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3.1 Escherichia coli- Infektionen beim Schwein

3.1.1 Enterotoxämische Escherichia coli beim Schwein

Das Absetzen ist eine totale, plötzliche und gleichzeitige Umstellung aller exogenen Einflussfaktoren (BOLDUAN u. JUNG 1979). Die wichtigsten Faktorenkrankheiten der Ferkel während der ersten Wochen nach dem Absetzen entstehen unter der Beteiligung von E.

coli-Keimen. Diese Erkrankungen werden unter dem Sammelbegriff „Postweaning Coli Complex“ in vier Subkatergorien unterteilt: „Postweaning Diarrhoea“, „Edema disease“,

„Postweaning Wasting“ und „Hämorrhagische Gastroenteritis“ (BÖLCSKEI et al. 1996). Bei der Ödemkrankheit bzw. Colienterotoxämie handelt es sich um eine ökonomisch bedeutsame Erkrankung, die je nach Herde eine Morbidität von 10-35% aufweist (MOXLEY 2000). Die Ödemkrankheit tritt vorzugsweise einige Tage bis zwei Wochen nach dem Absetzen oder bei der Einstellung zur Mast auf, wird aber gelegentlich auch bei Saugferkeln oder Mastschweinen beobachtet (PLONAIT et al. 2001).

Obligates und spezifisches Merkmal von enterotoxämischer E. coli (EDEC) ist die Bildung von Shigatoxin (auch Shiga-like-Toxin oder Verotoxin genannt) vom Typ 2e (Stx2e) und das Auftreten von F18ab- Fimbrien (BARTH et al. 2002). Die nach SARRAZIN et al. (2000) am häufigsten bei Schweinen anzutreffenden Serogruppen mit dem Gen für das Shigatoxin Stx2e sind O139:K12 mit den Fimbrien F18ab, seltener sind O141ab:K85 und O141ac:K85 mit den Fimbrien F18ac. Nach Untersuchungen von OSEK (1999) tragen E. coli-Stämme, die vom Schwein stammen, die Shigatoxingenvariante stx2e und nicht die Gene stx1 und stx2.

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3.1.1.1 Ätiologie u. Pathogenese

Die Pathogenese beinhaltet die Ansiedlung von EDEC (VTEC), die Produktion von Shigatoxin/Verotoxin im Darm, die Absorption des Toxins aus dem Darm und die Bindung am vaskulären Endothel in den Zielorganen (GYLES u. THOEN 1993). Die Produktion wirksamer Toxinkonzentrationen setzt hohe Bakterienzahlen voraus (SARRAZIN et al.

2000). Das 68000 Dalton große Protein (Verotoxin) verursacht degenerative Angiopathien, was zu Ödemen, Hämorrhagien und Thrombosen führt (MACLEOD u. GYLES 1991, GYLES u. THOEN 1993). Mit Sterilfiltraten dieses Toxins lassen sich im Experiment typische Symptome der Ödemkrankheit hervorrufen (SCHIMMELPFENNIG 1970, GORDON et al. 1992). Shigatoxine sind durchweg Toxine, deren Proteine aus A-B-Untereinheiten mit einer Anordnung von fünf B- A-B-Untereinheiten und einer A-Untereinheit, bestehend aus A1-und A2-Fragment, aufgebaut sind. Die Bindung des Toxins erfolgt an Globotetraosylceramide in Zellmembranen und die toxische Wirkung besteht in einer N-glykosidaseaktivität an der 28s ribosomalen RNA. Dieses verhindert die Bindung von Amino-acyl-tRNA an den Ribosomen und hemmt somit die Proteinbiosynthese (GYLES u. THOEN 1993). Die Subkultivierung von E. coli-Stämmen kann zu einem Verlust der Shigatoxin-Gene führen (KARCH et al. 1992). Alpha- Hämolysin wird von verschiedenen porcinen E. coli Serogruppen, die Ödemkrankheit auslösen, gebildet. Die Gene sind bei diesen Stämmen auf Plasmiden lokalisiert. Es wird angenommen, dass die Rolle des Alpha- Hämolysins bei extraintestinalen Infektionen in einer Erhöhung der verfügbaren Eisenkonzentration im Wirt besteht. Alternativ wird auch überlegt, dass die Toxizität für eine Vielzahl von Zelltypen den Krankheitsverlauf begünstigt. (GYLES u. THOEN 1993).

Der Grund, weshalb die klinische Erkrankung erst nach dem Absetzen auftritt kann durch die Kombination der verschiedenen Faktoren erklärt werden. Zum Einen können der Wegfall der maternalen Immunität nach dem Absetzen, zum Anderen eine fehlende Expression von F18ab Fimbrien-Rezeptoren im Darmepithel jüngerer Schweine ursächlich sein (NAGY et al. 1992, MOXLEY 2000).

Bei mehr als zwei Wochen alten Schweinen werden in der Darmflora hauptsächlich E. coli-Bakterien mit Fimbrien der Typen F4 (K88) und F18 gefunden. Bei F18 (früher F107) kennt man die antigenetischen Varianten F18ab und F18ac. Für die Identifikation sind spezielle Methoden erforderlich, da F18 unter üblichen Kulturbedingungen nicht oder nur schwach ausgebildet werden (SARRAZIN et al. 2000). Die F18ac-Fimbrien scheinen nach DEAN-NYSTROM et al. (1997) mit „Postweaning diarrhea“ assoziiert zu sein.

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Enterotoxämieauslösende E. coli werden auf intakten Mikrovilli angetroffen, die Adhäsion wird durch F18ab (F107) Fimbrien vermittelt (BERTSCHINGER et al. 1990). F18ab-Fimbrien adherieren an der Oberfläche des Bürstensaums von Enterozyten des Dünndarms (MOXLEY 2000). Nur die Bindung zwischen Fimbrien und Rezeptor ermöglicht eine Kolonisation des Darmes (VÖGELI et al. 1997).

Einige mit Ödemkrankheit assozierte E. coli-Stämme produzieren zusätzlich zu Stx2e Enterotoxine. Stämme die hitze-labiles Enterotoxin (LT) produzieren verursachen stärkere Diarrhoe und Dehydration als Stämme mit hitzestabilem Enterotoxin. Letztlich kann der Tod der Tiere auch Folge dieser Effekte und nicht des Stx2e sein (BERSTCHINGER u. GYLES 1994).

3.1.1.2 Klinische Symptome

Die Tiere erkranken meist einige Tage bis zwei Wochen nach dem Absetzen. Betroffen sind vor allem die gut entwickelten Ferkel einer Gruppe. Die Symptome sind Ataxie, schwankender Gang, Paresen, Schreckhaftigkeit, Aphonie, Lidödeme, Ruderbewegungen in Seitenlage, Schnappatmung oder es tritt perakutes Verenden auf. Gleichzeitig zu den genannten Symptomen kann Diarrhoe vorliegen oder einige Tage zuvor beobachtet worden sein ( PLONAIT et al., 2001).

3.1.1.3 Pathologisch-anatomische Veränderungen

Bei der Sektion fallen Unterhautödeme besonders über dem Nasenrücken und auf den Augenlidern auf, die jedoch auch fehlen können. Die Körperhöhlen enthalten mäßige Mengen einer goldgelben Flüssigkeit, in der geringe Mengen an Fibrinfäden zu finden sind. Die Parenchyme sind hyperämisch infolge einer akuten Stauung. Der Magen enthält viel meist trockenen Inhalt. In zahlreichen Fällen ist ein bis zu 2 cm dickes Magenwandödem ausgebildet. Das Darmgekröse ist ödematös, besonders sind die Colonschlingen durch ein Mesenterialödem auseinandergedrängt. Die Dünndarmwand ist ödematös, hyperämisch und enthält verflüssigten Darminhalt, der Dickdarminhalt kann unverändert sein. Ein Gallenblasenbett- und wandödem an der gestauten Leber stellt ein deutliches Erkennungsmerkmal dar. Ein graduell variierendes Lungenödem mit den Anzeichen einer

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Stauungslunge ist ein regelmäßiger Befund, zu dem sich gelegentlich Petechien an der Pleura und auf dem Epikard gesellen können. In einigen Fällen wird sowohl aus Feldmaterial als auch bei experimentellen Untersuchungen (BERTSCHINGER u. POHLENZ 1983) festgestellt, dass die Dünn- und Dickdarmschlingen hyperämisch sind, die Schleimhaut blutig durchtränkt ist und im Darminhalt Blutbeimengungen zu finden sind. In diesen Fällen entspricht das Krankheitsbild einem Schockgeschehen (POHLENZ 1997).

Oft sind die geschilderten Veränderungen unterschiedlich stark ausgebildet oder in einzelnen Lokalisationen nicht vorhanden. Sie können bei einzelnen Tieren auch ganz fehlen (NIELSEN 1986, WEISS 1988).

3.1.1.4 Histologische Veränderungen

Histopathologisch bestehen Atrophie und Ödeme der Zotten im Jejunum und Ileum.

Außerdem findet sich eine disseminierte Nekrose von Lymphozyten in den Peyerschen Platten des Dünndarms und Sekundärfollikeln der mesenterialen Lymphknoten (APPEL et al.

1990). Die Veränderungen präsentieren sich in Form von Endothelschwellungen, Nekrosen der glatten Muskelzellen in der Tunica media, fibrinoider Degeneration der Gefäßwand und in älteren Fällen als Proliferation von Zellen in der Media und Adventitia (NIELSEN 1986).

BÜRGI et al. (1992) konnten diese Veränderungen vor allem an kleinen Arterien und Arteriolen in Medulla oblongata, Pons und Mittelhirn feststellen. In diesen Fällen zeigen sich Plasmadiapedesen mit PAS-positiven Tropfen im perivaskulären Raum.

3.1.1.5 Therapie

Eine Behandlung klinisch kranker Tiere kann durch wiederholte parenterale Chemotherapie und Antihistaminika versucht werden. Der Erfolg ist bezüglich des Überlebens als auch der wirtschaftlichen Nutzung unsicher. Zusätzlicher Einsatz von Glukocorticoiden und peripher angreifenden Kreislaufmitteln bringt keine wesentliche Verbesserung (PLONAIT et al. 2001).

Futterentzug/anschl. rationierte Fütterung:

Rohfaserreiches Futter (über 6%), an das die Ferkel vor dem Absetzen bereits allmählich gewöhnt wurden, verringert das Risiko der Ödemkrankheit (PLONAIT et al. 2001). Ein hoher

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Rohfasergehalt hat positiven Einfluss auf die Darmpassage der Ingesta. Die Darmflora des Dickdarmes zeigt eine Erhöhung der Kohlenhydrat-abbauenden Bakterien zu Lasten der proteolytischen Keime.

Im Dickdarm werden die in den Ballaststoffen enthaltenen Kohlenhydrate zu niederen Fettsäuren abgebaut, welche ihrerseits im Dickdarm Wasser zurückhalten und die muzinbildenden Zellen des Dickdarms zu vermehrter Sekretion anregen (GLAWISCHING 1990). Die Beeinträchtigung der täglichen Zunahmen machen diese Fütterung bei spezialisierten Ferkelerzeugerbetrieben ebenso unbeliebt, wie die rationierte Fütterung der Absetzferkel (PLONAIT et al. 2001). Die Verabreichung einer nährstoffarmen Diät für 12 Tage bei Absetzferkeln, die oral virulente E. coli der Serogruppe O139:K82 erhielten, führte unter Feldbedingungen zu einer Reduzierung der Mortalität durch die Ödemkrankheit. Durch einen Minderzuwachs von 1-3kg je Tier, hat sich dieses Verfahren allerdings als nachteilig für die Gewichtsentwicklung gezeigt (BERTSCHINGER et al. 1981).

Antibiotika:

Bei einem massiven Infektionsdruck mit folgendem hochwirksamen peroralen Antibiotikaeinsatz können die in Massen zu Grunde gehenden Escherichia coli- Keime in größeren Mengen Endotoxine freisetzen und die Ferkel sterben in kürzester Zeit an allgemeiner Kreislaufinsuffizienz durch Endotoxine. Damit sind einer massiven und andauernden Antibiotikagabe deutliche Grenzen gesetzt (GLAWISCHNIG 1990).

3.1.1.6 Prophylaxe

Im Hinblick auf die weitere Zunahme der Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe wird in Zukunft neuen Prophylaxeverfahren, wie der Züchtung genetisch resistenter Schweine (VÖGELI et al. 1997) sowie der aktiven (BERTSCHINGER et al. 2000) oder passiven (ZUNIGA et al. 1997) Immunisierung gegen die Infektion mit enterotoxämischen E. coli vermehrte Bedeutung zukommen.

Versuche von BILKEI u. BÖLCSKEI (1995) zeigen, dass durch prophylaktische Behandlung mit dem Neuroleptikum Acepromazin eine signifikante Reduzierung der Todesfälle erreicht werden kann.

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Immunprophylaxe:

Immunität spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese, denn adäquate Konzentrationen an Antikörpern gegen F18 oder Stx2e im Blut können vor einer Erkrankung mit Ödemkrankheit schützen (MOXLEY 2000). Schweine die eine Infektion durchlaufen haben entwickeln einen effektiven Schutz gegenüber einer erneuten Ansiedlung der Bakterien im Darm (SARRAZIN u. BERTSCHINGER 1997). Versuche von AWAD-MASALMEH et al. (1989) eine Immunität zu erreichen und von SWENNEY et al. (1960) mit Stx2e aktiv zu immunisieren führten nicht zum Erfolg. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Stx2e-Toxoid, gewonnen von chemisch inaktiviertem Toxin, zur Generierung von neutralisierenden Antikörper im Serum führt, die bei experimenteller Infektion und natürlicher Erkrankung schützen (JOHANSEN et al. 1997, MACLEOD u. GYLES 1991). Ein von AWAD-MASALMEH et al. (1989) eingesetzter, mit Glutaraldehyd behandelter und subkutan applizierter Toxoid-Impfstoff führte bei behandelten Tieren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zu geringeren klinischen Erscheinungen der Ödemkrankheit und einer kürzeren Ausscheidungsdauer der Keime. Ein vollständiger Schutz gegen die Ödemkrankheit konnte nicht erreicht werden (SELBITZ u. MOOS 1997). Eine kommerzielle hergestellte Toxoid-Vakkzine ist zur Zeit nicht im Handel verfügbar.

Bestrebungen von anderen Autoren gehen dahin, einen Impfstoff auf der Basis einer rekombinanten B- Untereinheit von Stx2e zu entwickeln (FRANKE et al. 1999). Weiterhin wurde die Möglichkeiten der passiven Immunisierung anhand eines immunglobulinhaltigen Eipulvers gegen F18ab-Fimbrien untersucht. In vitro konnte eine Hemmung der Anheftung enterotoxämieauslösender F18ab-tragender E. coli an der Darmschleimhaut verzeichnet werden. Bei Infektionsversuchen mit Absetzferkeln konnte durch orale Verabreichung der F18ab-Antikörper die Exkretion von F18 positiven E. coli und die Mortalität der Tiere herabgesetzt werden. Weiterhin konnte eine Kreuzwirkung gegenüber einer Infektion mit F18ac tragenden E. coli beobachtet werden (IMBERECHTS et al. 1997). Die Ansiedlung F18-positiver Escherichia coli im Darm induziert Immunität gegenüber diesen Fimbrien, was vor einer Kolonisation bei der Infektion mit enteroxämischen E. coli schützt (SARRAZIN u.

BERTSCHINGER 1997).

BERTSCHINGER et al. (2000) versuchten durch orale Applikation einer lebenden F18ac-Vakkzine an Saugferkel eine protektive Wirkung gegenüber den heterologen Fimbrien F18ab zu erreichen, was nicht gelang. Bei der Infektion mit einer homologen F18ac-Fimbrienvariante zeigten die geimpften Ferkel jedoch deutlich niedrigere Keimzahlen des

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reisolierten Infektionsstammes im Kot sowie einen höheren Ig-A-Serumspiegel als ungeimpfte Kontrollferkel. Eine schützende Wirkung gegenüber einem enterotoxämischen E.

coli-Stamm mit homologen Fimbrien nach dem Absetzen wurde erreicht.

Züchterische Maßnahmen:

Die Besiedlung mit dem Erreger beruht auf einer spezifischen Bindung zwischen adhäsiven Fimbrien der Bakterien und Rezeptoren auf den Darmzellen. Der Nachweis dieser Rezeptoren ermöglicht die Unterscheidung zwischen phänotypisch empfänglichen und resistenten Tieren.

Direkte Sequenzierung des α-(1,2)-Fucosyltransferasegens (FTU1) von je einem, auf Besiedlung mit Fimbrien -18-(F18)-E. coli-empfänglichen und resistenten Schweines, zeigte eine Mutation bei Basenpaar 307 (M307). Die in Schweizer Landrasse- und Edelschweinfamilien untersuchte Mutation war eng mit dem Locus gekoppelt, der die Resistenz und Empfänglichkeit auf E.- coli-F18-Adhäsion (ECF18R) kontrolliert (VÖGELI et al. 1997, BERTSCHINGER u. VÖGELI 1998). Glycoproteinrezeptoren in der Bürstensaummembran sind für die Unterschiede zwischen adhäsiven und nicht adhäsiven Phänotypen verantwortlich (ERICKSON et al. 1992). Es ist zu erwarten, dass eine selektive Züchtung von genetisch gegenüber Ödemkrankheit resistenten Schweinen möglich ist.