4. Die Rechtsgrundlage des neuen Staates 1945
4.3 Überblick über die Weiterentwicklung der Schulgesetze
Viele Schulgebäude waren zerstört oder durch die Besatzungsmächte anderweitig verwendet worden. Die Herstellung und der Aufbau von Schulen konnte durch die stark ansteigende Anzahl an Schülern nicht schnell genug erfolgen. Deshalb wurden viele Schulen zur Entlastung in Schichtbetrieben geführt. In manchen Orten musste diese Möglichkeit bis Ende der 1960er Jahre fortbestehen.159 Trotzdem war der Schulbetrieb einer der ersten öffentlichen Einrichtungen in Österreich, der innerhalb kürzester Zeit wieder funktionierte. Im Juni 1945 wurde im größten Teil Österreichs der Unterricht an allen Schulen wieder fortgeführt, wenn auch nur provisorisch.
4.3 Überblick über die Weiterentwicklung der Schulgesetze
Das geltende Schulrecht basierte nicht auf einem einheitlichen Gesetz, sondern war in einer Reihe von Gesetzen festgelegt, die untereinander abgestimmt waren. Die Gesetze waren vertikal nach fachlichen Aspekten gegliedert und für alle Schularten gültig.160 Die meisten Gesetze wurden im Rahmen der Schulgesetzerneuerung im Jahr 1962 geschaffen, einige wenige waren schon in den Jahren davor entstanden und waren an das Schulgesetzwerk von 1962 durch Novellen angepasst worden. Die Weiterentwicklung im Bereich des Schulwesens änderte die bestehenden Gesetze durch zahlreiche Novellen, besonders zur Zeit der Schulreformbewegung 1969. Obwohl alle Schulgesetze als gleichwertig angesehen wurden, hob man als Kernpunkte vor allem das Schulorganisationsgesetz und die innere Schulordnung sowie das Schulunterrichtsgesetz hervor. Bei den „Schulgesetzen“ handelte es sich um Bundesgesetze, zu denen Ausführungsgesetze der Länder kamen, soweit es in deren verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich fiel. Die Verteilung der Kompetenz hinsichtlich der Gesetzgebung und Vollziehung wurde erst 1962 geregelt, da Art 14 B-VG in der
oder der SA. 1949 wurden diese Mitglieder aus den Listen getilgt. Vgl. Olechowski, Rechtsgeschichte.
Einführung in die historischen Grundlagen des modernen Rechts4,2006, 93, Rz 1322
159Scheipl/Seel, Entwicklung, II, 18
160 Kövesi, Das österreichische Schulrecht. Überblick über Geschichte und Gegenwart, in Spachinger/Spreitzer/Sretenovic (Hgg.), Die österreichische Schule 1945 bis 1975, 1975,16
Bundesverfassungsgesetz Novelle vom 18. Juli 1962 neu geschaffen wurde.161 Ausgenommen war allerdings das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen162. Im Folgenden seien die wichtigsten Änderungen im Bildungsbereich und beiden Schulgesetzen seit 1945 dargestellt, um einen Überblick bis zum geltenden Recht zu schaffen.163
Im Juni 1947 wurde mit Erlass festgelegt dass für alle Kinder Schulpflicht bestand die im betreffenden Kalenderjahr das 6. Lebensjahr vollendet hatten.164
Am 22. Juni 1951 wurden mit Erlass Trimester eingeführt.
Am 18. Juli 1962 wurde im Bundesverfassungsgesetz die Kompetenzfrage zwischen Bund und Ländern auf dem Bereich des Schulwesens geklärt.165 Eine Woche später, am 25. Juli 1962, wurde das Bundesgesetz über die Organisation der Schulverwaltung und Schulaufsicht des Bundes verabschiedet,166 sowie das Bundesgesetz über die Schulpflicht 167 und das Bundesgesetz über die Schulorganisation. Dieses Gesetz bildete das Kernstück des Schulgesetzwerkes da es die Aufgaben und die Gliederung der österreichischen Schule festlegt.168
1963 wurden Änderungen aufgrund des Schulorganisationsgesetzes festgelegt. Die Änderungen waren ab dem Schuljahr 1963/64 gültig. Hierbei handelte es sich um Neuerungen bei den allgemein bildenden Schulen, da die bis dahin geltenden Mittelschulformen ausliefen.
Es wurden ab dem Schuljahr 1963/64 keine ersten Klassen der „alten Form“ mehr geführt.
Am 4. Juni 1963 wurden neue Lehrpläne für Volksschulen, Hauptschulen und Sonderschulen herausgegeben.
Ein Jahr später, im Jahr 1964 wurde durch das Schulzeitgesetz die Unterrichtsdauer festgelegt und die Ferien an den mittleren und höheren Schulen festgelegt.169
161 BGBl I Nr. 215/1962
162 Durch die Bundesverfassungsgesetz Novelle vom 18.4.1975 durch Art 14 a B-VG eingefügt, BGBl I Nr.
316/1975
163 Das geltende Recht wird in Kapitel Sieben aufgezeigt. Hier wird auch die aktuelle Situation der „Neuen Mittelschule“ behandelt.
164 Mende/Staritz/Tomschitz, Schule und Gesellschaft, 330
165 BGBl Nr. 215/1962
166 Bundesschulaufsichtsgesetz, BGBl I Nr. 240/1962
167 Schulpflichtgesetz, BGBl I Nr. 241/1962
168 Schulorganisationsgesetz, BGBl I Nr.242/1962
169 BGBl Nr. 193/1964 in der Fassung der Novelle BGBl Nr. 468/1974
Am 15. Juli 1965 wurde die erste Novelle zum Schulorgansiationsgesetz verlautbart. Durch diese Novelle wurde die Anzahl der Schüler pro Klasse auf 40 erhöht.170
Der 14. Juli 1966 brachte die zweite Novelle zum Schulorganisationsgesetz, in der § 28 des SchOG geändert wurde. Dies betraf die Aufgaben des Polytechnischen Lehrganges. Der Lehrplan für den Polytechnischen Lehrgang wurde mit § 29 SchOG ebenso geändert.171
Drei Jahre später, am 10. Juli 1969, wurde die dritte Schulorganisationsgesetz- Novelle veröffentlicht. Mit dieser Novelle wurde ein Antrag von drei Parteien zur Errichtung einer Schulreformkommission angenommen. Auch wurde eine Sistierung des 13. Schuljahres bis 1974/75 beschlossen. Das Schuljahr 1969/70 war das letzte Schuljahr der achtjährigen Mittelschultypen.172
Eine Novelle zum Privatschulgesetz wurde am 30. Mai 1970 beschlossen: den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften wurden diejenigen Lehrdienstposten zur Verfügung gestellt, die sie brauchten, um den Lehrplan zu erfüllen.
Durch das Bundesgesetzblatt Nr. 234/1971 wurde die vierte Novelle zum Schulorgansiationsgesetz kundgemacht. Es wurden die Schulversuche gesetzlich geregelt und eine dauerhafte Sistierung der 13. Schulstufe an den allgemein bildenden höheren Schulen beschlossen.173
Das Schulunterrichtsgesetz wurde am 6.Februar 1971 beschlossen: Darin gibt es neue Aufnahmeregelungen für den Eintritt in den ersten Klassenzug der Hauptschule und in die Allgemein bildenden höheren Schulen. Die Wiederholung einer Klasse und das Aufsteigen in die nächste Schulstufe sind neu geregelt worden. Jeder der ein „Nicht genügend“ in einem Hauptfach hat, kann durch den Beschluss der Klassenlehrerkonferenz aufsteigen, soweit nicht im Vorjahr eine negative Note in demselben Fach vorhanden ist. Die Schüler in der ersten Klasse Volksschule und auch der Sonderschule steigen jedenfalls in die zweite Klasse auf, ohne Berücksichtigung ihrer Noten. Eine negative Beurteilung in den Fächern Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Schreiben, Handarbeit, Hauswirtschaft, Kurzschrift
170 BGBl I Nr. 243/1965
171 BGBl I Nr. 171/1966
172 Mende/Staritz/Tomschitz, Schule und Gesellschaft, 333
173 Novelle vom 8. Juni 1971
oder Leibesübungen hindert nicht daran, in den zweiten Klassenzug der Hauptschule aufgenommen zu werden.174
Am 29. April 1975 wurde die fünfte Novelle zum Schulorganisationsgesetz verlautbart. Sie beinhaltete die Koedukation für alle Schultypen ab den Schuljahr 1976/77 sowie die Sistierung des 13. Schuljahres und die Aufnahmeprüfung für die AHS bis 1979/80. 175
Im Jahr 1977 gab es eine Novelle zum Schulunterrichtsgesetz.176 Die §§ 35 bis 40 des Schulunterrichtsgesetzes wurden geändert. Dies beinhaltete die Änderung der Verordnung über die Befähigungsprüfung in den Bildungsanstalten für Arbeitslehrerinnen, Kindergärtnerinnen und Erzieher.
Am 20. März 1980 die sechste Schulorganisationsnovelle hervorgebracht. Die Gesamtschulversuche wurden um zwei Jahre verlängert und die Aufnahmeprüfung für die AHS und die Einführung des 13. Schuljahres bis zum Schuljahr 1982/83 ausgesetzt.177
174 BGBl I Nr. 139/1974, ab 1. September 1974 in Kraft
175 BGBl I Nr. 323/1975
176 BGBl I Nr. 231/1977
177 Mende/Staritz/Tomschitz, Schule und Gesellschaft, 335