• Keine Ergebnisse gefunden

2 Pflege im Spiegel der Statistik

2.1 Pflegebedürftige

2.1.2 Begutachtungen

Die jeweils aktuelle Zahl der Pflegebedürftigen ergibt sich aus dem alten Bestand (Bestandsgröße), den Zugängen (inzidente Fälle) und den Abgängen (Reversibilität der Pflegebedürftigkeit beziehungsweise Tod). Die Pflegestatistik, das BMG und die PPV informieren zwar über den Bestand, nicht aber darüber, wie viele Pflegebedürftige neu hinzukommen und wie viele Personen aus dem Kreis der Pflegebedürftigen ausscheiden.

Fast vollständige Zahlen zum Zugang bieten die Begutachtungsstatistiken des Medizi-nischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) für die SPV-Versicherten. Der Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung wird bei der zuständigen Pflegekasse gestellt (§ 18 SGB XI). Im Rahmen der SPV wird der MDK mit einer Begutachtung beauftragt, ob Pflegebedürftigkeit im Sinne der Paragrafen 14 und 15 des SGB XI vorliegt. Wenn der Antragsteller noch keine Pflegeversicherungsleistungen nach dem SGB XI bezieht, han-delt es sich um eine Erstbegutachtung. Der MDK spricht eine Empfehlung aus und die Pflegekasse folgt dabei in aller Regel der Begutachtung und den Empfehlungen des MDK.

Es kann also von einer weitgehenden Übereinstimmung der MDK-Empfehlungen und der Bescheide der zuständigen Pflegekasse ausgegangen werden. Die positiven Erstbegut-achtungen können so als Inzidenzen interpretiert werden. Ein gleiches Verfahren wird bei Privatpflegepflichtversicherten angewendet. Hierbei wird die Rolle des MDK von der MEDICPROOF GmbH übernommen.

Neben den Erstbegutachtungen werden auch Widerspruchs- und Höherstufungs- oder Wiederholungsbegutachtungen durchgeführt. Höherstufungs- oder Wiederholungsbe-gutachtungen werden auf Initiative der Versicherten oder der Pflegekassen beziehungs-weise des Versicherungsunternehmens durchgeführt, wenn etwa der Versicherte eine Zunahme des Hilfebedarfs vermutet. Widerspruchsgutachten erfolgen, wenn der Versi-cherte Einspruch gegen den Leistungsbescheid seines Leistungsträgers erhebt.

Aus der Gesamtheit der Begutachtungen des MDK lassen sich also für SPV-Versicherte die Zugänge und Wechsel zwischen den einzelnen Pflegestufen beziehungsweise Pflege-graden ableiten.

Insgesamt hat sich die Zahl der Begutachtungen des MDK von anfänglich 1,7 Millionen Gutachten im Jahr 1995 nach Ausklingen des Einführungseffekts bis 1999 auf weniger als 1,3 Millionen verringert und blieb bis zum Jahr 2007 relativ konstant mit geringen demografisch bedingten Steigerungsraten (Tabelle 2.4).

Tabelle 2.4: Zahl der Begutachtungen des MDK und der Knappschaft nach Gutachtenart in Tausend

Jahr gesamt Erstgutachten Höherstufungs-/Rückstufungs-/

Wiederholungsbegutachtungen Widerspruchs-gutachten

1995 1.706 * * *

1996 1.661 1.390 181 90

1997 1.370 905 372 93

1998 1.339 751 496 94

1999 1.248 690 482 76

2000 1.272 679 512 80

2001 1.268 671 519 78

2002 1.281 666 544 71

2003 1.301 671 552 78

2004 1.262 651 530 80

2005 1.307 674 543 89

2006 1.306 686 531 88

2007 1.326 698 538 91

2008 1.527 * * *

2009 1.518 829 584 106

2010 1.456 792 567 97

2011 1.466 769 598 99

2012 1.589 833 643 113

2013 1.646 876 661 110

2014 1.629 847 675 107

2015 1.723 933 685 105

2016 1.780 966 691 123

2017 2.004 1.239 636 129

2018 2.116 1.146 837 134

* Werte nicht verfügbar

Quelle: MDS (2019); Rothgang & Müller (2018, S. 63)

Im Zuge der Pflegereformgesetze wurden die Leistungssummen ausgeweitet und die Zugangsbarrieren zur Leistungsberechtigung gesenkt (siehe Kapitel 1.1). Entsprechend sind insbesondere in den Jahren 2008 (PfWG), 2012 (PNG), 2015 (PSG I) und 2017 (PSG II) die Begutachtungszahlen jeweils besonders gestiegen. Mit der Umstellung auf die Pfle-gegrade nahm die Zahl der Begutachtungen sogar um mehr als zwölf Prozent zu. Nach der Einführungsphase in den 1990er-Jahren, in welcher der Großteil der Begutachtungen naturgemäß Erstbegutachtungen waren, pendelten sich die einzelnen Begutachtungsar-ten auf relativ konstante Anteilswerte ein. So lag der Anteil der Erstbegutachtungen an allen Begutachtungen von 1999 bis 2018 mit Ausnahme des Jahres 2017 immer zwi-schen 52 und 55 Prozent und der Anteil der Höherstufungs-, Rückstufungs-, und Wieder-holungsbegutachtungen bei 38 bis 42 Prozent. Aufgrund der Überleitungsvorschriften konnten 2017 teilweise keine Höherstufungsanträge gestellt werden. Dies und die Stei-gerung der Erstgutachten um mehr als eine Viertelmillion haben dazu geführt, dass in diesem Jahr der Anteil der Erstgutachten bei 62 Prozent und der der Höherstufungs-, Rückstufungs- und Wiederholungsgutachten bei 32 Prozent lag. 2018 zeigen sich dann wieder „normale“ Werte.

Im Zeitverlauf geändert haben sich auch die in der Begutachtung festgestellten Schwere-grade der Pflegebedürftigkeit. Diese haben sich in Richtung niedrigere Pflegestufen ver-schoben. Wurden 1998 noch 6,6 Prozent der Begutachteten in Pflegestufe III und 22,1 Prozent in Pflegestufe II eingruppiert, lagen die Anteile im Jahr 2011 nur noch bei 3,8 Prozent und 15,5 Prozent (Rothgang et al., 2017, S. 81). Werden die Pflegestufenver-teilungen entsprechend der Überleitungsvorschrift in eine Pflegegradverteilung umge-rechnet, zeigt sich von 2011 bis 2018 eine relative Konstanz der Fallzahlen bei den Pflegegraden 3 bis 5 bei einer Zunahme in den Pflegegraden 2 und 1 (Abbildung 2.6).

Erstbegutachtungen:

Konstanz bei Pflegegra-den 3 bis 5, Wachstum bei Pflegegraden 1 und 2

Abbildung 2.6: Ergebnisse von Erstbegutachtungen von Pflegebedürftigkeit

Pflegegrad 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

1 241.738 252.455

2 281.216 315.023 354.615 343.099 378.540 391.791 421.959 406.375 3 164.493 176.181 170.484 166.639 176.565 167.204 181.101 177.994

4 54.451 53.851 50.484 52.162 56.524 53.436 58.815 55.848

5 11.164 8.689 9.271 10.934 11.885 11.114 19.218 21.114

nicht pflegebedürftig 190.774 207.969 228.013 213.354 246.071 280.250 244.817 170.575 Anmerkung: Pflegegrade für die Jahre bis 2016 aus Pflegestufe und PEA-Status übergeleitet Quelle: MDS (2018, 2019); eigene Berechnungen

Der Anteil abgelehnter Anträge bei den Erstbegutachtungen beläuft sich von 2011 bis 2016 auf 27 bis 31 Prozent. Im Jahr 2017 wurden 21,0 Prozent und im Jahr 2018 wurden 15,7 Prozent der Anträge abgelehnt. Trotz einer Steigerung der Antragstellerzahlen sinkt der Anteil der negativen Bescheide im Zeitverlauf.

Tabelle 2.5: Begutachtungen durch MEDICPROOF in den Jahren 2015 bis 2018

2015 2016 2017 2018

Auftragseingänge zur

Begutachtung 154.771 179.860 189.093 206.756

Anzahl der Gutachten 169.636 160.775 172.431 nicht aus-gewiesen davon Anteile in Prozent

Erstgutachten (inkl.

wieder-holten Erstgutachtens) 46 47 51 46

Veränderungsgutachten 24 26 26 31

Wiederholungsgutachten 12 8 4 5

Pflegehilfsmittelgutachten 5 6 7 6

Zweitgutachten 4 4 4 4

Sonstiges (unter anderem

Einstufung nach Aktenlage) 9 9 8 8

Pflegestufe und Pflegegrad aller Einstufungsgutachten in Prozent

ohne Anspruch 1 1 Pflegegrad 0 6 6

PS 0: Alltagskompetenz

erheblich eingeschränkt 4 4 Pflegegrad 1 12 12

PS 0: Alltagskompetenz

erhöht eingeschränkt 12 13 Pflegegrad 2 29 29

Pflegestufe I 40 40 Pflegegrad 3 29 28

Pflegestufe II 32 31 Pflegegrad 4 17 18

Pflegestufe III 12 11 Pflegegrad 5 7 7

Pflegestufe und Pflegegrad aller Erstgutachten in Prozent

ohne Anspruch 1 1 Pflegegrad 0 9 9

PS 0: Alltagskompetenz

erheblich eingeschränkt 6 6 Pflegegrad 1 17 18

PS 0: Alltagskompetenz

erhöht eingeschränkt 20 21 Pflegegrad 2 37 37

Pflegestufe I 48 48 Pflegegrad 3 26 24

Pflegestufe II 20 19 Pflegegrad 4 9 9

Pflegestufe III 4 4 Pflegegrad 5 3 3

Anzahl Gutachter 1.168 1.112 1.082 1.113

Quelle: MEDICPROOF (2016, 2017, 2018, 2019)

Die Begutachtungsstatistik der MEDICPROOF GmbH ist etwas anders strukturiert, zeigt aber ebenfalls einen hohen Anteil an Erstbegutachtungen sowie einen höheren Anteil mit geringeren Pflegestufen beziehungsweise niedrigeren Pflegegraden (Tabelle 2.5). Der Anteil der als nicht leistungsberechtigt eingestuften Personen liegt bei den PPV-Begut-achtungen mit sechs Prozent aller Einstufungsgutachten und neun Prozent aller Erst-gutachten deutlich niedriger als bei den Begutachtungen der SPV-Versicherten, bei denen die Anteile in den Jahren 2017 und 2018 bei 21,0 Prozent und 15,7 Prozent liegen. Wenn PPV-Versicherte erstmals positiv begutachtet wurden, dann resultierte daraus häufiger ein höherer Schweregrad als bei SPV-Versicherten. Ob diese Unterschiede Ergebnisse eines unterschiedlichen Inanspruchnahmeverhaltens oder einer unterschiedlichen Begutachtungspraxis sind, lässt sich anhand der Zahlen nicht überprüfen.