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2   Stand der Forschung

2.2   Querkrafttragmodelle

2.2.5   Druckfeldmodelle

2.2.5.1 Klassische Druckfeld Theorien

Die Druckfeld Theorien (compression field theories) basieren auf klassischen Druckfeldmodellen, wie sie bereits durch KUPFER 1962 [88] formuliert wurden. Er beobachtete bei Schubversuchen, dass sich oftmals eine flachere Rissneigung zur Balkenlängsachse als 45° einstellte und dass somit der Druckstrebenwinkel θ flacher als die Neigung der Schubrisse sein könnte. Daraus entwickelte er, erstmals abweichend von der klassischen Fachwerkanalogie nach Mörsch mit einem Druckstrebenwinkel von θ = 45°, ein Fachwerk mit variabler Neigung der Druckstrebe und konnte präzisere Übereinstimmungen mit Versuchsergebnissen erzielen.

Die aufgestellte Gleichung ist nachfolgend angegeben und wurde durch KUPFER mittels des Prinzips vom Minimum der Formänderungsarbeit hergeleitet. Dies besagt, dass sich von allen möglichen Gleichgewichtszuständen derjenige einstellt, der den Lastabtrag mit einem Minimum an Formänderungsarbeit ermöglicht.

0

MITCHELL/COLLINS [106] führten die klassischen Druckfeldmodelle in die Compression Field Theory (CFT) über. Darin ermittelte COLLINS [26] für Schub unter der Annahme eines perfekten Verbunds zwischen Stahl und Beton (εs = εc) die Druckstrebenneigung aus der Verträglichkeitsbedingung. Hiernach ist der Druckstrebenwinkel θ zwischen der Längsachse und der Betondruckstrebe gleich dem Winkel zwischen der Hauptdruckdehnungssrichtung ε2

und der Längsdehnung εx auf halber Balkenhöhe (Bild 2.2-7).

Am Mohr’schen Kreis lässt sich θ unter den oben genannten Annahmen herleiten.

ε 0

Die CFT vernachlässigt die versteifende Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen bei Zugbeanspruchungen, so dass sich im Allgemeinen ein zu weiches Bauteilverhalten [91] und damit zu große Verformungen ergeben.

ex x

Bild 2.2-7: a) Dehnungen an einem gerissenen Stahlbetonelement und b) am Mohr’schen Kreis, c) Spannungen im Riss nach [164]

2.2.5.2 Modified Compression Field Theory

VECCHIO/COLLINS [164] führten den tension stiffening Effekt im Jahre 1986 ebenso wie die Rissverzahnung nach WALRAVEN [168] über entsprechende Materialgesetze in das Modell von COLLINS ein. Man spricht deshalb von der Modified Compression Field Theory (MCFT).

Sie fanden heraus, dass die Hauptdruckspannung σ2 nicht nur von der Hauptdruckdehnung ε2, sondern auch von der Hauptzugdehnung ε1 abhängt. Außerdem sind auch im gerissenen Betonquerschnitt noch Zugspannungen vorhanden, die bei zunehmenden Querkräften Schubspannungen τc,r in der Rissfläche erfordern (Bild 2.2-7) und die Querkrafttragfähigkeit des Querschnitts erhöhen. Der beschriebene Zusammenhang macht es nun auch möglich, Bauteile ohne Querkraftbewehrung, vor allem Deckenplatten, nach der MCFT zu bemessen.

Die MCFT rechnet mit mittleren Dehnungen und Spannungen. Diese werden bestimmt, indem die Restspannungen im Riss und die im Beton zwischen den Rissen gemittelt werden.

Außerdem wird vereinfachend vorausgesetzt, dass die Hauptdehnungs- mit der gemittelten Hauptspannungs- und der Rissrichtung zusammentrifft (θ = βr). Diese Vereinfachung widerspricht den Versuchsergebnissen von KUPFER [88].

Mit der Annahme, dass im Riss keine Normalspannungen σc,r wirken, bestimmt die Größe der Schubspannungen τc,r, die über den Riss übertragen werden können, die Querkrafttragfähigkeit bei der Bemessung von Bauteilen ohne Querkraftbewehrung.

Sie lässt sich über die Schubtragfähigkeit des diagonalen Risses bestimmen, da die Schubspannung im vertikalen Schnitt gleich der im Schubriss (τc,r = v = V/[bw·z]) ist. Die empirisch ermittelte Grenzschubspannung im Riss beträgt nach [164]:

[ ]

Die Rissöffnung wcr wird aus dem Produkt der Hauptzugdehnung ε1 orthogonal zum Riss und dem Rissabstand sθ in Hauptzugrichtung bestimmt.

wcr = ε1·sθ (2.2-26)

Für den Rissabstand sθ existiert folgender formelmäßiger Zusammenhang, der die Rissabstände in x-Richtung sx und z-Richtung sz enthält, die aus rein horizontalem bzw.

vertikalem Zug resultieren würden.

1

Gl. (2.2-27) vereinfacht sich für Balken ohne Querkraftbewehrung zu Gl. (2.2-28), da der Rissabstand lediglich durch die Längsbewehrung gesteuert wird. Deren Menge und Anordnung ist dabei nach [4], [30] die entscheidende Steuerungsgröße (Bild 2.2-8).

θ

Bild 2.2-8: Einfluss der Längsbewehrung auf den Rissabstand nach [30]

2.2.5.3 Allgemeines Bemessungskonzept basierend auf der MCFT

Die mittlere Hauptzugspannung im Zustand I vor der Erstrissbildung ist σ1 = Ec·ε1. Nach der Erstrissbildung (ε1 > εcr) nimmt sie bei zunehmender Dehnung ab. COLLINS/MITCHELL [29]

schlugen auf Grund weiterführender Untersuchungen für die Hauptzugspannung nach einsetzender Rissbildung folgende empirisch ermittelte Gleichung vor. Diese berücksichtigt sowohl die Abnahme der Verbundeigenschaften als auch die Bildung neuer Risse.

[ ] [ ]

Darauf aufbauend leiteten ADEBAR/COLLINS [4] Gl. (2.2-30) für die Querkrafttragfähigkeit eines Bauteils ohne Querkraftbewehrung her.

[ ]

Gl. (2.2-30) basiert auf einem Fachwerkmodell, dessen Querkrafttragfähigkeit sich aus der Addition eines charakteristischen Betontraganteils Vc = σ1·cotθ·bw·z und eines charakteristischen Querkraftbewehrungsanteils Vs = asw·σs,z·z·cotθ ergibt.

COLLINS/MITCHELL [29] und COLLINS et al. [30] verallgemeinerten Gl. (2.2-30), indem sie Tabellenwerte für Gl. (2.2-29) bzw. θ angeben. In den Tabellen fassten sie den Ausdruck nach

Gl. (2.2-29) sowie θ zum Faktor β zusammen und gaben den Hebelarm der inneren Kräfte mit z = 0,9d an. Damit vereinfacht sich Gl. (2.2-30) zu.

d b

VRk,c =β⋅ w⋅0,9 (2.2-31) Zu beachten ist, dass den Tabellenwerten ein Größtkorn von dg = 19 mm zu Grunde liegt.

Deshalb muss sx umgerechnet werden, wenn Betone mit abweichendem Größtkorn verwendet werden.

2.2.5.4 Simplified Modified Compression Field Theory

Um das beschriebene allgemeine Bemessungskonzept, das den Einsatz von Tabellenkalkulationen nötig macht, weiter zu vereinfachen, erweiterten BENTZ et al. [18] es zur Simplified Modified Compression Field Theory (SMCFT). Der Grundgedanke liegt darin, für β und θ einfache Formeln anzugeben, die es dem Anwender ermöglichen, die Querkrafttragfähigkeit eines Bauteils rasch abzuschätzen.

Dabei basiert der β-Faktor zum einen auf der Korrelation zwischen größer werdenden Rissöffnungen bzw. –abständen und kleiner werdenden Zuschlagskörnern; dies wird in [18]

empirisch als Einfluss des Maßstabseffektes (size effect factor) beschrieben. Zum anderen basiert er auf den Dehnungen εx in halber Bauteilhöhe infolge der Momenten-Querkraft-Interaktion (strain effect factor).

Die beiden Effekte üben zwar eine gegenseitige Wechselwirkung aus. Diese wird jedoch in der SMFCT ignoriert, so dass der β-Faktor als ein Produkt der beiden Einflüsse dargestellt wird.

Die ebenfalls empirisch ermittelte Gl. (2.2-34) für die Bestimmung des Druckstrebenwinkels θ ist von den beiden zuvor genannten Faktoren abhängig:

° Die Längsdehnung εx stellt nach [16] vereinfachend die Längsdehnung in halber Bauteilhöhe dar, die näherungsweise der halben Dehnung in der Biegelängsbewehrung infolge der M-V-Interaktion entspricht.

Die Berechnungsansätze der SMCFT bilden die Grundlage der Bemessung von Stahlbetonbauteilen mit und ohne Querkraftbewehrung nach der Kanadischen Norm CSA A23.3-04 bzw. dem Model Code 2010 (Kapitel 2.2.8.3).