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Einfache W- Fragen und der Einfluss der zugehörigen Akzentsetzung in den Antworten

empirische Systemerforschung

3.4 Beziehungen zwischen Satzgliedabfolge, Akzentuierung und Informationsstruktur

3.4.3 Einfache W- Fragen und der Einfluss der zugehörigen Akzentsetzung in den Antworten

Der folgende Untersuchungsschritt dient einer Überprüfung des Einflusses einfacher W- Fragen auf die Akzentuierung von Satzgliedern in nachfolgenden Antworten sowie umgekehrt einer Klärung der Abhängigkeit prädikativer Her-vorhebungen von Akzentuierungen� Dafür reicht es i�W� vorerst aus, von den Ergebnissen der Prosodieforschung den Sachverhalt zu nutzen, dass es silben-bezogen sog� Hervorhebungsakzente zur Markierung besonders wichtiger Infor-mationen gibt, die sich aufgrund ihrer vergleichsweise starken Ausprägung in Lautstärke, Tonhöhenverlauf oder Länge auditiv eindeutig identifizieren lassen und die sich von Wort- und Satzakzenten durch eine größere Intonationsband-breite unterscheiden (vgl� hierzu etwa Schwitalla 2006: 56ff�)� Im Deutschen ist der für die drei Akzenttypen wichtigste Faktor die Tonhöhe bzw� die Tonhö-henveränderung und deshalb nennt man sie auch Tonakzente (vgl� Grice und Baumann 2016: 95ff�)� In Transkripten werden Hervorhebungsakzente üblicher-weise durch Schreibung der betreffenden Silben in Großbuchstaben notiert;

z�B� würde man in der Antwort von (3/ 3b) eine prosodische Hervorhebung des Nomens im Dativobjekt durch dem LEHrer darstellen� Zugleich kann das Dativ-objekt dann als ein durch Akzentuierung hervorgehobenes Satzglied bezeichnet werden� Weiterhin wird oft angenommen, Hervorhebungsakzente hätten über-wiegend eine Kontrastfunktion (so auch von Schwittalla: 58)� Diese Annahme ist aber nach den bisherigen Überlegungen zu undifferenziert� Vielmehr dienen

diese Akzente der Herstellung von Aufmerksamkeit und Relevanzsetzung und sie können je nach Akzentart verschiedene Funktionen haben� Von den in der Literatur für die drei Akzenttypen unterschiedenen Tonakzenten müssen hier nur zwei Arten betrachtet werden� Vorrangig geht es zunächst um den hohen Tonakzent, dem ein tiefer Ton vorausgeht und den man als „steigend- hoch“

bezeichnet� Mit diesem Akzent ist das Problem verbunden, dass sich sein evtl�

später nachfolgender tiefer Zielpunkt oft nicht auf der nächsten Silbe befindet und dann auch nicht als ihm zugehörig wahrgenommen wird (Grice und Bau-mann: 96)� Dieses Problem spielt aber für die prototypischen Akzentuierungen im zu untersuchenden Datenbereich keine Rolle� Deshalb wird dieser Akzent hier steigend- fallender Hervorhebungsakzent genannt und z�B� durch ↑LEHrer notiert; zudem zeigt er oft das Ende von Konstituenten an und soll dann auch schließend heißen� Analog dazu lässt sich für schwach hervorgehobene, also weniger stark betonte steigend- fallende Akzente die Notation ↑Lehrer ver-wenden; auf ihre Funktion wird später eingegangen� Der zweite hier zu betrach-tende Akzenttyp ist ein tiefer Tonakzent, dem ein hoher Ton folgt� Dieser Akzent wird als fallend- steigend wahrgenommen und man kann ihn auch öffnend nen-nen, weil er oft signalisiert, dass eine bei ihm begonnene Konstruktion noch fortgesetzt wird� In den hier betrachteten Beispielsätzen geht öffnenden Her-vorhebungsakzenten i�Allg� eine Silbe mit einem höheren Ton voraus; deshalb soll für sie die inverse Notation, also z�B� wie bei ↓LEHrer verwendet werden�

Außerdem besteht eine häufige Funktion öffnender Akzente darin, zwischen dem Satzglied mit dem akzentuierten Wort und einer nachfolgenden Konstitu-ente einen syntaktischen Zusammenhang herzustellen� Das gilt u�a� in W- Fragen für die Beziehung zwischen einem Fragewort und der AKO, also z�B� für die Frage- Antwort- Sequenz Maria zeigtWEM↑ das Buch? Dem ↑LEHrer� Dieses Beispiel lässt vermuten, dass auch die Kombination von öffnendem und schlie-ßendem Tonkzent oft eine grammatisch wichtige Rolle spielt�

Nach den erforderlichen Vorklärungen soll nun mit der Variationsmethode der Einfluss einfacher W- Fragen nach dem direkten oder indirekten Objekt auf die mögliche Akzentuierung gesprochener Antwortsätze vom Typ (3/ 1a) und (3/ 1b) bestimmt werden� Zunächst kann man wegen der eingeschränkten Akzeptabilität der beiden Frage- Antwort- Sequenzen Wem zeigt Maria das Buch? Maria zeigt dem LEHrer das Buch und Wem zeigt Maria das Buch?

Maria zeigt dem Lehrer dasBUCH↑ schon ausschließen, dass zu einfachen W- Fragen die Hervorhebung eines Satzglieds im Mittelfeld durch einen fallend- steigenden Akzent passt� Deshalb sind mindestens acht Beispielvarianten von Frage- Antwort- Sequenzen zu betrachten, in denen in der Antwort jeweils ein steigend- fallender Akzent auf das Nomen der AKO gesetzt ist�

(3/ 3e) Wem zeigt Maria das Buch? Maria zeigt dem ↑LEH↓rer das Buch.

(3/ 3f) Wem zeigt Maria das Buch? Maria zeigt dem Lehrer das ↑BUCH↓.

(3/ 3g) Wem zeigt Maria das Buch? Maria zeigt das ↑BUCH↓ dem Lehrer.

(3/ 3h) Wem zeigt Maria das Buch? Maria zeigt das Buch dem ↑LEH↓rer.

(3/ 3i) Was zeigt Maria dem Lehrer? Maria zeigt dem ↑LEH↓rer das Buch.

(3/ 3j) Was zeigt Maria dem Lehrer? Maria zeigt dem Lehrer das ↑BUCH↓.

(3/ 3k) Was zeigt Maria dem Lehrer? Maria zeigt das ↑BUCH↓ dem Lehrer.

(3/ 3l) Was zeigt Maria dem Lehrer? Maria zeigt das Buch dem ↑LEH↓rer.

In vier Beispielen von (3/ 3e - (3/ 3l) stimmen die durch Befragung hervorgeho-benen Konstituenten mit den durch Akzentuierung hervorgehohervorgeho-benen überein und dementsprechend liegen auch dieselben Akzeptabilitätsverhältnisse wie in (3/ 3a) - (3/ 3d) vor� Die Antwortsätze in (3/ 3h) und (3/ 3j) sind nämlich uneinge-schränkt akzeptabel und auch die Antwort in (3/ 3e) scheint analog zur Antwort in (3/ 3a) noch akzeptabel zu sein, aber etwas weniger akzeptabel als die Antwort in (3/ 3h)� Dagegen ist die Akzeptabilität der Antwort in (3/ 3k) deutlicher einge-schränkt� Im Unterschied dazu wirken die vier Antworten, bei denen wie z�B� in (3/ 3f) die durch Befragung hervorgehobene nicht mit der akzentuierten Kons-tituente übereinstimmt auf eine spezielle Art inkohärent, also inakzeptabel� Was bedeutet dieses Ergebnis? Offensichtlich kann man nur solche Satzglieder ohne Einschränkung der Akzeptabilität mit einem steigend- fallenden Akzent verse-hen, die eine durch Befragung prädikativ hervorgehobene Konstituente (PHKO) bilden� Außerdem ist auch eine Hervorhebung von mehr als einem Satzglied durch steigend- fallende Akzente wie z�B� in

(3/ 3l) Maria zeigt dem ↑LEH↓rer das ↑BUCH↓.

allenfalls eingeschränkt akzeptabel� Insofern verhindern eine Hervorhebung eines Satzglieds durch Befragung oder eine solche durch Akzentuierung in glei-cher Weise, dass andere Satzglieder einen steigend- fallenden Akzent erhalten�

Warum das so ist, kann erst später erklärt werden�

Weil für die prädikative Hervorhebung eines Satzglieds eine vorausgehende korrespondierende Frage ausreicht, kann man als Nächstes überprüfen, ob die für starke Hervorhebungsakzente in (3/ 3e) - (3/ 3l) beobachteten Effekte auch bei schwach hervorgehobenen Akzenten auftreten� Das ist von (3/ 3k) abgesehen eindeutig der Fall� Deshalb wäre bei der nachfolgenden Diskussion immer zu kontrollieren, inwieweit die mit Hervorhebungsakzenten verbundenen Phäno-mene auch schwache Akzente betreffen� Das soll hier aber nur bei bestimmten Ausnahmen geschehen�

Insgesamt gesehen kommt also zu den bisherigen Präzedenzprinzipien noch ein Akzentprinzip hinzu, das besagt: Wenn in einem gesprochenen Aussagesatz

ein Satzglied SG vom Typ einer einfachen definiten Nominalphrase durch Befragung prädikativ hervorgehoben ist, dann kann das den jeweiligen Refe-renzbereich bestimmende Teilwort in SG auch einen steigend- fallenden Hervor-hebungsakzent erhalten und dadurch erhöht sich der Effekt der Relevanzsetzung evtl� noch� Theoriendynamisch wichtig ist jetzt, dass sich dieses Prinzip für die gesprochene Sprache auch in umgekehrter Richtung zumindest für starke Akzente als ein kotextunabhängiges Kriterium für eine PHKO- Identifizierung nachweisen lässt� Dazu geht man von den akzentuierten Aussagesätzen in (3/ 3e) - (3/ 3l) aus und überprüft, welche von ihnen syntaktisch akzeptabel und zugleich durch eine W- Frage passend erfragbar sind� Das gilt wieder unein-geschränkt für (3/ 3h) und (3/ 3j) und mit Einschränkungen für (3/ 3a) und (3/ 3k)� Als Kriterium kann man also ansetzen: Wenn in einem elementaren und syntaktisch akzeptablen Aussagesatz genau ein Satzglied SG vorkommt, das ein Wort mit einem steigend- fallenden Akzent enthält, dann ist SG i�Allg� prädikativ hervorgehoben� Deshalb ist es auch in diesem Sinne legitim, von einem Hervor-hebungsakzent zu sprechen� Zugleich hängt dann von dem betreffenden und als „Hervorhebungszentrum“ bezeichenbaren Wort ab, in welcher Reihenfolge die Referenzherstellung in SG verläuft, gegen welche Referenzobjekte sich die zugehörige Abgrenzung ggf� richtet und welche Inferenzen durch SG evtl� aus-gelöst werden� Das lässt sich z�B� an dem akzentuierten Satz Maria zeigt das Buch dem UNbeliebten Lehrer illustrieren� In ihm wird nämlich durch die Akzen-tuierung des Adjektivs eine situationsbezogene Abgrenzung gegen beliebtere Lehrer vorgenommen� Das gilt aber nur für eine restriktive Lesart des Adjektivs und nicht für eine explikative wie in ihrem bekanntlich ↑UNbeliebten Lehrer�

Dagegen wird beim Satz Maria zeigt das Buch dem unbeliebten ↑LEHrer aus dem Bereich der situativ unbeliebten Personen der Referent identifiziert, der als Lehrer’ gilt� Weiterhin deutet beim Satz Maria zeigt das Buch EInem Lehrer die Akzentuierung des unbestimmten Artikels kontrastiv an, dass mehrere Lehrer als Adressaten infrage gekommen wären� Außerdem kann in syntaktisch kom-plexen Satzgliedern auch ein Wort aus einer untergeordneten Konstituente das Hervorhebungszentrum bilden wie z�B� in dem Lehrer ↑OHne Brille oder in dem Lehrer aus BerLIN↓� Eine andere Besonderheit zeigt die Hervorhebung von koordinierten Satzgliedern in distributiver Lesart (s� Abschnitt 3�4�5)� Um die Zusammengehörigkeit der Konjunkte anzuzeigen, hebt man beide mit einem steigend- fallenden Akzent wie z�B� in dem ↑LEHrer und der ReferenDArin hervor oder wie in dem ↓LEHrer und der ReferenDArin mit einem öffnen-den und einem schließenöffnen-den Akzent� Schließlich ist das Akzentkriterium auch auf Satzglieder anwendbar, die sich nicht mit W- Fragen hervorheben lassen� Das gilt speziell für finite Verben wie z�B� im Satz Maria ↑SCHENKT↓ dem Lehrer

das Buch, bei dem mit dem akzentuierten Verb evtl� ein Kontrast zu einer Leih-handlung aufgebaut wird�

Abschließend soll noch einmal demonstriert werden, wie wichtig es ist, die Interaktion der verschiedenen Präzedenzprinzipien systematisch zu untersu-chen� Dazu eignen sich Beispiele für zwei bisher nicht angesprochene Konflikte des PHKO- Prinzips mit der Grundabfolge DO<IO für Personalpronomina und mit den Prinzipien PPRO<DNP und PPRO<INP (Personalpronomina vor definiten bzw� indefiniten NPs)� Diesbezüglich war schon darauf hingewiesen worden, dass sich die Akzeptabilität elementarer von der Grundabfolge abwei-chender Aussagesätze durch eine geeignete Akzentuierung bestimmter Satzglie-der erhöhen lässt, nämlich z�B� im Satz

(3/ 4a) Maria zeigt ihm ↑SIE↓.

Außerdem ist (3/ 4a) m�E� sogar akzeptabler als der korrespondierende Satz, der die Pronomina- Grundabfolge DO<IO einhält�

(3/ 4b) Maria zeigt ↑SIE↓ ihm.

Somit wirkt sich das durch die Akzentuierung in Kraft gesetzte Prinzip – PHKO<PHKO in (3/ 4a) stärker aus als das Prinzip DO<IO� Das PHKO- Prinzip wiederum gilt nicht generell für das gesamte Mittelfeld, wie ein Vergleich der fol-genden Sätze belegt�

(3/ 4c) Maria zeigt das/ ein Buch ↑IHM↓.

(3/ 4d) Maria zeigt ↑IHM↓ das/ ein Buch.

Hier macht die m�E� geringere Akzeptabilität von (3/ 4c) gegenüber (3/ 4d) ins-besondere bei Verwendung des indefiniten Artikels deutlich, dass das Prinzip PPRO<DNP und vor allem das Prinzip PPRO<INP ein größeres Gewicht haben als das Prinzip – PHKO<PHKO�

3.4.4 Strukturänderungen durch eine prädikative Hervorhebung von

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