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4.4 Selektivität des CBZ-spezifischen Antikörpers

4.4.3 Einfluss des pH-Wertes auf die Kreuzreaktivität

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Abbildung 35: Kalibrierkurven von CBZ und Cetirizin wurden bei acht verschiedenen pH-Werten bestimmt.

Dargestellt ist die Abhängigkeit der Signalstärke (a) und der Testmittelpunkte (b) vom pH-Wert. Beide Abbildungen zeigen jeweils Mittelwert und Standardabweichung aus zwei Experimenten.

Cetirizin besitzt zwei Amino-Gruppen und eine Carbonsäure-Gruppe, die in Abhängigkeit vom pH-Wert protoniert bzw. deprotoniert werden (pKa = 2,2; 2,9; 8,0 [313]). Daher wurde untersucht, welche Auswirkungen ein veränderter pH-Wert auf Selektivität und Sensitivität des ELISAs hat. Hierzu wurden acht verschiedene Probenpuffer im pH-Bereich zwischen 3,5 und 10,5 untersucht.

Die Signalstärke (A-Wert der Kalibrierfunktion) war im pH-Bereich zwischen 4,5 und 9,5 annähernd konstant (s. Abbildung 35a). Außerhalb dieses Bereichs nahm das Signal rasch ab, was vorwiegend auf die Denaturierung des Enzyms zurückzuführen sein dürfte.

Zudem hatte der pH-Wert einen deutlichen Einfluss auf die Selektivität des Antikörpers.

Beim Wechsel von neutralem zu basischem pH-Wert sank die Affinität des Antikörpers gegenüber Cetirizin, während sie für CBZ annähernd konstant blieb (s. Abbildung 35b).

Für dieses Verhalten kann die Deprotonierung von Cetirizin verantwortlich gemacht werden.

Unter neutralen Bedingungen bildet Cetirizin ein Zwitter-Ion, das eine negative Ladung an der Carbonsäure und eine positive Ladung am Piperazin-Ring trägt. Letztere wird oberhalb von pH 8 überwiegend deprotoniert, so dass ein Anion zurückbleibt. Der Kehrwert des Testmittelpunkts, der als Maß für die Affinität des Antikörpers interpretiert werden kann, zeigt eine vergleichbare pH-Abhängigkeit wie der Molenbruch des Zwitterions von Cetirizin.

Hieraus lässt sich ableiten, dass das Zwitterion maßgeblich verantwortlich ist für die Kreuzreaktivität von Cetirizin (s. Abbildung 36).

3 4 5 6 7 8 9 10 1 / IC50 (normiert auf 100%) Molenbruch der Spezies

pH-Wert des Probenpuffers

Abbildung 36:a) Normierter, reziproker IC50-Wert von Cetirizin und Molenbrüche der Spezies in Abhängigkeit vom pH-Wert des Probenpuffers (Spezies I: Dikation; II:Kation; III: Zwitter-Ion; IV: Anion; Mittelwert und Standardabweichung aus zwei Experimenten); b) Struktur von Cetirizin (Spezies III) mit pKa-Werten.

Darüber hinaus war ein Einfluss des pH-Wertes auf die Selektivität des Antikörpers festzustellen. Die Affinität des Antikörpers gegenüber CBZ nahm unterhalb von pH 6,5 ab, während sie gegenüber Cetirizin annähernd konstant blieb. Da CBZ über den gesamten betrachteten pH-Bereich unpolar ist (pKa,1 ≤ 1; pka,2 = 13,9 [323, 324]), deutet dies auf eine Veränderung des Antikörpers selbst hin. Es ist gut möglich, dass die Bindungstasche eine oder mehrere Aminosäuren enthält, die im fraglichen pH-Bereich protoniert bzw. deprotoniert werden (z. B. Asparaginsäure oder Glutaminsäure). Diese Polaritätsveränderung kann für die geringere Bindungstendenz an CBZ verantwortlich sein. Dass Cetirizin hiervon weniger betroffen ist, kann sterische Gründe haben oder durch eine zumindest teilweise unterschiedliche Bindungsstelle bedingt sein.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des pH-Wertes zwei systematischen Fehlern unterliegt. Zum einen wurde der pH-Wert mit einer Glaselektrode gemessen, die in Lösungen mit hohen Natrium-Konzentrationen an Zuverlässigkeit verliert.

Zum anderen wurde der Probenpuffer durch die Probenzugabe um den Faktor 4 verdünnt, was allein schon eine Veränderung des pH-Wertes um mehrere Zehntel verursachen kann.

Daher sind die Kurven in Abbildung 35 und Abbildung 37 möglicherweise im Detail nicht korrekt, der generelle Trend dürfte jedoch zutreffen.

Weiterhin wurde für weitere Arzneimittel und Metaboliten untersucht, wie sich eine Änderung des pH-Wertes auf die Kreuzreaktivitäten auswirkt (s. Abbildung 37). Die für die

Ergebnisdiskussion nötigen pKa-Werte sind in Tabelle 19 aufgeführt. Soweit verfügbar wurde auf experimentelle Werte zurückgegriffen, in den übrigen Fällen wurde die Berechnung der pKa-Werte mit einer Software durchgeführt [325]. Die benutzte Software erzielte in einer Vergleichsstudie zwar die besten Resultate [326], hat aber auch Schwächen. So wurde beispielsweise für Oxcarbazepin ein pKa-Wert errechnet, der mit 13,9 deutlich vom experimentellen Wert (10,7) abwich.

Abbildung 37: Abhängigkeit der Kreuzreaktivität vom pH-Wert des Probenpuffers. a) Verbindungen ohne Polaritätswechsel im dargestellten pH-Bereich; b) Verbindungen mit Polaritätswechsel. Die jeweiligen pKa-Werte sind mit einem roten Pfeil markiert. Werte wurden je einmal gemessen.

Die Substanzen Cetirizin, Amitriptylin, Opipramol, Doxepin und 2-OH-CBZ zeigten im sauren und neutralen pH-Bereich eine weitgehend konstante Kreuzreaktivität (s. Abbildung 37a). Im basischen Milieu nahm hingegen in allen Fällen die Kreuzreaktivität stark ab. Die Abnahme der Kreuzreaktivität fiel dabei ungefähr mit dem pKa-Wert zusammen.

Im Gegensatz dazu war die Kreuzreaktivität gegenüber EP-CBZ, Ox-CBZ, 10-OH-CBZ, DiOH-CBZ sowie dem Hapten CBZ-Triglycin über den gesamten untersuchten pH-Bereich relativ konstant (s. Abbildung 37b). Dies ist damit zu erklären, dass diese Substanzen, mit Ausnahme von Ox-CBZ (pKa 10,7), keinen Polaritätswechsel im untersuchten pH-Bereich zeigten. Ox-CBZ ist gesondert zu betrachten, da es mit ca. 0,5 % CBZ verunreinigt war.

Nach Abzug dieses Sockelbetrags von 0,5 % ergibt sich mit steigendem pH-Wert eine Verminderung der Kreuzreaktivität von 0,7 % bei pH 4,5 auf 0,04 % bei pH 10,5, so dass Ox-CBZ de facto der ersten Gruppe zuzurechnen ist.

In fast allen Fällen war bei pH 3,5 ein leichter Anstieg der Kreuzreaktivität zu beobachten.

Bei diesem pH-Wert ist also nicht nur die Affinität des Antikörpers gegenüber CBZ vermindert (s. Abbildung 35a), sondern auch seine Selektivität. Ähnliches war bei pH 10,5 für die Substanzen mit konstanter Polarität zu beobachten.

Es bleibt festzuhalten, dass zum einen der Ladungszustand des Antikörpers von Bedeutung ist. Dies zeigt sich im sauren pH-Bereich an der Affinitätsveränderung des Antikörpers

gegenüber CBZ, das über den gesamten untersuchten pH-Bereich unpolar ist. Zum anderen ist auch der Ladungszustand des Liganden von Bedeutung, was sich in der pH-abhängigen Kreuzreaktivität von Cetirizin und zahlreichen weiteren Substanzen äußert.

Bei pH 10,5 waren die Kreuzreaktivitäten der meisten Substanzen am geringsten, so dass dieser pH-Wert besonders günstig für die Analyse von Gewässerproben ist.