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3 Geistige Eigentumsrechte als wirtschaftspolitisches Instrument zur Förderung der Wissensproduktion

3.4 Ökonomik geistiger Eigentumsrechte in geschlossenen Volkswirtschaften

3.4.1.1 Der klassische trade-off bei diskreten Innovationen

Patente schützen Wissen, und Wissen weist (teilweise) die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes auf. „Information is expensive to produce, cheap to reproduce, and difficult to profit from.“135 Aufgrund von Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit ist nicht damit zu rech-nen, dass ein unregulierter Markt genügend Wissen bereitstellt. Dies ist, wie im vorigen Kapi-tel gezeigt wurde, aus volkswirtschaftlicher Sicht problematisch, da Wissen und Technologie wichtige Wachstumsmotoren darstellen.

Durch Patente verleiht der Staat Eigentumsrechte an neu erschaffenem Wissen, um das Gut ausschließbar zu machen und dem Unternehmer dadurch zu ermöglichen, sich die Erträge seiner F&E-Investitionen anzueignen. Der damit einhergehende klassische trade-off ist

135 Nordhaus (1969), S. 70.

ausweichlich: Statische Effizienz verlangt, das Wissen zu – unter Umständen sehr geringen – Grenzkosten weiterzugeben. Dynamische Effizienz erfordert, das Wissen teurer als zu Grenz-kosten zu verkaufen, um die F&E-Kosten zu erwirtschaften. Mit anderen Worten: Um Inno-vationen anzuregen, nimmt man bei Patenten einen dead weight loss (DWL) in Kauf, der durch die zeitlich begrenzte Monopolbildung entsteht. Der DWL kann als Preis angesehen werden, den eine Gesellschaft bezahlt, um volkswirtschaftlich erwünschte Innovationen zu generieren.

Der trade-off kann mit Hilfe einer einfachen Monopolgrafik veranschaulicht werden (siehe Grafik 4).136 Für ein bestehendes Produkt zeigt der Schnittpunkt von Angebots- und

Nachfra-Grafik 4: Der klassische trade-off bei der Erteilung von Patenten

Quelle: Eigene Darstellung.

KRm pm

p

Gm

p*

qm q* q

K' DWL

gekurve die effiziente Kombination aus Menge und Preis an, die sich im langfristigen Kon-kurrenzgleichgewicht ergeben würde (q*/p*). Hier wird die gesellschaftliche Wohlfahrt (in Form von Konsumentenrente (KR)) maximiert, da alle Konsumenten, die das Gut höher schätzen als seine Produktionskosten, bedient werden.137 Der Unternehmer erhält eine Ent-schädigung in Höhe der Produktionskosten, die den Unternehmerlohn enthalten.138 Allerdings kann er bei diesem Preis nicht seine Kosten für Forschung und Entwicklung erwirtschaften, sofern seine Konkurrenten das Produkt als free-rider imitieren und danach zu Grenzkosten auf dem Markt anbieten. Das aus statischer Sicht optimale Marktergebnis kann sich also nicht einstellen, da das Produkt gar nicht erst entwickelt worden wäre. Innovativen Unternehmern fehlt die Aussicht auf Pioniergewinne, so dass kein Anreiz für riskante F&E-Investitionen besteht. Ohne Patente – oder andere Instrumente zur Aneignung von Innovationserträgen – ergäbe sich auf einem Wettbewerbsmarkt ein sozialer Überschuss von Null, da kein Anbieter die F&E-Investitionen tätigen und als erster in den Markt eintreten würde.

Wird dem innovativen Unternehmer nun mit Hilfe eines Patents ermöglicht, ein temporäres Monopol zu errichten, dann maximiert er seinen Gewinn, indem er die Angebotsmenge so-weit verringert, bis sein Grenzerlös den Grenzkosten entspricht. Für dieses geringere Angebot sind die Konsumenten bereit, einen höheren (Monopol-)Preis pm zu zahlen, der an der Preis-absatzfunktion (Nachfragefunktion) abzulesen ist. Dem Unternehmer werden seine F&E-Aufwendungen durch die Monopolrente Gm entlohnt.139 Die KR schrumpft auf KRm. Die Gesellschaft als Ganzes muss – gegenüber der nicht-erreichbaren Konkurrenzlösung – einen Wohlfahrtsverlust in Höhe von DWL tragen.140 Andererseits realisiert die Gesellschaft einen Wohlfahrtsgewinn im Vergleich zur Situation „ohne Produktentwicklung“, und zwar in Höhe der Summe aus Gm und KRm, abzüglich der Innovationskosten.141

Patente stellen ein unvollkommenes second-best Instrument dar, um das Marktversagen zu heilen. Die Monopolrente kann höher oder niedriger als die F&E-Aufwendungen liegen.

Darin besteht das betriebswirtschaftliche Risiko einer innovativen Unternehmung. Volkswirt-schaftlich betrachtet deutet die Grafik darauf hin, dass die Monopolrente „zu klein“ ist, um einen optimalen Forschungsanreiz zu setzen. Einen Teil der „optimalen KR“ kann sich der

136 Vgl. z.B. Maskus (2000), S. 28-31.

137 Die KR entspricht dem Dreieck unter der Nachfrage- und oberhalb der Angebotskurve.

138 Die Produktionskosten werden durch das Rechteck unterhalb der Angebotskurve ausgedrückt.

139 Da das Monopol durch die Patentlaufzeit zeitlich befristet ist, handelt es sich um eine Quasi-Rente, die langfristig wieder verschwindet.

140 Bei einer linearen Preisabsatzfunktion und konstanten Grenzkosten ergibt sich, dass die gewinnmaximieren-de Angebotsmenge gewinnmaximieren-des Monopolisten (qm) halb so groß ist wie die (unerreichbare) Menge q*. In Grafik 5 ist abzulesen, dass die KR auf ein Viertel der „optimalen KR“ schrumpft, und die Monopolrente die Hälfte der optimalen KR ausmacht. Ein Viertel geht als DWL verloren. Vgl. für einen formalen Beweis Deardorff (1992), S. 36–38.

141 Die Innovationskosten sind nicht in den Grenzkosten enthalten, sondern in den Durchschnittskosten. Auf die Einbeziehung der Durchschnittskostenkurve in die Grafik wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.

Monopolist nicht aneignen, so dass sinnvolle Innovationen ausbleiben. Diese Überlegung wird anhand von Grafik 5 verdeutlicht.142 Hier wird nicht mehr ein Markt für eine einzelne Innovation betrachtet, deren Angebotsmenge der Monopolist variieren kann, sondern ein Kontinuum an Innovationen. Die Idee ist, dass ein (repräsentativer) Unternehmer entscheidet, wie viele Innovationen er durch F&E-Investitionen generieren will. Der Einfachheit halber werden erneut lineare Nachfrage- und Kostenfunktionen unterstellt. Innovationen, die die größte KR generieren, erbringen gleichzeitig den höchsten Monopolgewinn, so dass sie zu-nächst getätigt werden.

Grafik 5 zeigt an, wie sich Konsumenten- und Monopolrente bei zusätzlichen Innovationen verändern. An der Abszisse ist die Menge an Innovationen abgetragen, ausgedrückt durch die zu ihrer Erstellung notwendigen Forschungsausgaben. An der Ordinate lassen sich Konsu-menten- und Monopolrente pro Euro Forschungskosten ablesen. Die oberste Linie stellt die optimale KR pro Euro Forschungskosten in Abhängigkeit von den Innovationen143 dar, die sich ergeben würde, wenn das Konkurrenzgleichgewicht erreichbar wäre. Formal ausgedrückt lautet die Beziehung:

(

f gI

)

n I

KR*( )= −

Die Parameter f und g legen die Lage und das Gefälle der Funktion fest. Mit f werden die Präferenzen der Konsumenten abgebildet.144 Der Parameter g bestimmt das Gefälle der Funk-tion und damit die Geschwindigkeit, mit der die Erträge zusätzlicher InnovaFunk-tionen abnehmen.

Durch (f-gI) wird also die optimale KR pro Forschungseuro für einen repräsentativen Konsu-menten ausgedrückt. Eine bestimmte Innovationsmenge Ī = f/g repräsentiert die gesamten Forschungsausgaben aller verfügbaren Innovationen, die nachgefragt würden, wenn sie zu Grenzkosten angeboten würden. Diese Innovationsmenge gibt die Obergrenze aller Innovati-onen an, die theoretisch durchgeführt werden könnten.

142 Vgl. für den folgenden Gedankengang Deardorff (1992), S. 38–42.

143 Ökonomisch korrekt müsste es heißen: KR* ist die optimale Konsumentenrente pro Forschungseuro in Abhängigkeit von einer marginalen Erhöhung der Forschungsausgaben, unter der Bedingung, dass I Euro bereits für Innovationen ausgegeben wurden, die eine höhere KR hervorgebracht haben.

144 Der Parameter f kann ähnlich wie ein Reservationspreis interpretiert werden, da er die Präferenzen der Konsumenten in Bezug auf die erste („wertvollste“) Innovation darstellt.

Um später die Konsequenzen des Schutzes geistigen Eigentums für unterschiedlich große Länder zu diskutieren, wird zusätzlich die Anzahl der Konsumenten eines Landes (n) berück-sichtigt.145 Der Parameter n geht multiplikativ in die Formel ein, weil die Bevölkerungszahl sowohl die KR der ersten Innovation als auch die der folgenden Innovationen beeinflusst. Sie muss daher gleichzeitig auf den Ordinatenabschnitt (Reservationspreis) und auf das Gefälle der Funktion (auf die abnehmenden Grenzerträge) einwirken. Von der KR-Funktion leiten sich die Kurven für den Monopolgewinn pro Forschungseuro und die KR im Monopolfall pro Forschungseuro ab. Sie beginnen auf halber bzw. viertel Höhe des Ordinatenabschnitts und

145 Die Anzahl der Konsumenten spielt in Abschnitt 3.5 eine wichtige Rolle, wenn Patente im Nord-Süd-Kontext analysiert werden. Hier hat sie noch keine Konsequenzen für die getroffenen Aussagen.

Grafik 5: Wohlfahrtswirkungen mehrerer Innovationen pro Forschungseuro

Quelle: Deardorff (1992), S. 41.

I*

Im Ī = f/g

G, KR

KRm KRm +Gm

nf

Gm

KR* (I) = n (f-gI)

DWL2

G3m KRm

1

G2m

G1m DWL1

DWL3

I

enden alle im Punkt I .146 Die optimale Menge an Innovationen ergibt sich im Schnittpunkt von KR* und 1, da bis dahin die KR pro Euro größer als ein Euro ist. Die optimale KR ent-spricht der Fläche unterhalb der Kurve zwischen I = 0 und I = I*. Davon müssen die For-schungskosten abgezogen werden (Fläche unterhalb von 1), so dass als volkswirtschaftlicher Wohlfahrtsgewinn das Dreieck zwischen KR-Funktion und 1 übrig bleibt, welches vollstän-dig den Konsumenten zugute kommt. Allerdings gilt auch hier wieder: Ohne eine Möglichkeit für den Unternehmer, sich Innovationsrenten anzueignen, ist die gesellschaftlich optimale Lösung nicht erreichbar.

Bei Einführung von Patenten dehnt der Unternehmer seine Innovationstätigkeit so weit aus, bis der Monopolgewinn pro Forschungseuro gerade gleich 1 Euro ist (Im). Der (Brutto-) Mo-nopolgewinn entspricht der Fläche G1m+G2m+G3m. Die KR schrumpft auf G3m, welche der Fläche KRm entspricht.147 Da noch die Forschungskosten abgezogen werden müssen (G2m+G3m), bleiben als Wohlfahrtsgewinn die Flächen KRm und G1m. Der volkswirtschaftli-che Wohlfahrtsverlust umfasst die Flävolkswirtschaftli-chen DWL1, DWL2 und DWL3. Nun lassen sich die unterschiedlichen Komponenten des Verlustes besser erkennen: DWL1 drückt den Verlust durch die erhöhten Monopolpreise aus, wie er bereits in Grafik 4 erläutert wurde. DWL2 und DWL3 hingegen repräsentieren den Wohlfahrtsverlust, der dadurch entsteht, dass weniger als die optimale Menge an Innovationen generiert wird, obwohl Patente vergeben werden.

Trotz dieser weiteren Differenzierung erfassen beide Grafiken nicht alle Kosten und Nutzen von Patenten. Auf der Kostenseite ist zu beachten, dass die Aussicht auf staatlich garantierte Monopolrenten rent-seeking Verhalten induzieren wird, das volkswirtschaftliche Kosten mit sich bringt. So können Firmen zu „Patentrennen“ verleitet werden, um als erste ein Patent anmelden zu können, was zwar zu einer Beschleunigung von Innovationsprozessen führen mag, aber auch zu einer Duplizierung von F&E-Aktivitäten.148 Darüber hinaus verursachen die Erlangung und anschließende Verteidigung von Rechten hohe Durchsetzungskosten durch Rechtsstreitigkeiten, wie es vor allem in den USA zu beobachten ist. Insofern können die Kosten, die mit der Monopolbildung einhergehen, in dynamischer Hinsicht wesentlich über dem DWL liegen.149 In der Grafik würde das darin zum Ausdruck kommen, dass die wohl-fahrtsökonomisch neutral beurteilte Umverteilung von Konsumenten zu Produzenten in Form der Monopolrente nun zu einem Wohlfahrtsverlust wird, wenn die Rente nämlich für volks-wirtschaftlich unproduktive Verwendungen eingesetzt wird. Andererseits erfasst die Grafik auf der Nutzenseite nicht die positiven externen Effekte (Spillover), die mit den technischen Innovationen verbunden und im vorigen Kapitel näher beschrieben worden sind.

146 Aufgrund der linearen Funktionen gilt, dass Gm die Hälfte sowie KRm ein Viertel der optimalen Konsumen-tenrente ausmachen. Vgl. Anmerkung 140.

147 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde die KR zum Monopolgewinn addiert, so dass in der Grafik die Kurve KR+G genau zwischen optimaler Konsumentenrente und Monopolgewinn verläuft.

148 Siehe z.B. Kaufer (1989), S. 35-41, und grundlegend Kitch (1977).

149 Vgl. auch Boldrin/Levine (2002), S. 5.

Dem klassischen trade-off liegt die vereinfachende Vorstellung zugrunde, dass Innovationen einmalig und isoliert erschaffen werden, um der Bedürfnisbefriedigung zu dienen (diskrete Innovationen). Die daraus folgenden Konsequenzen für die konkrete Ausgestaltung von Pa-tenten wurden erstmals von Nordhaus zur Bestimmung der optimalen Länge eines Patents formalisiert:150 Er nimmt an, dass die Innovationsanreize monoton mit der Patentlaufzeit steigen, so dass durch längere Laufzeiten zusätzliches Wissen entsteht, was positiv auf die Wohlfahrt wirkt. Auf der anderen Seite führt eine längere Laufzeit zu wachsenden Ineffizien-zen durch das Monopol auf das Wissen, was die Wohlfahrt negativ beeinflusst. Aus diesen gegenläufigen Tendenzen ergibt sich als optimale Lösung zur Maximierung der nationalen Wohlfahrt151 eine positive, endliche Patentlaufzeit, bei der sich Grenzkosten und Grenznutzen der Laufzeit ausgleichen. Es ist schwierig, die optimale Laufzeit konkret zu ermitteln, da sie von verschiedenen Parametern abhängt, die darüber hinaus von Branche zu Branche variie-ren.152 Nordhaus konnte aber allgemein zeigen, dass die Laufzeit umso länger ist, je preisune-lastischer die Nachfrage ist (wodurch der DWL verkleinert wird), je kleiner der Gewinn pro Investition ist und je stärker die Menge an Innovationen auf einen Anstieg der F&E-Ausgaben reagiert.153

Damit legte Nordhaus den Grundstein für die Analyse der konkreten Ausgestaltung des Pa-tentrechts. In den 1990er Jahren verlagerte sich die Diskussion von der Länge eines Patents auf die Breite (breadth oder scope).154 Je länger und breiter ein Patent ist, desto stärker ist es.

Allerdings ist es der ökonomischen Theorie nicht gelungen, eine allseits akzeptierte Empfeh-lung zur optimalen Breite von Patenten zu geben. Je nach Modellannahmen empfehlen sich

„lange und schmale“ oder „kurze und breite“ Patente.

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