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Einschätzung der künftigen Entwicklung

2   Konzepte und Technologien für das Internet der Dienste

2.1   Cloud Computing

2.1.4   Einschätzung der künftigen Entwicklung

Trotz der dargestellten Hürden und Herausforderungen sehen die Auto-ren in Cloud Computing deutlich mehr als einen reinen Marketing-Hype der Anbieter. Diese Einschätzung bestätigen fast alle von uns interview-ten Experinterview-ten. Die Idee, IKT-Ressourcen als Dienstleistung und nicht als Produkt zu beziehen, ist zwar nicht neu und wurde bereits vor etwa zehn Jahren unter dem Begriff „Application Service Providing (ASP)“ propa-giert. Seitdem hat sich das Konzept und dessen Umsetzung jedoch so-wohl anbieter-, als auch anwenderseitig wesentlich weiterentwickelt:

 Im Gegensatz zum ASP-Hype positionieren sich heute ALLE großen Anbieter mit Cloud-Computing-Angeboten. Die Einschätzung, dass künftig ein beträchtlicher Anteil von Unternehmen Cloud Computing nutzen wird, hat sich auf breiter Front durchgesetzt und wurde im Rahmen der Expertengespräche durchgehend bestätigt. Microsoft proklamiert beispielsweise, sich durch Cloud Computing derzeit neu zu erfinden.29 "It's a zero-revenue business now for Microsoft, Server and Tools President Bob Muglia said (...). In 10 years, he thinks cloud computing could make up as much as half of Microsoft's sales. (...) Regardless, Microsoft is making a large investment in its develop-ment. Ballmer said Thursday that 75 percent of Microsoft's software developers are now working on cloud-based or cloud-inspired soft-ware and he expects that to increase to 90 percent next year."30

Der Bedarf, IKT-Anwendungen und Daten orts- und endgeräteunab-hängig zu nutzen, hat deutlich zugenommen (siehe Abschnitt 1.1).

Gleichzeitig sind Kosten-, Flexibilisierungs-, und Innovationsdruck deutlich gestiegen. Insgesamt dürften diese Faktoren bei Anwender-unternehmen mittelfristig zu einem deutlichen Nachfrageschub füh-ren.

 Darüber hinaus haben sich die Technologien zur Bereitstellung man-dantenfähiger, skalierbarer, webbasierter Anwendungen in den ver-gangenen 10 Jahren deutlich weiterentwickelt. Beispielsweise wer-den viele Anwendungen heute nativ webbasiert entwickelt und sind sehr viel leistungsfähiger als ASP-Anwendungen vor 10 Jahren, die häufig erst nachträglich webfähig gemacht wurden. Zudem bieten Virtualisierungstechnologien heute sehr viel umfangreichere Mög-lichkeiten, Infrastrukturen sicher und performant geteilt nutzbar zu machen und dabei Kosteneinsparungen zu erzielen. Viele Cloud-Lösungen sind keine Zukunftsvision mehr, sondern werden heute bereits angeboten oder stehen kurz vor der Markteinführung.

Vor diesem Hintergrund wird sich das Cloud-Konzept daher mittel- bis langfristig durchsetzen und tiefgreifende Veränderungen der IKT-Markt-struktur mit sich bringen.31 Das bedeutet allerdings nicht das Ende un-ternehmenseigener IKT-Systeme, denn in vielen Unternehmen werden sich hybride Cloud-Infrastrukturen durchsetzen: „Die Kunden werden in Zukunft On-premise-Systeme betreiben und zusätzliche Funktionen über

29 Ellermann/Vaske (2010): „Wir erfinden Microsoft neu“, Interview mit Microsoft-Vize Kevin Turner vom 01.04.2010.

30 Chan (2010): „Microsoft commits to future with cloud computing services“.

31Siehe dazu auch Abschnitt 3.4.

Cloud Computing ist deutlich mehr als ein Marketing-Hype

Cloud-Konzept wird sich mittel- bis langfristig durchsetzen, ...

On-demand-Services dazuschalten. Sie können also die Vorteile flexibler Software-Services genießen, die sich zügig implementieren lassen, und gleichzeitig ihre Investitionen in die bestehende Applikationslandschaft schützen.“32 Die Autoren erwarten eine breite Akzeptanz und Umsetzung von Cloud-Modellen. Vorreiter werden dabei vor allem die folgenden Kundengruppen sein:

Start-ups und junge Unternehmen, die von Beginn ihrer Tätigkeit an ihre IKT komplett auf Cloud Computing ausrichten und keine oder nur sehr begrenzt eigene Systeme implementieren. Dafür lassen sich heute zahlreiche Beispiele finden.

Kleine Unternehmen, die selbst keine Skaleneffekte ausnutzen kön-nen und nicht über die notwendigen finanziellen, technischen und personellen Ressourcen zum Erwerb und Eigenbetrieb komplexer IKT-Systeme verfügen.33

Große Unternehmen für einzelne Teilbereiche ihrer IKT-Landschaft.

Diese verfügen sowohl über die Kompetenzen bzw. Ressourcen, um Kosten und Nutzen von Cloud-Angeboten realistisch zu beurteilen, als auch um entsprechende Sourcing-Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Zudem verfügen große Unternehmen eher über die Nachfragemacht, bei Cloud-Anbietern entsprechende Konditionen und Anpassungen zu verhandeln.

Der deutsche Mittelstand ist dagegen noch sehr zurückhaltend beim Thema Cloud Computing und dürfte dies auf absehbare Zeit auch bleiben (siehe Abschnitt 2.1.3 zur „Anwenderakzeptanz“). Auch viele mittelstän-dische Systemhäuser sehen Cloud Computing eher als Bedrohung denn als Chance und beraten ihre mittelständischen Kunden entsprechend.

Diese Tendenz birgt die Gefahr, dass sich die deutsche, mittelständisch geprägte IKT-Branche nicht rechtzeitig auf die absehbaren Veränderun-gen einstellt und im internationalen Vergleich zurückfällt.

Einschätzungen von Marktbeobachtern

Die Einschätzung, dass sich Cloud Computing künftig als wichtiges – wenn auch nicht als alleiniges – Distributions- und Nutzungsmodell durchsetzen wird, teilen zahlreiche Marktbeobachter. Allerdings unter-scheiden sich die Einschätzungen hinsichtlich der Intensität der Cloud-Nutzung und dem Zeitraum, innerhalb dessen sich Cloud Computing durchsetzen wird:

 Saugatuck Technology erwartet, dass 2012 weltweit 70% aller Un-ternehmen Cloud-Infrastruktur sinnvoll einsetzen werden. Im Jahr 2014 wird der Cloud-Anteil nach Einschätzung von Saugatuck bis zu 40% des Wachstums an neuen IT Budgets ausmachen.34

32Bayer (2010): „SAP – mit leisen Schritten in die Cloud“, Interview mit John Wookey vom 23.4.2010.

33Mani Pirouz von Salesforce erwartet, dass bis 2012 20% der KMU keine eigene IT mehr haben werden.

34Sempert (2010): „Cloud – nach dem Sturm“, Präsentation anlässlich des Kick-Off Meetings: EuroCloud Deutschland_eco, 2. Februar 2010.

... ohne jedoch unter-nehmenseigene IKT-Systeme gänzlich zu ersetzen

Deutscher Mittelstand ist gegenüber Cloud Computing noch sehr zurückhaltend

Marktexperten sind sich einig, DASS sich Cloud Computing durchsetzt, aber nicht darin, WANN dies geschehen wird

 Experton geht von ähnlichen Größenordnungen aus: Bis 2012 wer-den weltweit 70% aller Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern wenigstens eine IT-as-a-Service-Komponente nutzen.35

 Das Analystenhaus Gartner erwartet zudem, dass international ge-sehen im Jahr 2012 20% aller Unternehmen keine eigenen IT-Ressourcen mehr haben werden.36

 Einen Fokus auf KMU legt das Marktforschungsunternehmen Spice-works in einer aktuellen Studie.37 Darin zeigen sich gerade kleinere Unternehmen sehr aufgeschlossen gegenüber Cloud Computing:

Weltweit sind es demnach 38% der Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern, die Cloud Services nutzen bzw. dies für die kommen-den sechs Monate planen. Diese Rate ist deutlich höher als in Unter-nehmen mit 20 bis 99 Mitarbeitern (17%) und UnterUnter-nehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern (22%). Insgesamt setzen gemäß der Studie 14%

der KMU bereits Cloud Services ein, 10% planen dies.

 Dass Cloud-Computing mittlerweile auch in Deutschland angekom-men ist, zeigt eine Untersuchung des Marktforschungsinstituts Tech-consult. Demnach ist Cloud-Computing der gegenwärtig erfolgreich-ste IKT-Teilmarkt. Techconsult rechnet damit, dass Anwender 2010 etwa 386,5 Millionen Euro für Cloud-Services ausgeben werden. Da-mit geht Techconsult im Vergleich zu PAC von niedrigeren Umsatz-zahlen aus (vgl. Abschnitt 3.3), berücksichtigt dabei aber bspw. nicht die Umsätze im BaaS-Markt. Bis 2012 ist gemäß der Studie mit jähr-lichen Wachstumsraten von fast 50% zu rechnen. Mit 60% machen Software- und Platform-as-a-Service den Löwenanteil der Cloud-Services aus.38

 Die im Rahmen einer internationalen Delphi-Studie befragten Exper-ten rechnen mehrheitlich damit, dass Cloud Computing innerhalb der nächsten 15 Jahre zum Standard wird. So sehen 69% der Deutschland-Experten, dass hierzulande der Zugriff auf Rechnerleis-tung und Speicher in der Cloud bis 2024 zur Gewohnheit wird, 18%

rechnen damit schon bis 2014. Nur 9% der Experten sehen in Infra-structure as a Service nicht die Zukunft. Ein ähnliches Bild zeigt sich für Software as a Service: 63% glauben, dass bis 2020/2024 Soft-ware nicht mehr lokal installiert und genutzt wird, sondern über das Internet. 9% der Experten erwarten das schon bis 2014.39

 Allerdings wird – wie die Delphi-Studie weiter zeigt – gerade im ge-schäftlichen Umfeld nicht mit einer kompletten Verlagerung aller Da-ten in die Cloud gerechnet: Dass mehr als 75% aller geschäftlichen Daten im Internet und nicht mehr auf lokalen Rechnern oder Servern liegen, erwarten 42% der Experten für 2020/2024. Auf der anderen

35Experton Group (2009): „IT as a Service 2009“.

36Gartner (2010): „Gartner Highlights Key Predictions for IT Organizations and Users in 2010 and Beyond“.

37Spiceworks (2010): „SMB Cloud Computing Adoption“.

38Reder (2010): „Microsoft: Hohe Nachfrage nach Cloud-Angeboten in Deutschland“.

39 Münchner Kreis (2009): „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien, Internationale Delphi-Studie 2030.”

Seite gehen 44% der Experten davon aus, dass das wahrscheinlich nie der Fall sein wird.40

 Die aktuell vom Fraunhofer IAO befragten IT-Anbieter rechnen mehr-heitlich mit einer deutlich wachsenden Bedeutung von Software as a Service (94%), Plattform as a Service (83%) und Infrastructure as a Service (77%). Vor allem jene IT-Unternehmen, die bereits selbst SaaS-Angebote offerieren, sehen das wirtschaftliche Potenzial von Cloud Computing seitens der IT-Anbieter derzeit unterschätzt.41

 Das Beratungshaus Avanade sieht klare Zeichen dafür, dass die Technologie mehr ist als ein Hype. In Deutschland setzen laut einer Avanade-Umfrage bereits 53% der befragten Unternehmen auf Soft-ware as a Service, in den Vereinigten Staaten sogar 68%. SaaS wird dabei von den Anwenderunternehmen weltweit als Erfolg angese-hen: 93% aller Unternehmen sagen, dass ihre SaaS-Erfahrung posi-tiv sei. Unter den deutschen Führungskräften sind es 81%. Knapp zwei Drittel der deutschen Befragten wollen im kommenden Jahr vermehrt SaaS einsetzen. Deutsche Unternehmen bleiben dabei je-doch misstrauischer als ihre internationalen Kollegen. In der Studie äußerten 40% aller und 64% der deutschen Teilnehmer Sicherheits-bedenken.42

 Gemäß einer aktuellen Studie von Sterling Commerce, bei der 300 IT-Manager aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich zu ihren Cloud-Plänen befragt wurden, wollen 87% der befragten deutschen Unternehmen, in Cloud-basierende B2B-Integration Services inve-stieren.43 Bei den deutschen IT-Managern stehen dabei folgende Vor-teile im Vordergrund:

 57% sehen die Möglichkeit, Kosten durch verbesserten Einsatz des IT-Personals zu reduzieren und laufende Kosten besser be-rechenbar zu machen.

 40% erwarten eine Kosteneinsparung durch die Reduktion ma-nueller Prozesse, die nach eigenen Angaben das größte Hinder-nis in ihrer derzeitigen B2B-Integration darstellt.

 Und ungefähr ein Drittel der Befragten erhofft sich eine bessere Sichtbarkeit ihrer B2B-Prozesse.

40 Münchner Kreis (2009): „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien. Internationale Delphi-Studie 2030.”

41Weiner et al. (2010): „Geschäftsmodelle im »Internet der Dienste« – Trends und Entwicklungen auf dem deutschen IT-Markt“.

42Avanade (2009): „Weltweite Avanade-Umfrage: Cloud Computing wandelt sich vom Trendbegriff zur populären Unternehmensstrategie“, Pressemitteilung vom 22. Okto-ber 2009.

43Sterling Commerce (2010): „Datenaustausch in der Wolke“.

Zentrale Ergebnisse: Cloud Computing

Cloud Computing beschreibt einen Ansatz, IKT-Infrastrukturen und -An-wendungen von einem (externen) Dienstleister zu beziehen. Der Zugriff auf Daten und Anwendungen erfolgt dabei in der Regel über das Internet.

Die Dienste können bedarfsabhängig und flexibel in Anspruch genom-men werden, die Abrechnung erfolgt nutzungsbasiert.

Generell werden heute drei oder vier Ebenen des Cloud Computing unter-schieden: Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS), Software as a Service (SaaS) und (etwas seltener) Business Process as a Service (BaaS).

Cloud Computing lässt sich darüber hinaus in die zwei grundsätzlichen Ausprägungen Public und Private Cloud Computing unterscheiden. Für die Analyse des Internet der Dienste ist primär der Public-Cloud-Ansatz relevant.

In den meisten Unternehmen kommen Mischformen aus On-premise- und Cloud-Umgebungen, sog. hybride Cloud-Infrastrukturen, zum Ein-satz.

Es lassen sich technische, finanzielle und organisatorische Vorteile des Cloud Computing benennen. Besonders hervorzuheben sind dabei auf Seiten der Anwender die hohe Skalierbarkeit und Flexibilität der Lösun-gen, der orts- und endgeräteunabhängige Zugang sowie Kosteneinspa-rungen bei IT-Infrastruktur, -Personal und -Support. Anbieter profitieren vor allem von der Möglichkeit, Projekte kostengünstiger, kurzfristiger und schneller durchführen sowie Skaleneffekte erzielen zu können.

Herausforderungen bestehen sowohl für Anwender als auch Anbieter hauptsächlich in der mangelnden Standardisierung und Integrations-fähigkeit der vielfältigen Lösungen sowie in den umfangreichen Verände-rungen von Prozessen und Geschäftsmodellen beim Umstieg auf Cloud-Lösungen. Darüber hinaus bereiten Aspekte wie Datenschutz, Verfüg-barkeit und Vertragsgestaltung in der Praxis Schwierigkeiten.

Trotz der dargestellten Herausforderungen sehen die Autoren in Cloud Computing deutlich mehr als einen reinen Marketing-Hype der Anbieter.

Mittel- bis langfristig wird sich das Cloud-Konzept durchsetzen und tief-greifende Veränderungen der IKT-Marktstruktur mit sich bringen.

Schließlich hat der Bedarf, IKT-Anwendungen und Daten orts- und end-geräteunabhängig zu nutzen, in den letzten Jahren deutlich zugenom-men und alle großen Anbieter positionieren sich bereits mit eigenen Cloud-Angeboten. Dabei haben sich die Technologien zur Bereitstellung mandantenfähiger, skalierbarer, webbasierter Anwendungen in jüngster Vergangenheit deutlich weiterentwickelt und an Marktreife gewonnen.