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Einhaltung einer gewissen Preissolidarität

DES RÈGLES DU JEU GARANTES DU SUCCÈS

3. Auswirkungen der Liberalisierung auf den Service Public

3.3 Einhaltung einer gewissen Preissolidarität

3.3.1 Preissolidarität bei der Netzbenutzung (Durchleitungsvergütung)

a) Ausgangslage

Eine empirische Erhebung zu den Durchleitungskosten in der Schweiz hat gezeigt, dass zwischen einzelnen Netzgebieten deutliche Unterschiede vorliegen.15 Auf der Ebene der einzelnen Netzgebie-te ergeben sich durchschnittliche KosNetzgebie-ten für die regionale und lokale VerNetzgebie-teilung16 von 4.5 bis 12 Rp.

pro kWh. Die Bandbreite beläuft sich auf rund 8.4 Rp./kWh oder ausgehend von einem Mittelwert von 7.2 Rp./kWh auf –38% bis 79%. Die Kostendifferenzen sind in der Grössenordnung als verläss-lich zu betrachten, auch wenn sich bei der Kostenabgrenzung und der Datenerhebung beträchtverläss-liche Probleme ergaben.17 18

15 Vgl. dazu Ecoplan (1999), Service Public im liberalisierten Strommarkt. Untersucht wurden insgesamt neun Netzgebiete, in welchen total 239 Gemeinden versorgt werden. Zu den Durchleitungskosten wurden die Kosten für Amortisation und Unterhalt des Netzes sowie für die Systemdienstleistungen (Netzregelung, Ausgleich von Wirkverlusten usw.) gezählt.

16 Das heutige Netzsystem der Schweiz lässt sich in insgesamt vier Spannungsebenen und drei Transformationsebenen aufteilen. Das Übertragungsnetz (Höchstspannungsbereich 320/280kV) wird gemäss dem EMG in eine Schweizerische Netzgesellschaft überführt. Es ist daher davon auszugehen, dass für diesen Bereich in Zukunft ein einheitlicher Durch-leitungspreis zu entrichten ist. Bei den übrigen Netzebenen können sich je nach den spezifischen Verhältnissen regional unterschiedliche Durchleitungspreise ergeben. Die absolut grössten Kostenunterschiede fallen aber in der regionalen und lokalen Verteilung (16 kV bzw. 0.4 kV) an.

17 Von den insgesamt 30 kontaktierten EVU haben deren 9 die erforderlichen Angaben zur Verfügung gestellt. Diese Werke versorgen zusammen insgesamt 239 Gemeinden mit elektrischer Energie.

18 Bei der Schätzung der Kostenfunktion für 52 untersuchte Elektrizitätswerke kommt Wild für die mittleren Durchleitungs-kosten zu einer ähnlichen Grössenordnung. Vgl. dazu Wild Jörg (2001), Deregulierung und Regulierung der Elektrizitätsverteilung, S. 217.

Grafik 2: Durchschnittliche Durchleitungskosten für die lokale und regionale Verteilung in ausgewählten Netzgebieten in Rp. pro kWh

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Durchleitungskosten in Rp/kWh

Ausgewertete EVU

8.4 Rp/kWh

12.9 Rp/kWh

4.5 Rp/kWh

Vergleichbare Unterschiede bei den Netznutzungsentgelten können auch in Deutschland festgestellt werden: Im Niederspannungsbereich beträgt das Netznutzungsentgelt im Durchschnitt 13.2 Pf/kWh;

der günstigste Anbieter liegt um 49% unter, der teuerste um 92% über diesem Durchschnittswert.19 Innerhalb der einzelnen Netzgebiete fallen die Unterschiede wesentlich grösser aus (als bei der vo-rangehenden Betrachtung der mittleren Durchleitungskosten pro Netzgebiet). Je nach Gemeinde ergeben sich Durchleitungskosten von 2.7 bis 35.9 Rp/kWh. Die relative Abweichung von den mittle-ren Durchleitungskosten (7.2 Rp./kWh) belaufen sich auf –62% bis +258%.

19 Vgl. dazu Zeitschrift Contracting & Wärmedienst (4/2001), Netzentnutzungsentgelte verärgern Kunden und Händler, S. 21.

Grafik 3: Absolute Höhe der Durchleitungskosten in Rp./kWh nach Gemeinden

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Durchleitungskosten in Rp/kWh

Sämtliche untersuchten Gemeinden Mittlere Kosten: 7.2 Rp/kWh

Anzahl Gemeinden: 239; Anzahl EVU: 9

Bezogen auf den Elektrizitätsverbrauch zeigt sich, dass die günstigsten Gemeinden vergleichsweise hohe Elektrizitätsumsätze aufweisen. 17% aller betrachteten Gemeinden haben Kosten unter 7 Rp./kWh, vereinen jedoch bereits die Hälfte des gesamten Elektrizitätsumsatzes (bzw. 41% der Be-völkerung) auf sich. Auf die 13% aller Gemeinden mit den höchsten Kosten (über 15 Rp./kWh) fallen dagegen nur noch 2% des Elektrizitätsumsatzes (bzw. 3 % der Bevölkerung).

Für die Kostenunterschiede zwischen den Gemeinden und Netzgebieten sind verschiedene Fakto-ren verantwortlich. Von grosser Bedeutung ist vor allem die Kundendichte im Versorgungsgebiet, die Kundenstruktur (Durchschnittsverbrauch pro angeschlossenen Kunden) sowie der Belastungsgrad der Netze (Verhältnis zwischen Durchschnitts- und Spitzennachfrage). Ebenfalls von Bedeutung sind geographische Faktoren wie Netzlänge, Geländeschwierigkeiten und Witterungsverhältnisse.

b) Auswirkungen auf die Preissolidarität innerhalb bestehender Netzgebiete

Bis heute konnte innerhalb eines Netzgebietes – auch ohne EMG – von einer gewissen freiwilligen Preissolidarität ausgegangen werden. Jedenfalls sind uns keine Preisdifferenzierungen innerhalb von Netzgebieten bekannt, welche mit unterschiedlichen Durchleitungskosten begründet werden. In Zukunft ist aber mit der teilweisen (ohne EMG) oder vollständigen Liberalisierung (mit EMG) davon auszugehen, dass sich die Kostenunterschiede vermehrt in den Durchleitungsvergütungen nieder-schlagen. Die Netzbetreiber haben mittelfristig kaum Anreize, um Quersubventionierungen von einem dichtbesiedelten, kostengünstigen Gebiet in dünnbesiedelte und entsprechend teure Gebiete vorzunehmen. Im Gegenteil: Der Druck des Benchmarking sowie der Zentren auf billige Durchlei-tungsvergütungen werden solche Differenzierungen fördern.

Ohne EMG aber mit teilweiser Liberalisierung wird die Preissolidarität tendenziell abnehmen. Dies kann entweder über eine direkte Umlegung der Kostenunterschiede auf die Durchleitungsvergütung erfolgen. Denkbar ist aber auch, dass die Netzbetreiberinnen ihr bisheriges Netzgebiet in mehrere

Teilnetze mit unterschiedlichen Kostenniveaus und Durchleitungsvergütungen aufteilen. Das Aus-mass dieser Entwicklung hängt davon ab,

• ob es auch ohne EMG zu Durchleitungen kommt, welche überhaupt zu einer klaren Zweiteilung in Durchleitungs- und Energiepreis führen

• wie gross der Druck der potenziell günstigen Teilgebiete ist

• und ob die Kantone aufgrund der heutigen Rechtslage oder zu erlassender Gesetze dieser Entwicklung Einhalt gebieten (wollen).

Mit dem EMG werden die Netzbetreiberinnen zur vollständigen Preissolidarität verpflichtet, indem auf der gleichen Spannungsebene im Netz einer Netzbetreiberin die gleichen Preise zu verrechnen sind (EMG Art. 6, Absatz 4). Damit diese Vorgabe nicht durch die Aufteilung von bestehenden Netz-gebieten in neue Teilgebiete unterlaufen werden kann, wird den Kantonen die Kompetenz zugewie-sen, die Netzgebiete der auf ihrem Gebiet tätigen EVU zu bezeichnen (EMG Art. 11., Absatz 1).20 Wie die Kantone von dieser Kompetenz Gebrauch machen, ist allerdings offen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mit dem EMG die (bisher freiwillige) Preissolidari-tät innerhalb von Netzgebieten beibehalten wird. Ohne EMG ist in Zukunft tendenziell ein Aufbre-chen der Preissolidarität zu erwarten (selbst wenn es bei Ablehnung des EMG in den nächsten Jah-ren nicht zu einer vollständigen Marktöffnung käme).

c) Auswirkungen auf die Preissolidarität zwischen Netzgebieten

Ohne EMG werden die bisherigen Unterschiede zwischen den Netzgebieten fortbestehen, da es weder auf kantonaler noch nationaler Ebene Ansätze gibt, welche für einen Ausgleich sorgen wür-den.

Mit dem EMG ist ein Ausbau des Service Public geplant, da auf der Kantonsebene die durchschnitt-liche Durchleitungsvergütung nicht mehr als 25 Prozent über dem gesamtschweizerischen Mittel liegen soll.21 Die Kantone sind verpflichtet, entsprechende Massnahmen auf ihrem Territorium zu treffen, um unverhältnismässige Preisunterschiede anzugleichen (EMG Art 6, Absatz 5). Sofern die Obergrenze (trotz kantonaler Massnahmen) überschritten wird, trifft der Bundesrat subsidiär andere geeignete Massnahmen wie z.B. interkantonale Netzgesellschaften oder Errichtung eines Aus-gleichsfonds (EMV Art. 12, Absatz 1).

Ein Vergleich mit den in Grafik 1 dargestellten Netzgebieten zeigt, dass diese Regelung in der Praxis Wirkung zeigen könnte: Zwei der untersuchten Netzgebiete mit Durchschnittskosten von 10.5 bzw.

12.9 Rp./kWh liegen um mehr als 25% über dem ermittelten Mittelwert (7.2 Rp./kWh) der neun un-tersuchten Netze.

3.3.2 Auswirkungen auf die Preissolidarität bei den Anschlusskosten

Heute werden von vielen EVU kostenorientierte Anschlussgebühren erhoben. Die Liberalisierung wird den Druck in Richtung verursachergerechter Anschlussgebühren verstärken.

Im Falle einer ungeregelten Liberalisierung (ohne EMG) ist daher zu erwarten, dass die Differenzie-rung in Richtung kostendeckender Anschlussgebühren weiter zunimmt.

20 Preisunterschiede sind noch möglich, indem unterschiedliche öffentliche Abgaben (z.B. sogenannte Konzessionsabgaben der Gemeinden) in jeder Gemeinde separat ausgewiesen und mit der Durchleitungsvergütung in Rechnung gestellt wer-den.

21 Wir haben an dieser Stelle nicht zu beurteilen, ob der Ausbau des Service Public sinnvoll ist. Aus ökonomischer Sicht muss allerdings festgehalten werden, dass die Umlegung von Kostendifferenzen auf die Preise (hier auf die

Durchlei-Im EMG ist für die festen KundInnen in der Übergangsphase im Grundsatz ein vollständige Preisso-lidarität vorgesehen. Die Kantone haben festzulegen, in welchen Ausnahmefällen davon abgewichen werden kann (EMG Art. 32, Absatz 2). Nach der Übergangsphase steht es den Kantonen frei, Be-stimmungen über die Anschlusskosten zu erlassen (EMG Art. 11, Absatz 3).22

Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit dem EMG der Service Public in der Übergangsphase gegenüber der heutigen Praxis ausgebaut wird. Nach der Übergangsphase hängt die Entwicklung von den Bestimmungen ab, welche die Kantone in diesem Bereich treffen.