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2.2.5.1 Die Patch-Clamp-Technik

Die Patch-Clamp-Technik wurde 1976 von Bert Sakmann und Erwin Neher entwickelt, denen es erstmals gelang, einen sehr kleinen Bereich der Zellmembran elektrisch zu isolieren. Mit einer sehr dünn ausgezogenen Glaskapillare erzeugten sie einen sogenannten Giga-Seal, der die kleinen Einzelkanalströme aus dem Hintergrundrauschen herauslösen konnte.

Das Prinzip dieser Technik ist es, die Spitze der Glaskapillare in unmittelbare Nähe der Zellmembran zu bringen. Dies geschieht unter Mikroskopkontrolle mit Hilfe eines Mikromanipulators, der sehr feine Bewegungen der Kapillare ermöglicht. Die korrekte Position wird durch ein geringgradiges Ansteigen des Kapillarenwiderstandes ersichtlich. Die Zellmembran wird nun an die Kapillarenöffnung durch vorsichtiges Anlegen eines Unterdruckes angesaugt, und es bildet sich die sogenannte cell-attached-Konfiguration aus.

Die hitzepolierten Ränder der Kapillare sorgen für eine elektrische Abdichtung des eingeschlossenen Membranfleckes, den Seal. Idealerweise werden so Abdichtungs-widerstände im Giga-Ohm-Bereich erzielt.

Die Glaskapillare ist mit einer Elektrolytlösung gefüllt, die in der Zusammensetzung dem Intrazellularmilieu entspricht. Außerdem befindet sich in ihrem Innern eine Elektrode, über die zusammen mit einer zweiten in der Badlösung eine Spannung an die Zelle angelegt werden kann. Gleichzeitig kann der Stromfluss durch die Zellmembran gemessen werden (Hamill et al., 1981). Durch erneutes Saugen an der Kapillare und Anlegen einer Spannung von ca. –10 mV wird das Membranstück, das von der Öffnung der Kapillare umschlossen wurde, herausgerissen. Wenn der hohe Abdichtungswiderstand an den Rändern der Kapillarenöffnung, also der Seal, bestehen bleibt, kann der Strom gemessen werden, der durch die gesamte verbleibende Membranfläche der Zelle fließt. Diese Anordnung wird Ganz-Zell-Konfiguration (whole-cell-Konfiguration) genannt (Abbildung 4). Für die Messungen wird ein negatives Haltepotential eingestellt, welches etwa dem Ruhemembranpotential der Zelle entspricht. Alle elektrophysiologischen Untersuchungen werden in der whole-cell-Konfiguration durchgeführt.

„cell-attached-Konfiguration“ “whole-cell-Konfiguration”

Abb. 4

Schematische Darstellung der Herstellung der whole-cell-Konfiguration (Modifiziert nach Hamill et al., 1981).

2.2.5.2 Der Patch-Clamp-Messstand

Der Messstand verfügt über einen mit Hilfe von Luftkissen schwingungsgedämpften Tisch, auf dem die gesamte Versuchsapparatur aufgebaut ist. Elektrische Störungen werden durch einen Faraday`schen Käfig abgeschirmt. Unter einem aufrechten Mikroskop mit einem 40-fach verstärkenden Wasserimmersionsobjektiv befindet sich eine Kammer, die mit Badlösung gefüllt wird und in der ein Glasplättchen mit transfizierten Zellen platziert wird. Dieser Kammer wird über einen Zufluss kontinuierlich Badlösung zugeführt und durch einen gegenüberliegenden Abfluss wieder entfernt. So ist ein ständiger Austausch der Badlösung gewährleistet. Um die Glaskapillare unter Mikroskopkontrolle präzise auf die Zellmembran aufzusetzen, wird ein Mikromanipulator verwendet. Eine Haltevorrichtung ermöglicht die Übertragung eines Unterdruckes auf das Innere der Glaskapillare, um eine Patchbildung zu ermöglichen. Die über die Elektrode in der Glaskapillare gemessenen Ströme werden bei 2 kHz gefiltert und von einem Patch-Clamp-Messverstärker aufgenommen.

Bei dem verwendeten System zur schnellen Applikation der Testsubstanz (Abbildung 5) wird der Agonist der Zelle mittels eines Flüssigkeitsfilamentes zugeführt. Die Applikations-kapillare mit einem Innen-Durchmesser von 0,15 mm ist parallel zum Fluss der Badlösung angebracht. Ihre Öffnung weist dabei in Richtung des Abflusses. Die Applikationskapillare ist mit einem Applikationssystem verbunden, welches in zwei Kammern jeweils die Kontroll-Lösung und die Testlösung enthält. Der Wechsel zwischen beiden Kontroll-Lösungen wird manuell durch einen Hebel gesteuert. Das Austreiben der Flüssigkeiten geschieht mit Druckluft. So wird ein laminar strömendes Flüssigkeitsfilament in der Badlösung erzeugt. Das Filament der Kontroll-Lösung wird hierbei durch den Lebensmittelfarbstoff Brilliantgrün (E142) sichtbar gemacht. Die Applikationskapillare ist mit einem Piezo-Kristall verbunden, der sie beim

Anlegen einer Spannung von 1000 V zur Seite bewegt. Der Membran-Patch, der vorher direkt neben dem Filament platziert wird, wird so für eine definierte Zeit komplett von dem Agonistenstrom umspült (Abbildung 6). Ein schneller Lösungswechsel zwischen der kontinuierlich fließenden Badlösung und dem Agonisten, wie er für die Untersuchung ligandengesteuerter Ionenkanäle erforderlich ist, wird hierdurch gewährleistet.

Abb. 5

Schematische Darstellung des Systems zur schnellen Applikation des Agonisten.

0-100V

Hintergrund-L฀ung Glas-Kapillare

Fl・sigkeits-Filament

Piezo Zelle

Patch-Elektrode

Abb. 6

Die beiden Fotografien zeigen die Position der Patchkapillare zum Lösungsfilament vor (links) und während der Applikation (rechts).

2.2.5.3 Die Patch-Clamp-Kapillaren

Die Patchkapillaren werden vor jedem Experiment neu aus Glaskapillaren hergestellt, um Beschädigung oder Verschmutzung der Spitzen zu vermeiden. Die Glaskapillaren bestehen aus Borosilikat und besitzen einen äußeren Durchmesser von 1,5 mm und einen inneren von 1,17 mm. Bei der Herstellung entstehen aus einer Glaskapillare zwei Patchkapillaren mit konischer Spitze. In einem ersten Schritt wird die Glaskapillare in der Mitte erhitzt und so weit auseinandergezogen, bis sie reißt. Im zweiten Schritt werden die Kapillaren hitzepoliert.

Die so entstandenen Patchkapillaren besitzen einen Eingangswiderstand von 5-8 MΩ und einen Öffnungsdurchmesser von ungefähr 1 µm.

2.2.5.4 Datenerfassung und Auswertung

Zur Akquisition der Daten und ihrer Analyse wird ein Patch-Clamp-Messverstärker in Kombination mit der zugehörigen Software verwendet. Bei den Untersuchungen zur direkten Aktivierung werden die durch ein Medikament erzeugten Ströme normalisiert auf den Strom, der durch eine 1000 µM Glycin-Lösung hervorgerufen wird. Die Größe des coaktivierten Stroms (I) wird angegeben als Prozent der Amplitude des durch eine 10 µM Glycin-Lösung

induzierten Stroms (I0) (E (%) = 100 [(I-I0)/I0]). Maximale Konzentrationen, für die verlässliche Ergebnisse erzielt werden können, liegen im Bereich von 3000 µM. Sollte in dieser Konzentration kein Plateau-Effekt erreicht sein, gilt als Maximaleffekt der durch diese Konzentration ausgelöste Effekt. Die Anpassung einer Hill-Funktion an die Messergebnisse (Inorm=[1+(EC50/[C])nH]-1) führt zu den Agonisten-Konzentrationen für die halb-maximale Aktivierung des Rezeptors (EC50) und zu den Hill-Koeffizienten nH.