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Duale Berufsausbildung als allgemeine Humankapitalinvestition.42

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3 Theoretische Erklärungsansätze der Ausbildungsbereitschaft

3.1 Duale Berufsausbildung aus humankapitaltheoretischer Sicht

3.1.2 Duale Berufsausbildung als allgemeine Humankapitalinvestition.42

können, müssen aber die Annahmen des humankapitaltheoretischen Modells modifiziert werden. Die duale Berufsausbildung wird als ein Mischmodell cha-rakterisiert, weil spezifisches und allgemeines Humankapital vermittelt wird.

Zudem müssen die von Becker eingeführten Humankapitalarten im Kontext der dualen Berufsausbildung um die berufsspezifische Humankapitalkomponente, welche das Hauptmerkmal dieser Art von Berufsausbildung darstellt, ergänzt werden. Dabei ist zu beachten, dass berufsspezifisches Wissen mehr die Eigen-schaften des allgemeinen als des betriebsspezifischen Humankapitals besitzt. So kann berufsspezifisches Wissen nach einem Betriebswechsel uneingeschränkt eingesetzt werden, sofern der Beruf beibehalten wird. Diese Art von Wissen ver-fällt demnach nicht. In diesem Fall profitieren andere Unternehmen, die sich

nicht an der Ausbildung beteiligen, die aber die gleichen beruflichen Qualifika-tionen benötigen wie die Ausbildungsbetriebe in gleichem Maße wie von dem allgemeinen Humankapital. Berufsspezifisches Humankapital hat dieselbe Ei-genschaft wie allgemeines Humankapital und bildet somit eine wichtige Erklä-rungsgrundlage für die Funktionsweise des dualen Berufsausbildungssystems (Politaev/Robinson 2008). Zudem führen staatlich anerkannte Abschlüsse der dualen Berufsausbildung, die durch die Kammern abgenommen werden und der parallele Besuch der Berufsschule zu einer weiteren Verallgemeinerung des Wissens der dualen Berufsausbildung (Acemoglu/Pischke 1999b; 1999a;

Schettkat 1992), wodurch für Ausbildungsabsolventen Betriebswechsel erleich-tert werden. Die formalen Bildungskomponenten der dualen Berufsausbildung sind transferierbar (Stevens 1996). Aus diesem Grunde sehen auch Clark und Fahr (2001) sowie Harhoffund Kane (1997) die duale Berufsausbildung als eine Investition in allgemeines Humankapital an. Wird die Argumentation von La-zear (2004) betrachtet, gibt es kein (betriebs-)spezifisches Humankapital, da je-de Art von Wissen ohne größere Einschränkungen angewenje-det werje-den kann.

Betriebsspezifisch ist dann die Zusammensetzung der verschiedenen (allgemei-nen) Fähigkeiten, die nach ihrer Bedeutung bei der Ausübung der Tätigkeit je-weils unterschiedlich gewichtet werden.17 So sind Unternehmen eher bereit, in Ausbildung zu investieren, wenn die Kombination einzelner Fähigkeiten sehr betriebsspezifisch ist und nur in wenigen Bereichen Anwendung findet (Backes-Gellner/Mure 2008: 4). Trotz der Ausrichtung der dualen Berufsausbildung als eher allgemeine Investition muss weiterhin zwischen allgemeinem und betriebs-spezifischem Humankapital differenziert werden, um die verschiedenen Bil-dungsniveaus und deren Einflussfaktoren identifizieren zu können. Damit sind nach der Theorie von Becker Ausbildungsbetriebe nicht gewillt, Lehrstellen im Rahmen der dualen Berufsausbildung anzubieten, weil die Auszubildenden nach Erwerb ihres Berufsabschlusses den Ausbildungsbetrieb verlassen können, ohne bei einem anderen Arbeitgeber der gleichen Berufsgruppe größere Einkom-menseinbußen erleiden zu müssen (Pigou 1912). Darüber hinaus weisen nach einer Kostenstudie der dualen Berufsausbildung von Beicht et al. (2004) 96%

der Ausbildungsbetriebe Nettokosten nach der dualen Berufsausbildung auf,18

17 Bspw. benötigen Bürokaufleute mehr analytische Fähigkeiten als handwerkliches Geschick, wohingegen bei Tischlern der Schwerpunkt umgekehrt ausgerichtet ist. Entsprechend werden die beiden Fähigkeiten in den genannten Berufen unterschiedlich bewertet.

18 Hierbei ist zwischen den unterschiedlichen Kostenbegriffen zu unterscheiden. Die Sachver-ständigenkommission (,,Edding Kommission 1974) unterscheidet dabei zwischen zwei Kos-tenarten: Vollkosten und Teilkosten. Der Berechnung liegt der Ansatz der Vollkosten einer Berufsausbildung zugrunde, der in wissenschaftlichen Arbeiten meist zitiert wird. Vollkosten erfassen alle Leistungen, die im gesamten Prozess einer beruflichen Qualifizierung innerhalb des Betriebes anfallen. Es müssen daher alle eingesetzten Personen- und Sachmittel dem Aus-zubildenden (anteilig) zugerechnet werden; es werden somit auch Kosten berücksichtigt, die durch den Produktionsprozess in jedem Falle, also auch ohne Ausbildungsbeteiligung entste-hen (Beicht et al. 2004: 21f.). Demnach fließen auch die nicht entscheidungsrelevanten

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was den Anreiz für eine betriebliche Ausbildungsbereitschaft weiter beeinträch-tigen sollte. Dennoch sind Unternehmen bereit, in Humankapital im Rahmen der dualen Berufsausbildung zu investieren (Booth/Bryan 2002; Acemoglu/Pischke 1999a, 1999b, 1998; Autor 2001; Loewenstein/Spletzer 1999/1998; Katz/ Zi-derman 1990). Um die Ausbildungsbereitschaft für die duale Berufsausbildung erklären zu können, muss nach unterschiedlichen Zeithorizonten differenziert werden, die von den Humankapitalarten bestimmt werden. Diese Differenzie-rung erlaubt es somit, den Verbleib an der zweiten Schwelle und somit freiwilli-gen und vor allem die unfreiwillige Abgangsrate (Nichtübernahme), die bei Be-cker nicht existiert, zu verdeutlichen. Im Folgenden werden diese Ansätze ge-nauer beschrieben.

3.2 Mikroökonomische Erklärungsansätze und der Einfluss auf das Hu-mankapital

Aufgrund der begrenzten Anwendung des humankapitaltheoretischen Ansatzes, der vor allem auf den amerikanischen Arbeitsmarkt und entsprechend auf das On-the-Job-Training angewendet wird, muss das Modell um zwei unterschiedli-che Zeithorizonte erweitert werden, welunterschiedli-che sich durch die Kosten-Nutzen-Struktur bestimmen. Unternehmen bilden einerseits dann aus, wenn die Kosten bereits während der Ausbildung amortisiert werden. Eine Beschäftigung über die Ausbildung hinaus ist nicht notwendig bzw. vorgesehen. In einem Lagerhal-tungsmodell ist diese Situation durch geringe Fehlmengenkosten, welche die vorgehaltenen Potenziale innerhalb der Fachkräfte reduzieren, gekennzeichnet.

In diesem Fall ist die Ausbildung eher auf ein kurzfristiges Arbeitsverhältnis angelegt. Andererseits bilden Unternehmen auch bei Nettokosten aus. Die Moti-vation ist daher ein langfristiges Beschäftigungsinteresse, um den zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken. Entsprechend sind die Kosten der Vorratshaltung gemäß einem Lagerhaltungsmodell niedrig (Backes-Gellner 2008: 7).

In diesem Fall sind für die Erklärung der Motivation der betrieblichen Aus-bildungsbereitschaft vor allem institutionelle Rahmenbedingungen zu berück-sichtigen. Aus diesen jeweiligen Planungshorizonten lassen sich Implikationen für die Art und die Höhe des Humankapitals, das im Kontext der institutionellen Rahmenbedingungen vermittelt wird, ableiten. Zur Erklärung der unterschiedli-chen Ausbildungsbereitschaft muss der Zeithorizont, der im humankapitaltheo-ten, wie Personalkosten nebenberuflicher Ausbilder in den Vollkostenansatz ein. Auf Voll-kostenbasis entscheidet sich ein Betrieb, ob er ausbildet oder nicht. Dagegen berücksichtigt der Teilkostenansatz die Ausbildungskosten, die zusätzlich bei der Entscheidung für eine Ausbildung anfallen, also entscheidungsrelevant sind (Mohrenweiser/Backes-Gellner 2008).

Bspw. fallen hierunter die Ausbildungsvergütungen, die Personalkosten externer Ausbilder etc. (Beicht et al. 2004: 25). Bruttokosten sind alle Aufwendungen und Kosten, die im Zuge einer dualen Berufsausbildung anfallen. Werden die Erträge, die aus der dualen Berufsausbil-dung im Laufe der AusbilBerufsausbil-dungsjahre entstehen, abgezogen, ergeben sich die Nettokosten. Die Nettokosten geben demnach die tatsächlich verbleibenden Ausbildungskosten wieder.

retischen Grundmodell gilt, in eine Ausbildungs- und in eine Beschäftigungs-phase unterteilt werden. Daraus leitet sich der Fokus auf die AusbildungsBeschäftigungs-phase ab, da bei Beendigung der Ausbildung das Ausbildungsverhältnis zwischen Be-trieb und Ausbildungsabsolvent automatisch endet. Die Kosten-Nutzen-Struktur zu diesem Zeitpunkt bildet die Entscheidungsgrundlage für eine weitere Be-schäftigungsperiode.

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