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EIN DUTZEND ALBANISCHE LEHNWÖRTER IM SÜDSLAWISCHEN

Erika Beermann (M arburg)

Die Ä hnlichkeit dieser Überschrift m it dem T ite l des 1937 erschienenen A uf- satzes von M ax Vasmer "E in alb. Lehnwort im Serbokroatischen"1 ist durchaus beabsichtigt und keineswegs zufällig: In den seither vergangenen Jahrzehnten ist eine Reihe von weiteren Albanismen im Serbokroatischen, Bulgarischen und Mazedonischen ausfindig gemacht und sprachwissenschaftlich untersucht w or- den.3 In dieser Z eit sind vor allem in Tirana und Priština neue Zentren der Albanologie entstanden: Während die ersten bedeutenden Albanologen N icht- albaner waren (Franz Bopp, Norbert Jokl, Henrik Barić u.a.), können heute alba- nische Linguisten w ie Eqrem Çabej und Id riz A je ti zu Recht m it ihnen in einem Atemzug genannt werden.

Im folgenden soll ein Dutzend Albanismen vorgestellt werden, um einen allgemeinen Eindruck von jenem Aspekt der albanisch-südslawischen Lehnwort- beziehungen zu verm itteln, dem seit Sandfeld4 von den Linguisten relativ wenig Beachtung geschenkt worden ist.

Ausgewählt wurden hier lediglich solche Lehnwörter im Südslawischen, von denen zw eifelsfrei feststeht, daß sie unm ittelbar aus dem Albanischen über- nommen worden sind, die also nicht etwa beispielsweise auf illyrisches Substrat zurückgehen wie das von Vasmer im o.g. Aufsatz angeführte dalmatinische

"škrapa" bzw. "škrip"5 (ob die Albaner die Nachfahren eines illyrischen Stammes sind oder nicht, ist hierbei ohne Belang) oder ebensogut aus dem Rumänischen w ie aus dem Albanischen stammen könnten, da diesen zwei nichtslawischen Bai-1 In: Zeitschrift fü r slavische Philologie, Bd. X IX (Bai-1937), S. 59 f.

2 Die Bezeichnung "Mazedonisch” w ird hier fü r die Variante des Bulgarischen verwendet, die im Gebiet der ehemaligen Republik Mazedonien Jugoslawiens bzw. im heutigen selbständigen Staat Mazedonien die offizielle Sprache ist. Der B e g riff "serbokroatische Sprache" sollte keiner Recht- fertigung bedürfen, und seinen Gegnern wäre der Aufsatz Vatroslav Jagićs "Ein Kapitel aus der Geschichte der südslavischen Sprachen" zu empfehlen (in: A rchiv fu r slavische Philologie, Bd. 17 (1895), S. 47 ff.), in dem er daran erinnert, daß es "fü r jedermann selbstverständlich sein sollte, dass die Philologie von der P olitik gänzlich zu trennen ist. Wenn die philologischen Wahrheiten auch politisch in diesem oder jenem Sinne ausgebeutet werden, so ist das nicht Sache der Philologie, sondern der P olitik" (AaO, S. 68). Zum selben Problem meint Pavle Ivić, "da je temeljna istovetnost srpskog i hrvatskoga jezika objektivna datost, a ne subjektivna opcija." (In:

Ders.: Srpski narod i njegov jezik, Beograd 1986, S. 227).

3 Einen Überblick liefert Anita Omari in ihrem Aufsatz: Ndikime të gjuhës shqipe në të főimet jugore të serbishtes - In : Studime filologijke, N r. 1, Tirane 1989, S. 43-59.

4 Sandfeld, K r.: Linguistique Balkanique. Problèmes et résultats par K r. Sandfeld, Paris 1930, S.

66.

י Vgl. Omari, A. (wie Anm. 3), S. 58.

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kansprachen ein bestimmter T eil ihres Wortbestandes gemeinsam ist, der auf eine alte Nachbarschaft bzw. Symbiose der beiden V ölker schließen läßt, nach Ansicht Çabejs "m it großer Sicherheit"6; es handelt sich bei diesem Dutzend also ausschließlich um Albanismen, deren Herkunft nicht "m it Gewalt" bewiesen werden muß.

Das Dutzend albanischer Lehnwörter soll überdies fü r die unterschiedlichen Bereiche der südslawischen Sprachen repräsentativ sein, in die Albanismen eingedrungen sind: Hochsprachlich geworden sind lediglich einige wenige Toponyme und Familiennamen, die übrigen albanischen Lehnwörter sind über- wiegend auf dialektalen und provinziellen Gebrauch beschränkt.7 Eine gesonderte Gruppe stellen Geheimsprachen dar (besonders die der Maurer auf dem Balkan sind reich an Albanismen) , die den Jargons zuzurechnen und von der M otivation ihrer Entstehung her einzigartig sind, da es demjenigen, der sich ihrer bedient, weder auf besonders originelle noch präzise, sondern einzig und allein auf fü r Nichteingeweihte unverständliche Ausdrucksweise ankommt9; der Wortschatz solcher Geheimsprachen w ird teilweise in den allgemeinen W örterbüchern der südslawischen Sprachen berücksichtigt.

Der stärkste Einfluß des Albanischen auf die südslawischen Dialekte ist im Kosovo und in der M etohija, in Montenegro und in Mazedonien zu beobachten, wo Albaner und Südslawen seit mehreren hundert Jahren in mehr oder weniger umnittelbarer Nachbarschaft leben. Dieser Einfluß war wiederum besonders stark während der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan, als vor allem die Nord- albaner, die Gegen, in großer Anzahl vom Katholizism us zum Islam übertraten, was ihnen die entsprechenden Privilegien gegenüber den beim Christentum ver- bliebenen Südslawen, aber auch ihren eigenen Landsleuten verschaffte. Dies hin- derte sie jedoch nicht daran, weiterhin die Gesetze ihres m ündlich überlieferten Gewohnheitsrechts über die der Osmanen zu setzen.10 Ein großer T eil der Südalbaner, der Tosken, wanderte bereits zu Beginn der Osmanenherrschaft nach Griechenland und Italien aus, andere Albaner emigrierten nach Rumänien und Bulgarien, wobei die albanischen Siedlungen dort nicht zuletzt auf Deportationen der Osmanen zurückgehen.11

Erika Bcermann

6 Vgl. Çabej, E.: H yije në historinë e gjuhës shqipe, Bd. I и. И, Tirana 1976; hier Bd. II, S. 170f.

7 Vgl. Skok, P.: Etim ologijski iječnik hrvatskoga ili srpskoga jezika, Bd. І-ГѴ, Zagreb 1974; hier Bd. I, S. 433.

8 Vgl. z.B. Popovié, I.: N ji ndikim gjuhësuer i yjetër i shqipes në Jugosllavin qendrore. - In: Jeta e re , 6, PriStinä 1953, S. 420-425 (zur Geheimsprache der Maurer in Nordostbosnien) oder Kānčev, I.: Taen zidarski govor ot S. Smolsko, Pirdopski, in: Izvestija na instituta za bälgarski ezik, Bd. IV , Sofia 1956, S. 369ff.

9 Vgl. Serebrennikov, B.A. (Hrsg.): Obščee jazykoznanie. Formy suščestvovanija, funkcii, istorija jazyka, Moskau 1970, S. 486f.

10 Vgl. Рігтаки, M .: K ultura kombëtare shqiptare deri në Lidhjen e Prizrenit, Priština 1989, S.

172f.

11 Vgl. Dërmaku, I.: R ilindja kombëtare shqiptare dhe kolonitë shqiptare të mërgimit në Rumāni dhe në B ullgari, Pristina 1987, S. 1 If.

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Ein Dutzend albanische Lehnwörter im Südslawischen

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á t ár A

• alban, besa12 > serbokroat., bulg., maz. besa

"Besa" (Glaube; Vertrauen; Ehrenwort) g ilt fü r die Albaner als eines der w ich- tigsten W örter ihrer Sprache schlechthin; die Einhaltung der "besa" ist das ober- ste aller Prinzipien und unantastbar; persönliches Eigentum, die Fam ilie und selbst das eigene Leben müssen ih r geopfert werden, wenn es die Umstände er- fordern sollten - ähnlich dem Gastrecht bei manchen orientalischen V ölkern.13 Ivan Popovič bezeichnete die "besa" als "specifičan arbanaški pojam, pravi ter- minus technikus."14 Kein Wunder also, daß der B e g riff "besa" sowohl im Mazedonischen und Bulgarischen als auch im Serbokroatischen zumindest als Fremdwort bekannt is t.15 Nach Ansicht der Albaner des Kosovo gibt es fü r "besä"

keine hundertprozentige Entsprechung im Südslawischen. Unglücklicherweise hat die strenge Beachtung der "besa" ausgerechnet um die Z eit nachgelassen, als sie von den Hauptvertretern der albanischen Nationalbewegung "R ilindja kombëtare shqiptare" am meisten als ein B e g riff albanischer Ehre und K ultu r ge- priesen wurde.16 Daß sie aber früher auch von den südslawischen Nachbarn ge- kannt und anerkannt wurde, zeigt eine Szene in Vojdan Čemodrinskis Drama

"Robot i agata", in der die beiden gefangenen Mazedoninnen Rumena und Nevana ihren Peiniger Osman-Aga bei seiner "besa" beschwören, sie freizulas- sen: "Aman aga, pūsti ne, ž iti amautska besa"17; zwei Szenen zuvor lautet die fast wortgleiche Bitte: "Aga, ž iti turska vera pusti ne da si odim e!"18 Und die hohe Meinung der beiden Gefangenen von dieser "besa" w ird in der Bemerkung ihrer Landsmännin deutlich: "Ne m olite se, tie ako bea Am autin ne к 'e grabea ženi."19 (W orauf der Aga, dessen Vater, ein moslemischer Albaner, unter den Christen große Achtung genoß und dessen M utter unter dem Einfluß ihres Mannes eine bessere Moslemin wurde als manche Türkin, tatsächlich fü r einen Augenblick nachdenklich w ird, bevor sein verdorbener Charakter wieder die Überhand ge- w innt.)

12 Albanische feminine Substantive werden in die meisten Sprachen in der Regel in der be- stimmten Form, also m it dem postponierten A rtikel -a übernommen, Maskulina dagegen in der unbestimmten Form. Als Beispiele fu r das Deutsche können Ortsnamen dienen: einerseits

"Tirana" (unbest. "Тігапё"), andererseits jedoch "Durrës" (best. "D urrësi").

13 Vgl. Pirraku, M . (wie Anm. 10), S. 170.

״ Popovič, I.: Neki geniini i njim a srodni term ini kod Cmogoraca i Arbanasa. - In: Radovi Naučnog Društva Bosne i Hercegovine, II, 1954, S. 56.

15 Vgl. z.B. V ujaklija, M .: Leksikon stranih reči i izraza, Belgrad 1954, S. 114: "Шкоте dati besu dati nekome tvrdu reč da mu se neće nikako zio dogoditi od onoga koji je dao besu."

16 Vgl. Pirraku, M .: AaO, S. 171.

17 Čemodrinski, V .: Izbrani dela, Skopje 1975, S. 198.

18 AaO, S. 196.

19 AaO, S. 198.

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Auch der serbische Diplom at und Schriftsteller Branislav Nušič beklagte um die Jahrhundertwende ein Nachlassen des Festhaltens an der "besä": "Am auti na Kosovu nemāju više "bese"; njihova reč nije pouzdana; njihova vera nije tvrda. "2°

* alban, koha > serbokr., bulg., máz. koha, kova, koa

Verschiedene südslawische Realisierungen von alb. "koha" (Z eit) treten sowohl in Kosovo/M etohija und Montenegro als auch in Mazedonien und Bulgarien auf. Remzi Nesim i hat speziell die Varianten im Mazedonischen untersucht und 21

ih r Vorhandensein (w ie auch das anderer Albanismen in den heutigen südslawi- sehen Sprachen) w ie fo lg t erklärt: "Bekanntlich beginnt man in einer Nationalsprache Fremdwörter parallel zu den bereits vorhandenen als Synonyme bzw. Wiederholungen zu benutzen, um einen in W orte gefaßten Gedanken ex- pressiver und überzeugender erscheinen zu lassen."22 A ls Beispiel zitie rt er einen Vers aus einem mazedonischen Volkslied, in dem "kova" bzw. "koa" neben ma- zedonischem "vreme" verwendet werden, wobei er bei der albanischen Übersetzung wiederum auf das türkische Lehnwort im Albanischen (wie auch in anderen Balkansprachen) "zeman" zurückgreift:

Dojde vreme, dojde kova Erdhi koha, erdhi zemani da se vrati od spaillek të ktehet nga spahilluku

Die beiden Zeilen sind nicht nur ein Beispiel fü r mazedonisch-albanische Sprach- kontakte, sie spotten auch angesichts der großen Ä hnlichkeit ihrer grammatischen Konstruktion den selbst heute noch umgehenden Gerüchten, das Albanische sei eine "exotische" Sprache.

Neben "kova" ist in Mazedonien und Montenegro auch die Form "koha"

Л Л

gebräuchlich, z. B. "Sad je koha da se kopa kukuruz" ; am häufigsten heißt es jedoch nkoa", wobei das -h- auch im Albanischen nicht immer artikulie rt w ird.

20 NuSić, В.: Kosovo (Opis zemlje i naroda), Belgrad 1986, S. 177.

21 Vgl. Bäigarski etimologičen rečnik, Bd. I-III, Sofia 1971-1980; hier Bd. II, S. S06 bzw. 683.

22 HËshte e ditur se në një gjuhë kombëtare fillo jn ë të përdoren edhe fjalë të huaja paralelelisht me Qalët ekzistuese si sinonime a përseritje me qëllim përforcim i që mendimi i shprehur të jetë më ekspressiv e më bindës." Nesimi, R.: Disa elemente shqipe në të főimet e maqedonishtes perëndi- more. ־ In: Çështje të studimeve albanologijke I, Pristina 1987, S. 142.

23 Ebenda.

24 Ebenda.

23 Vgl. Popovič, I.: Albano-Slavica. Zur Geographie und Chronologie der albanischen Sprach- einflùsse a u f die Südslawen. - In: Südost-Forschungen, Bd. X V , (1956), S. 515 u. 517.

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* alban. qen > bulg./ máz. ken, kena; serbokr. кепка, Ćeno

Ableitungen des alb. Hqen" (Hund) sind sowohl im serbischen als auch im bulg.-mazedonischen Jargon bekannt: Im serbischen Jargon ist "кепка" (dass.) veral- tet , in den Geheimsprachen der Schneider von Debarsko sowie der Maurer von

26

Gocedelčevsko ist "ken" die Bezeichnung fü r "Hund", wobei dieses W ort im letztgenannten Jargon - aus der Sicht anderer europäischer Sprachen begreiflich - auch im übertragenden Sinn gebraucht w ird, hier als "Taugenichts". Im Maurer- jargon in den sogenannten südwestlichen Mundarten Bulgariens heißt der Hund

"kendarče"; das "d" w ird im "Bäigarski etimologičen rečnik" auf die albanische Pluralform "qentë" zurückgeführt ; das S uffix -arče findet dort keine Erklärung. 27

Möglicherweise ist es aus dem alb. S uffix -ar und dem slawischen -če kombi- niert: Das alb. -ar hat zwar eigentlich andere Funktionen, z.B. fü r Berufs- bezeichnungen, aber fü r Geheimsprachen ist eine etwas sinnwidrige Anwendung von W örtern oder Suffixen ja nichts Ungewöhnliches, sondern eher sogar etwas Zweckmäßiges.

Vuk verzeichnet in seinem serbischen W örterbuch den Hundenamen

"Ćeno"28, der offensichtlich ebenfalls auf alb. "qen" zurückgeht; der serbokroati- sehe Laut "ć" entspricht in etwa der nordalbanischen Aussprache des "q" / "k '"

dagegen der südalbanischen bzw. der heute hochsprachlichen albanischen A rti- kulation. Elezovič29 hat fü r das Kosovo keine Variante von "qen" vermerkt.

* alban. keqM > bulg. kek, kekav; maz. gegav; serbokr. kečav, gedzav Das albanische "keq" (schlecht) ist in den südslawischen Dialekten relativ w eit verbreitet: M it einem einheimischen S uffix versehen, tritt es sowohl im Bulgarischen (als "kekav", m it der leicht abgewandelten bzw. eingeschränkten Bedeutung "schwach, untauglich"31) als auch im Serbokroatischen (hier als

Ein Dutzend albanische Lehnwörter im Südslawischen

26 Andrić, D.: Dvosmemi rečnik srpskog žargona i žargonu srodnih reCi i izraza, Belgrad 1976, S.77.

27 Bäigarski etimologičen rečnik (wie Anm. 21); II, S. 328.

28 Karadžič, Vuk: Srpski iječnik (2), Belgrad 1986, S. 1032.

29 Elezovič, G l.: Rečnik Kosovsko-Metohijskog dijalekta, I u. II, Belgrad 1932 bzw. 193S.

30 Da sich ein albanisches Adjektiv von dem entsprechenden Adverb in vielen Fällen lediglich durch den vorangestellten A rtikel unterscheidet, w ird beim Entlehnungsprozeß meist die adverbiale Form übernommen und daher hier auch nur diese als albanische Ausgangsform ange- geben (also keq statt i keq (m .) bzw. e keq (f.)).

31 Bäigarski etimologičen rečnik (wie Anm. 21), S. 317.

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"kečav"; dass. ) und Mazedonischen (gegav = krummbeinig ); der k/g־Wechsel geht verm utlich auf albanische A rtikulation zurück.34

N ur in Geheimsprachen, wie z.B. in der der Schneider von Debarsko, w ird

"keq" als "kek" nahezu unverändert gebraucht, um einen widerspenstigen, bösar- tigen Menschen zu bezeichnen.35

* alban. bir, biro > serbokr., maz. bir, biro

"B ir" (Sohn) kann neben der Grundbedeutung im Albanischen auch die freundli- che Anrede eines älteren Menschen an einen Jungen bzw. einen jungen Mann sein, wobei in diesem Fall auch die Form "biro" gebraucht w ird.36 Obwohl auch

"b ir" im Mazedonischen vorkommt , scheint im allgemeinen "biro" die häufigere Variante im südslawischen Dialekt zu sein. In Cemodrinskis Drama "Make- donska krvava svadba" ist "biro" die liebevolle Anrede der Großeltern fü r ihre Enkel und dient gleichzeitig als Singular und Plural: "Baba Kuzmanica: (Kon Arse) Sedi m i, biro, sedi m i. Oh, babinoto detence."38; "Dedo Kuzman: N išto, biro ništo. Ná v i po edno šeKerče."39 (an beide Enkel gerichtet). Elezovič hat "b ir"

nur in der Zusammensetzung "A jt b ir" fü r das Kosovo vermerkt, als A uf- forderung an ein K ind; auch er gibt im übrigen die Vokativform "biro" an.40

alban. s ka > bulg. ska

Das alban. "s'ka" (w örtl.: (es) hat nicht, o ft auch: "es gibt nicht", also eine exakte Entsprechung zu bulg. "njama") e rfü llt in der Geheimsprache der Maurer von Smolsko drei Funktionen:

Zum einen dient es als "njama" im Sinne von "es gibt nicht" (z.B.: "Copi ska")41, zum anderen als Negationspartikel beim Futur (letztere Funktion hat

"s'ka" im Albanischen nicht; "s" ist allerdings eine - in manchen Fällen leicht umgangssprachlich gefärbte - Verneinungspartikel): "Ska da se ganam" statt

JA

"njama da ida". ScMießlich kann "ska11 in dieser Geheimsprache auch einen 32 Daničič, D j.: Rječnik hrvatskoga ili srpskoga jezika, Bd. I-X X III, Zagreb 1880-1976; hier: Bd.

III, S. 982.

33 Rečnik na makedonskiot ja zik, Bd. I-III, Skopje 1961-1965; hier: Bd. I, S. 95.

34 Vgl. z.B. im (gegischen) Dialekt "guzhina" (Küche) u. hochsprachl. kuzhina (dass.) 35 Bäigarski etimologičen rečnik (wie Anm. 21), S. 317.

36 Fjalor i gjuhës sä sotme shqpipe, Tirana 1980, S. 147.

37 Čemodrinski, V . (wie Anm. 17), S. 56.

38 AaO, S. 57.

39 Rečnik na makedonskiot ja zik, Bd. I-III, Skopje 1961-1965; hier: Bd. I, S. 35.

40 Elezovič, G l. (wie Anm. 29); hier: Bd. I, S. 46.

41 Kānčev, I. (wie Anm. 8), S. 402.

42 Ebenda.

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Befehl im Sinne von "nicht nötig, es reicht!" ausdrücken: "Ska folta čki" statt

"Stiga, da njama prikazki!"43 "Foltački" geht hier wiederum auf die 1. Pers. Sg.

A o rist "fo la " des alb. Verbs "flas" (sprechen) zurück.

* alban. dosa > serbokr., bulg./maz. dosa

Das albanische "dosa" (1. Schwein bzw. Sau, 2. W eib) ist im südslawischen Jargon recht w eit verbreitet: M it der Bedeutung "Ferkel" tritt es in den Geheim- sprachen G. Sachranes, Kazanlaškos, Skrebatnos und Gocedelčevskos auf44 und m it der ursprünglichen Bedeutung "Schwein" auch im allgemeinen serbischen Jargon, dort auch m it einer Reihe von Ableitungen m it H ilfe einheimischer S uffixe (dosanac, dosanka, dosanče, dosinac); im serbischen Jargon ist das W ort allerdings inzwischen veraltet.45

Wenn man bedenkt, daß es sich um Jargon handelt, so ist es merkwürdig, daß sich die zweite, im Albanischen durchaus nicht seltene Bedeutung von

"dosa" nicht verbreitet hat.

Auch der Diebesjargon von Vranja kennt eine Ableitung von "dosa":

"dosanka"; ebenso der Töpfeijargon von Priština: "dosovina" (Schweinefleisch).46

* alban. mish > serbokr., bulg./maz. miš, miša, miška, mišovina

"M ish" (Fleisch) wurde sowohl in serbische als auch in maz./bulgarische Jargons entlehnt: veralteter serbischer Jargon: "miša" (dass.); serbische Gaunersprache:

"m iška" (dass.)47, Geheimsprache der Maurer von Osat in Bosnien; "miša"

(dass.)48

In der Geheimsprache der Maurer von Smolsko bedeutet "m iš" sowohl Fleisch als auch ein Lebensmittel überhaupt49; in der der Maurer von Veles "ge- bratenes Fleisch". Die Maurer von Kruševo verwenden in ihrem Jargon neben

"m iš" (Fleisch) auch die Ableitung "mišovina" (dass.).50

Ein Dutzend albanische Lehnwörter im Südslawischen

43 Ebenda.

44 Bäigarski etimologičen rečnik (wie Anm. 21), Wer: Bd. I, S. 414.

45 Andiié, D. (wie Anm. 26), S. 38.

46 Skok, P. (w ie Anm. 7), S. 426.

47 Andrić, D.(wie Anm. 26), S. 108.

48 Popovié, I.: N ji ndikim gjuhësor yjeter i gjuhes shqipe në Jugoslavin qendore. - In: Jeta e re, V (1953), N r. 6, S. 422.

49 Kānčev, I. (wie Anm. 8), S. 397.

50 D im itrova-Todorava, L.: Bałkańskie zaimstvovanija v bolgarskom jazyke. - In: Linguistique balkanique, X X X II (1989), 1, S. 74.

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* alban. dredhéta > serbokr. dreíeza

"Dreteza" (Waldbeere) aus alb. "dredhëza" (Walderdbeere) ist eines der wenigen, sogar bei Vuks1 verzeichneten albanischen Lehnwörter in serbischen Dialekten, allerdings hat auch dieses "periphären, provinziellen Charakter" . Die serbo- 32

kroatische Form weist auf stimmlose albanische A rtikulation des "dh" hin, vgl.

Anm. 34. Skok bemerkt zu diesem Albanismus, "dreteza" habe in den Gegenden, in denen es verwendet werde, das serbokratische "jagoda" vö llig verdrängt.53

* alban. këndoj > bulg. kanduvam

Im Albanischen bedeutet "këndoj", nordalbanisch "kafldoj" in erster Linie

"singen", daneben aber auch "lesen". Die letztere Bedeutung hat sich auf das Bulgarische im Geheimjargon der Schneider von Debarsko übertragen.54 Das alb.

"këndoj" wurde dabei in das System der südslawischen Verben vom Typ

"kupovati" integriert (das Beispiel ist aus dem Serbokroatischen gewählt, da die- ses als einzige Balkansprache "echte Infinitivform en"55 bewahrt hat, während sie beispielsweise im Bulgarischen lediglich aus dem Aoriststamm zu rekonstruieren sind). In den Geheimsprachen Bracigovos lautet die Entsprechung "kandovam"

(dass.).56

* alban. zog > serbokr. Zogovič

Im Albanischen ist "zog" (Vogel) in der bestimmten Form ein Familienname:

Zogu. Der serbische Familienname "Zogovič" in Montenegro geht m it Sicherheit darauf zurück.57

* alban. qafa > serbokroatisch čava

A lb. "qafa" bedeutet unter anderem "Gebirgspaß" und dient in Komposita auch als Toponym: "Qafa e B u a llit" (Büffelpaß). Keine andere Erklärung als eben al- banische Herkunft bietet der Ortsname "Ćava" bei Titovo Užice in Westserbien.58 J1 Karadžič, V .: Srpski iječnik (1), Beograd 1986, S. 211.

52 Skok, P. (wie Anm. 7), S. 433.

53 Ebenda.

54 Bäigarski etimologičen rečnik (wie Anm. 21); hier: Bd. П, S. 204.

55 Der gegische In fin itiv m it "me" + Part. Perf. Pass, kann kaum dem In fin itiv im "herkömm- heben" Sinn gleichgesetzt werden, auch wenn er in den gleichen Fällen wie dieser benutzt wird.

16 S. Anm. 54.

57 Daničič, D j. (wie Anm. 32); hier: Bd. X X X III, S. 76.

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Ein Dutzend albanische Lehnwörter im Südslawischen

Die angeführten Beispiele sind als "Kostprobe" fü r die albanisch-südslawi- sehen Sprachkontakte gedacht, bei denen auch das Albanische zuweilen die Rolle der "gebenden" Sprache übernommen hat. V ie lle ich t wäre diese Rolle um einiges bedeutender, wenn sich die Albaner früher auf sich selbst besonnen hätten, an- statt den Ruhm ihrer mutmaßlichen illyrischen oder thrakischen Vorfahren für sich in Anspruch nehmen zu wollen.

58 Popovič, I.: Albano-Slavica. Zur Geographie und Chronologie der albanischen Spracheinflüsse a u f die Südslawen. - In: Südost-Forschungen, Bd. X V (1956), S. 518.

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