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Allgemeines und spezifisches Humankapital als

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3 Theoretische Erklärungsansätze der Ausbildungsbereitschaft

3.1 Duale Berufsausbildung aus humankapitaltheoretischer Sicht

3.2.2 Investitionstheoretische Ansätze

3.2.2.2 Bestimmungsgründe von Investitionen in allgemeines

3.2.2.2.2 Allgemeines und spezifisches Humankapital als

Wegen der Organisation der dualen Berufsausbildung ist es unerlässlich, die si-multane Vermittlung von allgemeinem bzw. berufsspezifischem und betriebs-spezifischem Humankapital zu betrachten. Die allgemeinen und berufsspezifi-schen Kenntnisse werden durch den betrieblichen Teil dieser Ausbildung, in dem eine Vermittlung von betriebsspezifischem Wissen stattfindet, ergänzt. Da-her fördern der Aufbau und die Struktur der betrieblichen Arbeitsprozesse sowie die Bedienung von Maschinen die Vermittlung der betriebsspezifischen Human-kapitalkomponenten aufgrund der Integration in den Produktionsprozess (Rei-55 Gabriele Somaggio - 978-3-631-74988-3 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 09:32:31AM

chenbach 2001: 164; Neubäumer 1999: 69f.; Soskice 1994: 45). Bei der Analyse der dualen Berufsausbildung kann daher die Vermittlung von allgemeinem und betriebsspezifischem Humankapital nicht getrennt betrachtet werden. Die Exis-tenz von betriebsspezifischem Humankapital in den Ausbildungsinhalten fördert die Bereitschaft der Unternehmen, in betriebliche Ausbildung zu investieren.

Diese Art Wissensvermittlung unterliegt dann mehr dem Zufallsprinzip und kann die Informationsasymmetrien gegenüber anderen Unternehmen verstärken, weil sie über die festgelegten Ausbildungsinhalte hinausgeht und es dem Betrieb obliegt, welche Art und welche Höhe er an zusätzlichem Wissen an die Auszu-bildenden weitergibt. Zudem kann der Ausbildungsbetrieb ex ante festlegen, wie viel betriebsspezifisches Wissen angeeignet werden soll. In beiden Fällen wird die betriebliche Investition in Humankapital positiv beeinflusst. Aufgrund der Ausbildungsordnungen, die den Betrieben Mindestqualifikationen vorgeben und dafür sorgen, dass der duale Berufsabschluss allgemein anerkannt wird, ist der Anteil der betriebsspezifischen Komponente nach oben begrenzt. Unter diesen Rahmenbedingungen muss der Produktionsbeitrag schließlich um die betriebs-spezifische Komponente erweitert werden. Der Output kann durch

(5) f(s,r,B)=f'(s;B)+ f'(r;B)

beschrieben werden (Kessler/Lülfesmann 2002: 5). Daraus ergibt sich, dass die Produktivität am Ende der Ausbildung, f, vom betriebsspezifischen, (s), und vom allgemeinen Humankapital, (r), abhängt. Darüber hinaus beeinflusst der Parameter B den Output, der Auskunft bspw. über einen Nachfrageschock gibt.

Dieser Parameter ist nicht zu Beginn der Ausbildung, sondern erst nach einer gewissen Zeit innerhalb der Ausbildungsphase bekannt. Findet nun keine allge-meine Ausbildung statt, bestimmt sich die Produktivität nach der Ausbildung lediglich aus der Produktivität, die aus der betriebsspezifischen Ausbildung f' heraus resultiert und umgekehrt (Kessler/Lülfesmann 2002: 6). In diesem Fall sind die beiden Humankapitalkomponenten als Substitute zu betrachten.

Für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bedeutet dies, dass auch dem Unternehmen der Anteil des betriebsspezifischen Humankapitals verloren geht. Entsprechend erhält der Ausbildungsabsolvent bei einem Betriebswechsel einen Lohn, welcher der Höhe seiner Produktivität, resultierend aus dem allge-meinen bzw. dem formalen Wissensstand, entspricht (Kessler/Lülfesmann 2002:

8). Somit haben die Auszubildenden einen Anreiz, im Unternehmen zu verblei-ben, da ihnen sowohl ein Teil der Erträge aus allgemeinem und betriebsspezifi-schem Humankapital zusteht. Dasselbe gilt für das Unternehmen, das nun auch von allgemeinem Humankapital profitiert.31 So werden auch Anreize für

Auszu-31 Durch die gemeinsame Vermittlung der beiden Humankapitalkomponenten erhöhen sich aber auch die Kosten der Investition um den Anteil für die betriebsspezifische Bildung. Die Ausbildungskosten c(r,s) eines Betriebes hängen nun von der allgemeinen Bildung (r) und von der betriebsspezifischen Bildung (s) ab.

bildende selbst gesetzt, in betriebsspezifisches Humankapital zu investieren (Balmaceda 2005: 117).

Die gemeinsame Vermittlung der Humankapitalarten reicht aber für die Komplementaritätseigenschaft nicht aus. Vielmehr muss ein Zusammenhang zwischen den beiden Arten bestehen. So liegt Komplementarität zwischen all-gemeinem und betriebsspezifischem Humankapital vor, wenn mit zunehmendem allgemeinem Humankapitalstock bei gegebenem betriebsspezifischem Human-kapitalbestand die Produktivität stärker als der Marktlohn steigt. Dies entspricht nach Acemoglu und Pischke ( 1999a, 1999b, 1998) der relativen Lohnkompres-sion, weil ein hohes allgemeines Humankapitalniveau die Aneignung betriebs-spezifischen Wissens wiederum positiv beeinflusst. Umgekehrt weisen Steige-rungen des betriebsspezifischen Humankapitals bei gegebenem allgemeinem Humankapitalstock ebenfalls steigende, aber abnehmende Erträge auf (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Vermittlung von komplementärem spezifischem und allge-meinem Humankapital

s -r*(s)

s *(-r)

s'

1'

Quelle: Kessler/Lülfesmann (2002)

Infolgedessen genießen in der Regel die Auszubildenden, die über ein hohes Humankapital verfügen, eine weitere und auch höhere Ausbildung als Personen mit geringerem Bildungsstand, weil eine Vermittlung von betriebsspezifischem Humankapital erfolgen kann. Bei Vorliegen von Komplementarität zwischen allgemeinem und betriebsspezifischem Humankapital steigen die Bildungserträ-ge und die Bereitschaft der Betriebe für eine allBildungserträ-gemeine Ausbildung mit dem Anteil der Vermittlung von betriebsspezifischem Humankapital (Ace-moglu/Pischke 1999b: 560). Diese Bereitschaft kann durchaus auch von der

Zu-Gabriele Somaggio - 978-3-631-74988-3 57 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 09:32:31AM

sammensetzung des physischen Kapitals abhängen. Kapitalintensive Unterneh-men legen Wert auf gut ausgebildete Fachkräfte. Schließlich wirkt sich die Art der Ausbildungsinhalte auf die Fluktuation aus. Aufgrund der Komplementarität von betriebsspezifischem und allgemeinem Humankapital sinkt die Fluktuati-onsrate bei steigendem allgemeinem Humankapital (Acemoglu/Pischke 1999b:

560), weil aufgrund der Komplementarität auch der betriebsspezifische Bil-dungsanteil wächst. Jedoch beeinflusst aber auch eine exogen vorgegebene Fluktuationsrate die Bildungsinvestition: Ist diese hoch, wird Ausbildungsabsol-venten mehr betriebsspezifisches Humankapital vermittelt, wodurch das Verlas-sen des Betriebes weniger attraktiv erscheint. So ermöglicht auch die Komple-mentarität der beiden Humankapitalarten eine Entlohnung unterhalb der tatsäch-lichen Produktivität.

Zugleich verhindert gerade die gemeinsame Vermittlung von allgemeinem Wissen bei gegebenem betriebsspezifischem Humankapital das Problem des Hold-up32 in Form einer Unterinvestition in Bildung (Balmaceda 2005; William-son 1975), da die Unternehmen durch die Investition in allgemeines Wissen Bil-dungserträge realisieren können (Leuven 2005; Kessler/Lülfesmann 2002; Blin-der/Krüger 1996). Die Unterinvestition in Humankapital wird wegen des negati-ven Zusammenhangs zwischen der Fluktuationsrate und der Höhe der Bildung (bei Komplementarität von betriebsspezifischem und allgemeinem Humankapi-tal) vermindert. Um den Hold-up zu verhindern, müssen am Ende der Ausbil-dung Vertragsverhandlungen stattfinden. Dabei haben sowohl die AusbilAusbil-dungs- Ausbildungs-betriebe als auch die Ausbildungsabsolventen verschiedene Alternativen, sich auf dem externen Arbeitsmarkt umzusehen. Entsprechend hängt die Verhand-lungsmacht von der Zusammensetzung des Humankapitalbestandes ab. Je höher die betriebsspezifische Humankapitalkomponente, desto schwächer ist die Ver-handlungsposition der Unternehmen, da sie die Bildungserträge nicht vollstän-dig realisieren können, sofern die Ausbildungsabsolventen wechseln (Leuven 2005: 99). In diesem Fall investiert das Unternehmen in allgemeines Humanka-pital (Kessler/Lülfesmann 2002: 11 ). Darüber hinaus steigt das Interesse an ei-ner eigenen Ausbildung, wenn aufgrund der verwendeten Technologien bzw.

aufgrund der Komplexität der Arbeitsprozesse die externe Rekrutierung von Fachkräften teurer ist. In diesem Fall wird die Besetzung der Stellen aufwendi-ger und die Einarbeitungszeit verlänaufwendi-gert sich. Daher ist eine Ausbildung günsti-ger (Genda et al. 2001).

Für die Ausbildungsbetriebe ist es daher möglich, die Erträge der verbleiben-den Nettoinvestitionen der Ausbildung zu realisieren. Deshalb ist ein

langfristi-32 Hold-up entsteht bei Unsicherheit nach Vertragsabschluss. Der Ausbildungsbetrieb (Agent) verpflichtet sich, dem Auszubildenden (Prinzipal) Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine ordentliche Ausbildung gewährleisten. Wenn diese nicht vorherrschen, erfolgt eine Ver-tragsauflösung von Seiten des Auszubildenden. Durch die Vermittlung des betriebsspezifi-schen zusätzlich zum allgemeinen Humankapital kann dem Hold-up (der überrabetriebsspezifi-schenden Ver-tragsaufkündigung) entgegengewirkt werden.

ges Beschäftigungsinteresse umso größer, je mehr der Anteil des betriebsspezifi-schen Humankapitals an der Ausbildung ausmacht. Dies erfordert zugleich aber auch einen höheren allgemeinen Bildungsstand. Dadurch verstärkt sich die Bil-dung von internen Arbeitsmärkten (Sengenberger 1987).33 Innerhalb diesen herrscht ein höheres Ausbildungsgleichgewicht, was zu einer niedrigeren Ab-gangsrate aus dem Ausbildungsbetrieb führt (Acemoglu/Pischke 1998).

Die Notwendigkeit, dass trotz dieser Komplementarität zwischen Humankapi-talarten dennoch in allgemeine Bildung investiert wird, muss durch die Existenz von entsprechenden Institutionen ergänzt werden (Kessler/Lülfesmann 2002:

22), die im System der dualen Berufsausbildung durch Gewerkschaften, Indust-rie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern, aber auch durch die lange Tradition der betrieblichen Ausbildung gegeben sind.

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