu kläAuswahlverfah-ren, wie ist dieser Aufwand mit der Strategie abzustimmen. Begrenzen wir aufwändige Verfahren auf den Masterbereich, auf Profilbereiche – die Art der Strategie hat auch Auswirkungen auf den Aufwand, den die Hoch-schule betreiben muss. Das sollten nur einige Hinweise darauf sein, was die Governance-Überle-gungen für die Hochschule nach innen bedeuten.

Im Dokument Profil und Passung (Seite 45-48)