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Entwicklung des realen Wechselkurses

IV. Wechselkurs- und stabilitätspolitische Erfahrungen der

2. Auswertung der empirischen Literatur zur Rolle der

2.1. Entwicklung des realen Wechselkurses

Als allgemeines Muster des realen Wechselkursverlaufs zeigt sich eine deutli-che reale Abwertung zu Beginn der Transformation und eine sich anschließen-de, kontinuierliche Aufwertung des realen Wechselkurses.16 Beide Entwicklun-gen sind sowohl in Transformationsländern mit flexiblen Wechselkursen als auch in Ländern, die eine Wechselkursbindung gewählt haben, zu beobachten.

Die anfängliche reale Abwertung ist insbesondere auf die starken nominalen Abwertungen beim Übergang zu konvertiblen Währungen zurückzuführen, während der nachfolgende Prozeß der realen Aufwertung aus den höheren Preissteigerungen im Vergleich zum Ausland resultiert. Das konkrete Ausmaß der realen Wechselkursentwicklung in den betrachteten Ländern ist allerdings davon abhängig, welches Konzept man der Berechnung des realen Wechselkur-ses zugrunde legt.

15 Siehe zum Beispiel Christoffersen/Doyle (1998), S. l ff., de Melo et al. (1997b), S. 17 ff., Havrylyshyn et al. ( 1999), S. 22 ff., und Krueger/Ciolko (1998), S. 718 ff., sowie die darin angegebene Literatur.

16 Vgl. Brada ( 1998), S. 6 l 4, und Stolze ( l 997), S. 5 f.

Vom theoretischen Standpunkt aus gesehen, wäre es wünschenswert, ein Maß für das Verhältnis der Preise handelbarer Güter zu den Preisen nicht-handelbarer Güter zu verwenden. Allerdings sind entsprechende Preisindizes häufig nicht verfügbar. 17 Statt dessen wird der reale Wechselkurs in der Regel als das Verhältnis eines ausländischen Preisindexes (multipliziert mit dem no-minalen Wechselkurs) zu einem inländischen Preisindex definiert. Um einen sogenannten realen effektiven Wechselkurs zu ermitteln, wird der ausländische Preisindex als handelsgewichteter Durchschnitt von Preisindizes bedeutender Außenhandelspartner gebildet. Die Ergebnisse variieren in Abhängigkeit davon, ob bei der Berechnung Konsumgüterpreis-, Produzentenpreis- oder Großhan-delspreisindizes verwendet werden. Ein weiteres Konzept zur Messung der in-ternationalen Wettbewerbsfähigkeit besteht darin, einen Vergleich von Lohn-kosten oder LohnstückLohn-kosten vorzunehmen.18

Zwei Studien, die die reale Wechselkursentwicklung in der Transformation un-tersuchen und das zuletzt genannte Konzept verwenden, sind Halpern/Wyplosz (1997) und Krajnyak/Zettelmeyer (1998).19 Halpern und Wyplosz schätzen sogenannte gleichgewichtige Dollarlöhne und vergleichen diese mit der tat-sächlichen Lohnentwicklung in den untersuchten Ländern. Sie stellen fest, daß die reale Aufwertung im Transformationsprozeß einerseits die Umkehr einer anfänglichen Unterbewertung bewirkt und insofern eine Annäherung an den realen gleichgewichtigen Wechselkurs darstellt. Andererseits ermitteln die Au-toren einen im Zeitablauf ansteigenden realen Gleichgewichtswechselkurs, den sie unter anderem auf Produktivitätszuwächse in den Transformationsländern zurückführen. Sowohl diese Studie als auch Krajnyäk und Zettelmeyer kommen zu dem Ergebnis, daß die deutlichen realen Aufwertungen in den untersuchten Ländern Mitte der 1990er Jahre (noch) nicht zu einer Überbewertung der Wäh-rungen geführt hatten.20

Rosati (1997) und Drabek/Brada (1998) hingegen verwenden für die Messung des realen Wechselkurses in Mittel- und Osteuropa jeweils den Konsumgüter-preisindex und den ProduzentenKonsumgüter-preisindex.21 Für alle sechs betrachteten Länder - Bulgarien, Polen, Rumänien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn - ergeben sich in diesen Studien für beide Meßkonzepte deutliche reale Aufwertungen für die Zeiträume 1991-1995 bei Rosati bzw. 1992-1997 bei Drabek und Brada.

Bei Verwendung des Produzentenpreisindexes zur Berechnung des realen Wechselkurses verzeichnen Tschechien und die Slowakei in beiden Studien die 17 Vgl. Aghevli/Montiel (1991), S. 213.

18 Siehe z.B. Koch (1997), S. 31, und Rosati (1997), S. 494.

19 Vgl. Halpem/Wyplosz (1997), S. 430 ff., und Krajnyäk/Zettelmeyer (1998), S. 309 ff.

20 Vgl. Halpem/Wyplosz (1997), S. 458, und Krajnyäk/Zettelmeyer (1998), S. 316.

21 Siehe Rosati (1997), S. 490, und Drabek/Brada (1998), S. 650 ff.

stärkste reale Aufwertung. Da es sich um die zwei Länder handelt, die im Be-trachtungszeitraum ein festes Wechselkurssystem unterhielten,22 scheint diese Beobachtung die These des Partialmodells im dritten Kapitel zu stützen, daß ein Festkurssystem mit einer höheren realen Aufwertung verbunden ist als ein Flexkurssystem, in dem nominal abgewertet wird.23 Allerdings führt eine Ver-wendung des Konsumgüterpreisindexes zu einer Änderung der Reihenfolge. In diesem Fall liegen Bulgarien und Tschechien, also ein Land mit flexiblem und ein Land mit festem Wechselkurs, mit den stärksten realen Aufwertungen an der Spitze.24 Während der generelle Trend einer realen Aufwertung in Mittel-und Osteuropa unabhängig von der Wahl des Wechselkursregimes ist, lassen die Ergebnisse der beiden Studien keine eindeutige Aussage darüber zu, ob die Wahl eines festen Wechselkurses zu einer stärker ausgeprägten realen Aufwer-tung der entsprechenden Währung geführt hat.

Für den Zeitraum 1993 bis 1998 betrachtet Kopits (1999) die nominale und reale Wechselkursentwicklung in Estland, Polen, Slowenien, Tschechien und Ungarn.25 In seiner Studie verzeichnet Slowenien (mit flexiblem Wechselkurs) eine deutlich geringere reale Aufwertung als Tschechien und Estland, zwei Länder mit festen Wechselkurssystemen bis 1997 im Falle Tschechiens bzw.

während des gesamten Betrachtungszeitraums im Falle Estlands. Dieses Ergeb-nis stellt sich sowohl bei Verwendung des Konsumgüterpreisindexes als auch bei Verwendung von Lohnstückkosten ein.

Generell besteht in der Literatur also Einvernehmen über das V erlaufsmuster des realen Wechselkurses im Transforrnationsprozeß. Es wird einheitlich fest-gestellt, daß sich das beobachtete Phänomen der anfänglichen realen Abwer-tung, gefolgt von einer anschließenden deutlichen realen AufwerAbwer-tung, unabhän-gig vom gewählten Wechselkurssystem einstellt. Es bestehen aber unterschied-liche Auffassungen über das Ausmaß der realen Aufwertung und der Abwei-chung des tatsächlichen realen Wechselkurses vom Gleichgewichtswert. Die aus den modelltheoretischen Überlegungen im dritten Kapitel abgeleitete Frage, ob die reale Aufwertung unter allen Wechselkurssystemen die Realität im 22 Polen und Ungarn hatten im Zeitraum 1991-1997 ebenfalls zunächst feste

Wechselkurs-systeme, die aber 1991 in Polen und 1995 in Ungarn von aktiven Crawling Pegs abgelöst wurden. Wie in Abschnitt IV.I. gezeigt, war die relativ lange Phase der offiziellen Wech-selkursbindung in Ungarn außerdem durch häufige nominale Abwertungen gekennzeich-net.

23 Die in den Studien genannten Länder, die ein flexibles Wechselkurssystem hatten, ver-zeichneten jeweils deutliche nominale Abwertungen.

24 Auch bei Fröhlich (1994), S. 181 f., der die Entwicklungen in Polen, der Tschechoslowa-kei und Ungarn von Ende 1989 bis Ende 1992 untersucht, hängen die Ergebnisse sehr stark vom verwendeten Meßkonzept ab.

25 Vgl. Kopits (1999), S. 19 ff.

Transformationsprozeß korrekt abbildet, kann also eindeutig positiv beantwortet werden. Die Aussagen über die reale Wechselkursentwicklung in Abhängigkeit vom Wechselkurssystem fallen demgegenüber nicht so eindeutig aus.26 Aus diesem Grund wird die Literaturauswertung durch einen Blick auf die jüngste Entwicklung in den EU-Beitrittskandidaten in Form der Tabelle 5 ergänzt. Sie ermöglicht einen Vergleich der realen Wechselkursänderungsraten für alle be-trachteten Länder in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre.

Tabelle 5:

Entwicklung des realen Wechselkurses in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre8

Anmerkungen:• Änderung des Jahresdurchschnittswerts im Vergleich zum Vorjahr. Positive (negative) Werte kennzeichnen eine reale Aufwertung (Abwertung). Beim zugrundeliegenden Index handelt es sich um einen handelsgewichteten realen effektiven Wechselkurs gegenüber den wichtigsten Handelspartnern - deflationiert mit dem Konsurngüterpreisindex. Werte für 1999 basieren auf Schätzungen. -b geometrischer Durchschnitt.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage der Indizes von DB Research (2000a).

In der letzten Spalte der Tabelle 5 ist der Durchschnitt für alle fünf Jahre ange-geben. Es zeigt sich, daß die drei baltischen Länder, die über den gesamten Be-trachtungszeitraum ein festes Wechselkurssystem hatten, im Vergleich zu den anderen Ländern - mit Ausnahme Bulgariens - eine stärkere reale Aufwertung verzeichneten.27 Eine höhere reale Aufwertung bei festen im Gegensatz zu fle-26 Auch Halpern und Wyplosz versuchen zwar, den Einfluß des Wechselkursregimes auf die

reale Wechselkursentwicklung zu testen, kommen jedoch nicht zu statistisch abgesicherten Ergebnissen. Vgl. Halpern/Wyplosz (1997), S. 455.

27 Der bulgarische Durchschnitt ist insbesondere durch den hohen Wert für 1997 verzerrt.

Wie bereits erwähnt, ging Bulgarien im Sommer 1997 im Rahmen eines Stabilisierungs-programms zu einem Currency Board System über. Dies trug zwar zu einer schnellen

Re-xiblen Wechselkursen weisen auch die Entwicklungen in der tschechischen und der slowakischen Republik auf. Während Tschechien 1997 vom Festkurssystem zu flexiblen Wechselkursen überging, vollzog die Slowakei den Wechsel im Jahr 1998. Beide Länder verzeichnen seit dem Übergang zu einem flexiblen Wechselkurssystem tendenziell eine nominale Abwertung verbunden mit einer geringeren realen Aufwertung.28 Allerdings ist die allgemeine Aussage nur mit Einschränkungen gültig. So sind zum Beispiel die Werte für Rumänien, das ein flexibles Wechselkurssystem mit starker nominaler Abwertung der Währung unterhält, in den Jahren 1997 und 1998 wesentlich höher als während der Fest-kursperioden in Tschechien oder der Slowakei. Des weiteren fiel im Jahr 1998 die reale Aufwertung in Lettland, das seine Währung an das Sonderziehungs-recht gebunden hat, deutlich niedriger aus als in Slowenien und Tschechien, die flexible Wechselkurssysteme hatten und im Jahresdurchschnitt 1998 sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch gegenüber der Europäischen Währungsein-heit eine nominale Abwertung verzeichneten.29

Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen: Eine detaillierte Länderbetrach-tung weist zwar darauf hin, daß offensichtlich neben dem Wechselkursregime auch andere Faktoren eine wichtige Rolle gespielt haben und deshalb Länder mit Festkurssystem nicht generell eine stärkere reale Aufwertung erfuhren als Länder mit nominaler Abwertung bei flexiblem Wechselkurs. Allerdings läßt die Tabelle 5 die Schlußfolgerung zu, daß zumindest tendenziell diejenigen Länder, die eine Wechselkursbindung vorgenommen haben, eine stärkere reale Aufwertung verzeichneten als Länder, die in einem flexiblen Wechselkurssys-tem nominal abwerteten. Insbesondere eine Betrachtung des mehrjährigen Durchsr,hnitts bestätigt diese Hypothese des Partialmodells im dritten Kapitel.

Da keines der betrachteten Länder in der zweiten Hälfte der l 990er Jahre eine trendmäßige nominale Aufwertung verzeichnete, kann hingegen die nominale Aufwertungsvariante - wie sie in der ersten Spalte der Tabelle 2 im Unterab-schnitt III.3.2.3. dargestellt ist - nicht überprüft werden. Danach würde sich in einem System flexibler Wechselkurse bei nominaler Aufwertung eine stärkere reale Aufwertung der Währung ergeben als in einem Festkurssystem.

duzierung der Inflation bei. Da es sich bei den Indexwerten, die der Tabelle zugrunde lie-gen, aber um Jahresdurchschnittswerte handelt, spiegelt sich die extrem hohe Inflation zu Jahresbeginn in einer entsprechend starken realen Aufwertung wider.

28 Zur nominalen Wechselkursentwicklung in Mittel- und Osteuropa gegenüber dem US-Dollar und der Europäischen Währungseinheit - bzw. ab 1999 dem Euro - siehe DB Re-search (2000a).

29 Siehe ebenda.

2.2. Ergebnisse empirischer Studien zur Auswirkung