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Entwicklung der Leistungsausgaben

3 Ambulantisierung der Pflege

3.4 Entwicklung der Leistungsausgaben

In Kapitel 3.2 wurden die Anreize aufgezeigt, die eine fortschreitende Ambulantisierung erwarten lassen. Die Analysen des Kapitels 3.3 haben dann gezeigt, in welchem Umfang tatsächlich entsprechende Entwicklungen in den Daten nachweisbar sind. Daran schließt sich die Frage nach den Ausgabeneffekten dieser Entwicklungen für die Pflegeversiche-rung (Leistungsausgaben) und für die KrankenversichePflegeversiche-rung (häusliche Krankenpflege) an.

Dieser Frage wird in diesem Kapitel mithilfe der Kassenstatistik und der BARMER-Daten nachgegangen. Dabei wird die Kassenstatistik genutzt, um die Ausgabenentwicklungen verschiedener Versorgungsbereiche der sozialen Pflegeversicherung (SPV) nachzuzeich-nen. Mithilfe der Routinedaten werden anschließend die spezifischen durchschnittlichen Leistungsausgaben der Pflegeversicherung zusammen mit den Leistungsausgaben der Krankenversicherung für häusliche Krankenpflege für Pflegebedürftige in betreutem Wohnen und in Pflege-WGs ermittelt.

ambulante Stapelleis-tungen sehr attraktiv

Wie Abbildung 3.6 zeigt, haben sich die Leistungsausgaben der SPV für die ambulante Versorgung von 8,00 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf 22,63 Milliarden Euro im Jahr 2018 fast verdreifacht, während sich die Ausgaben für die stationäre Versorgung von 7,47 Mil-liarden Euro auf 14,32 MilMil-liarden Euro nicht einmal verdoppelt haben. Wesentliche Stei-gerungen der Leistungssummen entstanden mit den ersten Anpassungen der maximalen individuellen Leistungssummen ab dem Jahr 2008 und dann vermehrt mit den Auswei-tungen und Anpassungen ab dem Jahr 2013. Die größte Steigerung im Jahr 2017 ist dann auf die Reformen des PSG II zurückzuführen.

Abbildung 3.6: Leistungsausgaben der SPV für ambulante und stationäre Pflege

0 5 10 15 20 25

Vergütungszuschlag

vollstationäre Pflege Pflegeberatung

Hilfsmittel/Wohnumfeld

soziale Sicherung Betreuungsleistungen

Tages-/Nachtpflege

Verhinderungspflege Pflegesachleistung

Pflegegeld

stationärambulant

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2004 2005 2006 2007

2000 2001 2002 2003 2008 2009 2010 2018

stationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulantstationärambulant8,00

7,47 7,87 7,75 8,05 8,00 8,00 8,20 7,95 8,35 7,96 8,52 7,96 8,67 8,08 8,83 8,58 9,05 9,20 9,50 9,77 10,01 9,99 10,21 10,64 10,50

11,76 10,64 12,52 10,89 13,94 11,77 15,14 12,14 20,03 14,31 22,63 14,32

in Milliarden Euro

Abbildung 3.7: Durchschnittliche Leistungen der Sozialversicherung für Pflegebedürftige in verschiedenen Versorgungssettings im Jahr 2018

0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 5.000 5.500

Wohnumfeld und Hilfsmittel

Pflegegrad 1Pflegegrad 2Pflegegrad 3Pflegegrad 4Pflegegrad 5

betreutes

* graue Werte = durchschnittlich abgerufene Leistungssummen 2018; magentafarbene Werte = mögliche Leistungssummen 2018

Anmerkung: Überschreitung der Maximalgrenzen durch zeitliche Zuordnungsunschärfen möglich Quelle: BARMER-Daten 2018, hochgerechnet auf die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland

Die neuen Regelungen ermöglichen es inzwischen, für ambulante Versorgung mehr als doppelt so hohe Leistungssummen aus Kranken- und Pflegeversicherung zu beziehen wie für vollstationäre Versorgung (siehe Kapitel 3.2.3). Zu fragen ist nun, in welchem Umfang diese Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Durch Multiplikation der individuellen Mehrentnahmen mit den betroffenen Fallzahlen kann dann abgeschätzt werden, welche Ausgabeneffekte die Ambulantisierung für die Pflege- und Krankenversicherung nach sich zieht. Hierzu werden im Folgenden auf Basis der BARMER-Daten die individuellen Leistungssummen in den neuen Wohnformen ermittelt und mit denen in der vollstatio-nären Versorgung verglichen. Dabei zeigt sich, dass die maximalen Leistungssummen, wie sie in Kapitel 3.2.3 dargestellt wurden, häufig nicht abgerufen werden. Während die monatlich abgerufenen Leistungssummen in der stationären Versorgung sich kaum von den gesetzlich vorgegebenen Maximalgrenzen unterscheiden, liegen die abgerufenen Leistungssummen in der ambulanten Versorgung deutlich unter den Maximalwerten (Abbildung 3.7).

Dennoch sind in den WGs die abgerufenen Leistungssummen bei jedem Pflege-grad mit oder ohne Inanspruchnahme von Tages- oder Nachtpflege deutlich höher als die in Anspruch genommenen Leistungssummen in der vollstationären Pflege. Ohne Nut-zung der Tages- oder Nachtpflege ergibt sich bei Pflegegrad 2 eine durchschnittliche Leis-tungssumme von 1.288 Euro. Bei den Pflegegraden 3, 4 und 5 belaufen sich die Beträge auf 1.901 Euro, 2.685 Euro und 3.388 Euro. In den Fällen, in denen zusätzlich die Tages- oder Nachtpflege genutzt wird, ergeben sich in den Pflegegraden 2 bis 5 durchschnittliche Leistungssummen von 1.572 Euro, 2.461 Euro, 2.729 Euro beziehungsweise 3.039 Euro.

Im gewogenen Mittel mit der Pflegegradverteilung der BARMER-Versicherten als Gewicht er geben sich ohne Nutzung von Tages- oder Nachtpflege durchschnittliche monatliche Mehrausgaben der Sozialversicherung von 726 Euro pro pflegebedürftiger Person in den Pflege- WGs. Wird auch Tages- oder Nachtpflege genutzt, liegen die Mehrausgaben bei 921 Euro pro Person. Ausgehend von 20.400 Bewohnern von Pflege-WGs, die den Wohngruppenzuschuss nutzen und von denen 14,1 Prozent die Tages- oder Nachtpflege nutzen, er geben sich im Vergleich zur Versorgung im Pflegeheim Mehrausgaben von 184 Millionen Euro im Jahr 2018. Da die weiteren Bewohner bis zur geschätzten

Gesamt-Die monatlichen Leistungssummen in betreutem Wohnen sind in allen Pflegegraden höher als bei den übrigen häuslich gepflegten Pflegebedürftigen. Ohne die Inanspruch-nahme von Tages- oder Nachtpflege liegen sie in den Pflegegraden 1 bis 4 unterhalb der Leistungssummen in vollstationärer Pflege, bei Inanspruchnahme von Tages- oder Nachtpflege aber in allen Pflegegraden deutlich über den Leistungssummen in vollstatio-närer Pflege. Ohne Nutzung der Tages- oder Nachtpflege ergeben sich bei den Pflege-graden 2 bis 5 durchschnittliche Leistungssummen von 819 Euro, 1.362 Euro, 1.845 Euro beziehungsweise 3.246 Euro. In den Fällen, in denen zusätzlich die Tages- oder Nacht-pflege genutzt wird, ergeben sich in den Pflegegraden 2 bis 5 durchschnittliche Leis-tungssummen von 1.219 Euro, 2.064 Euro, 2.609 Euro und 2.907 Euro.

Wird für die Pflegegradverteilung die der BARMER-Versicherten in betreutem Wohnen zugrunde gelegt, sind die durchschnittlichen monatlichen Leistungsausgaben (GKV-Leis-tungen für häusliche Krankenpflege plus SPV-Leis(GKV-Leis-tungen) ohne Inanspruchnahme von Tages- oder Nachtpflege um 13 Euro niedriger, mit Inanspruchnahme aber um 581 Euro höher als bei stationärer Versorgung. Von den BARMER-Versicherten in betreutem Woh-nen hatten 22,4 Prozent auch Tages- oder Nachtpflege in Anspruch genommen. Legt man diesen Anteil zugrunde, ergeben sich im Jahr 2018 bei geschätzten 150.000 Pflege-bedürftigen in betreutem Wohnen Mehrausgaben von 215 Millionen Euro gegenüber der vollstationären Versorgung. Dieser Wert wird in Zukunft durch die demografisch bedingte Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen und die Verschiebungen in den Nachfrageent-scheidungen zunehmen. Wie in Kapitel 3.3.5 gezeigt, ist der Anteil der Pflege bedürftigen in betreutem Wohnen in den niedrigen Pflegegraden größer als in den höheren (Abbil-dung 3.4). Wird zur Abschätzung der Ausgabenpotenziale unterstellt, dass die Pflegebe-dürftigen mit Pflegegrad 2 (162.777, Stand 31. Dezember 2017, Statistisches Bundesamt, 2018c, S. 34) in Zukunft in das betreute Wohnen wechseln und dort die Tages- und Nachtpflege in Anspruch nehmen, entstünden für die Pflege- und Krankenversicherung monatliche Mehrkosten je Pflegebedürftigen in Höhe von 287 Euro. In der Summe wären dies bei 162.777 Pflegebedürftigen im Jahr 561 Millionen Euro.

Die bisherigen Ergebnisse machen deutlich, dass die Ambulantisierungsprozesse erheb-liche Mehrausgaben der (Kranken- und) Pflegeversicherung nach sich ziehen. Allein für die geschätzten 20.400 Bewohner von Pflege-WGs ergeben sich im Vergleich zur Versor-Tages- und Nachtpflege

macht betreutes Woh-nen besonders teuer.

gung im Pflegeheim schon Mehrausgaben von 184 Millionen Euro im Jahr 2018. Hinzu kommen Mehrausgaben für Pflegebedürftige in betreutem Wohnen von rund 215 Millio-nen Euro. Dies sind in der Summe Mehrausgaben von 400 MillioMillio-nen Euro gegenüber einer Versorgung im Pflegeheim, die in Zukunft noch steigen werden. Allein die Zahl der Pflege- WGs mit Inanspruchnahme von Wohngruppenzuschuss hat nach Auswertungen der BARMER-Daten in den Jahren 2015 bis 2018 von 15.400 auf 20.400 zugenommen. Die Steigerungsrate belief sich dabei im letzten Jahr auf 6,7 Prozent. Wird unterstellt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen, die in Pflege-WGs oder in betreutem Wohnen leben, um lediglich fünf Prozent pro Jahr steigt, liegen die Mehrausgaben für die Kranken- und Pfle-geversicherung 2030 schon bei 718 Millionen Euro, ohne dass dabei schon mögliche weitere Leistungsausweitungen mit eingeflossen wären.