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Zwischen 1919 und 1922 war eine Reformabteilung im Unterrichtsamt des Innenministeriums damit beschäftigt „Leitsätze für den allgemeinen Aufbau der Schule“ zu erarbeiten. Der Inhalt dieser Leitsätze beruhte auf einer Grundschule mit vier Schulstufen und einer darauf aufbauende allgemeine Mittelschule. Diese sollte in zwei unterschiedliche Klassenzüge geteilt werden um den verschiedenen Leistungsniveaus der Schüler entgegenzukommen.

Anschließend war die Absolvierung einer Fachschule oder einer allgemeinbildenden Oberschule mit Matura möglich.53 Der Lehrplan für die Grundschule wurde im Schuljahr 1920/1921 versuchsweise durchgeführt und dann bis 1924/1925 ausgeweitet. Der endgültige Plan wurde am 30.7.1926 erlassen. In der Mittelschule wurden die vorhandenen Militärerziehungsanstalten, Zivilmädchenpensionate und Offizierstöchterschulen in Bundeserziehungsanstalten umgewandelt und als allgemeinbildende Oberstufen ab 1924 eingerichtet.

1927 erließ Unterrichtsminister Richard Schmitz die „Richtlinien für die gesetzliche Regelung des österreichischen Mittelschulwesens“.54 Diese enthielten eine Aufgliederung der Möglichkeiten des Schulbesuches nach der Grundschule. Geplant waren eine Mittelschule mit acht Klassen, eine vierklassige Bürgerschule und eine Ober(volks)schule, ebenfalls mit vier Klassen.55 Der Entwurf wurde von der sozialdemokratischen Partei vorerst abgelehnt. Nach

52 Im Verfassungsgesetz vom 1.10.1920, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung, hieß es in den Schlußbestimmungen: „ Auf dem Gebiete des Schul- und Erziehungswesens können Staatsgesetze, …, nur durch übereinstimmende Gesetze des Bundes und der beteiligten Länder abgeändert werden….“

53 Es gab vier Typen der Oberschule: altsprachlich, neusprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich und den deutschen Typ. Vgl.: Scheipl/Seel, Entwicklung, I, 89 ff

54 Scheipl/Seel, Entwicklung, I, 94 f

55 Die Bürgerschule sollte als Schule mit mittlerer Anforderung, schwächeren Schülern die Möglichkeit eines Abschlusses geben. Die Ober(volks)schule war für minder begabte Schüler.

den politischen Vorkommnissen im Juli 1927 stimmten sie jedoch zu.56 Die neue Mittelschule mit vier Schulstufen wurde „Hauptschule“ genannt. Ihr kam die Doppelfunktion zu den Schülern eine Bildung über die Grundschule hinaus zu ermöglichen und ihnen eine Vorbereitung für den Übertritt in eine Mittel-oder berufsbildende Schule zu geben. Um diese Regelungen gesetzlich zu manifestieren, war ein eigenes Bundesverfassungsgesetz nötig um die paktierte Gesetzgebung für das Mittelschul-und das Hauptschulgesetz aufzuheben.57 Aus diesem Grund wurden das Hauptschulgesetz und das Mittelschulgesetz als Verfassungsgesetze am 2.8.1927 erlassen.58

Das Hauptschulgesetz löste, durch die Einrichtung von Hauptschulen, die Bürgerschule ab. Es dauerte jedoch mehrere Jahre bis sich die Hauptschulen mit den vorgesehenen zwei Klassenzügen in den Bundesländern durchgesetzt hatten.59 Die ehemaligen Bürgerschulen wurden auf vier Klassen aufgestockt und bauten auf die Volksschule auf. Sie konnte ohne Aufnahmeprüfung besucht werden und entsprechend der Begabung der Schüler in zwei Klassenzügen geführt werden. Für begabte Schüler bestand die Möglichkeit in die Mittelschule überzutreten. Die Mittelschulen wurden in allen Bundesstaaten einheitlich strukturiert und in Unter- und Oberstufen gegliedert. Es wurden vier unterschiedliche Typen gebildet, denen der Fremdsprachenunterricht ab der zweiten Klasse und die Lehrpläne gleich waren: das Gymnasium, das Realgymnasium, die Realschule und die Frauenoberschule.

Zusätzlich wurden auf Versuchsbasis Aufbaumittelschulen und Arbeitermittelschule eingerichtet. Erstere gaben Schülern nach Vollendung der Schulpflicht die Möglichkeit einen fünfjährigen Studiengang zu besuchen, die zweitgenannte Schule wurde für Berufstätige eingerichtet, mit mehrjährigen Kursen.

Die Reifeprüfung wurde ebenfalls erneuert, da nicht Einzelkenntnisse geprüft werden sollten sondern viel mehr eine geistige Selbstständigkeit erwünscht war. 1924 wurde durch die Reifeprüfungsordnung eine mehrteilige Prüfung eingeführt. Ab sofort waren vier schriftliche und zwei mündliche Prüfungsfächer vorgesehen sowie die Abgabe einer Hausarbeit. 1930 ersetzte die mündliche Prüfung in einem dritten Fach das Schreiben einer Hausarbeit.60

56 Justizpalast Brand und Schattendorf Prozess

57 B-VG vom 2.8.1927; Vgl.: Fischl,Schulreform, Demokratie und Österreich 1918-1950,1950 ,66 f

58 BGBl Nr. 244/1927

59 1932/33 wurden nur 15% der Hauptschulen mit zwei Zügen geführt. In Salzburg, Vorarlberg und im Burgenland gab es keinen zweiten Klassenzug. Vgl.: Scheipl/Seel,Entwicklung, I, 96

60 Erlaß vom 8.5.1930; noch heute gültig gem. BGBl Nr. 105/1975

Das Schul- und Unterrichtswesen unterlag nach 1918 keiner einheitlichen Leitung. Es gab ein Unterrichtsamt das als Teil des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht von 1918 bis 1923 die Schulagenden an sich zog. Ab 1923 gab es ein eigenes Bundesministerium für Unterricht. Otto Glöckel, ab 15.3.1919 Leiter des Unterrichtsamtes, initiierte eine große Schulreformbewegung.61 Sie beruhte auf der Idee, eine „Allgemeine Mittelschule“ zu gründen und somit das dualistische System von Bürgerschule und Unterstufenmittelschule zu ersetzen.

Die neuen Ziele und modernere Methoden lösten eine innere Schulreform aus. Diese Entwicklung wurde 1934 und in der Folge durch die Ereignisse ab 1938 unterbrochen. Als Glöckel das Unterrichtsministerium 1920 verlassen musste, baute er sich an der Spitze des Wiener Stadtschulrates ein starkes handlungsfähiges Instrument auf und bereitete damit dem Ministerium einige Schwierigkeiten, da er Veränderungen im Schulwesen für den Bereich Wien durchsetze. Um dies zu unterbinden versuchte das Unterrichtsministerium sich die Behörden der Länder zu unterstellen, scheiterte aber am Nationalrat.62 Der „Glöckel Erlaß“

vom 10.4.1919 hob die Zwangsteilnahme an religiösen Übungen auf, womit Glöckel einigen Wiederstand auslöste.63

Die B-VG Novelle von 1929 hielt an der paktierten Gesetzgebung von 1920 fest. Allerdings wurde § 42 umgestaltet und verwies auf Art 102a B-VG, in dem der Bund die oberste Leitung und Aufsicht über das Erziehungs-und Unterrichtswesens hatte.64 Der Stadtschulrat von Wien wurde in seiner rechtlichen Stellung bestärkt. Das Recht des Bundesministeriums gegenüber den Landesbehörden Weisungen zu erteilen wurden klarer geregelt, da die Landesschulräte nicht mehr übergangen werden konnten.

61 Glöckel, Otto, geboren am 8.2.1874, gestorben am 23.7.1935. Schulreformer. 1918-20 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920-33 Abgeordneter zum Nationalrat, 1919-20 Unterstaatssekretär für Unterricht. Vgl.: ÖBL, II, Lfg 6, 8

62 Im Burgenland gab es wiederrum eigene Regelungen, die Ausführungen werden hier nicht berücksichtigt.

Vgl.: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens: Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Von 1918 bis zur Gegenwart,1988 , V, 126 bis 132

63 Fischl, Schulreform , 10 ff. Der Erlaß wurde 1933 aufgehoben, MVBl 1933, Nr. 25

64 BGBl Nr. 392/1929