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Effektives Steuerungsinstrument

bei öffentlicher Auftragsvergabe ?

Von den Rechtsanwälten Dr. Anne-Carolin Seidler, Monika Henkelmann und Sebastian Jungnickel

D

ie Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wartet mit einer Stärkung von mittelständischen Interessen auf. Öffentliche Auftraggeber greifen insbesondere bei der Ausschreibung von VOL – Leistungen vielfach zu der Möglichkeit, eine Auftragserteilung dadurch zu steuern, dass sie die Angebotsabgabe der Bieter oder Zuschlagserteilung auf ein oder mehrere Lose beschränken, die sogenannte Loslimitierung. Mit diesem Instrument versuchen öffentliche Auftraggeber, eine größere Zahl von Bietern zu erreichen und eine Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller zu vermeiden. Primäres Ziel der öffentlichen Beschaffung ist jedoch der wirtschaftliche Einkauf der öffentlichen Hand und die sparsame Verwendung von Steuergeldern. Öffentliche Auftraggeber stehen deswegen vor der Herausforderung, bei der Beschaffung mögliche widerstreitende Ziele und kollidierende Interessen vergaberechtskonform in Einklang zu bringen.

Grundversorgungsauftrag in einer Verantwortung, der sie sich auch unter schwierigen Marktbedingun-gen nicht entziehen könnten. Sie seien vor allem dort und proportional stärker gefragt, wo dieser Auftrag zur Herausforderung wird, so Vahrson. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Ebers-walde wolle mit der Vermittlung wissenschaftlicher Expertise die Kommunen und ihre Unternehmen bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen.

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, knüpft der Leiter des Studienganges, Mario Stoffels, Professor für Controlling an der HNE und Prodekan des Fachbereiches Wirtschaft, mit einem Kästner-Zitat an die Ausführungen seines Präsidenten an. Der neue Studiengang sei in er-staunlich kurzer Zeit von der Idee zur Realität ge-reift. „Es ist sicherlich ein Frühchen, aber keines-falls eine Sturzgeburt“, so Stoffels. Vor allem dank der intensiven Unterstützung seitens kommunaler Unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet sei ein properes Baby geboren worden, dessen Ent-wicklung man mit Freude entgegensehen könne.

Modell Kommunalwirtschaft Michael Schäfer, nun neuer Honorarprofessor für Kommunalwirtschaft, bezieht sich in seiner

HOCHSCHULE FüR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG IN EBERSWALDE Gegründet

1830 als Höhere Forstlehranstalt in Ebers-walde, 1868 umbenannt in Forstakademie, 1921 Umwandlung in eine forstliche Hochschule, 1946 Neubeginn als Forst-wirtschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität Berlin in Eberswalde, 1963 Schließung der Fakultät, 1992 Neugrün-dung als Fachhochschule Eberswalde, 2010 umbenannt in Hochschule für nachhaltige Entwicklung

Fachbereiche

Wald und Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik, Wirtschaft Studenten:

ca. 1.800, Hochschullehrer: ca. 50

Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH), Friedrich-Ebert-Straße 28, 16225 Eberswalde,

Fon: 03334-65-7226, Fax: 03334-65-738 7226, e-mail: Gabriele.Mittag@hnee.de,

Internet: www.hnee.de Antrittsvorlesung insbesondere auf aktuelle

Ten-denzen in der globalen Wirtschaft. Die Wirt-schafts- und Finanzkrise hätte dazu geführt, dass erstmals seit dem Ende des Ost-West-Konflikts wieder eine breite Diskussion zur Zukunft des Kapitalismus geführt werde. Einige grundle-gende Parameter unserer Wirtschaftsordnung bedürften einer eingehenden Revision. „Es gibt sicherlich zahlreiche Zwischentöne, doch insbe-sondere der globale Finanzkapitalismus hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer weitgehend von humanistischen Werten ent-koppelten Raserei um kurzfristige Profite entwi-ckelt“, so Schäfer. Die zugrunde liegende Ideo-logie, Wachstum als einzig handlungsleitenden Fetisch zu begreifen, zerstöre die Grundlagen menschlichen Lebens und Zusammenlebens.

„Denn die natürlichen Ressourcen sind genauso endlich, wie die geographischen Grenzen un-seres Globus“, so Schäfer weiter. Kommunale Unternehmen stünden hier als Modell bereit, wie sich gesellschaftliche Verantwortung mit wirtschaftlicher Effizienz verknüpfen ließe. „Sie stellen sich dem Wettbewerb, folgen der ökono-mischen Vernunft, zielen aber in erster Linie auf das Primat der Nutzenstiftung für den Bürger“, so Schäfer in seinem Resümee.

Vergaberecht

31 UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • SEPTEMBER 2010

Dr. Anne-Carolin Seidler Sebastian Jungnickel

anderen Ausgestaltung der Loslimitierung werden zwar Angebotsabgaben der Bieter für mehrere Lose zugelassen, der einzelne Bieter wird aber im Falle der Zuschlagserteilung für ein Los bei den weiteren Losen nicht mehr berücksichtigt (Zuschlagslimitierung).

Folge einer von dem öffentlichen Auftragge-ber vorgenommen Loslimitierung ist, dass nicht

immer derjenige Bieter, der das wirtschaftlichs-te Angebot abgebeben hat, unbedingt auch den Zuschlag erhalten muss. Von dem im Vergabe-recht herrschenden Grundsatz, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist, wird also bei einer Loslimitierung abgewichen.

Eine solche Beschränkung des Wettbewerb-sprinzips kann aber nur als eine Ausnahme und nicht als Grundsatz zulässig sein – einen Anspruch des Bieters im Sinne von einem sub-jektiv öffentlichen Recht auf eine Beschränkung der Losanzahl je Bieter ist weder gesetzlich ver-ankert noch durch die Rechtsprechung entwi-ckelt worden. Eine Pflicht des Auftraggebers zur Loslimitierung würde auch über das im § 97 Abs. 3 GWB verankerte Gebot der Berück-sichtigung mittelständischer Interessen hinaus-gehen und wäre als aktives Fördern des Mittel-stands nicht mehr von dem Regelungsinhalt der Norm gedeckt.

Einzelfallrechtliche Beurteilung Wenn eine Loslimitierung von öffentlichen Auf-traggebern mit dem Ziel der Berücksichtigung mit-telständischer Interessen vorgenommen wird, wird dies grundsätzlich von der Rechtsprechung gemäß

§ 97 Abs. 3 GWB für zulässig erachtet. Um der Ge-fahr einer Bevorzugung der Gruppe des Mittelstan-des zu entgegnen, hat der Auftraggeber bei dem jeweiligen Vergabeverfahren zu prüfen, ob das Ins-trument der Loslimitierung eingesetzt werden darf.

Die Entscheidung für die Loslimitierung muss von sachgerechten Gründen getragen werden.

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Entscheidet sich die Vergabestelle, durch eine Loslimitierung den Zugang der Bieter zu dem Auftrag zwar zu verbreiten, und damit den Zuschlag nicht unbedingt auf dem wirtschaft-lichsten Angebot zu erteilen, so muss sie diese Entscheidung – als Ausnahme von dem Wett-bewerbsgrundsatz- aufgrund einer einzelfallbe-zogenen Beurteilung treffen.

Der Auftraggeber sollte sich bei der Ent-scheidung, nicht nur von Gründen, die dem Auftraggeberschutz dienen, leiten lassen, son-dern auch Bieterinteressen berücksichtigen und in die zu treffende Abwägung einbeziehen. Öf-fentliche Auftraggeber möchten mit einer Los-limitierung in der Regel die Erfüllung von Auf-gaben von herausragender Bedeutung für die Allgemeinheit sicherstellen. Die Vergabestellen versuchen mit der Loslimitierung auch, der Konzentration der Vergabe eines in Lose aufge-teilten Auftrags auf einen oder auf sehr wenige Bieter entgegenzusteuern, indem sie von vorn-eherein einer größeren Zahl von Bietern Chan-cen für einen Auftrag geben und darüber hinaus eine Risikostreuung erreichen.

Praxisbeispiel

So kann die Entscheidung eines Energieversor-gungsunternehmens bei der Vergabe von Stan-dardbauleistungen – etwa die Verlegung von Rohren und Kabeln in einem große Versorfungs-gebiet – , dass jeder Bieter nur auf eine bestimm-te Anzahl von Teil- oder Fachlosen Angebobestimm-te ab-geben darf, von sachgerechten Gründen getragen werden und damit zulässig sein.

Energieversorgungsunternehmen müssen die Versorgungssicherheit in dem von ihnen abge-deckten Gebiet gewährleisten. Sie setzen in ihrer Funktion als dem Vergaberechtsregime unterlie-genden Auftraggeber eine hohe Flexibilität von den Auftragnehmern voraus, denn diese müssen die gesamten Produktanforderungen des Ener-gieversorgungsunternehmens erfüllen. Aufgrund des hohen Risikos, dass ein einziges Unterneh-men die Produktanforderungen für das gesam-te Versorgungsebiet nicht erbringen könngesam-te, hat der Auftraggeber ein berechtigtes Interesse daran, dass mehrere Firmen für die Versorgungs-sicherheit und nicht nur ein einzelnes Unterneh-men beauftragt werden, um die optimale Abde-ckung der jeweiligen Bezirke in dem gesamten Versorgungsgebiet sicherzustellen. Würde der Auftraggeber keine Loslimitierung vornehmen, so könnte ein einzelner Auftragnehmer den Zuschlag für alle Gebietslose erhalten, was eine extreme Gefährdung der Versorgungssicherheit bedeuten könnte.

Folgen für die Praxis

Öffentliche Auftraggeber greifen häufig zu dem Instrument der Loslimitierung bei der täglichen Beschaffungspraxis. Diese Steuerungsmaßnah-me wird zum größten Teil in der Literatur und in der Rechtsprechung als zulässig angesehen.

Dies ist aber nicht per se der Fall, die Loslimitie-rung bedarf der Rechtfertigung als eine Ausnah-me von dem Grundsatz des § 97 Abs. 5 GWB, demnach der Zuschlag auf dem wirtschaftlichs-ten Angebot erteilt wird.

Vergaberecht

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Los-limitierung sollte sich der Auftraggeber daher nicht nur von Mittelstandsinteressen im Sinne des § 97 Abs. 3 GWB leiten lassen, sondern seine eigene Entscheidung an § 97 Abs. 5 GWB mes-sen und feststellen, ob sachgerechte Gründe für die Loslimitierung in dem jeweiligen Fall vorlie-gen. Da eine Loslimitierung auch eine Ausnah-me von dem Grundsatz darstellt, dass alle Bieter gleich behandelt werden (mit der Loslimitierung kann ja gerade das wirtschaftlichste Angebot nicht den Zuschlag erhalten, wenn schon der Bieter für ein anderes Los das wirtschaftlichs-te Angebot abgebeben hat) müssen erhebliche Gründe für die Loslimitierung sprechen.

Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Loslimitierung ist, dass diese in den Verga-beunterlagen den Bietern bekanntgemacht wird.

Die Entscheidung für bzw. gegen eine Losli-mitierung ist in dem Vergabevermerk aus Trans-parenzgründen zu dokumentieren – es sind die gegenseitigen Interessen und die Gründe für das jeweilige Überwiegen genau und nachvollzieh-bar darzustellen. Zudem kann es geboten sein, vertragliche Instrumente vorzusehen, durch die eine Risikostreuung zum Zwecke der Versor-gungssicherheit auch gewährleistet ist. So kann das Ausfallrisiko eines Vertragspartners durch die Festlegung von zusätzlichen Leistungspflich-ten des Auftragnehmers, die optional abgerufen werden können, minimiert werden.

www.fps-law.de

Der Straßenbau gehört zu den Bereichen, bei denen öffentlichen Auftraggeber versuchen, verstärkt Anbietern aus der Region größere Chancen bei der Auftragsvergabe einzuräumen. Natürlich unter strenger Beachtung der dazu vergaberechtlich bestehenden Möglichkeiten.

33 UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • SEPTEMBER 2010

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Ihre Mitglieder stehen im Spannungsfeld von Ökonomie, öffentlichem Interesse und der Kontrolle durch die Gremien. Ist das eine be-sonders brisante Konstellation?

Bauhaus:

Die unternehmerische Aufgabe unserer Mitglieder als verantwortliche Geschäfts-leiter von Sparkassen wird durch deren Unternehmenszweck definiert. Danach sind die Sparkassen – wie es unter anderem auch § 2 des Thüringer Sparkassengeset-zes bestimmt – Wirtschaftsunternehmen, die dem gemeinen Nutzen dienen und die Aufgabe haben, in ihrem Geschäftsgebiet die Versorgung mit Finanzdienstleistungen sicherzustellen. Sie führen ihre Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen unter Wahrung ihres öffentlichen Auftrages; die Gewinnerzielung ist nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes. Hieraus folgt die beson-dere Herausforderung für einen Sparkassenvor-stand: Ein Unternehmen nach kaufmännischen Grundsätzen erfolgreich zu führen und dabei zugleich dem gerade beschriebenen öffentlichen Auftrag gerecht zu werden.

Darüber wachen bei den Sparkassen die Verwaltungsräte. Sie sind dem Wohle der Un-ternehmen verpflichtet, und sorgen für die un-verzichtbare kommunale Verankerung. Diese Gremien stehen für die hohe demokratische Kultur bei der Führung der Sparkassen. Ich habe es in den 19 Jahren meiner Vorstandstä-tigkeit nie erlebt, dass es neben dieser strate-gischen Richtlinienkompetenz operative Ein-griffe in die Geschäftspolitik gegeben hat. Für die Einhaltung dieser Arbeitsteilung sind die

kommunalen Amts- und Mandatsträger glei-chermaßen verantwortlich. Wenn diese Prinzi-pien nicht nur deklamiert, sondern im besten Wortsinne auch gelebt werden, dann gibt es in Grundsatzfragen auch keine Divergenzen.

Sie gestatten an dieser Stelle noch folgende Anmerkung: Immer wieder wird die angebliche fachliche Inkompetenz kommunaler Vertreter in Aufsichtsgremien thematisiert. Die Fakten sprechen aber eine ganz andere Sprache. Die

Sparkassen haben in der Wirtschafts- und Fi-nanzkrise praktisch keine Federn gelassen. Das liegt an den fachlichen Fähigkeiten unserer Mit-arbeiter und Vorstände. Das liegt aber genauso am gesunden Menschenverstand der kommu-nalen Mitstreiter und deren ausgeprägter Fä-higkeit, auch die ganz praktischen Fragen zu stellen. Das verhilft dem alten kaufmännischen

Prinzip, von Geschäften die Finger zu lassen, die man nicht übersieht, zu täglich neuer Gel-tung. Das funktioniert bei den Sparkassen seit 200 Jahren mit großem Erfolg.

Drei Viertel der Konfliktfälle betreffen die „Chemie“

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Dass die Messlatte für Entscheider in öffent-lichen Unternehmen besonders hoch liegen muss, wird niemand in Frage stellen. Ergibt sich daraus auch ein ebenso hoher Anspruch für den Umgang mit dem leitenden Personal und wenn ja, wie würden Sie die Maßstäbe definieren?

Bauhaus:

Die Entscheider öffentlicher Unternehmen handeln nach den Grundsätzen guter Corpo-rate Governance: Ziel ist die verantwortungs-bewusste und auf nachhaltige Wertschöpfung ausgerichtete Führung und Kontrolle von Unternehmen.

In der Wahrung dieser Prinzipien sehe ich für kommunale Unternehmen sogar eine Vorbild-funktion. Dies betrifft selbstverständlich den Umgang mit dem Personal insgesamt, nicht nur mit den leitenden Mitarbeitern. Nach meinem Verständnis gehört es zur selbstverständlichen Binnenkultur eines jeden erfolgreichen Unter-nehmens dass der Umgang mit allen Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern von Fairness, Bere-chenbarkeit und Glaubwürdigkeit geprägt ist.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Ihr Verein wird im Konfliktfall aktiv. Was sind die häufigsten Streitfälle?

MEHRHEITLICH WERDEN EINVERNEHMLICHE LöSUNGEN GEFUNDEN

„Wenn die Harmonie dahin ist, wird das Haar in der Suppe gesucht“

Interview mit Dieter Bauhaus, Vorsitzender der Interessengemeinschaft von Sparkassenvorstands-mitgliedern e. V. (ISV) und Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Mittelthüringen

E

ntscheidungsträger in öffentlichen Unternehmen unterliegen hohen fachlichen und moralischen Maßstäben. Ihnen ist das Eigentum der Bürger anvertraut. Ihre Tätigkeit betrifft zumeist elementare Bereiche der Daseinsvorsorge. Das ist der zentrale Grund, warum Vorstände und Geschäftsführer unter besonderer Kontrolle der zuständigen Gremien und der Öffentlichkeit stehen. Es geht nicht nur um Pflichtverletzungen. Thematisiert werden oft schon Verhaltensweisen, die den strengen moralischen Anforderungen an Funktionsträger im Dienste der Öffentlichkeit nicht gerecht werden. Fehler – reale, oft aber auch ungerechtfertigte Vorwürfe und Unterstellungen – haben nahezu in jedem Fall Schlagzeilenpotenzial.

Wer derart im Focus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, der hat auch ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Tätigkeit fair und objektiv gewürdigt wird. Dieser Anspruch steht über dem Wirken der Interessengemeinschaft von Sparkassenvorstandsmitgliedern e. V.

((ISV). Wir stellten dem Vorsitzenden, Dieter Bauhaus, die folgenden Fragen:

Dieter Bauhaus

Bauhaus:

Wie schon der Name unseres Vereins nahelegt, vertreten wir im konkreten Fall die Interessen unserer Mitglieder. In erster Linie handelt es sich dabei um Probleme, die sich aus dem Dienstver-hältnis und den dienstlichen Pflichten des ein-zelnen Sparkassenvorstandes ergeben. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Mitglieder bei der Abwehr von geltend gemachten Regressfor-derungen im außergerichtlichen und gerichtli-chen Bereich. Die Konfliktfälle, bei denen wir um Unterstützung gebeten werden, treten vor allem im Zusammenhang mit der Bestellung bzw. der Abberufung von Sparkassenvorständen im Zusammenhang mit Fusionen, aufsichtsbe-hördlichen Aufforderungen und den damit ein-hergehenden Veränderungen im Anstellungsver-hältnis auf. Darüber hinaus betreuen wir unsere Mitglieder in Detailfragen ihrer Dienstverträge.

Drei Viertel aller Konfliktfälle betreffen die sogenannte „Chemie“, gestörte Vertrauensver-hältnisse, Risse in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Natürlich erwachsen aus solchen, meist beiderseitigen Verletzungen, auch Fakten.

Wenn die Harmonie dahin ist, beginnt die Suche nach dem Haar in der Suppe, und wer es will, wird meist auch fündig. Natürlich gibt es auch handfeste Verfehlungen: Fehler bei Kreditverga-ben, problematische Investitionsentscheidungen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich denke, wir können zu Recht stolz darauf sein, dass wir in den meisten Fällen einvernehmliche Lösungen finden.

Objektive

Interessenübereinstimmung UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Wie definieren Sie die grundsätzliche Position der ISV: Sind Sie Partei contra die kommunalen Träger oder begreifen Sie Management und Kom-munalpolitik als die beiden Seiten einer Medaille?

Bauhaus:

Grundsätzlich vertreten wir unsere Mitglie-der, d. h. die Sparkassenvorstände gegen-über ihren Vertragspartnern. Dies sind im Regelfall Verwaltungsräte, welche ihrerseits

die Sparkassen und damit die kommunalen Träger vertreten. Insoweit sind wir Parteiver-treter auf Seiten der Vorstände.

Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass es das erklärte Ziel unserer Interessen-gemeinschaft ist, Konflikte auf dem Ver-handlungswege zu lösen und einen öffent-lich ausgetragenen Streit stets zu vermeiden.

Wir sind der festen Überzeugung, dass es im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten ist, wenn Konflikte einvernehmlich und ohne negative Auswirkungen in der Öffent-lichkeit gelöst werden. Dies gelingt unseren Vertragsanwälten in der weit überwiegenden Anzahl der Betreuungsfälle.

Für diesen Erfolg gibt es auch eine grundsätz-liche Begründung. Was die Ziele und die grund-legenden Prinzipien der Tätigkeit von kommunal verankerten Sparkassen betrifft, so gibt es eine objektive Interessenübereinstimmung zwischen Vorständen und kommunalen Trägern. Nutzen-stiftung und öffentlicher Auftrag – wer sich dazu nicht bekennt, hat in der Führung von Sparkassen Sparkassen

DIE INTERESSENGEMEINSCHAFT VON SPARKASSENVORSTANDSMITGLIEDERN E. V. (ISV)

ˆ Die ISV e. V. wurde 1977 auf Initiative von Sparkassenvorständen der Rhein-Main-Re-gion gegründet. Zweck des Vereins mit Sitz in Frankfurt am Main ist es, seinen Mitglie-dern in allen Rechts- und Streitfragen, die sich unmittelbar aus deren Dienstverhältnis ergeben, Hilfe zu leisten und deren Interessen in Grundfragen des Dienstverhältnisses wahrzunehmen.

ˆ Der ISV gehören aktuell rund 1.800 Mitglieder an. Das entspricht einem Organisations-grad im Bereich der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe von 95 Prozent.

ˆ Der Verein finanziert über Mitgliedsbeiträge die außergerichtliche Betreuung und Vertretung seiner Mitglieder. Im Rahmen einer Top-Manager-Rechtsschutzversicherung werden die Kosten für Gerichtsprozesse, die sich aus Anstellungsverträgen und Vorwürfen der Pflichtver-letzung ergeben, abgedeckt. Für Vorgänge aus dem Geltungsbereich des Strafrechts besteht die Option zum Abschluss einer Spezial-Strafrechtsschutzversicherung. Partner ist in beiden Fällen die ÖRAG, das ist der Rechtsschutzversicherer der Sparkassen-Finanzgruppe.

„ISV – Interessengemeinschaft von Sparkassenvorstandsmitgliedern“ – ich bin schon zwanzig Jahre kommunalwirtschaftlich unterwegs, aber von dieser Einrichtung hörte ich vor wenigen Wochen das erste Mal. Und weil ich mich aktuell auch mit der Frage befasse, ob sich aus der Eigentumssituation und der auf Nutzenstiftung konzentrierten Zielsetzung kommunaler Unternehmen objektiv auch spezifische Tugenden in der Unternehmenskultur ergeben, griff ich die Idee von Dieter Bauhaus gern auf, über die Tätigkeit des ISV zu informieren.

Um auf die gerade formulierte Frage zurückzukommen: Auch das Gespräch mit Dieter Bauhaus hat bestätigt, dass die objektive Interessenübereinstimmung von Eigentümern, Trägern und Management in kommunalen Unternehmen eine ausgesprochen tragfähige Basis darstellt, um Konflikte zwischen den Protagonisten – die sind auch in der Kommunalwirtschaft, wie überall dort, wo Menschen agieren, unvermeidlich – beider Seiten zu lösen. Wenn also diese Hypothese stimmt, dann sollte man daraus auch eindeutig definierte Regeln für den Umgang miteinander, aber auch innerhalb der Unternehmen selbst ableiten.

In diesem Prozess könnte die ISV – nach meinen Recherchen ist diese Einrichtung im Bereich der Kommunalwirtschaft einzigartig – durchaus als Impulsgeber für eine entsprechende Diskussion wirken. Das ist ein Thema, an dessen Bearbeitung Entscheidungsträger aus allen Bereichen von Kommunalpolitik und –wirtschaft Interesse haben sollten. Es wäre schön, wenn dieses Interview mit Dieter Bauhaus dafür als eine Art Initialzündung wirken würde.

Michael Schäfer