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3.5 Ökonometrische Schätzung der Risikoprofile

3.5.4 Effekte einzelner Einflussfaktoren

Um die Effekte der einzelnen Erklärungsfaktoren auf die Erwerbsprofile auf Basis der in Ab-bildung 3-30 ausgewiesenen Beta-Koeffizienten zu interpretieren, werden in der Praxis die Effekte häufig mit Hilfe von sogenannten geschätzten Wahrscheinlichkeiten („predicted pro-babilities“) aufgezeigt. Zu diesem Zweck werden die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Erwerbsprofile einer Musterperson berechnet und anschliessend die Änderungen dieser Wahrscheinlichkeiten aufgrund von marginalen Änderungen in einem einzigen Erklärungsfak-tor aufgezeigt.

Unsere Musterperson in den nachfolgenden Analysen ist ein Mann mit Schweizer Herkunft mit Jahrgang 1960 bis 1964. Er hat eine Berufslehre abgeschlossen (Sek II) und arbeitet vor der letzten Arbeitslosigkeit in der Industrie. Unsere Referenzperson wohnt in einer Agglome-ration in der deutschsprachigen Schweiz und war während des Beobachtungszeitraums von 1993 bis 2010 während rund 4 Jahren (48,8 Monate) nicht aktiv im schweizerischen Arbeits-markt.

Mit diesen soziodemografischen Eigenschaften ist unsere Musterperson mit einer Wahr-scheinlichkeit von 42% im Profil Mehrfach-AL und mit einer WahrWahr-scheinlichkeit von rund 28%

im Profil Kurz-AL. Die Wahrscheinlichkeiten für die Erwerbsprofile 1xLang-AL und In&Out liegen mit 18% bzw. 12% deutlich tiefer.

Abbildung 3-31: Auswirkung der einzelnen Erklärungsfaktoren auf die Wahrscheinlichkeit der Erwerbsprofile

Geschlecht Alter

Herkunft Wohnort, Sprachregion

Ausbildung Berufsgruppe

Profil Kurz-AL Profil 1xLang-AL Profil In&Out Profil Mehrfach-AL Lesehilfe: Die Grafik vergleicht die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Erwerbsprofile für einzelne Faktoren,

wenn sämtliche anderen Eigenschaften identisch sind. Auf der Y-Achse sind die jeweiligen Wahrschein-lichkeiten für die Erwerbsprofile abgebildet.

Die Legenden finden sich im Anhang A, Kapitel 6.2.

0.1.2.3.4.5

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1 2

Geschlecht (1=Mann, 2=Frau)

0.1.2.3.4.5

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1945 1950 1955 1960 1965 1970 Jahrgang

0.1.2.3.4.5.6.7

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1 2 3 4 5 6 7

Staatskategorie

0.1.2.3.4.5

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1 2 3

Letzter bekannter Wohnort, Sprachregion

0.1.2.3.4.5

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1 2 3 4 5

Höchste abgeschlossenen Ausbildung

0.1.2.3.4.5

pr(Y=Erwerbsprofil x)

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Letzter Bekannter ausgeführter Beruf

Diese Risiken verändern sich aufgrund der soziodemografischen Merkmale folgendermas-sen:

Kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Wie Abbildung 3-31 verdeutlicht, sind die Risiken für einzelne Erwerbsprofile für Männer und Frauen in etwa gleich und un-terscheiden sich nur unwesentlich.

Deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für Mehrfacharbeitslosigkeit bei Personen von ausserhalb der EU: Im Gegensatz zum Geschlecht wirkt sich die Herkunft deutlich stär-ker auf die Erwerbsprofile aus. Personen mit sonst identischen Eigenschaften haben ein deutlich höheres Risiko (ca. 60%) für Mehrfacharbeitslosigkeit, wenn die Person aus dem Balkan oder der Türkei [6]35 stammt. Auch Personen von ausserhalb der Europäischen Staaten [7] haben mit rund 50% ein höheres Risiko für Mehrfacharbeitslosigkeit als Schweizer Bürger [1] (43%). Personen aus deutschsprachigen Nachbarländern [2] oder aus den nördlichen EU/EFTA-Staaten [4] haben hingegen ein geringeres Risiko für Profil Mehrfach-AL, dafür ist bei diesen Personen das Profil Kurz-AL wahrscheinlicher. Das Herkunftsland wirkt sich allerdings hauptsächlich auf die Risiken für die Profile Mehrfach-AL und Kurz-Mehrfach-AL aus. Das Risiko für In&Out und für 1xLang-Mehrfach-AL unterscheiden sich nur ge-ringfügig nach Herkunftsland.

Bildung mit unterschiedlichen Auswirkungen: Wie bereits bei der bivariaten Auswer-tung zeigt sich auch bei der multivariaten AuswerAuswer-tung ein uneinheitliches Bild bezüglich der Wirkung der Bildung auf das Risiko der einzelnen Profile. Wer ausschliesslich einen obligatorischen Schulabschluss [1] hat, ist zwar mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einmal für längere Zeit arbeitslos, weist aber ein tieferes Risiko für Mehrfacharbeitslosigkeit oder das Profil In&Out auf. Dies führt zur Vermutung, dass diese Personen überdurchschnittlich rasch aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wenn sie keinen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt erzielen (Resignation). Ansonsten sinkt das Risiko für problematische Profile mit steigen-der Bildung tendenziell.

Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit nimmt mit dem Alter zu: Mit den geschätzten Wahrscheinlichkeiten für unsere Referenzperson ist der Einfluss des Alters auf die Wahr-scheinlichkeit der einzelnen Erwerbsprofile deutlich ersichtlich. Bei sonst identischen sozi-odemografischen Merkmalen haben ältere Personen ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Erwerbsprofil 1xLang-AL. Für Personen mit den Jahrgängen 1947-49 [1945] beträgt die-ses knapp über 29 Prozent und nimmt bei jüngeren Personen bis auf 12% ab. Dafür steigt bei jüngeren Personen die Wahrscheinlichkeit für das Erwerbsprofil Kurz-AL. Die multiva-riaten Analysen bestätigen die deskriptive Analyse und stützen die These, dass die Ver-mittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt bei älteren Personen geringer ist. Die Tatsache, dass das Risiko für ein Erwerbsprofil Mehrfach-AL bei jüngeren Personen ansteigt, kann dahin-gehend gedeutet werden, dass jüngere Personen häufiger für eine Übergangszeit auch eine unpassende Stelle akzeptieren.

35 In den eckigen Klammern steht jeweils die Nummer der Codierung in Abbildung 3-31.

Höheres Risiko für In&Out in Landwirtschaft und Baugewerbe: Aus der multivariaten Statistik geht hervor, dass bei sonst identischen sozioökonomischen Merkmalen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für das Profil In&Out besteht, wenn die Person zuletzt in der Landwirtschaft [1] oder im Bausektor [4] tätig war. Hingegen ist die Wahrscheinlich-keit für dieses Erwerbsprofil im Gastgewerbe [6] mit ca. 12% in etwa im Durchschnitt. Das Gastgewerbe weist dem gegenüber in der deskriptiven Analyse die höchsten Anteile im Profil Mehrfach-AL auf.

In der lateinisch-sprachigen Schweiz höheres Risiko für Mehrfacharbeitslosigkeit:

Bei sonst gleichen soziodemografischen Eigenschaften haben Personen aus der franzö-sisch- [2] und der italienisch-sprachigen Schweiz [3] ein deutlich höheres Risiko für das Erwerbsprofil Mehrfach-AL als Personen aus der Deutschschweiz. Das höhere Risiko geht fast ausschliesslich auf Kosten des Profils Kurz-AL. Das Risiko für die beiden ande-ren Profile ist in allen drei Landesteilen in etwa identisch. Dies überrascht insbesondere bezüglich des Profils 1xLang-AL. Die bivariate Analyse zeigt einen deutlich höheren Anteil dieses Profils in der Westschweiz und im Tessin, während die Wahrscheinlichkeit gemäss der multivariaten Analyse konstant bei ca. 17% liegt. Dieser Effekt kann verschiedene Ur-sachen haben: Denkbar sind eine andere Struktur des Arbeitsmarktes, unterschiedliche Bildungsstände oder auch eine unterschiedliche Zusammensetzung der ausländischen Arbeitslosen.

Bis auf wenige Ausnahmen bestätigt die multivariate Analyse die bereits in den bivariaten Auswertungen gemachten Schlussfolgerungen. Zusammenfassend zeigt sich somit, dass besonders erwerbstätige Männer aus dem Balkan oder der Türkei mit Jahrgang 1947 bis 1949, welche nur eine Anlehre gemacht haben und zuletzt in der verarbeiteten Industrie tätig waren und in einer Tessiner Agglomeration wohnhaft sind, das höchste Risiko für eine Mehr-facharbeitslosigkeit aufweisen.

3.6 Ökonometrische Schätzung der Erwerbssituation nach der