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Argumente für einen flexiblen Wechselkurs

II. Ausgangslage und Reformbedarf

3. Geld- und wechselk:urspolitischer Entscheidungsbedarf

3.2. Wahl des Wechselkursregimes

3.2.2. Argumente für einen flexiblen Wechselkurs

Der zentrale Nachteil eines Wechselkurses als nominaler Anker ist, daß das Wech-selkursziel mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Zahlungsbilanzproblemen führt als flexible Wechselkurse. Die Festkursstrategie erfordert eine schnelle und dauerhafte Reduzierung der Inflationsrate auf das Niveau im Ankerland. Wenn dies nicht ge-schieht, stellt sich eine reale Aufwertung ein, die die internationale Wettbewerbs-fä.higkeit beeinträchtigt und mit Beschäftigungsverlusten verbunden ist. Insbeson-dere in den Transformationsländern ist damit zu rechnen, daß es aus den erwähnten Gründen127 über längere Zeiträume zu Preisschüben kommt, die zu höheren Infla-tionsraten als im Ankerwährungsland führen. Die damit einhergehende reale Auf-wertung ist nicht unbegrenzt durchhaltbar, so daß die Gefahr von Währungs- und Finanzkrisen besteht. Muß in einer krisenhaften Zuspitzung der feste Wechselkurs freigegeben werden, beeinträchtigt dies nachhaltig die Glaubwürdigkeit der wirt-schaftspolitischen Instanzen. Die massive Abwertung im Zuge der Währungskrise kann darüber hinaus zu einer Finanzkrise führen, wenn sich die inländischen Un-ternehmen und Banken in ausländischer Währung verschuldet haben, weil sie auf die feste Wechselkursrelation vertrauten und das niedrigere ausländische Zinsni-125 Vgl. Gröner/Smeets (1991), S. 380.

126 Vgl. Diehl/Schweickert (1997), S. 12, und Fröhlich (1992), S. 34.

127 Siehe Unterabschnitt 2.3. in diesem Kapitel.

veau ausnutzten.128 Aufgrund der Abwertung steigt einerseits der Schuldendienst und sinkt andererseits die Eigenkapitalquote der Banken, weil die Verbindlichkei-ten - ausgedrückt in inländischer Währung - zunehmen, ohne daß dem eine be-wertungsbedingte Zunahme des Vermögens gegenübersteht. Die Zahlungsunfähig-keit einiger Kreditinstitute kann sich über die Interbanken-Beziehungen auf den gesamten Bankensektor negativ auswirken und unter Umständen eine schwere Finanzkrise hervorrufen.

Bei der Wahl eines festen Wechselkurses müssen außerdem zwei grundsätzliche Fragen beantwortet werden, die sich bei einem flexiblen Wechselkurs nicht stellen und deshalb auch keine Probleme verursachen: Gegenüber welcher Währung bzw.

welchem Währungskorb und auf welchem Niveau wird der Wechselkurs fixiert?

Die Frage, gegenüber welcher Währung die Wechselkursbindung erfolgen soll, ist noch vergleichsweise einfach zu beantworten. Einerseits muß es sich um die Wäh-rung eines Landes handeln, das eine hohe stabilitätspolitische Reputation besitzt.

Andererseits sollte die Ankerwährung ein relativ hohes Gewicht im Außenhandel aufweisen, d.h. es sollten enge Handelsbeziehungen zum Ankerwährungsland und zu Ländern bestehen, die ebenfalls stabile Wechselkursrelationen gegenüber der entsprechenden Währung aufweisen. 129 Große Schwierigkeiten bereitet hingegen die Festlegung eines angemessenen Wechselkursniveaus, weil die Regierung nicht das notwendige Wissen besitzt, um den „richtigen" Wechselkurs festzulegen. The-oretisch gibt es mehrere Konzepte, mit deren Hilfe sich gleichgewichtige Wech-selkurse bestimmen lassen.130 Wegen der grundlegenden Veränderungen in Mit-tel- und Osteuropa können die dafür erforderlichen Vergangenheitswerte aber kein Maßstab für die Ermittlung von Gleichgewichtszuständen sein.

Das Problem ist deshalb so gravierend, weil sowohl mit einer Unter- als auch mit einer Überbewertung erhebliche Risiken verbunden sind.131 Eine Unterbewertung verbessert - wenn man zunächst den Blick auf die Leistungsbilanz richtet - die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors. Negativ wirkt sich hinge-gen aus, daß eine starke Abwertung des nominalen Wechselkurses den Preisauf-trieb verstärkt, der sich aus der Preisliberalisierung ergibt, und damit zu sinkenden Realeinkommen beiträgt. Auch im Hinblick auf die Kapitalbilanz ist eine Unter-128 Zum gemeinsamen Auftreten von Währungs- und Finanzkrisen siehe Kaminsky/Reinhart

(1999), S. 473 ff., und Joebges (2000), S. 38 ff.

129 Zu den Kriterien für die Wahl einer Reservewährung siehe Freytag (1998), S. 10, und Smeets

(1995), S. 93. Für die These, daß die ECU die Kriterien in Mittel- und Osteuropa am besten erfüllt hätte, vgl. Bofinger (1991), S. 18, und Williamson (1991), S. 45.

130 Vgl. z.B. Fröhlich (1992), S. 37, der erläutert, warum die Konzepte der Kaufkraftparität und des fundamentalen Gleichgewichtskurses in den mittel- und osteuropäischen Staaten nicht anwendbar waren.

13! Siehe zu den Problemen eines zu hohen oder zu niedrigen Kurses Ohr (1996), S. 220 f., und die Übersicht 1 bei Fröhlich (I 992), S. 38.

bewertung kritisch zu sehen. Einerseits begünstigt sie Kapitalzuflüsse, wenn die Wirtschaftssubjekte in der Zukunft mit einer nominalen Aufwertung rechnen. An-dererseits kann sie auch zu einer Kapitalflucht führen, wenn eine Inflations-Abwertungs-Spirale befürchtet wird. Demgegenüber ermöglicht eine Überbewer-tung einen günstigeren Zugang zu modernen westlichen Produktionsmitteln, wäh-rend sie mit einer Dämpfung der Exportnachfrage und dadurch einer Belastung der inländischen Konjunktur verbunden ist. Auf der Seite des Kapitalverkehrs hat eine Überbewertung den positiven Aspekt, daß Investitionsgüter billiger importiert werden können, so daß sich die Angebotsbedingungen verbessern und die im In-land erzielbaren Renditen steigen. Allerdings besteht die latente Gefahr einer no-minalen Abwertung, die die erwartete Rendite auf das eingesetzte Kapital entspre-chend verringert. Ein flexibler Wechselkurs bietet den entscheidenden Vorteil, diese Probleme bei der Bestimmung des angemessenen Wechselkursniveaus zu Beginn der Transformation zu vermeiden, weil der freigegebene Wechselkurs sich automatisch auf dem angemessenen Marktniveau einpendelt.

Ein flexibler Wechselkurs ermöglicht außerdem eine flexiblere Reaktion auf real-wirtschaftliche Schocks, die ihren Ursprung im Inland haben. Die tiefgreifenden Veränderungen im Verlauf des Transformationsprozesses erfordern reale Wechsel-kursanpassungen, die sich leichter über eine Änderung des nominalen Wechselkur-ses erreichen lassen.132 Bei fixiertem Wechselkurs muß die Anpassung über Preis-reaktionen erfolgen, die unter Umständen mit höheren volkswirtschaftlichen An-passungskosten verbunden sind als eine externe Anpassung über eine Korrektur des nominalen Wechselkurses. Setzt sich eine reale Wechselkursänderung nicht durch, weil die Preis- und Lohnbildungsmechanismen nicht flexibel genug sind, kann dies negative Folgen für die Produktion und die Beschäftigung haben und dauerhafte Fehlallokationen bewirken. Es handelt sich im Grunde genommen um die Umkehrung der Argumentation, bei der der geldpolitische Automatismus fester Wechselkurse positiv bewertet wurde. In einer Welt mit internationalem Kapital-verkehr - auch wenn in den Reformländern noch nicht die volle KapitalKapital-verkehrs- Kapitalverkehrs-freiheit gewährleistet ist - läßt ein Festkurssystem keinen Spielraum, um auf be-sondere heimische Umstände zu reagieren, sondern erzwingt eine vollständige Ausrichtung der Geldpolitik am Wechselkursziel.

Darüber hinaus reduzieren feste Wechselkurse die Flexibilität der Politiker, auf externe Schocks reagieren zu können. Da Schocks aus dem Ausland nicht über Wechselkursanpassungen abgefedert werden können, ist die inländische Volks-wirtschaft ähnlichen Einkommensschwankungen ausgesetzt wie das Ankerwäh-rungsland.133 Allerdings kann in diesem Zusammenhang die Vermutung geäußert werden, daß dieser Nachteil einer Wechselkursbindung für die Transformations-132 Siehe hierzu Ohr (1996), S. 224, und Williamson (1991), S. 44.

133 Vgl. DiehVSchweickert (1997), S. 12.

länder zu Reformbeginn keine große Bedeutung hatte. Solange noch nicht die Vor-aussetzungen geschaffen sind, um erfolgreich eine diskretionäre Geldpolitik zu betreiben, ,,they may have little to gain from an independent monetary policy, but a lot to lose."134

Eine weiterer Vorteil flexibler Wechselkurse besteht darin, daß viele Probleme vermieden werden, die sich in einem Festkurssystem bei zunehmenden Kapitalim-porten ergeben. Es handelt sich um ein Argument, das während des Reformprozes-ses an Bedeutung gewinnt, wenn die noch bestehenden Kapitalverkehrsbeschrän-kungen schrittweise aufgehoben werden. Durch die feste Wechselkursrelation kann das wahrgenommene Risiko für ausländische Investoren sinken, so daß es verstärkt zu Kapitalzuflüssen kommt. Bei der Bewertung dieser Entwicklung kommt es in erster Linie darauf an, wie das zuströmende Kapital verwendet wird. Handelt es sich um langfristiges Kapital, das in produktive Investitionen fließt und damit das Wachstum in den Transformationsländern stimuliert, ist der Zustrom wünschens-wert. Handelt es sich hingegen um kurzfristiges Kapital, dessen primäres Ziel darin besteht, internationale Zinsdifferenzen auszunutzen, besteht die Gefahr, daß es aufgrund veränderter Risikoeinschätzungen internationaler Investoren zu plötzli-chen Kapitalabflüssen kommt, die das Festkurssystem gefährden und in eine Wäh-rungskrise münden.135

Unabhängig von ihrer Fristigkeit und Verwendung gefährden steigende Kapitalim-porte bei festen Wechselkursen das Ziel der Preisstabilität. Um die Wechselkurs-bindung aufrecht zu erhalten, muß die Zentralbank die angebotenen Devisen an-kaufen. Betreibt sie keine Neutralisierungspolitik, erhöhen sich die monetäre Basis und die Geldmenge und mittel- bis langfristig auch das Preisniveau. Selbst der Versuch, die Interventionen zu neutralisieren, bietet keine Lösung des Problems, weil das Zinsniveau auf hohem Niveau verharrt oder sogar steigt, so daß weitere Kapitalströme angezogen werden. Zwar bereiten auch in einem flexiblen Wechsel-kurssystem steigende Kapitalimporte Probleme, sie gefährden jedoch nicht das Preisstabilitätsziel. Ganz im Gegenteil führen Kapitalzuflüsse bei flexiblen Wech-selkursen zu einer nominalen Aufwertung, die tendenziell das inländische Preisni-veau senkt. Bei anhaltend starkem Kapitalzufluß verschlechtert diese Aufwertung allerdings die internationale Wettbewerbsfähigkeit, so daß sich negative Rückwir-kungen auf die wirtschaftliche Entwicklung ergeben.

Schließlich wird als ein wichtiger Vorteil eines flexiblen Wechselkurssystems noch genannt, daß es per Definition das Zahlungsbilanzgleichgewicht erhält und deshalb auch bei knappen Devisenreserven funktioniert. Williamson (1991) vertritt 134 Mishkin (l 999), S. 584.

l35 Zur Entstehung von Währungskrisen aufgrund eines Herdenverhaltens internationaler Investo-ren siehe Angennüller (2000), S. 25, der einen Überblick über verschiedene Währungskri-senmodelle gibt.

die Auffassung, daß ein Festkurssystem nicht praktikabel ist, wenn keine ausrei-chend hohen Währungsreserven zur Verfügung stehen.136 Auch France Arhar, der Gouverneur der slowenischen Nationalbank, hat unter anderem fehlende Wäh-rungsreserven als einen Grund für die Entscheidung Sloweniens zugunsten eines flexiblen Wechselkurssystems genannt.13 7 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß ein großer Bestand an Währungsreserven zwar eine Wechselkursbindung unter-stützen kann, daß er aber keine notwendige Bedingung für einen festen Wechsel-kurs darstellt. Solange die Geldpolitik strikt am WechselWechsel-kursziel ausgerichtet wird, sind umfangreiche Devisenmarktinterventionen für die Aufrechterhaltung eines Wechselkurses nicht erforderlich.138 Dies wird durch das Beispiel Polens unter-strichen. Zur Unterstützung der Wechselkursbindung am Beginn des Reformpro-zesses wurde ein Stabilisierungsfonds eingerichtet, der mit einer Milliarde US-Dollar dotiert war, auf den Polen jedoch nicht zurückgegriffen hat.139