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Definition von typischen Erwerbsprofilen

2.1 Definitionen und Einschränkungen

2.1.2 Definition von typischen Erwerbsprofilen

Die Erwerbsbiografien der untersuchten Personen sind sehr vielfältig. Um die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Erwerbsbiografien besser analysieren zu können, werden diese in übergeordnete Erwerbsprofile zusammengefasst. Diese Profile werden auf Basis von theore-tischen Überlegungen und empirischen Erkenntnissen festgelegt. In der ökonomischen Lite-ratur gibt es unterschiedliche Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Dauer der Ar-beitslosigkeit und der Wahrscheinlichkeit einer neuen Anstellung. Die Resultate variieren und reichen von negativen bis zu positiven Effekten der Arbeitslosigkeitsdauer.

Gemäss der Literatur wirkt sich die Dauer der Arbeitslosigkeit über drei Hauptmechanismen auf die Erwerbsbiografien der betroffenen aus. Die drei Hauptmechanismen spielen dabei in unterschiedliche Richtungen:

 Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt der Reservationslohn des Arbeitssuchenden, das heisst der Pool an möglichen Jobs wird grösser.10

 Lange Arbeitslosigkeit eines Bewerbers signalisiert gegenüber dem Arbeitgeber, dass der Bewerber Probleme in der Jobsuche hat, was die Wahrscheinlichkeit einer Anstellung ver-ringert (Stigmatisierung von Langzeitarbeitslosen).11

 Mit der Länge der Arbeitslosigkeit nimmt der Verlust an Fertigkeiten und Humankapital zu, was eine Anstellung zu gleichen Bedingungen erschwert.12

Auf die Schweiz bezogen fand Oberholzer-Gee (2001) in einer Studie mit einer experimentel-len Versuchsanordnung einen klar negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit einer Neuan-stellung bei Langzeitarbeitslosen (mehr als 30 Monate arbeitslos). Bei Kurzzeitarbeitslosen ist das Resultat hingegen positiv, da dort der Vorteil der unmittelbaren Verfügbarkeit (im Ver-gleich zu Bewerbern in einem Anstellungsvertrag mit Kündigungsfrist) überwiegt.11

Eindeutig ist hingegen der negative Effekt der Arbeitslosigkeit auf das Jahreseinkommen.13 Dieser Effekt ist nicht nur temporär, oft wurden auch signifikante Einkommenseinbussen über längere Zeit nach erneuter Anstellung gefunden (vor allem, wenn die Betroffenen vorher lan-ge am gleichen Ort anlan-gestellt waren).14 Faktoren für diesen Effekt sind einerseits der bereits erwähnte tiefere Reservationslohn, das tiefere (oder den neuen Anforderungen nicht ent-sprechende) Humankapital, der entgangene Lohn während der Arbeitslosigkeit und verpass-te poverpass-tenzielle Lohnerhöhungen. Der Hauptverpass-teil der Kosverpass-ten der Arbeitslosigkeit ist aber nicht auf spätere Lohneinbussen, sondern auf den entgangenen Lohn während der Arbeitslosigkeit zurückzuführen.15 Dies unterstreicht nochmals die Wichtigkeit der Länge der Arbeitslosigkeit in Bezug auf die Kosten (d.h. entgangene Einkommen).

Aufgrund dieser theoretischen Überlegungen ist es naheliegend, die Erwerbsprofile aufgrund der Dauer und Anzahl der Arbeitslosigkeiten festzulegen. Dabei wird zusätzlich berücksich-tigt, ob die Arbeitslosigkeiten innerhalb einer oder in mehreren Rahmenfristen aufgetreten sind. Für die Analyse beschränken wir uns auf vier verschiedene Erwerbsprofile, die nachfol-gend kurz erläutert werden.

10 Vgl. Kiefer/Neumann (1979), An Empirical Job-Search Model, with a Test of the Constant Reservation-Wage Hypothesis.

11 Vgl. Oberholzer-Gee (2001), Do Firms Discriminate Against the Unemployed? A Field Experiment.

12 Vgl. Pissarides (1992), Loss of Skill During Unemployment and the Persistence of Employment Shocks.

13 Vgl. Couch/Placzek (2010), Earning Losses of Displaced Workers Revisited.

Oder: Topel (1990), Specific capital and unemployment: Measuring the costs and consequences of job loss.

14 Vgl. Jacobson/LaLonde/Sullivan (1993), Earning Losses of Displaced Workers.

15 Vgl. OECD (2013), Working Party on Employment – Chapter 4. Back to work: re-employment, earnings and skill use after job displacement.

a) Erwerbsprofil Kurz-AL: Kurze Arbeitslosigkeit

Im Erwerbsprofil „Kurze Arbeitslosigkeit“ werden alle Personen zusammengefasst, die in ihrer Erwerbsbiografie nur eine oder zwei kurze Phasen von maximal je 6 Monaten in der Arbeits-losigkeit aufweisen. Bei zwei ArbeitsArbeits-losigkeitsphasen dürfen diese nicht in die gleiche Rah-menfrist fallen.

Personen mit Erwerbsprofil Kurz-AL können aus arbeitsmarktlicher Sicht als unproblematisch angesehen werden. Sie finden im Falle einer Arbeitslosigkeit schnell wieder eine Stelle und es sind keine langfristige Effekte auf den Lohn zu erwarten, weil in der Regel nicht mit dem Verlust von Humankapital oder bedeutenden Stigmatisierungseffekten zu rechnen ist.

Abbildung 2-1: Beispiele von Erwerbsbiografien für Profil Kurz-AL

b) Erwerbsprofil 1xLang-AL: Eine lange Phase Arbeitslosigkeit

Ist eine Person im untersuchten Zeitraum nur einmal arbeitslos, aber für mehr als 6 Monate, wird sie dem Erwerbsprofil 1xLang-AL zugeordnet. Eine längere Phase von Arbeitslosigkeit kann zwar unterschiedliche Ursachen haben, sie deutet aber darauf hin, dass bei der Person Vermittlungsschwierigkeiten bestehen und allenfalls Umschulungen notwendig sind. Zudem ist aufgrund bestehender Studien zu erwarten, dass mit der Dauer der Arbeitslosigkeit auch die Wahrscheinlichkeit von Lohneinbussen auf Grund der oben genannten Faktoren steigt.

Abbildung 2-2: Beispiele von Erwerbsbiografien für Profil 1xLang-AL Einkommen

pro Jahr

Alter

Einkommens-entwicklung

Einkommen pro Jahr

Alter

Einkommens-entwicklung

Einkommen pro Jahr

Alter

Einkommens-entwicklung

c) Erwerbsprofil In&Out: Mehrere Phasen von Arbeitslosigkeit in der gleichen Rah-menfrist

Viele Erwerbsbiografien weisen über eine kurze Zeit (meist innerhalb einer Rahmenfrist) eine Anhäufung von Arbeitslosigkeitsphasen auf, während die restlichen Erwerbsjahre unauffällig verlaufen und keine weiteren Arbeitslosigkeitsphasen vorkommen. Dies ist typischerweise bei jungen Erwerbstätigen am Anfang der Erwerbskarriere oder bei einer beruflichen Umorientie-rung zu erwarten. Diese Personen arbeiten als Temporäre oder in Saisonstellen, probieren unterschiedliche Arbeitgeber und Stellen aus oder überbrücken mit Gelegenheitsjobs die Zeit zwischen zwei privaten Ereignissen (z.B. zwischen zwei Ausbildungen, vor einer langen Rei-se oder der militärischen Karriere). Personen mit einem entsprechenden Erwerbsverlauf wer-den in Erwerbsprofil In&Out zusammengefasst. Als zusätzliche Restriktion gilt, dass diese In&Out-Phase innerhalb einer einzigen Rahmenfrist stattfinden muss.

Wir gehen davon aus, dass ein In&Out in die Arbeitslosigkeit für nur eine kurze Zeit ist aus arbeitsmarktlicher Sicht ebenfalls unproblematisch ist oder im Sinne einer verbesserten Allo-kation sogar sinnvoll sein kann. Entsprechend sind hier auch keine oder nur geringe langfris-tigen Einkommenseinbussen zu erwarten. Hingegen ist eine längere Phase des In&Out ein prekäres Arbeitsverhältnis, dass sich negativ auf die betreffende Person auswirken kann.

Abbildung 2-3: Beispiele von Erwerbsbiografien für Profil In&Out

Einkommen pro Jahr

Alter

Einkommens-entwicklung 2 AL innerhalb

1 Rahmenfrist (In-&-Out)

Einkommen pro Jahr

Alter Einkommens-entwicklung Alle AL innerhalb

1 Rahmenfrist (In-&-Out)

d) Erwerbsprofil Mehrfach-AL: Mehrfach Arbeitslos

Erwerbsprofil Mehrfach-AL bildet die Residualgrösse. In diesem Profil sind alle Personen enthalten, die im Verlauf ihrer Erwerbsbiografie mehrfach und in unterschiedlichen Rahmen-fristen von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Diese Gruppe ist sehr heterogen zusammenge-setzt und beinhaltet sowohl chronische Arbeitslose als auch Personen, die nur dreimal über den gesamten beobachteten Zeitraum jeweils eine kurze Phase arbeitslos waren. Aufgrund der Heterogenität der Gruppe sind nur bedingt allgemeingültige Aussagen für Profil Mehr-fach-AL sinnvoll. Es ist jedoch zu vermuten, dass diese Personen schwieriger zu vermitteln sind und grundsätzlich eine grössere Einkommenseinbusse resultiert.

Abbildung 2-4: Beispiele von Erwerbsbiografien für Profil Mehrfach-AL

e) Stärkere Differenzierungen

Mit den vier Erwerbsprofilen gelingt eine erste Klassifizierung der nahezu unendlichen Anzahl unterschiedlicher möglicher Erwerbsbiografien. Trotzdem können sich innerhalb der Gruppen die Erwerbsbiografien noch deutlich unterscheiden, insbesondere auch bezüglich Dauer und Häufigkeit der Arbeitslosigkeit. Um diesen Umstand gerecht zu werden, werden sowohl in der bivariaten Analyse, als auch in den weiterführenden multivariaten Auswertungen zusätzliche Faktoren berücksichtigt, welche eine stärkere Differenzierung der Profile ermöglichen. Neben der Gesamtdauer der Arbeitslosigkeit bzw. der Erwerbstätigkeit ist beispielsweise auch von Interesse, ob die Person während der Arbeitslosigkeitsphasen an einer arbeitsmarktlichen Massnahme teilgenommen hat oder zwischenzeitlich in einem Zwischenverdienst tätig war.