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Einführung und Hintergrund

Im Dokument Studie der DPtV (Seite 11-15)

Eine aktuelle Analyse zeigt einen steigenden Anteil psychischer Erkrankungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeit (Wieland 2009), der letzte Bundesgesundheitssurvey 1998/99 (Zusatzsurvey

„Psychische Störungen“) weist einen Versorgungsgrad von bundesweit nur 36,4 % aller psychischen Störungen bei Erwachsenen von 18 bis 65 Jahren aus1

Gleichzeitig ist dieses System vielfältig und nicht leicht zu überblicken, da viele verschiedene stationäre und ambulante Akteure daran teilnehmen, mit jeweils unterschiedlichen fachlichen Beiträgen. Etliche psychische Störungen können sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch bzw. in vielen Fällen in einer Kombination beider Methoden behandelt werden.

(Wittchen und Jacobi 2001). Sowohl aus ökonomischer als auch aus der Versorgungsperspektive erscheint eine differenzierte Analyse des Behandlungssystems psychischer Erkrankungen angezeigt.

Der Fokus der hier durchgeführten Studie liegt auf der ambulanten Psychotherapie. Auch hier erfolgt die Versorgung durch unterschiedliche niedergelassene Arzt- und Therapeutengruppen; zusätzlich sind Institutsambulanzen von Krankenhäusern und in begrenztem Umfang auch Hochschulambulanzen tätig. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die niedergelassenen Akteure im ambulanten Bereich.

Tabelle 1: Niedergelassene Vertragsärzte und psychologische Psychotherapeuten mit Angebot von Psychotherapie im 4. Quartal 2009

Niedergelassene Vertragsärzte und psychologische Psychotherapeuten mit Angebot von Psychotherapie im 4. Quartal 2009

Arztgruppe/ Gruppe von Psychotherapeuten Zahl der Ärzte/Psychotherapeuten

Fachärzte für Psychiatrie und Nervenheilkunde 2.842

Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie 617

Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie 2.257

andere Ärzte mit vorwiegend psychotherapeutischer Tätigkeit 2.340

Psychologische Psychotherapeuten 12.601

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten 2.306

fachgruppenübergreifende Praxen mit nichtärztlichen Psychotherapeuten 627 Quelle: KBV 2010, eigene Berechnungen

Die an den ersten beiden Stellen aufgeführten Fachärzte für Psychiatrie, für Nervenheilkunde und für Kinder- und Jugendpsychiatrie bieten in der Regel nur zu einem geringen Teil ihrer Arbeitszeit Psychotherapie an (Schulz et al. 2008). Dagegen ist davon auszugehen, dass die übrigen Gruppen im Schwerpunkt Psychotherapien durchführen. Darüber hinaus gibt es andere Fachärzte, die zusätzlich zu ihrer fachärztlichen somatischen Qualifikation eine Zusatzbezeichnung „fachgebundene Psychotherapie“ oder „Psychoanalyse“ tragen und auf dieser Basis zu einem Anteil ihrer Arbeitszeit Psychotherapie anbieten dürfen. Zur Quantifizierung dieser Gruppe liegen keine aktuellen Daten vor,

1 Als Versorgung wird hier jegliche Kontaktaufnahme aufgrund dieser Störungen mit stationär oder ambulant tätigen Ärzten oder Psychotherapeuten gewertet.

auch hier kann jedoch von einem eher geringen Anteil psychotherapeutischer Tätigkeit ausgegangen werden. Legt man nur die Zahl der Therapeuten zu Grunde, die im Schwerpunkt psychotherapeutisch tätig sind, so beträgt der Anteil der ärztlichen Therapeuten lediglich etwa 23 %. Auch unter Berücksichtigung der psychotherapeutischen Tätigkeit der übrigen Ärzte dürfte also die überwiegende Anzahl von Psychotherapien von nichtärztlichen Therapeuten durchgeführt werden.

Auch der Behandlungsbedarf an Psychotherapie ist nicht einfach zu ermitteln. Dies liegt nicht alleine daran, dass jeweils unterschiedliche Behandlungsmethoden für psychische Erkrankungen von verschiedenen Gruppen von Leistungserbringern auch in Kombination miteinander möglich und angemessen sind, so dass der Bedarf an Psychotherapie und erst recht an ambulanter Psychotherapie schwer zu isolieren ist. Schon die epidemiologischen Erkenntnisse in Deutschland im Bereich psychischer Erkrankungen sind unvollständig und je nach Bevölkerungsgruppe unterschiedlich aktuell. Repräsentative Studien liegen lediglich – aus unterschiedlichen Zeiträumen - für zwei große Bevölkerungsgruppen vor. Der Bundesgesundheitssurvey 1998/99 untersuchte die 18- bis 65- jährige deutsche Bevölkerung und ermittelte eine 12-Monats-Prävalenz psychischer Störungen von etwa 32 % (zu den 12-Monats-Prävalenzen einzelner Störungsbilder vgl. Tabelle 2) (Wittchen und Jacobi 2001).

Tabelle 2: 12-Monats-Prävalenz ausgewählter Diagnosen psychischer Störungen bei Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland nach dem Bundesgesundheitssurvey 1998/99

12-Monats-Prävalenz ausgewählter Diagnosen psychischer Störungen bei Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland nach dem Bundesgesundheitssurvey 1998/99

Diagnosen Erkrankte in % der deutschen Wohnbevölkerung

Psychotische Störungen 2,6 %

Drogenabhängigkeit 0,8 %

Alkoholabhängigkeit 6,3 %

Zwangsstörungen 0,7 %

Essstörungen 0,3 %

Bipolare Störungen 1,3 %

Dysthymie 4,5 %

Depressive Störungen 8,8 %

Phobien 12,6 %

Generalisierte Angststörungen 2,5 %

Panikstörungen 2,3 %

Somatoforme Störungen 11,0 %

Quelle: (Wittchen und Jacobi 2001), eigene Bearbeitung

Repräsentative epidemiologische Ergebnisse in Bezug auf Kinder und Jugendliche lieferte erst der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), der durch das Robert-Koch-Institut (RKI) von 2003 bis 2006, also zu einem aktuelleren Zeitraum als der Bundesgesundheitssurvey für die Erwachsenen, durchgeführt wurde (Hölling et al. 2007). Tabelle 3 informiert auch für diesen Personenkreis über die Prävalenz ausgewählter Diagnosen:

Tabelle 3: Prävalenz ausgewählter Diagnosen psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)

Prävalenz ausgewählter Diagnosen psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)

Diagnosen Erkrankte in % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland

Depressionen 5,4 %

Ängste 10,0 %

ADHS 2,2 %

Störungen des Sozialverhaltens 7,6 %

Quelle: Hölling et al. 2003

Im Bereich älterer Menschen liegen bisher keine repräsentativen Studien vor. In der derzeit laufenden Studie zur Gesundheit Erwachsener des RKI werden in einer Zusatzuntersuchung Psychische Gesundheit allerdings auch, anders als im Bundesgesundheitssurvey 1998/99, ältere Menschen zwischen 65 und 85 Jahren mit einbezogen (Robert-Koch-Institut 2011), so dass hier in den nächsten Jahren verlässlichere Daten zu erwarten sind.

Aktuelle sonstige Informationen über die Versorgungssituation mit ambulanter Psychotherapie, die über die Zahl der Versorger, den Umfang abgerechneter Leistungen, allenfalls das Stattfinden irgendeinen Kontakts im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung hinausgehen, wurden bisher in Deutschland nur in wenigen Untersuchungen erhoben. Zepf et al. haben im Rahmen einer Befragung von ärztlichen und psychologischen Anbietern von Psychotherapie im Jahr 2000 Daten zur Versorgung wie z.B. die Wartezeiten auf ein Therapiegespräch erfragt (Zepf, Mengele, und Hartmann 2001). Neuere Ergebnisse aus Patientensicht liefert die Befragung von Albani et al., die im Rahmen einer repräsentativen Bevölkerungsstudie 2008-2009 durchgeführt wurde (Albani et al. 2010). Die Studie von Gallas et al. berichtet über die Dauer von Psychotherapien und die Ausschöpfung genehmigter Therapiekontingente bei Versicherten einer großen privaten Krankenversicherung über einen Zeitraum von vier Jahren (Gallas et al. 2010). Es fehlen jedoch aktuelle Ergebnisse aus der Perspektive der Anbieter ambulanter Psychotherapie.

Ziel der hier vorgestellten Fragebogenstudie der DPtV und des Alfried Krupp von Bohlen und Halbach- Stiftungslehrstuhls für Medizinmanagement ist es, die Lücke an aktuellen Informationen mit Erhebungsergebnissen aus Therapeutenperspektive zu füllen. Bedingt durch die Mitgliederstruktur des Verbands können hier allerdings nur Daten zur Versorgungssituation durch Psychotherapie durch Psychologische Psychotherapeuten und durch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erfasst werden. Diese beiden Gruppen führen allerdings, wie oben erläutert, einen wesentlichen Anteil der Psychotherapien in Deutschland durch. Ein Teil der Ergebnisse, wie z.B. die Dauer der Wartezeiten, sind außerdem deutliche Indikatoren für die Versorgungssituation mit ambulanter Psychotherapie insgesamt.

Die Fragebogenstudie konzentriert sich auf fünf verschiedene Themenbereiche: Nachdem Charakteristika der an der Befragung beteiligten Psychotherapeuten herausgearbeitet wurden (Auswertung der Ergebnisse in Kapitel 3.1), geht es um wesentliche Merkmale des

Versorgungsangebots (vgl. Kapitel 3.2 ). Ein weiterer Schwerpunkt sind Informationen zum Zugang zur Psychotherapie und zu ihrer Dauer und Bedarfsgerechtigkeit (vgl. Kapitel 3.3). Kapitel 3.4 stellt die Ergebnisse einer Auswertung berichteter demographischer und sozioökonomischer Patientendaten dar. Schließlich wird die Kooperation innerhalb des medizinischen Versorgungssystems untersucht (vgl. Kapitel 3.5). Die Ergebnisse der Studie werden schließlich (in Kapitel 5) auf ihre Aussagekraft bezüglich der Versorgungssituation mit Psychotherapie in der Bundesrepublik Deutschland untersucht.

Im Dokument Studie der DPtV (Seite 11-15)