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2.3 E IGENSCHAFTEN VON C AMPYLOBACTER SPP

2.3.6. T ENAZITÄT VON C AMPYLOBACTER SPP

Der Begriff Tenazität (lat. tenacitas = Zähigkeit) beschreibt die Überlebensfähigkeit von Mik-roorganismen und Viren gegenüber bestimmten äußeren Einflüssen (VON SPROCKHOFF, 1979).

Durch die Erforschung der physiologischen und biochemischen Grundlagen und der daraus resultierenden Erkenntnisse der molekularen Mechanismen und Adaptationen konnte ge-zeigt werden, dass Campylobacter unter den ungünstigsten Umweltbedingungen überleben können (DOYLE und ROMAN, 1982b; TOMPKINS et al., 1994). FEARNLEY et al. (1994) arbeiteten heraus, dass die Fähigkeit von Campylobacter, in der Umwelt zu überleben, in hohem Maße von Stressbedingungen wie hohen und niedrigen Temperaturen, verminderter Nährstoffverfügbarkeit, der Austrocknung und einer hohen Sauerstoffkonzentration abhängt.

Gerade die Vorgänge während der Geflügelschlachtung sind entscheidend für die Kontami-nation des Tierkörpers mit Campylobacter spp. und damit für das Überleben des Keimes.

Während der Elektrobetäubung wird der Schlachtkörper schon am Anfang der Schlachtkette durch Defäkation massiv kontaminiert (SKIRROW, 1994; SALEHA et al., 1998). Durch den Brüh- und Rupfvorgang werden die Keime bis in die Unterhaut einmassiert. Dort fördern mikroaerobes Milieu und Hämoglobin das Wachstum und die Vermehrung von Campylobac-ter (HÄNNINEN et al., 1984; GRIGORIADIS et al., 1997; BEUTLING, 1998). Das Eindringen von Campylobacter mit Wasser in die Unterhaut, die Muskulatur, die luftführenden Wege bis in die pneumatisierten Knochen, wird durch die Reinigungs- und Kühlvorgänge gefördert und stellt somit eine Hauptkontaminationsquelle dar (FEHLHABER, 1992). Durch unzureichende Kühlung bei großen Geflügelfleischpartien kann es dann zur massenhaften Vermehrung kommen (BRAYN und DOYLE, 1995). Zudem unterscheiden sich Geflügelfleisch und Geflü-gelfleischerzeugnisse von anderen Fleischsorten durch das Nichtentfernen der besonders kontaminierten Haut als Bestandteil des verkaufsfertigen Erzeugnisses während der Herrich-tung (IZAT et al., 1988). UYTTENDAELE et al. konnten 1999 signifikant weniger Campylo-bacter spp. auf hautfreien als auf Stücken mit Haut nachweisen.

2.3.6.1.EINFLUSS DER TEMPERATUR

Wie im Abschnitt 2.2. beschrieben, liegen im Gegensatz zu C. fetus die optimalen Wachs-tumstemperaturen für C. jejuni, C. coli und C. laridis in einem mikroaerophilen Milieu bei

Temperaturen von 37°C bis 42°C (KARMALI und FLEMING, 1979b). DOYLE und ROMAN (1981) beschreiben die minimale Wachstumstemperatur mit 30°C und die maximale Wachs-tumsgrenze im Gegensatz zu anderen Autoren mit 48°C. Oberhalb dieser Temperatur stirbt der Erreger in Magermilchbouillon innerhalb von 7,2 bis 12,8 Minuten ab. Unter 30°C sind die Keime nicht mehr fähig zu wachsen, und somit kommt es zu keiner Multiplikation während der Handhabung oder Lagerung von Lebensmitteln bei Zimmertemperatur (HAZELEGER et al., 1998; JACOBS-REITSMA, 2000). Bei weiter ansteigender Temperatur steigt auch die Absterbegeschwindigkeit. Sie beträgt bei 55°C nur noch 0,74 bis 1,0 Minuten. C. jejuni ver-mehrt sich unter gleich bleibenden mikroaerophilen Bedingungen, bei ausreichendem Nähr-stoffangebot und bei neutralem pH-Wert zwischen 35,5°C und 45,0°C innerhalb von 47 Stunden bis zur stationären Phase. Die Gesamtkeimzahl fällt in der Folgephase allmählich ab. Interessanterweise stirbt der Erreger bei einer Temperatur von 25°C früher als bei 30°C.

Die physiologischen Aktivitäten (Katalaseaktivität, ATP-Produktion, Chemotaxis, Zellatmung) von C. jejuni waren auch bei 4°C nachweisbar, was ein Indiz für die vitale Funktion der Zell-prozesse bei niedrigen Temperaturen ist und einen großen Einfluss auf die Überlebensfähig-keit der Keime in der Umwelt hat (HAZELEGER et al., 1998). Der Erreger ist bei niedrigen Temperaturen noch aktiv; allerdings ist er nicht mehr zum Wachstum befähigt. Der Anstieg kokkoider Zellformen war bei 37°C am stärksten ausgeprägt und am schnellsten feststellbar, während bei 4°C nach 51 Tagen nur 4% der Keime von der normalen kommaförmigen Struk-tur in den kokkoiden Zustand wechselten (HÖLLER et al., 1998). UPMANN et al. (2000) ar-beiteten in einer Übersichtsarbeit die Mikrobiologie von Kälte behandeltem Fleisch heraus.

In der Tabelle 2.2 werden zusammenfassend die maximalen Überlebenszeiten von C. jejuni bei verschiedenen Temperaturen in ausgewählten Lebensmitteln und in Flusswasser be-schrieben.

Tabelle 2.2: Maximale Überlebenszeiten von C. jejuni bei verschiedenen Temperaturen (modifiziert nach WUNDT und KASPER, 1982a)

Medium Temperatur Überlebensdauer

Milch 4°C

15 bis 80 Sekunden

2.3.6.2.EINFLUSS DER WASSERAKTIVITÄT UND NACL-KONZENTRATION

Der optimale Salzgehalt für die Kultivierung und Keimzählung von C. jejuni in Brucella-Bouillon liegt bei 42°C nahe 0,5%, das entspricht einem aw-Wert über 0,997. Salzkonzentra-tionen von 2-4% (aw-Wert über 0,987-0,971) bei 42°C haben auf C. jejuni-Stämme eine bak-terizide Wirkung (HÄNNINEN, 1982). Bis 1,5% NaCl werden bei 42°C noch toleriert (DOYLE und ROMAN, 1982c). Nach ABRAM und POTTER (1984) kann Campylobacter über Wochen in Lebensmitteln bei Kühlschranktemperatur von 4°C und einem Salzgehalt von 6,5% über-leben. Campylobacter spp. sind sehr empfindlich gegen Trockenheit (aw-Wert kleiner als 0,97), was sich in einer kurzen Überlebenszeit in trockener Umgebung und bei

Raumtempe-ratur zeigt. So konnten bei einer Keimausgangskonzentration von 107 KbE bei trockener Umgebung und 25°C Inkubationstemperatur nach 24 Stunden keine vitalen Keime mehr nachgewiesen werden, während bei gleich trockener Umgebung und 4°C die Überlebensrate deutlich höher lag (DOYLE und ROMAN, 1982b). Dagegen fanden HUDSON und ROBERTS (1982) bei Tenazitätsprüfungen an Tierkörpern in Schweinezerlegungsbetrieben abnehmen-de Überlebensraten auf trockenen Oberflächen. Auch sie verwenabnehmen-deten etwa 107 KbE und konnten auf trockenen Tierkörperarealen 2% und auf feuchten Arealen 26% der Keimaus-gangskonzentration reisolieren. Dabei wirkt sich nach OOSTEROM et al. (1983b) eine ver-stärkte Sauerstoffzufuhr durch die Ventilation in den Kühlhäusern limitierend auf die überle-benden Keimzahlen aus. BRACEWELL et al. (1985) berichteten, dass Keime nach Antrock-nung auf Tierkörpern bei 20°C rascher als bei Kühlhaustemperaturen inaktiviert werden. Le-bensfähige Keime können somit bei höheren Temperaturen nur auf feuchten Oberflächen isoliert werden (DOYLE und ROMAN, 1982c; OOSTEROM et al., 1983b).

2.3.6.3.EINFLUSS DES PH-WERTES

Das pH-Optimum für das Wachstum von Campylobacter auf Spezialnährböden liegt bei 6,5-7,5, das pH-Maximum bei 9-9,5 und das pH-Minimum bei 4,9 (DOYLE und ROMAN, 1981).

Weiter berichten sie von einer temperaturabhängigen Absterberate bei pH-Werten von 3,0 bis 4,5 - insbesondere bei höheren Temperaturen. In sauren Lebensmitteln mit niedrigem pH- Wert beträgt die Überlebenszeit nur wenige Stunden (BEUTLING, 1998).

2.3.6.4.DER EINFLUSS DER BEGLEITFLORA AUF DAS WACHSTUM VON C. JEJUNI

Campylobacter spp. wachsen nur auf sehr nährstoffreichen Blutplatten, in Preston-Bouillon und anderen Flüssigmedien sowie auf Selektivnährböden nach Skirrow, Karmali, Preston oder CCDA, denen verschiedene Antibiotika zur Unterdrückung der vorhandenen und kon-kurrierenden Begleitflora zugesetzt sind. Die Anwesenheit von Begleitflora jeglicher Art im Lebensmittel oder Wasser führt zum raschen Absterben von C. jejuni. (GEORGE et al., 1978; SKIRROW, 1980, 1981, 1982; STERN, 1982; BUCK und KELLY, 1981; PATTON et al., 1981; SVEDHELM und KAIJSER, 1981; CHRISTOPHER et al., 1982; MEHLMANN und ROMERO, 1982; KOIDIS und DOYLE, 1984; JUVEN und KANNER, 1986; GUN-MUNRO et al., 1987; STERN et al., 1992). Dagegen beschreiben WUNDT et al. (1985) und SCHÄFER (1992) für C. jejuni eine höhere Überlebensrate in Rohmilch mit hoher Gesamtkeimzahl (GKZ) als bei keimarmer Rohmilch. Die Überlebenszeit mit einer GKZ zwischen 500000 und 750000 KbE/ ml und einer Lagerungstemperatur von 4°C lag bei etwa acht Tagen. In keim-armer Milch betrug sie nur zwei bis vier Tage. Höheren Temperaturen verringern die Nach-weisbarkeit von C. jejuni auf maximal 12 bis 24 Stunden.

2.3.6.5.VERHALTEN VON C. JEJUNI GEGENÜBER ANTIBIOTIKA

Viele Autoren beschreiben das Resistenzverhalten von C. jejuni gegenüber Antibiotika und anderen Chemotherapeutika (KARMALI et al., 1980; FUZI, 1981; SPELHANG et al., 1981;

SVEDHELM et al., 1981a; TAYLOR et al., 1981; ANDERS et al., 1982; KAPLAN et al., 1982;

WEBER et al., 1984; BRADBURY und MUNROE, 1985; SAGARA et al., 1987; TRESCHNAK et al., 1987; JACOB-REITSMA et al., 1994; DAS et al., 1996b). Dabei ist festzustellen, dass es für einige Wirkstoffe, die regelmäßig in Geflügelbeständen eingesetzt werden, höhere Resistenzen gegen C. jejuni gibt. Diese sind auf den häufigen Einsatz von antibakteriellen Pharmaka in der Veterinärmedizin als Einstallhilfen und Leistungsförderer zurückzuführen. In der Humanmedizin wurden die entsprechenden Wirkstoffe nur zu therapeutischen Zwecken benutzt. Die häufigsten Resistenzen bestehen inzwischen gegen Penicilline und gegen

Tri-methoprim/ Sulfamethoxazol (GUERRANT et al., 1978; ALTMEYER et al., 1986). Die fast hundertprozentige Empfindlichkeit gegenüber Chloramphenicol, Kanamycin und Neomycin und eine fast ebenso große Empfindlichkeit gegenüber Gentamicin sind hervorzuheben. Ge-gen Tetrazyklin, Ampicillin und Streptomycin erwiesen sich bis zu 60% der Stämme resistent, und für Penicillin und Trimethoprim/ Sulfamethoxazol wurden Resistenzquoten von 72% bzw.

48% ermittelt. Tetrazyklinresistenzen können über Plasmide weitergegeben werden, verlie-ren sich aber auch wieder (MÜLLER, 1980; TRESCHNAK et al., 1987). HARRASS (1996) fand in ihren Untersuchungen eine 100% Tetracyclinresistenz, die auf die Gabe von Tetra-cyclinen während der Mast, durch den selektiven Druck und einer damit verbundenen plas-midkodierten Resistenz zurückzuführen ist. Eine sehr gute Wirksamkeit gegen C. jejuni ent-falten die Makrolid- und Aminoglykosid-Antibiotika (VALAZQUEZ et al., 1995).

2.3.6.6.ÜBERLEBENSFÄHIGKEIT VON C. JEJUNI IN TRINK- UND OBERFLÄCHENWASSER

Viele Campylobacteriosen werden durch mit C. jejuni und C. coli kontaminiertes, unzurei-chend gechlortes Trinkwasser und durch kontaminiertes Oberflächenwasser verursacht. Die Besiedelung der Gewässer mit Enten, Schwänen und anderen Wasservögeln konnte mit der Kontamination des Oberflächenwassers mit C. jejuni in Zusammenhang gebracht werden (REISINGER et al., 1984). Auch über das Abwasser von Schlachthallen kann C. jejuni in starkem Maße verbreitet werden und Oberflächenwasser kontaminieren (TEUFEL, 1983).

Bei niedrigen Temperaturen, wie sie im Versorgungsnetz einer Trinkwasseranlage herr-schen, können Campylobacter eine gewisse Zeit überleben, besonders wenn das Trinkwas-ser nicht oder nur unzureichend gechlort wird (BOLTON et al., 1982; PICKERT und BOT-ZENHART, 1985). Dass die Temperatur einen wesentlichen Einfluss auf die Überlebenszeit des Erregers hat, konnte im Flusswasser gezeigt werden. In den Wintermonaten wurden bei 5°C Wassertemperatur größere Erregermengen nachgewiesen. Stieg die Temperatur jedoch wieder an, fand man nur noch sporadisch C. jejuni. KORHONEN und MARTIKAINEN (1991) wiesen nach, dass sowohl C. jejuni als auch C. coli deutlich besser in gefiltertem und saube-rem als in unbehandeltem Oberflächenwasser überleben können. Ebenfalls fanden sie in ihrer Studie eine starke Zunahme von positiven Nachweisraten in Oberflächenwasserproben in den Monaten April und Mai sowie im Herbst. Aus Meerwasser konnte C. jejuni ebenfalls isoliert werden, allerdings weitaus seltener als aus Süßwasser. KNILL wies 1978 in Southampton in 74% aller Flusswasserproben und in 20,5% aller Seewasserproben Campy-lobacter menschlichen Ursprungs nach.