• Keine Ergebnisse gefunden

5   Materialmodelle

5.2   Einaxiales Materialverhalten von Beton

5.2.1 Beton unter einachsiger Druckbeanspruchung

Normalfeste Betone, bei denen die Zugfestigkeit der Zuschlagskörner höher ist als diejenige der Mörtelmatrix, zeigen in monotonen Druckversuchen stets ein einheitliches Verhalten. Der σcc-Verlauf lässt sich nach Bild 5.2-1a in drei Bereiche (I – III) aufteilen. Die Spannungs-Dehnungslinie basiert unter monotoner Belastung in den Bereichen I und II auf dem MC90 [32]. Im Bereich III (Nachbruchbereich) wurde sie u. a. durch Arbeiten an der Ruhr Universität Bochum [100], [121] modifiziert.

Nachbruch:

Bruchflächen Traglast:

Bildung von Bruchflächen

Vereinigung von Mikrorissen -sc

fcm

0,4·f

cm

0,8·fcm

ec1 ecu -e Anwachsen

der Mikrorisse

a) b)

I II III

-sc

-e

cm 0,4·f

cm

ec1 ecu1 fcm

arctanEcm

c c

Bild 5.2-1: a) Arbeitslinie Beton nach MC90 [32] bzw. MARK [100], b) EC2-1-1 [39]

Die formelmäßigen Zusammenhänge können den Gln. (5.2-1) bis (5.2-3) bzw. (5.2-4) entnommen werden. Die Definition und Bestimmung einzelner Parameter (z. B.: Eci, εc1, γc

usw.) sind in den Anhängen E und F dargestellt.

Bereich I (bis 0,4·fc)

σc = Ec·εc (5.2-1)

Bereich II (bis 1,0·fc)

Bereich III (abfallender Ast)

1

Zum Vergleich wird in Gl. (5.2-4) bzw. Bild 5.2-1b die Arbeitslinie nach EC2-1-1 beschrieben. Man erkennt, dass der Nachbruchbereich, auf den nachfolgend speziell eingegangen wird, nicht so ausgeprägt ist, wie beim Ansatz nach MARK [100]. Außerdem liegt kein lineares Verhalten zu Beginn der σ-ε-Kurve vor. Darüber hinaus endet Gl. (5.2-4) bei εcu1 = -3,5 ‰ und wäre somit nur zum Teil mit dem verwendeten Schädigungsmodell (Kapitel 5.4.4) in Einklang zu bringen. Alle weiteren Erläuterungen beziehen sich daher auf die Gln. (5.2-1) bis (5.2-3).

Bild 5.2-1a zeigt das lineare Verhalten im Bereich I der Arbeitslinie nach MC90 [32] bzw.

MARK [100]. Das Betongefüge verändert sich näherungsweise nicht. Mikrorisse, die auch im unbelasteten Zustand durch Schwinden zwischen den Zuschlägen und der Zementmörtelmatrix bereits vorhanden sind, verbleiben bei konstanter Größe. Nach MARK [100] geht dieser lineare Bereich bis zu ca. 40 % der Druckfestigkeit fcm; MEHLHORN/KOLLEGER [103] legen die Grenze bei ca. 30 % von fcm fest. Sofern die Druckspannungen weiter gesteigert werden, schließt an den linearen Bereich I ein nichtlinearer Bereich II bis zur maximalen Druckfestigkeit fcm an. In diesem kommt es zwischen 0,4·fcm ≤ σc ≤ 0,8·fcm zu einem stabilen Anwachsen der Mikrorisse, d. h. die Risse vergrößern sich lediglich infolge einer Belastungssteigerung. Bei ca. 0,8·fcm beginnt das instabile Risswachstum mit deutlichen Gefügeauflockerungen. Die Steifigkeit nimmt prägnant ab. Die Spannungs-Dehnungslinie krümmt sich merklich. Mit dem Erreichen der maximalen Spannung σc = fcm und der zugehörigen Stauchung εc wird die Traglast erreicht.

Bei verformungsgesteuerten Druckversuchen tritt nach dem Überschreiten der Druckfestigkeit fcm ein Nachbruchbereich auf. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die Stauchungen bei abnehmender Spannung ansteigen (strain softening). Die Bruchflächen bilden sich im Nachbruchbereich meist parallel zur Belastungsrichtung. VAN MIER [163] erkannte erstmals, dass die Spannungs-Dehnungslinien im Nachbruchbereich von der Probenhöhe (bei gleichem Probekörperquerschnitt 10 × 10 cm) abhängig sind (Bild 5.2-2a). Beim Darstellen der

Spannungen über den Probeverkürzungen nach Erreichen der Traglast, ergaben sich allerdings annähernd gleiche Verläufe (Bild 5.2-2b). Daraus folgerte er, dass die Verformungen in den Bruchflächen der Proben gleich groß waren und dass sich somit unter Druckbelastungen eine lokalisierte Bruchzone ausbildet. Deren Größe ist unabhängig von der Probenhöhe. Lediglich die Unterschiede in den σ-ε−Kurven resultieren aus den verschiedenen Bezugslängen [103].

h = 50 mm h = 100 mm

h = 200 mm 0,2

sc/fcm

0,4 0,6 0,8 1,0

0 -2 -4 -6 -8 -10

h1= 200 mm h2= 100 mm

h3= 50 mm

h1

h2 h3

post-peak energy

e [‰]

0 2 4 6 8 10

0,2 sc cm/f

0,4 0,6 0,8 1,0

Probenverkürzung in [mm] nach dem Erreichen der Traglast

a) b)

Gcl

c 1

2 3

Bild 5.2-2: a) Abhängigkeit der σ-ε-Kurve von der Probenhöhe, b) Spannungs-Verschiebungs-Linie nach Erreichen der Traglast nach VAN MIER [163]

Weitere Versuche führten JANSEN/SHAH [71] an Betonzylindern unterschiedlicher Höhe, aber gleichem Querschnitt durch. Auch bei ihnen fielen die Spannungs-Verschiebungskurven des Nachbruchbereiches ungefähr zusammen. Die Fläche unter den Spannungs-Verschiebungslinien kann als nahezu konstant und somit als Energie zur Beschreibung des Nachbruchverhaltens (post-peak energy) herangezogen werden. In der Literatur wird sie als Zerstauchungsenergie Gcl beschrieben. Für die später folgenden FE-Berechnungen wird die Abhängigkeit des abfallenden Astes von der Probekörperschlankheit durch die Zerstauchungsenergie Gcl und den Längenparameter leq berücksichtigt [100]. Damit wird näherungsweise eine Netzunabhängigkeit der FE-Berechnung gewährleistet. Gcl und leq gehen im Bereich III der Spannungs-Dehnungslinie in den Parameter γc ein (siehe dazu die formelmäßige Beschreibung in Anhang E bzw. F); er modifiziert die Arbeitslinie und steuert die von der Probengröße abhängige Völligkeit [55]. PÖLLING [121] führt aus, dass das äquivalente Längenmaß eines Volumenelementes leq = (Ve/n)1/3 (mit: Ve = Volumen eines finiten Elementes, n = Anzahl der Integrationspunkte) betragen sollte. Experimentelle Untersuchungen zur Zerstauchungsenergie Gcl liegen bislang nur von VONK [166] vor.

Hiernach können Werte zwischen 10 kN/m und 25 kN/m angesetzt werden.

Über das Verhalten von Betonproben unter zyklischen Druckbeanspruchungen besteht, wie in Kapitel 2.3.2.2 angedeutet, Uneinigkeit. An eigenen Versuchen leiteten SINHA et al. [154] ab, dass die Umhüllende einer zyklischen Druckbeanspruchung durch die Arbeitslinie unter monotoner Belastung beschrieben wird. PFANNER [119] sieht das jedoch kritisch und weist darauf hin, dass monotone Arbeitslinien als Einhüllende von nieder- und hochzyklischen

Druckbeanspruchungen nicht allgemein bestätigt werden können. Er entwickelt ein Schädigungs-Modell, durch das das Ermüdungsverhalten unter Druck- und Zugbeanspruchungen betrachtet werden kann. Sein Modell wird im Kapitel 6.5.1 ausführlich beschrieben.

5.2.2 Beton unter einachsiger Zugbeanspruchung

Das Verhalten unter Zug wurde bereits in Kapitel 2.1.2.5 in Zusammenhang mit der Querkraft-Tragkomponente in der Bruchprozesszone VBPZ angesprochen und soll an dieser Stelle über einen Ansatz aus der nichtlinearen Bruchmechanik; dem sogenannten fiktiven Rissmodell (fictitious crack model) nach HILLERBORG et al. [65] näher erörtert werden.

In der Bruchmechanik werden hinsichtlich der Deformationen in Rissen 3 Rissöffnungsarten (Modus I – III in Bild 5.2-3) unterschieden, von denen jedoch für das fiktive Rissmodell lediglich Modus I von Bedeutung ist.

x y

z

Modus I Modus II Modus III

Bild 5.2-3: Rissöffnungsarten

Das fiktive Rissmodell für Beton basiert auf dem Gedanken, dass sich der Beton unter einer monotonen Zugbeanspruchung bis fast zum Erreichen der Zugfestigkeit linear elastisch verhält. Dabei besitzt er analog zur einaxialen Druckbeanspruchung bereits vor der Belastung Mikrorisse, deren Wachstum ab σct ≥ 0,7…0,9·fct in verstärktem Maße einsetzt. Dieses Wachstum führt zu einer Abnahme der Steifigkeit. Kurz vor dem Erreichen der Zugfestigkeit (Bild 2.1-9d) kommt es zur Mikrorissakkumulation, meist orthogonal zur Belastungsrichtung.

An einer Fehlstelle des Querschnitts entwickelt sich mit dem Erreichen der Zugfestigkeit die Bruchprozesszone. Nach dem Erreichen der Zugfestigkeit beginnt der Entfestigungsbereich.

Es tritt bei σc = fctm nicht unmittelbar ein Versagen auf, sondern es stellt sich ein sukzessiver Spannungsabfall ein (Bild 5.2-4). Dies ist möglich, da infolge der Verzahnung zwischen Zementmatrix und Zuschlagskörnern Spannungen orthogonal zur Rissfläche übertragen werden können. VAN MIER [163] beschreibt, dass das Risswachstum gestoppt wird, wenn ein Riss ein Zuschlagskorn trifft. Sofern der Verbund zwischen Matrix und Zuschlagskorn noch intakt ist, bedarf es dann einer größeren Last, um das Risswachstum über diese Stelle hinaus fortzuführen. Verliert der Beton sein Spannungsübertragungsvermögen, nehmen Dehnungen und Verformungen im geschwächten Bereich (lokal) zu. Außerhalb dessen findet eine Entlastung des Querschnitts statt. Das Nachbruchverhalten ist damit analog zum einaxialen Druckversuch lediglich vom lokalen Verhalten der Bruchfläche abhängig. Es sei darauf

hingewiesen, dass das beschriebene Entfestigungsverhalten nur bei verformungsgesteuerten Versuchen zu beobachten ist; ansonsten tritt der sofortige Bruch ein.

sct

fct

ect Ec

(1- )d Et c

epl eel

s /E

ein c

I II

ct

Bereich I:

σct = Ec·εct (5.2-5) Bereich II:

σct = σct(w = lt·εin) (5.2-6a) εct = εinct/Ec (5.2-6b)

Bild 5.2-4: Spannungs-Dehnungs-Beziehung von Beton im Zugbereich

Betrachtet man die Bruchprozesszone als fiktive Risszone, so kann man das Verhalten darin in die spätere Rissebene projizieren und damit das Dehnungs-Entfestigungs-Verhalten als Spannungs-Verschiebungs-Diagramm σ(w) darstellen (Bild 2.1-9b). Die Verschiebungen in der Rissebene werden als Rissöffnung eines nicht vorhandenen, fiktiven Risses aufgefasst.

Von dessen fiktiver Rissspitze nimmt die Fähigkeit, Spannungen durch die Verzahnung der gegenüberliegenden Rissufer zu übertragen, bis zu einer kritischen fiktiven Rissöffnung (w0 ≈ 0,15…0,18 mm) ab. w0 stellt den Übergang zu einem realen Riss dar (Bild 2.1-9c).

Außerhalb der Risszone bleibt die Spannungs-Dehnungslinie des ungerissenen Betons gültig.

Während die Spannungs-Rissöffnungsbeziehung durch HILLERBORG et al. [65] ursprünglich als linear elastisch beschrieben wurde, gibt es mittlerweile verschiedene Ansätze. DUDA [46]

gibt z. B. die in Bild 2.1-9b dargestellte Exponentialfunktion an.

Die Fläche unter der Spannungs-Rissöffnungskurve nach Gl. (2.1-17) beschreibt allgemein die Energie, die für die Bildung und vollständige Öffnung eines Risses erforderlich ist. Diese (Bruch-)Energie wird zur Charakterisierung des Bruchverhaltens verwendet und dient dazu, in der Modellierung des Materialverhaltens von Beton unter Zugbelastungen eine netzunabhängige Berechnung durchführen zu können. Sie wird mit Gf bezeichnet und als Materialparameter eingeführt. Gf liegt nach [2] zwischen 40 N/m (bei einem Beton mit fc = 20 MPa) und 120 N/m (bei einem Beton mit fc = 40 MPa).

Im Model Code 90 wird die Bruchenergie nach Gl. (5.2-7) in Abhängigkeit vom Größtkorndurchmesser sowie der Druckfestigkeit angegeben; in MARK [100] nach Gl. (5.2-8).

7 , 0 0 c

f

f 10MPa⎟⎟⎠

⎜⎜ ⎞

⋅⎛

= f

G

G (nach MC90, Gl. 2.1-7) (5.2-7)

mit:

Gf0 = 0,025 N/mm (dg = 8 mm); 0,03 N/mm (dg = 16 mm); 0,058 N/mm² (dg = 32 mm)

Gf = 0,195·wc·fct (5.2-8)

Zur Modellierung mit Volumenelementen ist Folgendes festzuhalten: Um die Bruchenergie Gf

in einem Element nur einmal zu verbrauchen, muss der Längenparameter lt kleiner dem mittleren zu erwartenden Rissabstand sr = 2/3sr,max sein [55]. Der mittlere Rissabstand lässt sich nach [178], der maximale Rissabstand nach EC2-1-1/NA [40] berechnen. Letzterer ist in Gl. (5.2-9) angegeben. Wäre lt > sr, könnten pro Element mehrere Risse auftreten, was zum mehrfachen Verbrauch von Gf führen würde.

eff

Die Elementlänge muss aber auch eine Mindestlänge lt,min besitzen, damit sich die Rissprozesszone vollständig bilden kann und Gf in einem Element verbraucht werden kann.

Diese Mindestlänge beträgt nach [13] den dreifachen Durchmesser des Größtkorns.

Die formelmäßigen Zusammenhänge zum Abbilden der Arbeitslinie von Beton im Nachbruchbereich basieren im Rahmen dieser Untersuchung auf der exponentiellen Form nach MC90 [32]. Sie wurden u. a. in [100] um Schädigungsansätze weiterentwickelt.

Bild 5.2-4 zeigt die σ-ε−Kurve im Zugbereich. Diese wird durch die Gln. (5.2-5) und (5.2-6a) beschrieben. Der lineare Bereich I in Bild 5.2-4 stellt den Vorbruchbereich, der Bereich II den Nachbruchbereich dar. Dieser lässt sich über die Spannungs-Rissöffnungs-Beziehung nach HORDIJK [68] ausdrücken. Sie ist als Gl. (5.2-10) gegeben.

2

Ergänzend sei angemerkt, dass die Arbeitslinien für den Zugbereich der eigenen Versuche im Anhang E und F ausführlich dargestellt sind. Dabei repräsentiert lt in Anhang E den Bügelabstand (150 mm) und in Anhang F den zu erwartenden mittleren Rissabstand nach Gl. (5.2-9). Durch die Festlegung von lt kann die σctct-Kurve nach den Gln. (5.2-6a) und (5.2-6b) im Nachbruchbereich formuliert werden.

Auf die bestehenden Diskrepanzen hinsichtlich des Envelope-Konzeptes bei zyklischen Belastungen ist bereits im Druckbereich eingegangen worden. Die Ausführungen gelten auch für den Zugbereich. Es soll daher hier auf das PFANNER’sche Modell in Kapitel 6.5.1 verwiesen werden.