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Einordnung der empirischen Erkenntnisse in der Praxis

Im Dokument Soziale Arbeit im Kontext Schule (Seite 141-145)

Marco Dalcher

2. Einordnung der empirischen Erkenntnisse in der Praxis

Aufbauend auf die oben skizzierten Erkenntnisse wird nachfolgend exempla-risch an einem bestehenden Betreuungskonzept einer Tagesschule7 aufge-zeigt, wie sich intensivere Kooperation zwischen Fachpersonen der Sozialen Arbeit und Lehrpersonen in der Praxis gestalten lässt.

Die besagte Tagesschule kann auf eine lange Tradition von Kooperation in interprofessionellen Teams zurückblicken. Entsprechend haben sich struk-turelle Rahmenbedingungen etabliert, welche mit den empirischen Erkennt-nissen von Tillmann und Rollett übereinstimmen. Daher bietet sich eine exemplarische Darstellung unter Einbezug persönlicher Erfahrungswerte und einer anschliessenden konzeptorientierten Reflexion an.

5 Tillmann und Rollett sprechen im Original vom „weiteren pädagogisch tätigen Personal“.

Aus Positionierungsgründen wird in diesem Beitrag konsequent von Fachpersonen der So-zialen Arbeit gesprochen.

6 Vgl. Fussnote 7.

7 Die Tagesschule wurde 1992 als eine von sieben Pilottagesschulen der Stadt Zürich per Gemeinderatsbeschluss in der Volksschule verankert. Der Unterschied zu einer Schule mit integriertem Hort war seit Beginn die intensive Entwicklung von Kooperationsmechanis-men zwischen Lehr- und der Fachpersonen Sozialer Arbeit.

Tab. 1: Kooperationsprozesse zwischen Betreuung und Lehrpersonen (Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf dem unveröffentlichten Betreuungskonzept Tagesschule)

Kooperationsgremien Ausgestaltung

Stufenteam

Jede Fachperson Sozialer Arbeit arbeitet mit den Klassenlehrpersonen ihrer / seiner Betreuungsgruppe (Doppelklasse8) eng zusammen und bildet mit diesen das Stufenteam.

Organisation und Verantwortlichkeit beider Professionen:

• pädagogische Arbeit9, sowohl für die Gruppe als auch für das ein-zelne Kind

• gemeinsame Ausflüge (Klassenlager, Schulreisen etc.)

• Klassenprojekte

• Klassenrat

• Elternabende

• Elterncafé

Sitzungen

Die Fachpersonen der Sozialen Arbeit vertreten in allen schulischen Gremien die Anliegen des Betreuungsbereichs gemäss dem Berufsauf-trag und arbeiten an schulinternen Entwicklungsprozessen mit.

Die Teilnahme an den 14 jährlich stattfindenden Tagesschulsitzungen ist für Fachpersonen der Sozialen Arbeit obligatorisch (ab 40 Stellen-prozent).

Ebenso ist die Teilnahme an den Sitzungen der pädagogischen Teams10 alle zwei Wochen obligatorisch, welche in die Bereiche Unter-stufe und MittelUnter-stufe unterteilt sind (ab 40 Stellenprozent).

Schulkonferenz

Die Teilnahme an der Schulkonferenz, in der Regel einmal pro Monat, ist für Fachpersonen der Sozialen Arbeit ab einem Stellenpensum von 40% obligatorisch.

Q-Gruppen Alle Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind gemäss Jahresplanung der Schuleinheit Mitglied einer Q-Gruppe.11

Zusammenarbeit mit der Schulleitung

Die Schulleitung nimmt an der wöchentlich stattfindenden Betreu-ungsteamsitzung teil.

Eine Fachperson der Sozialen Arbeit übernimmt die Funktion der An-sprechperson für die Schulleitung.

Informelle Gespräche

Die Fachpersonen der Sozialen Arbeit bemühen sich um den informel-len Austausch innerhalb des Schulteams. Sie besuchen z.B., wenn möglich, die 10-Uhr-Pause und suchen den aktiven Austausch mit den Lehrpersonen.

8 Unter dem Begriff Doppelklasse werden altersdurchmischte Klassen verstanden.

9 Die pädagogische Arbeit setzt sich aus den Besprechungen der verschiedenen Gremien (Pädagogische Teamsitzung, Stufenteam, Schulkonferenz, Q-Gruppe, Betreuungsteamsit-zung), der Orientierung am pädagogischen Konzept, dem Berufsauftrag sowie dem persön-lichen Fach- und Erfahrungswissen zusammen.

10 Pädagogische Teams setzen sich aus den Lehrpersonen und Fachpersonen der Sozialen Ar-beit aus dem Unter- und Mittelstufenbereich zusammen, welche getrennt voneinander an bereichsspezifischen sowie -übergreifenden Themen arbeiten.

11 Die interne Schulentwicklung wird in der Stadt Zürich in Qualitätsgruppen (Q-Gruppen) vollzogen.

143 Bei genauerer Betrachtung der vorangestellten Tabelle fällt auf, dass die strukturelle Rahmung von Stufenteams bis hin zum vollständigen Team einer Einbettung folgt, welche vorwiegend durch formelle Austauschsituationen geprägt ist. Dabei scheint es unumgänglich, auf die notwendige und steuern-de Wirkung funktionierensteuern-der Konzepte hinzuweisen, in steuern-denen das inhaltliche wie professionelle Profil der Sozialen Arbeit erkennbar ist (Thimm, 2015, S.

34).

Die Kooperation im präsentierten Beispiel findet auf verschiedenen or-ganisatorischen und strukturellen Ebenen statt und basiert auf dem Grund-satz, dass die Bereiche Schule und Betreuung nicht getrennt voneinander be-trachtet werden. Hierfür ist eine gelingende Kooperation innerhalb der Stu-fenteams von besonderer Relevanz. Eines der zentralen Ziele dieser Stufen-teams ist die Entwicklung von Wertesystemen, welche gemeinsam im Be-treuungs- sowie Schulbereich gelebt werden. Zur Implementierung dieser Wertesysteme bieten sich Gremien wie der Klassenrat, Ausflüge, Projekte, Mittagszeiten12 oder das Elterncafé an, da diese gemeinsam gestaltet und durchgeführt werden. Dadurch entsteht eine differenziertere und ganzheitli-che Betrachtung und Bewertung von schulinternen Themen, welganzheitli-che direkt oder indirekt auf weitere Kooperationsebenen einwirken. In der Praxis zeigt sich dies beispielsweise dadurch, dass es für eine Lehrperson der zuvor er-wähnten Tagesschule selbstverständlich ist, Fachpersonen der Sozialen Ar-beit bei Situationen oder Konflikten einzubeziehen, um das weitere Vorgehen im Stufenteam zu besprechen.

Zusätzlich muss der informelle Bereich mit spezifischen Kriterien kon-kretisiert und intensiviert werden, da ansonsten das Potential der informellen und personalisierten Kooperationsformen nicht ausreichend genutzt werden kann. Laut Horstkemper (2011, S. 134ff.) legen empirische Befunde diesbe-züglich eine Investition in informelle Kooperationsprozesse nahe, da diese im Vergleich zu den stark formalisierten Verfahren eine positivere Wirkung zu haben scheinen.

Tabelle 2 stellt einen auf Kooperationsmechanismen begrenzten Auszug eines Hortkonzeptes dar, welcher implizit eine Reihe von möglichen Polaritä-ten innerhalb einer gelebPolaritä-ten Interprofessionalität enthält. Im Wesentlichen geht es dabei um Akzeptanz-, Rollen- und Kooperationsprobleme, welche durch verschiedene konzeptionelle sowie reflexive Überlegungen entflechtet und nachfolgend in Form einer Tabelle dargestellt werden.

12 Lehrpersonen arbeiten bis zu zwei Tage in der Woche über Mittag in der ausserunterrichtli-chen Betreuung.

Tab. 2: Interprofessionelle Problemkategorien und ihre konzeptuelle Auflö-sung (Quelle: Eigene Darstellung)

Problemstellung Darlegung und konzeptionelle Überlegung zur Auflösung nachgestellter Probleme

Akzeptanz- probleme

Darlegung des Problems

„Akzeptanzprobleme entstehen häufig dann, wenn Sozialarbeitende nicht in die Kernzonen der Schule mit eigenständigen Positionen integriert sind“ (Thimm, 2015, S. 34).

Konzeptorientierte Reflexion

Durch die konzeptionelle Festschreibung, dass der Betreuungsbereich in allen Austauschsitzungen eine auf dem Berufsauftrag basierende Perspektive ein-nehmen und mit Hilfe derer die Schulentwicklung vorantreiben soll, wird eine kla-re Integration mit eigenständigen, die Profession betkla-reffenden Positionen gefor-dert und geförgefor-dert. Diese konzeptionelle Steuerung führt unweigerlich zu einem Diskurs, der die unterschiedlichen Deutungen bezüglich der Bedürfnisse und An-sprüche der Adressatengruppen der Tagesschule und der damit einhergehenden pädagogischen Herausforderungen betrifft. Weiterführend kann diese Debatte in den bestehenden Gremien diskutiert werden. Dabei muss die Integration eigen-ständiger Positionen durch die Fachpersonen der Sozialen Arbeit forciert und eingefordert werden.

Rollen- probleme

Darlegung des Problems

„Oftmals sind die Rollen nicht genügend geklärt bzw. kann Rollenunschärfe die Beteiligten verunsichern“ (Thimm, 2015, S. 35).

Konzeptorientierte Reflexion

Die Zusammenarbeit in Stufenteams fordert eine präzise Rollenklärung, um die gemeinsamen Aufgaben und Ziele zu erreichen. Hierfür sind professionsspezifi-sche Habitualisierungen und Handlungsdispositionen unerlässlich, da erst durch eine Konkretisierung dieser professionseigenen Merkmale die zu klärenden Di-vergenzen sichtbar werden. Diese Klärung sollte sich in einem stetig wiederho-lenden Prozess befinden, da sich Rollenzuschreibungen in unregelmässigen Pe-rioden verändern können. Deshalb ist es von Vorteil, wenn Stufenteams wö-chentliche Treffen implementieren oder Q-Gruppen den Fokus stärker auf solche Thematiken legen, um Prozesse zur Auflösung professionsbezogener Span-nungsfelder voranzutreiben. Der Austausch der Stufenteams sollte idealerweise im Konzept der Tagesschule konkretisiert und mit Massnahmen versehen sein, welche doppelte Zielkongruenzen, unterschiedliche Handlungslogiken und un-präzise Abgrenzungen sowie Rollenunschärfe verhindern.

Kooperations- probleme

Darlegung des Problems

„Nicht hinreichend besprochene Aufgabenverteilung sowie Koordinationsschwä-chen an Schnittstellen zwisKoordinationsschwä-chen Betreuung und Schule gehen mit zu geringer Kooperationszeit einher“ (Thimm, 2015, S. 35).

Konzeptorientierte Reflexion

Die im Konzept beschriebenen Kooperationsgremien sind verbindlich und müs-sen bis auf die informellen Gespräche regelmässig wahrgenommen werden.

Dadurch wird eine konzeptionelle Dringlichkeit propagiert, welche den Mitarbei-tenden einerseits den Status von Kooperation verdeutlicht und anderseits genü-gend Zeit zur Verfügung stellt, den darin enthaltenen Anforderungen nachzu-kommen.

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Dieses konzeptionelle Bekenntnis für mehr zeitliche Ressourcen kann nicht dar-über hinwegtäuschen, dass der Faktor Zeit in der Praxiswahrnehmung beider Professionen eine unterschiedlich gedeutete Variable ist. In der Arbeitspraxis der Tagesschule hat sich gezeigt, dass eine konsequente Umsetzung des Konzepts über einen längeren Zeitraum einen Mehrwert sichtbar macht, der durch kon-struktiven Austausch in Gremien weiter intensiviert werden kann.

3. Beitrag zur Qualitätssteigerung durch Fachpersonen der

Im Dokument Soziale Arbeit im Kontext Schule (Seite 141-145)