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ACTH (Wirkstoff

4.4 Einfluss von Anästhetika auf den Serumcortisol-Spiegel

Ein Aspekt der allgemeinen Anästhesie ist die Reduktion der durch einen operativen Eingriff hervorgerufenen Stressantwort, da diese mitverantwortlich ist für eine verzögerte Wundheilung und Rekonvaleszenz, für eine erhöhte postoperative Morbidität und eine vom Eingriff unabhängige erhöhte Anforderung an Organfunktionen (KEHLET 1997; CAMBRIGE et al. 2000; DESBOROUGH 2000;

KEHLET u. HOLTE 2001).

Allgemein wird eine gering ausfallende Stresshormonausschüttung als Zeichen für eine gute Analgesie, ausreichend tiefe Anästhesie und schonende chirurgische Technik gewertet, bzw. dient als Nachweiskriterium dieser Paradigmen (VON BORMANN et al. 1985; LACOUMENTA et al. 1986; GILLMAN et al. 1988; BRANDT et al. 1988; SEITZ 1991; BORNSCHEUER et al. 1997; BURPEE et al. 2002;

SUTHERLAND et al. 2002).

Unabhängig von der Verringerung oder Ausschaltung der Wahrnehmung der als Stressoren wirkenden Reize bei operativen Eingriffen können Anästhetika und Analgetika die Sekretion von Stresshormonen allein durch ihre Pharmakodynamik beeinflussen.

4.4.1 Einfluss von Atropin auf den Serumcortisol-Spiegel

GARCY und MAROTTA (1978) untersuchen an Katzen die Plasmacortisolkonzentration nach intracerebroventrikulärer Atropinverabreichung (Perfusion über 30 bis 60 Minuten mit 0,8 bzw. 3 µg Atropin/min) und können keine signifikanten Änderungen der Cortisolkonzentration feststellen. Auch bei CASANUEVA et al. (1986) zeigt sich nach intramuskulärer Verabreichung von 1 mg Atropin bei erwachsenen Männern nach dreißig Minuten im Vergleich zur Kontrollgruppe kein höherer Cortisol-Spiegel.

4.4.2 Einfluss von Alcuronium auf den Serumcortisol-Spiegel

Nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien wie Alcuronium werden beim Menschen standardmäßig zur Erleichterung der Intubation und zur Muskelerschlaffung bei Operationen eingesetzt. Auch in Studien, welche die Einflüsse volatiler Anästhetika auf die neuroendokrine Stressantwort untersuchen, wird meistens mit Muskelrelaxantien gearbeitet (ADAMS et al. 1987b und 1991; BOOMSMA et al.

1990). Ein Einfluss der nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien auf die gemessene Cortisolkonzentration wird nicht diskutiert, weder beim Menschen noch bei der Katze (HONIG et al. 1996).

4.4.3 Einfluss von Ketamin auf den Serumcortisol-Spiegel

ADAMS et al. (1992) und DOENICKE et al. (1992) beschreiben die Auswirkungen einer Ketamin-Monoanästhesie auf das Endokrinum und stellen bei Probanden einen Cortisol-Anstieg nach Ketamin-Injektion (2 mg/kg KM) mit einem Maximum dreißig Minuten post injektionem fest. Der beobachtete Cortisol-Anstieg bewegt sich allerdings bei beiden Studien innerhalb des Normbereichs für Menschen. Bei Prämedikation mit Midazolam bleibt der Cortisol-Anstieg aus (DOENICKE et al.

1992).

Bei der Katze wird ein Anstieg der Serumcortisolkonzentration nach Ketamin-Injektion nicht beschrieben. CARTER et al. (1984) verabreichen zunächst Ketamin in einer Dosierung von 17,5 mg/kg KM und beobachten einen Cortisol-Anstieg von initial 3,6 auf 6,2 µg/dl im Zeitraum von 54 bis 84 Minuten nach der Injektion, allerdings befanden sich die Katzen zu diesem Zeitpunkt bereits in der Aufwachphase. Eine anschließende Untersuchung unter Ketamin-Monoanästhesie in einer Dosierung von 23 mg/kg KM mit wiederholter Verabreichung von 12 mg Ketamin/kg KM zeigt eine kontinuierlich niedrige Cortisolkonzentration.

Es überwiegt der Einsatz von Ketamin in Verbindung mit Benzodiazepinen, Phenothiazin-Derivaten oder Xylazin. WILLEMSE et al. (1993) und MOON (1997)

verwenden Ketamin in Verbindung mit Diazepam, SMITH et al. (1996) setzen Ketamin und Acepromazin ein. Diese Studien zeigen keinen anästhesiebedingten Cortisol-Anstieg.

4.4.4 Einfluss von Xylazin auf den Serumcortisol-Spiegel

Es liegen keine Studien zu einem möglichen Einfluss von Xylazin auf den Cortisol-Spiegel der Katze vor. Bei Hunden verändert sich der Cortisol-Cortisol-Spiegel nach Xylazin-Verabreichung nicht signifikant (AMBRISKO u. HIKASA 2002). Bei Ziegen unterdrückt Xylazin den Cortisol-Anstieg bei Transporten (ALI u. AL-QARAWI 2002), was aber eher durch eine verminderte Wahrnehmung des Stressors „Transport“ zu erklären ist.

4.4.5 Einfluss von Halothan und Lachgas auf den Serumcortisol-Spiegel

Experimentelle Halothan-Mononarkosen ohne jegliche Prämedikation und ohne operativen Eingriff führen beim Menschen zu einem signifikanten Abfall der Cortisolkonzentration. Wird Halothan mit Lachgas kombiniert, so ist ein hochsignifikanter Anstieg des Cortisol-Spiegels zu verzeichnen, der auf den Stress von Exzitationen und psychischer Erregung durch Lachgas zurückzuführen ist, welches bedeutend schneller anflutet als Halothan (BRANDT et al. 1988). BRANDT et al. (1988) folgern, dass Halothan dämpfend auf die adrenocorticale Aktivität wirkt, während Lachgas einen stark stimulierenden Effekt besitzt. Nach Einleitung mit Injektionsnarkotika und Erhaltung mit Halothan/Lachgas werden hingegen keine signifikanten Änderungen der Cortisolkonzentration beobachtet (ADAMS et al.

1987a; ROTHHAMMER 1987; BRANDT et al. 1988; SEITZ 1991).

MOON zeigte 1997, dass Katzen unter Halothan-Lachgas-Narkose, welche mit Ketamin und Diazepam eingeleitet wurde, keine signifikanten Änderungen der Cortisolkonzentration zeigen. Die Katzen waren mit Atropin prämediziert. Um das

Reaktionsvermögen der Nebennierenrinde zu testen, wurde unter Narkose ein ACTH-Stimulationstest durchgeführt, welcher bei allen Katzen zu einem Anstieg der Cortisolkonzentration führte, wie er auch bei wachen Katzen durch ACTH-Verabreichung ausgelöst wird.

4.4.6 Einfluss von Fentanyl auf den Serumcortisol-Spiegel

SEITZ beschreibt 1991, dass „die Schmerzausschaltung durch Opiate, d.h. die Hemmung aszendierender nociceptiver Informationen auf spinaler Ebene und ihre Weiterverarbeitung im Bereich thalamischer Kernareale, die Stressantwort dosisabhängig vermindert“. DESBOROUGH (2000) quantifiziert diese Aussage:

Fentanyl unterdrückt beim Menschen in Dosierungen von 50 bis 100 µg/kg KM die Stressreaktion von Hypothalamus und Hypophyse, solange die Stressoren nicht übermäßig sind. So steigt die Cortisolkonzentration bei Legen eines kardiopulmonären Bypasses auch bei Verwendung hoher Fentanyl-Dosierungen.

Nach KONO et al. (1981) bleibt bei Verabreichung von Fentanyl in hohen Dosen (100 µg/kg KM) beim Menschen die Stressantwort bei Operationen aus. Unter Dosierungen von 25 µg/kg KM wiederholt als Bolus oder 25 µg/kg KM initial und 10 µg/kg/h per Infusion zeigen Neugeborene bei chirurgischen Eingriffen am Herzen einen erhöhten Cortisol-Spiegel (GRUBER et al. 2001). Nach LACOUMENTA et al.

(1987) und DESBOROUGH (2000) genügt bei chirurgischen Eingriffen im unteren Abdomen Fentanyl in einer Dosis von 15 µg/kg KM, um die Stressantwort zu unterbinden. Wird Fentanyl erst während des operativen Eingriffs verabreicht, entsteht kein Effekt auf die bereits erfolgte endokrine Stressantwort (DESBOROUGH 2000).

In einer Studie an adulten Männern wird die Veränderung der Cortisolkonzentration nicht im Rahmen einer Anästhesie untersucht, sondern direkt mit der Verabreichung von Fentanyl in Verbindung gestellt: HOEHE et al. (1988) injizieren den Probanden Fentanyl in verschiedenen Dosierungen (1,4, 2,9 und 3,6 µg/kg KM) und beobachten in einem Zeitraum von zwei Stunden eine Reduktion der Cortisolkonzentration auf ca. 40% der Basalwerte, wobei der größte Abfall bei der kleinsten

Fentanyl-Konzentration verzeichnet wurde. Das Reaktionsvermögen auf Stressoren blieb unbeeinflusst. Die Fentanyl-Injektionen fanden um 9.30 Uhr morgens statt und auch die Kontrollgruppe zeigt einen, wenn auch schwächeren, Abfall der Cortisolkonzentration, der auf die beim Menschen stark ausgeprägte circadiane Rhythmik des Hormons zurückzuführen ist.

Katzen reagieren bei Verwendung eines transdermalen Fentanyl-Pflasters, welches pro Stunde 25 µg Fentanyl freisetzt, nicht mit signifikanten Veränderungen des Cortisol-Spiegels. GLERUM et al. (2001) messen bei der nicht-anästhesierten, nicht operierten Kontrollgruppe Fentanyl-Konzentrationen im Bereich von 1 bis über 5 ng/ml im Plasma, die Cortisolwerte bewegen sich im Bereich von 1 bis 3 µg/dl, sind also weder auffällig hoch noch niedrig. Dieselbe Fentanyl-Konzentration reicht aus, um bei anästhesierten, ovariohysterektomierten Katzen die Stressantwort im Vergleich zur Gruppe ohne Fentanyl-Patch signifikant zu minimieren (GLERUM et al.

2001).