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Domänenspezifische Ansätze

Im Dokument Vorwort und Danksagung (Seite 76-80)

an professionelles Schreiben

1.4  Domänen und Textmuster

1.4.1  Domänenspezifische Ansätze

Der Begriff ‚Domäne‘ soll hier mit Jakobs (2008: 264) in Bezug auf „Branchen und Berufsfelder“ gefasst werden, „für die oder in denen geschrieben wird“: Er bezeich-net also Verwendungsbereiche von Texten. Wie weit- oder engmaschig diese Ver-wendungsbereiche definiert werden, ist bis zu einem gewissen Grad eine Frage von Interpretation und Perspektive. So fassen Adamzik/Antos/Jakobs (1997) in der Ein-leitung zum Sammelband „Domänen- und kulturspezifisches Schreiben“ Domänen recht allgemein – und offen:

Die ‚Verfachsprachlichung‘ als Resultante der Ausdifferenzierung moderner Gesell-schaften wird begleitet durch die Entstehung von neuen Sprach(gebrauchs)-Domä-nen: In den Wissenschaften, in der Wirtschaft, den Massenmedien, in der Technik und im Verkehrswesen entstehen und expandieren funktional orientierte, fachspra-chenübergreifende Sprachvarietäten. Diese ergänzen, vermehren und bereichern gesellschaftliche Diskurse, die – spezifiziert nach bestimmten Funktionen – hier als Domänen zusammen gefaßt werden soll. (Adamzik/Antos/Jakobs, 1997: 2)

Im selben Band wird dann Wissenschaftskommunikation als eine Domäne gefasst (Jakobs 1997a, Pieth/Adamzik 1997) literarisches Schreiben (Grésillon 1997), juri-discher Diskurs (Warnke 1997) und Journalismus als weitere Domänen (Perrin 1997). Aber auch engere Definitionen haben Platz: So nimmt etwa Niederhauser (1997: 211) „popularisierendes Schreiben über sprachliche Fragen und linguistische Themen“ als eine eigene Domäne an. Domänen können also – ähnlich wie ‚Kultur‘

(vgl. Witte 2007: 60) – je nach Analysezweck unterschiedlich geschichtet und defi-niert werden (vgl. Cooke/Dengscherz 2019).

In meiner Untersuchung sind dann vor allem zwei (Para-)Domänen wesent-lich: wissenschaftliches Schreiben und professionelle Kurztextproduktion (in der wiederum vor allem die Domänen Journalismus, Wirtschaftskommunikation oder Public Relations eine wichtige Rolle spielen). Die analysierten Schreibprozesse ent-stammen dem institutionellen Kontext Universität, sind also in weitestem Sinne akademischem Schreiben zuzurechnen, allerdings nicht in allen Fällen dem wis-senschaftlichen Schreiben. Die Kurztexte mit professionellem Anspruch, die von einigen der Proband*innen erstellt werden, entstammen anderen Domänen und werden in Ausrichtung auf andere Domänen gestaltet. Es handelt sich also in gewissem Sinne um domänenübergreifendes Schreiben bzw. – wie bereits ausge-führt – um ‚fiktive‘ Kommunikationssituationen, eine Art textuelles Rollenspiel, in denen reale Situationen nachgestellt werden. Zwar findet das Schreiben im uni-versitären Umfeld statt, die Paralleltexte, an denen sich die Schreiber*innen bei der Zieltextproduktion orientieren (können), sind allerdings anderen Verwendungs-bereichen zuzuordnen. Bei der Gestaltung der Texte müssen also ‚Vorbilder‘ aus anderen Domänen einbezogen werden (z.B. als Paralleltexte).

Im Folgenden soll auf jene beiden Bereiche genauer eingegangen werden, die für die Schreibaufgaben der Proband*innen wichtig sind:  das wissenschaftliche

Schreiben (Abschnitt 1.4.1.1) und Kurztexte mit professionellem Anspruch (Abschnitt 1.4.1.2.).

1.4.1.1  Wissenschaftliches Schreiben

Neben hohen Anforderungen in Bezug auf den Umgang mit Informationen (z.B.  reflektierendes Auswählen, hermeneutisches Textverstehen, Bearbeitung von Zusammenhängen, Vernetzen von Inhalten, vgl. Kissling 2006: 9) spielt beim wissenschaftlichen Schreiben die Gestaltung des Kommunikationsangebots im Text – und damit die Adressat*innen-Orientierung, wie sie in den vorangegange-nen Kapiteln ausgeführt worden ist – eine wichtige Rolle. Die Notwendigkeit einer solchen Leser*innen- und Zielgruppenorientierung ist Schreibenden aber gerade in der Domäne Wissenschaft oft nicht bewusst (vgl. Gruber 2006: 122). Daraus lässt sich schließen, dass ein wichtiger Schritt in der Professionalisierung Schreibender ist, Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Texte für bestimmte Zielgruppen ver-fasst werden und sich die Textgestaltung daran orientieren sollte. Nicht umsonst nimmt Kellogg (2008) als höchste Stufe der Schreibentwicklung das Knowledge Crafting an, bei dem gerade die Berücksichtigung der Leser*innen-Perspektive als neues Element dazukommt (für eine Diskussion des Konzepts vgl. Kap. 2).

Die Orientierung an Zielgruppen hängt eng mit dem Handlungsaspekt in Tex-ten zusammen. Bushati et al. (2018: 8) fassen wissenschaftliche Texte als „Vollzug von Wissenschaft“ und betonen damit genau diesen Aspekt des Handelns in und mit wissenschaftlichen Texten. Dieses Handeln folgt domänenspezifischen Kon-ventionen: Sich „kontextuell passend“ (Steinhoff 2010: 167) auszudrücken bedeu-tet, die Konventionen der Domäne Wissenschaft zu berücksichtigen. Dies erfordert wissenschaftliche Textkompetenz, die den situativen sowie den domänenspezifi-schen Kontext berücksichtigt (vgl. Steinhoff 2010: 170).

Ein wichtiger Aspekt wissenschaftlichen Schreibens ist die Auseinandersetzung mit Positionen anderer (vgl. Decker/Siebert-Ott 2018: 214) – und die Diskussion eigener Forschungsergebnisse im Verhältnis zu diesen Positionen. Die intertextuelle Bezugnahme erfolgt weitaus expliziter als in anderen Domänen (als z.B. im journa-listischen Schreiben, vgl. Steinhoff 2010: 176f). Wissenschaftliches Schreiben fordert eine intensive Beschäftigung mit dem Diskurs und eine Positionierung als Autor*in in diesem Diskurs (vgl. Portmann-Tselikas 2011: 30–33). Dazu gehören Formen des Referierens von anderen Texten im eigenen Text (vgl. Steinseifer 2018), was sich vor allem auf die Textgestaltung auf der Mesoebene auswirkt und unerfahrenen Schrei-ber*innen oft Probleme bereitet (vgl. Portmann 2018a: 47 und 2018b: 173).

Im wissenschaftlichen Schreiben bedeutet Professionalität zu einem guten Teil, sich inhaltlich in den Diskurs einzuarbeiten, denn erst, wenn der Diskurs – bzw.

ein entsprechender Ausschnitt des Diskurses  – (einigermaßen) überblickt wer-den kann, ist es möglich, eine eigene Position zu entwickeln (vgl. Bartholomae 1985: 139). Dies erfordert, den eigenen Text – aus einer gewissen Distanz – als Teil des Diskurses zu betrachten und damit in „Dialog“ zu treten (vgl. Tingle 2004: 85).

Die Auseinandersetzung mit dem Diskurs, das Eintreten in diesen Dialog kann

als ein Sozialisationsprozess betrachtet werden (vgl. Steinhoff 2010: 177), in dem die Schreiber*innen durch komplexe Aushandlungsprozesse schließlich einen eigenen Standpunkt entwickeln (vgl. Feilke et  al. 2016:  146). Wissenschaftliche Diskurse sind “based on collective consensus on what counts as relevant” (Kaiser-Cooke 2004: 233). Innerhalb dieses allgemeinen Konsenses werden jedoch unter-schiedliche Positionen verhandelt, und die kommunikative Handlung des sich Positionierens führt zu spezifischen „eristischen Strukturen“ im Text (vgl. Schmöl-zer-Eibinger 2018a: 58).

Der wissenschaftliche Diskurs ist im doppelten Sinne einer, an dem „countless people“ (Roozen 2016: 18; vgl. Abschnitt 1.3.) mitgewirkt haben: erstens an den inhaltlichen Positionen, zweitens an den Konventionen. Im Fortgang des diskur-siven Streitgesprächs über längere Zeiträume (also auf der inhaltlichen Ebene), erscheinen die Stimmen im Text (und im Literaturverzeichnis) zwar als durchaus zählbar, allerdings ist es aber wohl gar nicht möglich, in Texten alle Stimmen zu zitieren oder erwähnen, die an der Genese von Positionen beteiligt waren: Immer-hin verweisen die zitierten Autor*innen wieder auf andere Autor*innen etc., und so wird es zur Notwendigkeit, jene Stimmen zu selektieren, die für das aktuelle Schreibvorhaben am relevantesten scheinen. Da diese Auswahl von Text zu Text vollzogen wird, führt dies dazu, dass manche Stimmen überproportional gehört (viel zitiert) werden und andere mit der Zeit verstummen, nicht zuletzt, weil die Auswahl dieser Stimmen auch von pragmatischen Parametern abhängt, wie dem Zugang zur Quelle – in physischer wie sprachlicher Hinsicht. Quellen in der Lin-gua franca Englisch sind überproportional verbreitet. Dies liegt einerseits daran, dass der (sprachliche) Zugang zu diesen Quellen einer besonders großen Zahl an Wissenschaftler*innen offen steht, andererseits daran, dass in großen, prestige-trächtigen Journals vor allem auf Englisch publiziert wird (für einen kritischen Zugang dazu vgl. u.a. Lillis/Curry 2010 und Curry/Lillis 2013) oder Forschungs-förderungsanträge oft nur auf Englisch eingereicht werden können (vgl. Mocikat 2007: 135). Auch an Konventionen haben „countless people“ mitgewirkt. Konven-tionen wissenschaftlichen Schreibens schließen auch inhaltliche Belange ein (vgl.

Bartholomae 1985: 157), z.B. hinsichtlich dessen, was üblicherweise vertextet wird, welche Informationen in einem Text bereitgestellt werden sollen.

Für die Rezeption – und noch mehr die Produktion – von Texten ist die Kennt-nis anderer Texte somit eine unabdingbare Voraussetzung:  Leser*innen und Schreiber*innen werden in Textwelten unterschiedlicher Diskursgemeinschaften sozialisiert, und diese Sozialisierung bestimmt (mit), wie sie ihre Texte verfassen.

(Wissenschaftliche) Literalität als Sozialisierungsprozess verlangt lebenslanges Lernen (vgl. Kruse 2003a: 96, Schmölzer-Eibinger 2018b: 3f), Professionalisierung ist ein langer Weg. Einerseits müssen Darstellungskonventionen erlernt werden, andererseits kognitive Prozesse des Umgangs mit verschiedenen Wissensquellen (vgl. Kruse 2003a: 101).

1.4.1.2  Professionelle Kurztextproduktion

Die Studierenden am ZTW werden mit unterschiedlichen Vertextungssituationen in ihren Arbeitssprachen konfrontiert und lernen durch die praktische Erfahrung in diesen Situationen und die Reflexion dieser Erfahrungen (auf der Produktebene wie auf der Prozessebene). Neben wissenschaftlichem Schreiben gehört die Pro-duktion von Kurztexten mit professionellem Anspruch zum Alltag im BA-Studium Transkulturelle Kommunikation.

Diese Kurztexte lassen sich weniger deutlich einer bestimmten Domäne zuordnen, als dies beim wissenschaftlichen Schreiben der Fall ist. Die (fiktiven) Schreibsituationen sind häufig an journalistisches Schreiben oder Formen von Wirtschaftskommunikation angelehnt. Durch die Produktion unterschiedlicher Textsorten zu Übungszwecken wird auf den Aufbau textsorten- und domänen-übergreifender Schreibkompetenz abgezielt, wie sie u.a. von Schindler/Lehnen (2003) und von Böttcher/Czapla (2003) gefordert wird. Die Studierenden prakti-zieren professionelles Schreiben in ihren Arbeitssprachen, indem sie „Wirkungs-absichten im Rollenspiel der Kommunikation“ (Perrin 2003: 19f) vertexten. Dabei ist gefordert, Vorwissen in die Kommunikationssituation einzubringen, dieses zum vermuteten Vorwissen der Rezipient*innen des Zieltexts in Beziehung setzen, sich präzise und sprachbewusst auszudrücken und somit bewusst Intentionen in Ziel-texten zu verfolgen (vgl. Perrin 2003: 23). Inwieweit es gelungen ist, die Intention in der Textgestaltung professionell umzusetzen, ob also Autor*innen den Anforde-rungen des professionellen Schreibens gerecht geworden sind, zeigt sich u.a. in der sprachlichen Gestaltung des Zieltexts:

Zusammenhänge korrekt und verständlich darzustellen und die präferierte Posi-tion herauszustellen, so dass der Leser keine Zweifel über die Absichten des Autors bekommen kann, stellt hohe Ansprüche an das Sach- und Sprachwissen des Autors.

[…] In der sprachlichen Erscheinung des Textes spiegelt sich wider, wie gut oder schlecht ein Autor diese Aufgaben gelöst hat. (Graefen 2003: 62)

Im beruflichen Schreiben müssen Zieltexte häufig unter Zeitdruck erstellt werden (vgl. Ruhmann/Perrin 2003: 129 und Perrin 1997: 167), Effizienz spielt also eine wichtige Rolle. Als ein typisches Feld professionellen Schreibens ist z.B. journalis-tisches Schreiben zu betrachten.

Professionelle Schreiber*innen müssen in der Lage sein, ihre Schreibstrategien flexibel an unterschiedliche Erfordernisse anzupassen (vgl. Kruse 2007: 137). Dass Studierende lernen, dies zu bewerkstelligen, ist eines der Teilziele im BA Transkul-turelle Kommunikation am ZTW. Im domänenübergreifenden Schreiben lässt sich auf Gemeinsamkeiten zwischen Schreibaufgaben und Anforderungen bauen. Ruh-mann/Perrin (2003: 130f) sehen eine Reihe von Parallelen zwischen wissenschaft-lichem und journalistischem Schreiben und fassen beides als Konfliktmanagement auf sechs Ebenen:  1. muss ein Thema abgegrenzt und es müssen Thesen bzw.

Aspekte dafür entwickelt werden. Dafür müssen 2. Quellen erforscht und Quellen-texte bearbeitet werden, wobei 3. eine eigene Position gefunden und formuliert

werden und 4. ein Publikumsbezug hergestellt werden muss. Es geht 5. darum, das

„Rollenspiel“ zwischen den Quellen und der Darstellung der eigenen Position aus-gewogen zu „moderieren“ und 6. bei der Textproduktion Vorgaben im Hinblick auf Umfang und Fristen einzuhalten – womit auch logistische Fragen der Effizienz ins Spiel kommen (vgl. Perrin 2004: 90). Journalist*innen und Wissenschaftler*innen müssen gleichermaßen Strategien lernen, um mit potentiellen Konflikten auf die-sen sechs Ebenen umzugehen (vgl. Ruhmann/Perrin 2002: 131). Routinen äußern sich u.a. in vorgeformten Strukturen und Formulierungsmustern, die im journa-listischen Schreiben allerdings andere sind als im wissenschaftlichen (vgl. z.B.

Steinhoff 2010: 176f und Heller 2011: 152). Der Einsatz von Formulierungsroutinen erweist sich also nur dann als zielführend, wenn diese textsorten- und domänenad-äquat eingesetzt werden. Professionelle Schreiber*innen wissen die von Ruhmann/

Perrin (2002) beschriebenen Parallelen zu nützen, erkennen das jeweils Spezifische der Domänen (und darüber hinaus der jeweiligen Kommunikationssituation) und berücksichtigen diese Spezifik in ihrer Textgestaltung.

Im Dokument Vorwort und Danksagung (Seite 76-80)