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4. Diskussion

4.2 Einfluss des Transplantationsstatus auf das Überleben

Bei einem vergleichsweise hohen Anteil (29%) der in dieser Arbeit untersuchten Patienten war die akute Nierenschädigung im Rahmen der Transplantation eines soliden Organs aufgetreten, was durch die Funktion der Medizinischen Hochschule Hannover als überregionales Transplantationszentrum bedingt ist.

Die Sepsis bzw. der septische Schock ist zudem eine der häufigsten Komplikationen nach Organtransplantation und mit 33% bei Herz-Transplantationen und 24% in Lebertransplantationen eine der häufigen Todesursachen.56;57 Man muss daher einen gewissen Inklusionsbias für die initiale HANDOUT-Population konstatieren. Zukünftige Studien zum Thema wären daher besser multizentrisch anzulegen.

Auffällig war in unserer Untersuchung, dass die transplantierten Patienten sowohl eine tendenziell bessere Überlebensrate bis Tag 28 (53,3% versus 39,6%) als auch für das 5-Jahres-Überleben zeigten (70,8% versus 68,2%).

Aufgrund der Fallzahl und der Heterogenität war der Unterschied zwar statistisch nicht signifikant, deckt sich aber im Kern mit der Beobachtung durch Malinis et al. 2012, die zeigten, dass Empfänger einer soliden Organtransplantation mit 94% versus 79% für 30 Tage und 72% versus 56% für

ein Jahr ein deutlich besseres Überleben bei Staphylococcus aureus-Bakteriämie erreichten.58

Hierin wäre somit eine möglich Ursache für das tendenziell bessere Abschneiden der Gesamtkohorte in Hannover im Vergleich zu anderen publizierten Studienpopulationen nach akuter Nierenschädigung und im Langzeitverlauf nach akuter Nierenschädigung zu sehen.

Eine Ursache für das bessere Überleben der transplantierten Patienten bei septischem Schock ist möglicherweise der Einfluss der immunsuppressiven Therapie auf die komplexen immunologischen Vorgänge im Rahmen der Sepsis.

Diese sind bis heute nicht komplett verstanden, und es wird diskutiert, dass eine immunmodulatorische Therapie, zum Beispiel durch Verminderung der Produktion proinflammatorischer Zytokine, einen positiven Verlauf auf das Outcome bei Sepsis haben kann.59 Auch kann die Niere in der Folge einer anderen schweren Organdysfunktion „nur“ funktionell geschädigt sein (z.B. im Rahmen eines hepatorenalen Syndroms) und sich dementsprechend schnell wieder erholen.60 Für das bessere 5-Jahres-Überleben ist möglicherweise auch die enge Anbindung der transplantieren Patienten an Haus- und Fachärzte sowie die Transplantationsambulanzen verantwortlich, was ein früheres Erkennen anderer Erkrankungen ermöglicht.

4.3 Lebensqualität

Die Untersuchungen zur Lebensqualität mittels des SF-36™ Fragebogens zeigen, dass die subjektive Lebensqualität nach akuter Nierenschädigung zwar im Durschnitt 16,9 ± 10,0 Punkte über der für die Entwicklung des Fragebogens herangezogenen US-amerikanischen Normpopulation liegt. Vergleicht man die Ergebnisse aber mit einer aktuellen Untersuchung der bundesdeutschen Bevölkerung so zeigt sich, dass die hier untersuchten Probanden über alle acht Subskalen verteilt im Mittel 10,98 ± 7,3 Punkte schlechter abschneiden und einzig in der Kategorie „Psychisches Wohlbefinden“ eine minimal höhere

Van Berendoncks et al. untersuchten 2010 Überlebende ein bis zwei Jahre nach akuter Nierenschädigung.61 Die subjektive körperliche Gesundheit lag dort mit 42,1 ± 12,8 ca. drei Punkte unter den Werten von 45,2 ± 10,6, die in unserer aktuellen Arbeit gefunden wurden. Die selbst empfundene geistige Gesundheit ist bei den Probanden in unserer Untersuchung mit 48,6 ±11,0 Punkten nur minimal schlechter als die von Berendoncks gefundenen 51,0 ± 11,6 Punkte. In beiden Untersuchungen liegen die Werte jedoch innerhalb der Standardabweichung von zehn Punkten, die in der ursprünglichen Fragebogenpopulation impliziert wird.44 Insgesamt zeigen beide Untersuchungen sehr ähnliche Ergebnisse.

Auch Delannoy et al. untersuchten 2009 Überlebende nach akuter Nierenschädigung und Nierenersatztherapie bezüglich der Lebensqualität. Sechs Monate nach dem Akutereignis fanden sie Werte von 37 ± 11 Punkten für die körperliche und 47 ± 11 Punkten für die geistige Gesundheit.62 Somit liegen auch sie im Bereich der von uns ermittelten Werte.

In einer weiteren aktuellen Studie von Abelha et al. aus dem Jahr 2009 wurde die Lebensqualität sechs Monate nach akuter Nierenschädigung ebenfalls mittels SF-36™ untersucht.63 Es liegen nur die Werte für die acht Subskalen vor, während die Werte für die beiden Übersichtskategorien körperliche und geistige Gesundheit fehlen. Die Ergebnisse der Subskalen liegen im Durchschnitt 23,4 ± 2,0 Punkte unter den von den hier untersuchten Probanden erzielten Ergebnissen. Die größte Abweichung liegt in der Subskala „Emotionale Rollenfunktion“ vor, wo der Unterschied 35,2 Punkte beträgt. Insgesamt wurde dort also eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität beobachtet.

Obwohl der Untersuchungszeitpunkt deutlich früher liegt als in unserer Untersuchung, so sind die Größe der untersuchten Gruppe von Patienten und die Voraussetzungen für den Studieneinschluss ähnlich.

Insgesamt ist die Lebensqualität von Patienten, die eine akute Nierenschädigung bei Multiorganversagen überleben weniger gut als in der deutschen

Gesamtbevölkerung. Allerdings liegt sie über den Werten für die US-amerikanische Standardpopulation. Gute Ergebnisse zeigen sich vor allem in den Kategorien „Psychisches Wohlbefinden“ und „Körperliche Schmerzen“. Es ergeben sich also, jeweils im Vergleich zur deutschen Normalbevölkerung, keine oder nur geringe Einschränkungen durch körperliche Schmerzen und ein überwiegend euthymer Gemütszustand. Auch die „Emotionale Rollenfunktion“

ist als normal anzusehen, das heißt, es entstehen keine Probleme in Alltagsaktivitäten durch emotionale Belastung. In der Kategorie „Körperliche Funktionsfähigkeit“ finden sich die stärksten Einschränkungen, die körperliche Belastbarkeit ist also vermindert. Geht es um die Einschätzung von subjektiver Gesundheit liegen die Werte nur leicht unter der Norm und sind somit nur gering beeinträchtigt.

4.4 Nierenfunktion

Die akute Nierenschädigung gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen höhergradigen Nierenfunktionseinschränkung. Eine akute Nierenschädigung im Rahmen eines stationären Aufenthaltes erhöht das Risiko eine chronische Nierenkrankheit des Stadiums IV oder V nach KDIGO 2009 zu erreichen um den Faktor 28.64

In unserer Studie ergab die Untersuchung der Nierenfunktion, dass die Nierenfunktion der Studienteilnehmer im Durchschnitt auf Stadium II der CKD eingeschränkt war. Nur ein Überlebender war dialysepflichtig, während 40,4%

der Überlebenden an einer Einschränkung der Nierenfunktion im Sinne einer chronischen Nierenkrankheit litten.

Es liegen wenige Studien zum Vergleich vor, die die Nierenfunktion über einen längeren Zeitraum nach akuter Nierenschädigung beobachtet haben. Schiffl et al. fanden 2008 eine Dialyserate bzw. Rate an ESRD von 3% nach fünf Jahren.53 Die Rate an chronischer Niereninsuffizienz, definiert als eine GFR < 90 ml/min/1,73m², lag bei 13%. Luckraz fand eine Dialyserate nach fünf Jahren

gemacht werden.34 10% dialysepflichtige Patienten und 41% chronisch niereninsuffiziente Patienten fanden 2002 Morgera et al., ebenfalls nach fünf Jahren.52 Triverio et al ermittelten die Rate von neu aufgetretener Niereninsuffizienz, definiert als GFR < 60 ml/min/1,73m², nach AKI und RRT mit 43,9% nach drei Jahren.65 Dabei waren 10,1% der Patienten dialysepflichtig.

Während Morgera und Luckraz retrospektive Analysen durchführten, sind sowohl meine Arbeit als auch die von Schiffl et al und Triverio et al. prospektiv.

Es zeigt sich also, dass die in unserer Untersuchung gefundene Rate an CKD Stadium V mit den Ergebnissen vorheriger Studien übereinstimmt. Auch die Rate an chronischen Nierenerkrankungen der Stadien I-IV ist vergleichbar mit den Zahlen anderer Untersuchungen. Insgesamt leidet über die Hälfte der Patienten nach akuter Nierenschädigung und RRT an einer Nierenfunktionseinschränkung, die Nierenfunktion ist absolut jedoch nur moderat beeinträchtigt. Ein Ausdruck hiervon sind auch die in unserer Untersuchung gefundenen nur leichten Erhöhungen der Retentionsparameter Kreatinin, Harnstoff und Cystatin-C, während Marker für fortgeschrittene CKD wie Elektrolyte und die Hämatopoesefunktion normwertig blieben.