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Beschreibung der Methode

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8 Ökonometrische Verfahren und empirische Evidenz

8.3 Bedeutung der Arbeitslosigkeit für die Beschäftigungsdauer zu Beginn

8.3.1 Beschreibung der Methode

Das Matching-Verfahren wird zur Beschreibung eines kausalen Effekts auf ein nachgelagertes Ereignis verwendet. Dabei wird der Einfluss eines bestimmt eintretenden Ereignisses auf ein später eintretendes Ereignis untersucht. Die Wirkungen anderer Einflussfaktoren werden dadurch ausgeschaltet. Üblicher-weise wird das Matching-Verfahren zur Beurteilung von arbeitsmarktpoliti-schen Maßnahmen verwendet. Hierbei lässt sich die Fragestellung behandeln, inwieweit die Teilnahme an einer solchen Maßnahme künftige Beschäftigungs-aussichten verbessert. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, dass Arbeitslosig-keit direkt nach der dualen Berufsausbildung die kumulierte Beschäftigungs-dauer nach einem Jahr beeinflusst. Deshalb ist es möglich, das Matching-Verfahren ebenfalls auf die hier behandelte Fragestellung anzuwenden.

102 Der Zeitraum des ersten Jahres nach der dualen Berufsausbildung wurde bei der techni-schen Umsetzung um zwei Monate verschoben. Das heißt, der hier betrachtete Zeitraum erstreckt sich vom zweiten bis zum 14. Monat nach Abschluss der dualen Berufsausbildung.

Der Bestimmung des kausalen Effekts liegt die Idee zugrunde, dass ein Zu-stand eintritt, wenn diesem ein bestimmtes Ereignis vorausgeht. Dies basiert auf der Vorstellung des Eintrittes potenzieller Ereignisse Y, der in Abhängig-keit von dem kausal wirksamen Faktor D (Arbeitslosigkeit direkt nach der dualen Berufsausbildung) steht (Gangl/DiPrete 2004: 4). Im Kontext der zu behandelnden Fragestellung ist das potenzielle Ereignis die Dauer der Beschäf-tigung in Tagen innerhalb des ersten Jahres nach der dualen Berufsausbildung.

Um den Effekt der Arbeitslosigkeit analysieren zu können, muss die hypotheti-sche Frage gestellt werden: ,,Wie hoch wäre die Beschäftigungsdauer innerhalb des ersten Jahres nach Abschluss der Ausbildung, wenn der Ausbildungsabsol-vent weiterbeschäftigt gewesen wäre?". Dies erfordert eine Betrachtung der Ausbildungsabsolventen sowohl im tatsächlich realisierten wie auch im hypo-thetischen Zustand. Da der Ausbildungsabsolvent jedoch nicht in zwei unter-schiedlichen Zuständen betrachtet werden kann, wird auch oftmals von einem Problem fehlender Daten und in diesem Zusammenhang von einem fundamen-talen Evaluierungsproblem gesprochen (Imbens 2004: 5).103 Der direkte Ver-gleich einer Arbeitslosigkeitsperiode und einer Beschäftigungsperiode direkt nach der dualen Berufsausbildung für ein und dieselbe Person ist nicht mög-lich. Der Ausbildungsabsolvent kann nur in dem tatsächlich realisierten Zu-stand beobachtet werden, entweder, wenn er arbeitslos oder, wenn er beschäf-tigt ist.

(15) Y==Y(D) ; ; ; Y;(I) == {Y(O) ; -- if 1if D; D,. == == 1 0

Die nach der Ausbildung beschäftigten Ausbildungsabsolventen, bei D; ==

o,

weisen eine kumulierte Beschäftigungsdauer in Höhe von Y;(0) auf. Dagegen realisieren die Ausbildungsabsolventen, die arbeitslos waren, D; == I, die Ergeb-nisvariable in der Form Y;(I), welche die Länge der Periode in Erwerbstätigkeit dieser Absolventen angibt.

Beobachtet werden kann jedoch nur die Beschäftigungsdauer, die ein ar-beitsloser Ausbildungsabsolvent innerhalb des ersten Jahres tatsächlich er-reicht. Die kumulierte Länge der Periode in Erwerbstätigkeit, die er nach einem Jahr realisieren würde, wenn er direkt nach der dualen Berufsausbildung be-schäftigt gewesen wäre, kann nicht beobachtet werden. Diese Beobachtung ist aber notwendig, um den Effekt der Arbeitslosigkeit auf die

Beschäftigungsdau-103 Um Rückschlüsse auf die Effekte zwischen der Experimentalgruppe und der Kontroll-gruppe zu ziehen, wird ein ökonometrisches Modell mit identifizierenden Annahmen be-trachtet. Daher müssen wiederum Annahmen auf die hypothetische Bevölkerung, die auf der beobachteten Bevölkerung basiert, getroffen werden. Das wiederum bedeutet, dass Annah-men über die nicht realisierten Zustände der beobachteten Ausbildungsabsolventen getroffen werden (Caliendo 2006: 20). Bspw. kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob direkt nach der Ausbildung beschäftigte Absolventen innerhalb des ersten Jahres tatsächlich ar-beitslos werden und sich somit die Beschäftigungsdauer verkürzt.

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er zu ermitteln. Dies ist durch den Vergleich zweier Personen möglich, die ihre Ausbildung unter denselben Bedingungen absolvieren und auch ansonsten die-selben individuellen Merkmale aufweisen (vgl. Hujer et al. 2003: 18). Folglich unterscheiden sie sich nur im Ereignis D. Um einen derartigen Vergleich zu erreichen, müssen zwei Gruppen gebildet werden: die Experimentalgruppe und die Kontrollgruppe. Der Experimentalgruppe werden Fälle zugeordnet, die nach der dualen Berufsausbildung arbeitslos sind, D

=

1 . Die Kontrollgruppe wird als Vergleichsbasis herangezogen. In dieser Gruppe sind alle Ausbil-dungsabsolventen enthalten, die nach der dualen Berufsausbildung erwerbstätig sind, somit gilt D

=

o .104 Der kausale Effekt einer Arbeitslosigkeit direkt nach der dualen Berufsausbildung auf die Dauer der Beschäftigung lässt sich durch die Differenz zwischen der Anzahl der Tage, die ein arbeitsloser Absolvent in Beschäftigung verbringt, und der Anzahl der Tage, die ein direkt nach der Aus-bildung erwerbstätiger Absolvent in Beschäftigung ist, bestimmen. Formal ist die Wirkung auf die Beschäftigungsperiode der Unterschied zwischen Yu = Y I D = 1 bei einem Verlassen des Ausbildungsbetriebes und

r

0, = Y I D =

o

bei einer Beschäftigung (im Ausbildungsbetrieb oder einem anderen Betrieb), (Y,, = Y I D

=

1)-(Y0,

=

Y I D

=

O). Zur Bestimmung der Wirkung einer Arbeitslo-sigkeit nach der dualen Berufsausbildung müssen Zwillingspaare gebildet wer-den, wovon der eine Partner aus der Experimentalgruppe und der andere Part-ner aus der Kontrollgruppe stammt. Folglich werden sich die Paare nur durch das Ereignis einer Arbeitslosigkeits- bzw. Beschäftigungsperiode unterschei-den. Die Zuordnung der einzelnen Partner erfolgt nach den beobachtbaren Ko-variaten X, welche betriebliche Rahmenbedingungen und individuelle Merk-male enthalten. Je mehr Einflussfaktoren jedoch bei der Bildung von Matching-Partnem berücksichtigt werden müssen, desto geringer ist die Wahrscheinlich-keit ein Paar mit derselben Merkmalsstruktur zu finden (Dehejia/Wahba 2002:

152). Um dieses so genannte Dimensionalitätsproblem zu lösen (D' Agostino 1998: 2267; Hujer et al. 2001: 178), wird meist der Propensity Score als Identi-fikations variable herangezogen. Nach Rosenbaum und Rubin (1983) reicht es aus, wenn Untersuchungseinheiten mit einer ähnlich hohen Eintrittswahr-scheinlichkeit in Arbeitslosigkeit einander zugeordnet werden.

Der Ermittlung des kausalen Effekts von Arbeitslosigkeit auf die Beschäfti-gungsdauer innerhalb des ersten Jahres nach Abschluss der Ausbildung geht die Schätzung eines Regressionsmodells voraus. Dieses bestimmt den Einfluss der Kovariaten auf das Ereignis Y und dementsprechend auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit

(16) Y;=a+Xß2+e,,.

104 Die Kontrollgruppe wird mit Hilfe des Cross-Section-Estimators gebildet, wozu Quer-schnittsinformationen ausreichen. Dies ist von Vorteil, da aufgrund der relativ kurzen Ar-beitsmarkterfahrung von Ausbildungsabsolventen nur wenige Längsschnittdaten für die Verwendung anderer Schätzer (bspw. Difference-in-Difference-Estimator) vorliegen.

Die Übertragung des Regressionsmodells auf die Idee des Matching-Verfahrens erfolgt nun über eine Erweiterung eines eintretenden Ereignisses.

So muss dem Ergebniszustand }'.(D;) ein Ereignis D vorangehen, durch wel-ches das Ergebnis Y erklärt werden kann. Daher muss das Ereignis wiederum als erklärende Variable in dem Regressionsmodell berücksichtigt werden. Die Matching-Methode basiert daher auf folgendem Zusammenhang:

(17) }'.(D;)

=

a+rD; +x;p, +E;,.

Das Ereignis darf aber wiederum nicht von dem Ergebnis beeinflusst werden.

Daher gilt Y0 , Y1 UD IX, wobei U für Unabhängigkeit steht (Caliendo 2006:30).

Dann sind gleiche Verteilungen hinsichtlich des Arbeitslosigkeitsrisikos bzw.

der Wahrscheinlichkeit der Erwerbstätigkeit zwischen den beiden Gruppen ge-währleistet. 105 Zudem muss bei dieser Regressionsgleichung die Unabhängig-keit zwischen der ArbeitslosigUnabhängig-keit direkt nach der dualen Berufsausbildung ( D) und den Kovariaten (X), den betrieblichen und individuellen Vorausset-zungen, und demnach X; UD; 1 e(X;) gelten (lmbens/Wooldridge 2007).

Schließlich basiert die Matching- Methode auf der Annahme der Exogenität (Unconfoundedness), also muss die Unabhängigkeit zwischen E; UX; gewähr-leistet sein. Das heißt, alle Merkmale, die im ersten Berufsjahr die Beschäfti-gungstage nach einer anfänglichen Arbeitslosigkeit beeinflussen, müssen beob-achtbar sein. Es ist möglich, dass letztere Bedingung durch das Selektions&rob-lem verletzt wird, da Schulabgänger bspw. aufgrund ihres Abschlusses1 6 be-stimmten Ausbildungsberufen zugeteilt werden. Daher unterscheiden sich die Mitglieder der Kontrollgruppe stark von denen der Experimentalgruppe, 107 so-dass keine Matching-Partner gefunden werden können bzw. daraus eine schlechte Qualität des Matchings resultiert. In diesem Fall kann der Einfluss nicht robust geschätzt werden. Das Selektionsproblem wird teilweise durch die

105 Bei der Annahme der Unabhängigkeit muss die Verteilung der Merkmale innerhalb der Kontrollgruppe der Verteilung innerhalb der Experimentalgruppe entsprechen. Gilt dies, sind die Erwartungswerte des Ereignisses identisch.

106 Es ist auch die unbeobachtete Heterogenität zu berücksichtigen. So können Jugendliche aufgrund informeller Fähigkeiten bestimmten Betrieben oder auch Ausbildungsbereichen zugeteilt werden. Auch in diesem Fall können nicht genügend Matching-Partner gefunden werden, bzw. die Matchingqualität ist aufgrund der zu unterschiedlichen Merkmalsstruktur nicht ausreichend. Die Schätzung kann dann durch weitere Lockerung der Annahmen hin-sichtlich der Identifikation bei den Matching-Partnem oder durch Verwendung einer passen-den Kontrolleinheit für mehrere arbeitslose Absolventen (,,Ziehen mit Zurücklegen") durch-geführt werden (Gensler et al 2005: 43). Allerdings ist für die Art der Ausbildung und für den Verbleib danach das formal erworbene Humankapital ausschlaggebend, selbst bei Selek-tion zu Beginn der Ausbildung (Adda et al. 2007).

107 Bspw. kann es im Extremfall sein, dass der Kontrollgruppe nur Ausbildungsabsolventen, die über Abitur verfügen und eine Ausbildung im produktionsnahen Dienstleistungsbereich absolviert haben, zugeordnet werden, während die Experimentalgruppe ausschließlich aus-gebildete Landwirte mit Hauptschulabschluss enthält.

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Matching-Methode berücksichtigt. Hierzu ist es aber notwendig, dass der Be-reich des ,Common Support' entsprechend groß ist. Demnach ist dies dann ge-geben, wenn eine ausreichende Anzahl von Ausbildungsabsolventen in der Kontrollgruppe eine ähnliche Merkmalsstruktur aufweist wie Ausbildungsab-solventen in der Experimentalgruppe. Nur diese Fälle werden dann einander als Matching-Partner zugewiesen und dienen so als Grundlage zur Ermittlung des kausalen Effekts. So lässt sich die systematische Zuordnung zu einer bestimm-ten Gruppe abschwächen (Blundell et al. 2005, Imbens 2007). In diesem Fall finden sich genügend Partner. Um die Ähnlichkeit von Matching-Partnern weiter zu gewährleisten und somit das Selektivitätsproblem zu redu-zieren, werden für die vorliegende Untersuchung Subgruppen nach den Merk-malen gebildet, von denen angenommen wird, dass diese die systematische Zu-ordnung verstärken. 108

Werden die Annahmen erfüllt, kann der kausale Effekt ermittelt werden.

Hierfür gibt es unterschiedliche Methoden eines Matching-Verfahrens, die in der Regel auf dem Rubin Causal Modell basieren (u.a. Rubin l 974, 1978; Hol-land 1986; Pratt/Schlaifer 1988; Manski 1995; Heckman et al. 1997; Rosen-baum 2002). Der Average Treatment Effect on the Treated (ATT) untersucht hierbei den durchschnittlichen Wirkungszusammenhang auf die kumulierte Be-schäftigungsdauer der direkt nach der dualen Berufsausbildung arbeitslosen Ausbildungsabsolventen, die nach einem Jahr wieder arbeitslos sind (vgl. Fier et al. 2005: 6; Gangl/DiPrete 2004: 6). Der Indikator gibt daher die Erwerbstä-tigkeitdauer an, welche Ausbildungsabsolventen, die den Ausbildungsbetrieb verlassen, aufweisen, wenn sie eigentlich entweder im Ausbildungsbetrieb verblieben oder in einem anderen Betrieb beschäftigt worden wären. Entspre-chend weisen sie eine höhere Beschäftigungsdauer auf ( Y0 ):

(18) ATT = E(t-.., 1 D = I) = E(J-; 1 D = 1)-E(Y0 1 D = 1).

Entsprechend wird hier der tatsächliche Einfluss eines zufällig ausgewählten arbeitslosen Ausbildungsabsolventen auf die Beschäftigungsdauer innerhalb des ersten Jahres nach Abschluss der dualen Berufsausbildung berechnet (Ca-liendo/Hujer 2005: 3; Gangl/DiPrete 2004: 8). Dies bedeutet, dass der Zustand aller Ausbildungsabsolventen aus der Experimentalgruppe ein Jahr nach der dualen Berufsausbildung betrachtet wird. Nimmt der ATT einen negativen Wert an, ist eine direkt nach der dualen Berufsausbildung arbeitslose Person weniger Tage in Beschäftigung als eine direkt nach der Ausbildung

beschäftig-108 Rosenbaum und Rubin (1983) schlagen einen Momentenschätzer vor, der die Annahme der Unabhängigkeit und des „common support" abschwächt. Nach Heckman et al. (1998) ist die Annahme der starken Ignoranz jedoch immer noch zu strikt. Entsprechend reicht eine im Durchschnitt erwartete Unabhängigkeit aus. E(Y01 X,D = 1) = E(Y01 X,D =0) genügt da-her. Schließlich reicht es aus, wenn das Ergebnis der Vergleichsgruppe unabhängig von dem Ereignis ist, Y0 UD IX und die Wahrscheinlichkeit kleiner l, P(D

=

11 X)< 1.

te Person. Ist der Effekt positiv, hat die Arbeitslosigkeit nach der dualen Be-rufsausbildung sogar vorteilhafte Auswirkungen auf die Beschäftigungsdauer.

Der Fokus liegt darauf, inwieweit die Dauer der Beschäftigung im ersten Jahr nach der dualen Berufsausbildung durch eine anfängliche Arbeitslosig-keitsphase verkürzt wird. Untersuchungsgegenstand ist die Struktur des Ein-flusses der Arbeitslosigkeitsphasen zwischen den Schulabschlüssen bzw. den Ausbildungsbereichen. Hierbei werden die Unterschiede sowohl zwischen den verschiedenen Schulabschlüssen als auch zwischen den einzelnen Ausbil-dungsbereichen unabhängig von anderen Einflussfaktoren untersucht. Daher sind die Effekte der betrieblichen und der konjunkturellen Faktoren zu kontrol-lieren, indem sie als Identifikationsvariablen, welche die Matching-Partner bestimmen, dienen. Diese Variablen sind neben den Abschlusskohorten die Be-triebsgröße, das Alter bei Abschluss der dualen Berufsausbildung, die Staats-angehörigkeit sowie, ob der Absolvent, innerhalb seines Wirtschaftszweiges unterdurchschnittliche Qualifikationen erlangt hat. So werden durch die Ver-wendung des Abschlussjahres der Ausbildung als Identifikationsvariable kon-junkturelle Effekte weitestgehend aufgehoben.109

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