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Domänenspezifische Aspekte in der Modellierung von KompetenzenKompetenzen

Im Dokument Vorwort und Danksagung (Seite 122-126)

an professionelles Schreiben

2.1  Modellierungen von Entwicklungsverläufen

2.2.2  Domänenspezifische Aspekte in der Modellierung von KompetenzenKompetenzen

Die diskutierten Kompetenz- und Wissensbereiche bzw. -arten beziehen sich auf Schreiben und Schreibexpertise auf einer Meta-Ebene. Zwar werden bei einigen der Konzepte spezifische Bezugskontexte mehr oder weniger deutlich – bei Kruse (2003a, 2007) oder Knorr (2019) das wissenschaftliche Schreiben, bei Baurmann (2002) und Fix (2006) vor allem schulisches Schreiben und bei Pohl (2014a) Schrei-ben in Schule und Universität – doch bleiSchrei-ben die Kompetenzbereiche so allgemein gehalten, dass sie sich in der Regel auf das Schreiben in anderen Kontexten übertra-gen lassen. Dies kann entweder auf der konzipierten Meta-Ebene geschehen oder auf den jeweiligen Anwendungskontext hin konkretisiert (vgl. Becker-Mrotzek/

Schindler 2007: 16f). Neben einer solchen domänenübergreifenden Schreibfähig-keit, die „ein Grundrepertoire an Schreibtechniken und -strategien zur Steuerung von Textproduktionsprozessen unabhängig von der Zielsetzung des Schreibens“

umfasst, lässt sich Schreibfähigkeit auch domänenspezifisch fassen und damit auf

„spezielle Kenntnisse und Prozeduren der Informationsverarbeitung, die in einem bestimmten Wissensgebiet bzw. in einer bestimmten Praxisgemeinschaft für die Textproduktion erforderlich sind“ fokussieren (vgl. Bräuer 2014:  261). In Bezug auf wissenschaftliches und professionelles Schreiben führen spezifische Akzent-setzungen zu unterschiedlichen SchwerpunktAkzent-setzungen bei der Modellierung von Kompetenzen.

2.2.2.1  Spezifische Kompetenzen für wissenschaftliches Schreiben

Kruse (2003a) und Knorr (2019) haben ihre Kompetenzmodelle auf das wissen-schaftliche Schreiben ausgerichtet. Kruse (2003a) ordnet den vier besprochenen Bereichen des Schreibens (Prozess, Produkt, Kontext und Kontent) vier für das wissenschaftliche Schreiben spezifische Fähigkeiten zu, die er domänenspezifisch konkretisiert. Schreibende brauchen die Fähigkeit,

1. den Schreibprozess zu steuern

2. die Textformen der Wissenschaften und ihre Bestimmungsmerkmale zu kennen und herzustellen

3. die disziplinenspezifischen rhetorischen und stilistischen Formen einzusetzen und dadurch der eigenen Stimme im Fachdiskurs die nötige Autorität zu geben 4. die erkenntnisgenerierende Funktion des Schreibens zu erkennen und für die

eigene Textproduktion ebenso wie für die Anleitung der wissenschaftlichen Arbei-ten anderer zu nutzen. (Kruse 2003a: 109)

Die Teilfähigkeiten sind nicht additiv zu verstehen und werden nicht unabhängig voneinander gelernt, sondern vielmehr Schritt für Schritt integrativ in Abhängig-keit voneinander aufgebaut (vgl. Kruse 2007: 133). Ein wesentlicher Aspekt des wissenschaftlichen Schreibens ist die (von Kruse 2003a unter Punkt 4 angespro-chene) „schreibende Erarbeitung“ von inhaltlichen Zusammenhängen. Es wird die epistemisch-heuristische Funktion des Schreibens genutzt, bei der sich Schreiben und Denken gegenseitig beeinflussen (vgl. Molitor-Lübbert 2003: 33). Schreiben kann das Denken dabei wesentlich unterstützen.

Ortner (2007: 115) nennt einige kognitive Tätigkeiten, die beim Schreiben voll-zogen und durch das Aufschreiben unterstützt werden: Es wird konkretisiert und abstrahiert, kondensiert, expandiert, detailliert und verknappt, es wird mit Gedan-ken, mit Vorstellungen, mit Inhalten gearbeitet. Die Aufzählung dieser Tätigkeiten bedeutet gleichzeitig eine Identifikation von Kompetenzen, die für diesen Teilbe-reich des Schreibens notwendig sind: Schreiber*innen müssen in der Lage sein, die Tätigkeiten zu vollziehen. Die kognitiven Aktivitäten im Hintergrund bilden die Basis dafür, dass auf der Produktebene die Entfaltung der Argumentation gelingt.

Adressat*innen-Orientierung zeigt sich beim wissenschaftlichen Schreiben nicht zuletzt darin, diese Denkprozesse – und vor allem die daraus resultierenden Argu-mentationslinien  – für Leser*innen durch entsprechende Textorganisation (vgl.

Knorr 2019: 173) nachvollziehbar darzustellen.

Die Entfaltung von Argumentationsniveaus basiert ebenfalls auf spezifischen Kompetenzen: Pohl (2014b) unterscheidet drei verschiedene Funktionen des Argu-mentierens, nämlich die kreativ-generative („Argumentieren als Aspektualisie-ren“), bei der es darum geht, mehrperspektivische Zugänge zu einem Gegenstand zu entwickeln, die kommunikativ-textuelle („Argumentieren als Profilieren“), die auf das Schärfen einer eigenen Position durch die Auseinandersetzung mit anderen Positionen abzielt und die konklusiv-eristische Funktion („Argumentie-ren als Durchsetzen“), bei der andere von einer bestimmten Position überzeugt

werden sollen (vgl. Pohl 2014b: 295f). Diese Funktionen des Argumentierens stel-len unterschiedliche Anforderungen an Schreiber*innen:  Vom Aspektualisieren zum Durchsetzen verschiebt sich der Fokus zusehends von der heuristischen auf die rhetorische Ebene. Während es beim Aspektualisieren zu einem überwiegen-den Teil um eine inhaltliche Auseinandersetzung geht, steht beim Durchsetzen die Überzeugungskraft des Texts und damit die textuelle Gestaltung stärker im Vordergrund. Beim Profilieren halten sich die beiden Aspekte die Waage. Je nach Art des Argumentierens verschieben sich die Kompetenzschwerpunkte damit von der ‚Kontent‘- auf die ‚Produkt‘-Ebene (wobei aber immer von einer Kombination und Integration verschiedener Kompetenzen auszugehen ist).

Wissenschaftliches Schreiben und Arbeiten wird oft über eine Analyse der Schwierigkeiten betrachtet, die Studierende dabei haben. Aus einer solchen Perspektive werden explizit oder implizit Kompetenzprofile für das wissenschaft-liche Schreiben erstellt. Ziel ist häufig die Identifikation von Anknüpfungspunkten für Schreibdidaktik, die wiederum auf den Aufbau und die Weiterentwicklung der entsprechenden Kompetenzen abzielt. Den Hintergrund bildet also die Überzeu-gung, dass Schreiben lehr- und lernbar ist, und dass es entsprechende Angebote braucht, um Studierende adäquat zu unterstützen.

Kruse/Jakobs (1999: 23f) nennen eine Reihe „spezifischer Kenntnisse und Fähig-keiten, die Studienanfänger nicht intuitiv erfassen, sondern die gelehrt werden müssen“: Textsortenkompetenz, Stilkompetenz, Rhetorische Kompetenz, Fähigkei-ten zur Herstellung von Text-Text-Bezügen sowie Lese- und RezeptionskompeFähigkei-tenz.

Ähnlich wie Philipp (2013) gehen Kruse/Jakobs (1999) von einer engen Verzah-nung von Lese- und Schreibkompetenz aus. Schwierigkeiten beim wissenschaft-lichen Schreiben verorten sie in „Uninformiertheit und fehlende[r] Vorbereitung auf die Schreibanforderungen im Studium“, in „fehlende[r] Rückmeldung für wis-senschaftliche Arbeiten“, in „fehlende[m] Problembewusstsein über die Schwierig-keiten wissenschaftlichen Schreibens“ und in „fehlende[r] Übung“ (Kruse/Jakobs 1999:  25). Zu einem ähnlichen Befund kommt Ruhmann (2003:  212), indem sie feststellt, dass Studierende den „Prozess des wissenschaftlichen Schreibens auf fatale Weise“ unterschätzen, „kein rationales Verständnis davon“ haben, „was es heißt, wissenschaftlich zu denken und zu kommunizieren“ und dass der „komplexe Prozess des Schreibens und die grundlegenden Normen des wissenschaftlichen Denkens und Kommunizierens […] im Studium kaum explizit thematisiert und reflektiert“ werden. Schwierigkeiten beim wissenschaftlichen Schreiben führen zu Schwierigkeiten im Studium, etwa dadurch, dass Hausarbeiten abgebrochen wer-den34 und im Extremfall das Studium nicht beendet werden kann. Wissenschaftli-che Schreibkompetenz ist also als Schlüsselkompetenz in vielen Studienrichtungen zu sehen.

34 So hat etwa in der Studie von Dittmann et al. ein Fünftel der befragten Studierenden bereits einmal eine Hausarbeit abgebrochen (vgl. Dittman et al. 2003: 182).

Feilke/Steinhoff (2003) versuchen wissenschaftssprachliche Kompetenz linguis-tisch zu fassen und setzen sich mit der nötigen Ausdruckskompetenz auseinan-der, die sich bestimmter wiederkehrender Kollokationen in bestimmten Kontexten bedient (vgl. Feilke/Steinhoff 2003: 117). Die Frage der Ausdrucks- und Formulie-rungskompetenz spielt nicht zuletzt beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schrei-ben in einer L2 eine wichtige Rolle. Sprache ist „eine Ressource und gleichzeitig eine Beschränkung“ (Knorr 2019: 166). Die Beschränkung durch Defizite oder Unsicher-heiten in der Sprachkompetenz kann sich über Schwierigkeiten beim Formulieren auf meso- oder makrostrukturelle Bereiche der Textgestaltung auswirken – wenn nicht über entsprechende Strategien gegengesteuert wird (vgl. Fandrych 2007: 276f).

Mit sprachlichen Schwierigkeiten haben auch manche der Proband*innen in den Fallstudien zu kämpfen (z.B. Andrea, CS1, oder Magdalena, CS13, vgl. Kap. 6 und 8). Sie haben sich aber ein Strategienrepertoire erarbeitet, das ihnen ermög-licht, trotzdem in der L2 auszudrücken, was sie ausdrücken wollen und eigene Gedanken im Text zu entwickeln und auszuarbeiten (vgl. Kap 8).

2.2.2.2  Spezifische Kompetenzen für professionelle Kurztextproduktion Bei der professionellen Kurztextproduktion verschiebt sich der Fokus von der epis-temisch-heuristischen Dimension stärker zur rhetorischen. Dabei taucht häufig die Werkzeugmetapher auf (vgl. Verhein-Jarren 2006: 242 oder Feilke/Bachmann 2014: 7), die Schreiben in den Bereich des Handwerklichen rückt; der Ausdruck

„Knowledge Crafting“ (Kellog 2008) lässt diesen handwerklichen Aspekt ebenfalls anklingen. Kompetenzen sind als Fähigkeiten im Gebrauch bestimmter Werkzeuge zu verstehen, die Werkzeuge selbst sind teils linguistische Ressourcen (z.B. Text-sorten und Textprozeduren), teils Schreibstrategien.

Von professionellen Schreiber*innen wird „Textsortenkompetenz“ auf hohem Niveau und in großer Variationsbreite erwartet (vgl. Urbahn 2013: 152). So erfor-dert Adressat*innen-Orientierung etwa soziolinguistische Kompetenz bzw. Varia-tionskompetenz, also Wissen darüber, „wann und wie mit jemandem gesprochen, die Varietät gewechselt oder angepasst wird“ (Ender/Kasberger/Kaiser 2017: 98).

Professionelle Schreiber*innen müssen in der Lage sein, „Texte in ihren Textwelten zu situieren und ihre kommunikativen und symbolischen Funktionen in spezifi-schen soziokulturell bestimmten Verwendungskontexten zu nutzen, sie kritisch zu analysieren und sie zu verändern“ (Thonhauser 2007: 18). Kramsch (2006) spricht von symbolischer Kompetenz (symbolic competence), die sie vor dem Hintergrund diskursiver Machtverhältnisse reflektiert und als die Fähigkeit spezifiziert,

symbolische Systeme zu manipulieren, Zeichen und ihre vielfältigen Beziehungen zu anderen Zeichen zu interpretieren, semiotische Praktiken zu nutzen, um Bedeutung zu produzieren und zu vermitteln und um sich selbstbestimmt im alltäglichen Macht-spiel zu positionieren. (Kramsch 2018: 193)

Schreibkompetenz schließt die Fähigkeit ein, mit Zeichenbedeutungen umgehen zu können, Konventionen und Tendenzen zu kennen, um auf dieser Basis informierte

Entscheidungen treffen zu können und sich im diskursiven Umfeld zu behaupten (vgl. Feilke 2010: 149).

Professionelle Schreiber*innen brauchen Strategien, die ihnen ermöglichen, sich immer wieder neue (und unbekannte) Schreibsituationen (und Textsorten) zu erschließen. Dazu gehört u.a. der Umgang mit Paralleltexten (vgl. Hepp 2018) oder mit Textprozeduren, die als Musterlösungen auf der Makro- bzw. der Mikroebene verstanden werden können.

Perrin (2003:  15) sieht professionelles Schreiben eng mit Bewusstheit ver-knüpft:  „Profis schreiben bewusster, und Schreiben bewusst zu machen profes-sionalisiert.“ Dazu gehört eine enge Verknüpfung von ‚Theorie‘ und ‚Praxis‘ (vgl.

Kaiser-Cooke 2004: 274f), die durch Reflexion unterstützt werden kann. In diesem Sinne hat die Teilnahme an den Fallstudien die individuelle Professionalisierung von einigen der Proband*innen befördert, die angegeben haben, dass die bewusste Reflexion ihrer Schreibprozesse für sie hilfreich gewesen sei und ihnen nun mehr Sicherheit beim Schreiben gibt (vgl. Abschnitt 5.4.).

2.3  Individuelle Professionalisierung als

Im Dokument Vorwort und Danksagung (Seite 122-126)