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Argumente für eine Wechselkursbindung

II. Ausgangslage und Reformbedarf

3. Geld- und wechselk:urspolitischer Entscheidungsbedarf

3.2. Wahl des Wechselkursregimes

3.2.1. Argumente für eine Wechselkursbindung

Die Ausführungen im Unterabschnitt 3.1.2. haben gezeigt, daß ein großer Vorteil eines festen Wechselkurses darin liegt, daß er ein Zwischenziel der Geldpolitik ist, das von der Öffentlichkeit leicht zu verstehen und zeitnah zu beobachten ist. Weil 115 Vgl. zu dieser Diskussion z.B. Jarchow/Rühmann (1997), S. 201 ff., und Södersten/Reed (1994), S. 643 ff. Die Tabelle 17 in IMF (1997a), S. 83, gibt einen zusammenfassenden Über-blick über den theoretisch wünschenswerten Grad an Wechselkursflexibilität in Abhängigkeit von den Eigenschaften einer Volkswirtschaft wie Größe, Offenheitsgrad usw.

116 Für eine Übersicht über die wechselkurspolitischen Optionen im Transformationsprozeß, die auch Mischstrategien wie ein Crawling Peg System und die Extremlösung eines Currency Boards enthält, siehe Jarchow/Rühmann (1997), S. 350 ff.

117 Siehe Unterabschnitt III.3.3.

die Zielerreichung leicht kontrolliert werden kann, ist die Wahrscheinlichkeit hö-her als bei einer anderen Zielgröße, daß sich die privaten Wirtschaftssubjekte auf die Geldpolitik der Zentralbank einstellen und ihre Inflationserwartungen anpas-sen.

Ebenfalls im geldpolitischen Bereich liegt der Vorzug einer Wechselkursbindung, daß unter diesem System - wenn man realistischerweise von der Existenz einer Bandbreite ausgeht - ein gewisser Automatismus die Durchführung der Geldpoli-tik bestimmt.118 Ist der Preisanstieg im Inland stärker als im Ausland, entstehen Abwertungserwartungen. Normalerweise kann die Zentralbank über eine Anhe-bung von Refinanzierungssätzen oder andere kontraktive geldpolitische Maßnah-men, die die Ausweitung der Geldmenge begrenzen und dämpfend auf die zinsab-hängigen Investitionen einwirken, die Wirtschaftsentwicklung drosseln und den Anstieg des Preisniveaus begrenzen.1 19 Führt der Instrumenteneinsatz im Inland nicht zu der notwendigen Anpassung von Zinsniveau und Geldmenge, weil zum Beispiel die Transmission der monetären Impulse nicht korrekt eingeschätzt wird, bleibt die Tendenz zur nominalen Abwertung bestehen, und die Zentralbank muß am Devisenmarkt intervenieren. Der Ankauf heimischer Währung gegen Hergabe von Währungsreserven verringert bei einem Verzicht auf eine Neutralisierungspo-litik die monetäre Basis, so daß die inländische Geldmenge sinkt und das inländi-sche Zinsniveau ansteigt. Das inländiinländi-sche Preisniveau wird stabilisiert, und die Abwertungserwartungen verschwinden. Umgekehrt bewirken die erforderlichen Maßnahmen bei einer Aufwertungstendenz der Währung automatisch eine expan-sivere Geldpolitik.

Als wichtigster Vorteil eines festen Wechselkurses im Rahmen der Transformation wird jedoch die Übertragung von Weltmarktpreisen auf die inländische Volkswirt-schaft genannt.120 Durch die anfängliche Preisliberalisierung und den Übergang zu konvertiblen Währungen kommt es zum starken Anstieg des Preisniveaus und zu gravierenden Veränderungen der Preisstruktur. In diesem Zusammenhang stellt der feste Wechselkurs eine wichtige Anhaltsgröße dar, weil mit ihm die ausländische Preisstruktur der handelbaren Güter importiert wird, die eine wichtige Leitlinie für die Anpassung der relativen Preise bildet. Im Gegensatz zum Preisindex, dessen Veränderung in der Regel nur einmal monatlich mit erheblicher zeitlicher V erzö-gerung publiziert wird, ist der Wechselkurs ein Schlüsselpreis, der täglich beob-achtbar ist. Zwar hat die Wechselkursbindung keinen direkten Einfluß auf die nicht-handelbaren Güter. In einer offenen Volkswirtschaft machen die handelbaren 118 Vgl. Mishkin (1999), S. 581. Existiert keine Bandbreite, dann wird die Geldpolitik

aus-schließlich durch die Aufrechterhaltung der Parität bestimmt.

119 Gleichzeitig dilrften die kontraktiven geldpolitischen Maßnahmen auch die Abwertungser-wartungen dämpfen.

120 Vgl. Bruno (1991), S. 23, Fröhlich (1992), S. 34, und Williarnson (1991), S. 43.

Güter jedoch einen nicht unerheblichen Anteil am Warenkorb des gesamtwirt-schaftlichen Preisniveaus aus. Die Stabilisierung eines Teils der Preise stellt auch für die Preisbildung im Sektor der nicht-handelbaren Güter eine wichtige Orientie-rungshilfe dar und trägt zur Herausbildung einer neuen, knappheitsgerechten Preis-struktur bei.

Darüber hinaus wird argumentiert, daß durch die Wechselkursbindung nicht nur ein Import ausländischer Preisstabilität möglich ist, sondern daß die Zentralbank ausländische Reputation von der Notenbank des Ankerlandes importieren kann, die sie selbst noch nicht besitzt. Durch die Einschränkung des eigenen Entschei-dungsspielraums in Form der Wechselkursfixierung - dem sogenannten „Binden der eigenen Hände" - signalisiert die Zentralbank der Öffentlichkeit, daß sie die inländische Geldpolitik an der stabilitätsorientierten Geldpolitik der ausländischen Währungsbehörde ausrichtet.121 Allerdings erfordert ein Erfolg dieser Strategie, daß es sich um eine glaubwürdige Wechselkursgarantie handelt. Ist dies der Fall, dann können durch den Wechselkurs als nominalem Anker sehr hohe Inflationsra-ten schnell und radikal gesenkt werden, weil sich die Inflationserwartungen ent-sprechend stark reduzieren. Eine glaubwürdige Festkurspolitik erfordert insbeson-dere eine mit ihr im Einklang stehende Geld- und Fiskalpolitik.122 Ohne Unter-stützung durch entsprechende geld- und fiskalpolitische Maßnahmen ist die Politik einer Wechselkursbindung im Rahmen der Stabilisierungspolitik nicht durchhalt-bar und damit nicht glaubwürdig. Die Befürworter einer Wechselkursbindung un-terstellen, daß der feste Wechselkurs disziplinierend auf die Wirtschaftspolitiker wirkt und somit eher die erforderlichen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen ergriffen werden. 123 Wie bereits erwähnt, erfolgt eine detaillierte Diskussion, wel-che Bedingungen erforderlich sind, damit die Glaubwürdigkeit eines Festkurssys-tems gewährleistet ist, erst im Rahmen der modelltheoretischen Analyse im nächsten Kapitel.

Als ein weiterer Vorteil fester Wechselkurse wird genannt, daß flexible Wechsel-kurse nur effizient funktionieren, wenn gut entwickelte Kapitalmärkte bestehen, die in den Transformationsländern jedoch anfangs nicht vorhanden sind. 124 Wäh-rend in den Industrieländern die mit flexiblen Wechselkursen verbundene Wech-selkursvolatilität keine negativen Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen hat, 121 Siehe Sachs (1996a), S. 149, und Funke (1993), S. 78. Rodrik (1989), S. 13 f., illustriert das Binden der Hände sehr anschaulich: Ebenso wie 0dysseus sich an den Mast seines Schiffes binden ließ, um den Lockrufen der Sirenen nicht zu erliegen, muß die Fähigkeit der wirt-schaftspolitischen Instanzen eingeschränkt werden, den Stabilitäts- bzw. Reformkurs zu ver-lassen.

122 Siehe u.a. Corden (1993), S. 204, und Rosati (1997), S. 485.

123 Vgl. Aghevli/Montiel (1991), S. 228.

124 Siehe zu diesem Argument Williamson (1991), S. 41, Bofinger (1991), S. 8, und Hrncir (1994), S. 232.

wird unterstellt, daß sich in Mittel- und Osteuropa schwankende Wechselkurse schädlich auf den Außenhandel auswirken, weil Absicherungsmöglichkeiten feh-len, und daher ein fester Wechselkurs vorteilhafter ist. Es gab zu Transformations-beginn vor allem keine Devisenterminmärkte, auf denen Arbitrage und spekulative Bewegungen zu einer Stabilisierung des Wechselkurses hätten beitragen können.

Allerdings weisen Gröner/Smeets (1991) darauf hin, daß eine Kurssicherung von Außenhandelsgeschäften nicht unbedingt Terminmärkte in den Reformländern selbst erfordert, sondern es ausreicht, wenn die gewünschten Verträge im Ausland ohne Schwierigkeiten abgeschlossen werden können.125

Es wird außerdem argumentiert, daß das geringere W echselkursänderungsrisiko bei festem Wechselkurs nicht nur auf die Handelsströme, sondern auch auf den Kapitalverkehr einen positiven Einfluß ausübt.126 Weil die Kalkulationsgrundlage sicherer wird, steigt die Attraktivität von Investitionen im Inland, und es fließt Auslandskapital ins Land, das die Transformationsländer dringend benötigen.

Wenn die ausländischen Investoren allerdings nicht mit einer dauerhaften W ech-selkursfixierung rechnen, werden sie keine langfristigen Engagements eingehen, sondern nur in kurzfristige, schnell liquidierbare Anlageformen investieren, die keine Grundlage für einen langfristigen Wachstumsprozeß in den Reformländern bieten.