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4 Der Einfluss geistiger Eigentumsrechte auf den Wissenstransfer in Entwicklungs- Entwicklungs-länder

5.3 Diskussionen um eine Weiterentwicklung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte Der Schutz geistiger Eigentumsrechte entwickelt sich kontinuierlich weiter. Nationalstaaten

5.3.2 Diskussionen in der WIPO

Die Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO hat das Mandat, den Schutz geistiger Eigentumsrechte durch internationale Zusammenarbeit sowie in Kooperation mit anderen multilateralen Organisationen zu befördern. Zur Zeit berühren sich WIPO und WTO in ihrer inhaltlichen Arbeit vor allem in drei Bereichen: Bei der Weiterentwicklung des internationa-len Patentsystems, beim Schutz traditionelinternationa-len Wissens und bei der Anpassung des Urheber-rechtes an die Herausforderungen des Internet-Zeitalters.319

317 Siehe hierzu das folgende Kapitel, speziell Abschnitt 6.2.1.

318 Vgl. z.B. Liebig (2003).

319 Siehe für einen Überblick Musungu/Dutfield (2003).

Die WIPO Patent Agenda

Im Jahr 2001 hat die WIPO-Vollversammlung eine neue Initiative zur Weiterentwicklung des internationalen Patentsystems verabschiedet: die WIPO Patent Agenda. Die Patent Agenda soll laufende Beratungen innerhalb der WIPO, die das Patentsystem betreffen, nicht ersetzen, sondern ergänzen und um eine strategische Orientierung bereichern.320 Drei Prozesse stehen im Vordergrund: WIPO möchte erstens die weltweite Ratifizierung des Patent Law Treaty (PLT) fördern, zweitens den Patent Cooperation Treaty (PCT) reformieren und drittens einen Substantive Patent Law Treaty (SPLT) verabschieden. Damit reagiert WIPO auf die Be-schwerden der Nutzer geistiger Eigentumsrechte, welche die hohen Transaktionskosten für einen international wirksamen Schutz beklagen. Die Patent Agenda soll aus Sicht des WIPO-Generaldirektors dazu dienen, Programme auszuarbeiten, die Erfindern und Industrie einen effektiven Patentschutz ermöglichen, der international durchsetzbar ist. Die drei Prozesse laufen in der Zielsetzung darauf hinaus, ein internationales Regelwerk für ein universell gülti-ges „Welt-Patent“ zu schaffen, auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist.321

Der PLT wurde im Jahr 2000 verabschiedet. Er ist am 28.4.2005 mit der Ratifizierung durch zehn Mitgliedstaaten in Kraft getreten.322 Der PLT enthält Mindeststandards für das Verfah-ren der Patentanmeldung und -erteilung, aber keine inhaltlichen Bestimmungen. Das Ziel besteht darin, die Verfahren international transparenter und für die Antragsteller billiger und schneller zu machen.

Dies steht in Zusammenhang mit dem PCT, der bereits seit 1970 in Kraft ist und ebenfalls das Antragsverfahren vereinfachen soll. Hier besteht der Kern des Vertrages darin, dass er die Möglichkeit schafft, ein Patent international anzumelden und vorprüfen zu lassen. Weder die Anmeldung noch die Vorprüfung ersetzen jedoch die Arbeit der nationalen (oder regionalen) Patentämter, sie sollen sie lediglich erleichtern und ein größeres Maß an Planungssicherheit für die Antragsteller schaffen. Seit dem Jahr 2000 verhandeln die WIPO-Mitgliedsländer über eine Reform des PCT, wobei die Industrieländer darauf dringen, den PCT in Richtung eines

„Welt-Patentes“ weiter zu entwickeln. Die Industrieländer wollen das Patentsystem kostenef-fizienter gestalten, indem durch eine Stärkung der internationalen Vorprüfung Doppelarbeit der nationalen Patentämter vermieden wird. Je bedeutender die Stellung der internationalen Prüfung, um so stärker werden die Spielräume der einzelnen Patentämter begrenzt. Die Dis-kussionen zum PCT dauern zur Zeit noch an, und es ist nicht absehbar, zu welchem Ergebnis sie führen.

Während die beiden erstgenannten Verträge im Wesentlichen prozedurale Aspekte des inter-nationalen Patentsystems regeln, behandelt der SPLT inhaltliche Aspekte eines

320 Vgl. www.wipo.int/patent/agenda/en/index.html.

321 Vgl. für eine Analyse Correa/Musungu (2002).

322 Insgesamt haben ihn bereits 53 Staaten und die Europäische Patentorganisation unterzeichnet. Für aktuelle Informationen siehe www.wipo.int/treaties/en/ip/plt/index.html.

Patentes“. Er befindet sich noch im Diskussionsstadium im Standing Committee on the Law of Patents in der WIPO. Zur Zeit liegt ein überarbeiteter Entwurf vor, der aus dem ersten Ent-wurf von 2001 hervorgegangen ist. Der VertragsentEnt-wurf definiert internationale Standards für die wichtigen Gestaltungsparameter Neuheit, erfinderischer Schritt und industrielle Anwend-barkeit, er beschreibt die Anforderungen für die Offenbarung im Patentantrag, für das Be-schreiben und die Interpretation der Ansprüche aus dem Patent, und er legt die Gründe für die Zurückweisung eines Antrags sowie für die Rücknahme eines Patents fest. Bislang blieben Bereiche ausgespart, in denen sich die Industrieländer untereinander nicht einig sind, so bei-spielsweise bei der Frage, ob das first-to-file oder das first-to-invent Prinzip bei der Patenter-teilung gelten soll.323

Die (möglichen) Inhalte des SPLT setzen internationale Standards für die Vergabe von Paten-ten und gehen in ihrer Harmonisierungswirkung noch über das TRIPS-Abkommen hinaus, welches erstens nur Mindeststandards festlegt und zweitens den Nationalstaaten Handlungs-spielräume bei der konkreten Ausgestaltung ihrer Schutzgesetzgebung belässt. Insbesondere die folgenden fünf Komplexe führen zu einer weitergehenden Harmonisierung:324 Erstens werden die Patentvoraussetzungen vereinheitlicht. Beispielsweise wird im TRIPS-Abkommen nicht definiert, wann eine Erfindung „neu“ ist, so dass Brasilien diesen Spielraum genutzt hat und in der Natur vorhandene Gene vom Patentschutz ausschließt, auch wenn sie erstmals isoliert wurden. Zweitens weigern sich die Industrieländer, Patentschutz auf Erfindungen „mit einem technischen Charakter“ zu begrenzen, so dass beispielsweise Software und Geschäfts-methoden patentierbar sein müssten.325 Drittens sieht der SPLT keine Ausnahmen von der Patentierbarkeit vor, anders als beispielsweise in Artikel 27.3(b) des TRIPS-Abkommens.

Viertens versuchen die Industrieländer, in dem Vertrag Regeln über Patentverletzungen fest-zulegen, um ein geschütztes Produkt gegen Wettbewerber relativ stark abzuschirmen. Dies würde nicht nur zu einer Harmonisierung der Patenterteilung führen, sondern weit in die Wettbewerbspolitik der Mitgliedsstaaten eingreifen. Fünftens wollen die Industrieländer festschreiben, dass es Vertragspartnern untersagt ist, zusätzliche Bedingungen bei der Patent-erteilung aufzustellen, die über die Bestimmungen des SPLT hinausgehen. Damit könnten beispielsweise Bemühungen einiger Entwicklungsländer untergraben werden, bei der Paten-tierung von Produkten, die auf genetischen Ressourcen beruhen, einen Herkunftsnachweis der Ressource mit einer Einverständniserklärung des Ursprungslandes zu verlangen.326

323 In den USA gilt das first-to-invent Prinzip, das demjenigen das Patent erteilt, der zuerst eine bestimmte Erfindung gemacht hat. Die meisten anderen Staaten weltweit wenden das first-to-file Prinzip an, nach dem derjenige das Patent erhält, der es als erster anmeldet, selbst wenn er nicht der erste Erfinder ist. Letzteres Prinzip gilt zwar als „ungerecht“, vermeidet aber langwierige Rechtsstreitigkeiten und gilt als praktikabler.

324 Vgl. Correa/Musungu (2002), S. 18–22.

325 Die USA argumentieren im Gegensatz zu einigen Entwicklungsländern, dass die Vorschrift im TRIPS-Abkommen, dass Patente auf Erfindungen „in all fields of technology“ erteilt werden, nicht bedeute, dass die Erfindungen einen technischen Gehalt aufweisen müssen.

326 Zu dieser Frage gibt es sowohl innerhalb der WIPO (siehe weiter unten in diesem Abschnitt) als auch in der Convention on Biological Diversity (CBD) Verhandlungen.

Einschränkend muss zu den bisherigen Ausführungen jedoch beachtet werden, dass sich die Industrieländer untereinander in wichtigen Fragen nicht einig sind, so dass die Verhandlungen nicht durch einen reinen Nord-Süd-Konflikt gekennzeichnet sind. Dies ist auch ein wichtiger Grund dafür, dass es bislang noch nicht zu konkreten Ergebnissen in den Verhandlungen gekommen ist. Auch die Entwicklungsländer bilden keinen monolithischen Block mit einheit-lichen Interessen. Dennoch kann man von der Tendenz her festhalten, dass die Industrieländer insgesamt an einer weiteren Stärkung der internationalen Patentgesetzgebung interessiert sind und zu diesem Zweck die WIPO Patent Agenda nutzen.

Der Schutz genetischer Ressourcen, traditionellen Wissens und von Folklore

Im Jahr 2000 richtete die WIPO das Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore ein, welches seitdem das wich-tigste Diskussionsforum zur Weiterentwicklung des Schutzes geistigen Eigentums in diesem Bereich bildet. Das Komitee beschäftigt sich mit dem Zugang zu genetischen Ressourcen und Mechanismen zum gerechten Vorteilsausgleich sowie mit dem Schutz traditionellen Wissens und kultureller Ausdrucksformen (Folklore).327 Damit überschneidet sich das Arbeitspro-gramm des Komitees mit Diskussionen, die im TRIPS-Rat zur Reform des Artikels 27.3(b) sowie in der Biodiversitätskonvention stattfinden.

Bis Ende 2004 ist es zu keinen Verhandlungsergebnissen gekommen. Im Bereich der defensi-ven Schutzmaßnahmen gegenüber einer unrechtmäßigen Aneignung genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens besteht eine relativ große Einigkeit unter den Entwicklungslän-dern: Sie fordern insbesondere, dass bei der Patentierung von Erfindungen, die auf geneti-schen Ressourcen beruhen, der Ursprung der Ressource und eine Einverständniserklärung des Ursprungslandes vorgelegt werden muss. Die Industrieländer lehnen dies – zumindest als allgemeine Verpflichtung – ab und plädieren für freiwillige Regelungen. Darüber hinaus könnte die Einrichtung von Datenbanken mit traditionellem Wissen ein defensives Schutzin-strument sein, indem die „Neuheit“ einer angeblichen Erfindung, die auf traditionellem Wis-sen beruht, zerstört wird.

Demgegenüber gibt es noch keinen Konsens darüber, ob und wie traditionelles Wissen offen-siv (also durch die Anwendung neuer Formen geistiger Eigentumsrechte) geschützt werden kann. Die Diskussionen in dieser Frage sind sehr komplex und können hier nicht ausführlich dargestellt werden. Aufgrund der Unterschiede von traditionellem Wissen und technischen Innovationen müsste ein sui generis Schutzinstrument entwickelt werden, das sich von Paten-ten abgrenzt: Das Wissen ist in der Regel nicht neu, befindet sich häufig in kollektivem Besitz und ist inkrementell entstanden. Aus ökonomischer Sicht ist im Falle traditionellen Wissens schwer mit einem Innovationsanreiz zu argumentieren, da es in der Regel um eine Belohnung für vergangene Innovationsanstrengungen geht (was mit defensiven Instrumenten vermutlich

327 Vgl. für Definitionen der Begriffe traditionelles Wissen und Folklore die detaillierten Ausführungen auf der Homepage der WIPO unter www.wipo.int/tk/en/index.html.

besser erreichbar wäre). Die indigenen Gemeinschaften, die häufig Träger traditionellen Wissens sind, haben teilweise widersprüchliche Bedürfnisse im Hinblick auf ihre Schutzinte-ressen artikuliert. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass es in naher Zukunft zur Entwick-lung eines sui generis Schutzinstrumentes für traditionelles Wissen kommt.

Für die Industrieländer stehen in Bezug auf genetische Ressourcen und traditionelles Wissen die Interessen der biotechnologischen Industrie im Vordergrund. Sie zielen in den Verhand-lungen darauf ab, einen möglichst weitgehenden internationalen geistigen Eigentumsschutz für Innovationen auf der Basis genetischer Ressourcen zu erreichen (also die Ausnahmen des Artikels 27.3(b) des TRIPS-Abkommens weiter einzuschränken), ohne gleichzeitig die Trans-aktionskosten für die Antragsteller zu erhöhen (in Bezug auf Vorteilsausgleich oder Her-kunftsnachweis).

Auch beim Schutz von Folklore zeichnet sich noch keine Lösung ab, der alle Beteiligten zustimmen können. Zwar existiert seit 1982 ein Modellgesetz zum Schutz von Folklore, das von WIPO und UNESCO entwickelt wurde, allerdings nicht in vielen Staaten zum Einsatz kommt. Folklore beruht auf der traditionellen kulturellen Basis von Gemeinschaften oder Ländern und kommt beispielsweise in musikalischen oder kunsthandwerklichen Arbeiten zum Ausdruck. Damit stellen sich bei der Entwicklung von Schutzinstrumenten so schwierige Fragen wie die nach dem „Besitzer“ des kulturellen Erbes. Außerdem muss der Konflikt gelöst werden zwischen der Bewahrung kultureller Traditionen, was durch ein Schutzinstru-ment gefördert werden kann, und der Weiterentwicklung von Kulturtechniken, was sozialen Wandel und wirtschaftliches Wachstum befördern kann. Der Schutz von Folklore vereinigt somit Kennzeichen von Urheberschutz, Markennamen und traditionellem Wissen (und dem damit verbundenen Kompensationszwang für vergangene „Besitzer“), und es ist noch offen, ob hierfür ein geeignetes sui generis Schutzinstrument entwickelt werden kann.

Die Anpassung des Urheberrechts an das Internetzeitalter

Bereits im Jahr 1996 hat die WIPO-Vollversammlung die beiden so genannten „Internet-Verträge“ beschlossen, die inzwischen durch die notwendige Ratifizierung in Kraft getreten sind: der WIPO Copyright Treaty und der WIPO Performances and Phonograms Treaty.

Beide Verträge dienen dazu, den Urheberschutz im Zeitalter digitaler Medien gegen techni-sche Umgehungsmaßnahmen zu verteidigen. Neben künstleritechni-schen Branchen profitieren auch Software- und Datenbankhersteller von den neuen Verträgen.328 Die WIPO hat im Rahmen ihrer „digitalen Agenda“ durch Seminare und Aufklärungskampagnen darauf hingewirkt, dass möglichst viele Mitgliedsländer die neuen Verträge unterzeichnen. Hierzu zählen mittlerweile

328 Allerdings drängen einige Industrieländer darauf, einen weitergehenden internationalen sui generis Schutz für Datenbanken einzuführen. So möchte die EU auch non-original databases schützen, da auch die Zu-sammenstellung von bekannten Daten ohne zusätzliche innovative Leistung als Investition in geistiges Ei-gentum zu betrachten und daher zu schützen sei. Hiergegen wehren sich die meisten Entwicklungsländer, die beispielsweise befürchten, dann von bislang öffentlich zugänglichen Daten(banken) ausgeschlossen zu werden bzw. einen höheren Preis dafür zahlen zu müssen.

auch eine Reihe von Entwicklungsländern, insbesondere aus Lateinamerika. Die Industrielän-der drängen darauf, die WIPO-Internet-Verträge in das TRIPS-Abkommen zu integrieren (im Rahmen der Revision des Abkommens gemäß Artikel 71.1). Wenngleich die meisten Ent-wicklungsländer nicht unbedingt Vorbehalte gegen die Verträge als solche haben, so regt sich doch in einigen Ländern Widerstand gegen dieses Ansinnen. Denn mit der Integration in das TRIPS-Abkommen wäre verbunden, dass die Verträge tatsächlich durchgesetzt werden müs-sen, was zusätzliche Investitionen in das Rechts- und Überwachungssystem nach sich ziehen würde. Hiervor schrecken einige Entwicklungsländer zurück.

5.3.3 Bilaterale und regionale Handelsverträge mit Regelungen zu geistigen

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