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Diskussion der in vivo Ergebnisse

5 DISKUSSION

5.2 Diskussion der in vivo Ergebnisse

5.2.1 Das Cuprizonemodell

Aufgrund der Untersuchungen der Gehirnentwicklungen lagen zu Versuchsbeginn gleiche Ausgangsbedingungen für die IFN-β-k.o.-Mäuse und die Wildtypmäuse vor. Bei der Untersuchung der Oligodendrozytenvorläuferzellen lagen in den Kontrollen immer geringfügig höhere Zellzahlen vor als in den IFN-β-k.o.-Mäusen, doch diese Unterschiede zeigten keine statistische Signifikanz, so dass man schlussfolgern kann, dass kein relevanter Unterschied zwischen den untersuchten Tiergruppen im Hinblick auf die Anzahl der OPCs vorlag.

Die Gewichtsverläufe, die Haltung und das Verhalten zeigten, dass beide Tiergruppen die Toxindosis von 0,2% ohne große Nebenwirkungen vertragen haben, was Berichten aus

Vorarbeiten der Arbeitsgruppe von Matsuschima et al. (2001) an C57Bl/6 entspricht.

Durch die elektronenmikroskopischen Aufnahmen konnte ebenso wie durch die immunhistochemischen Färbungen für Myelinproteine bestätigt werden, dass bei beiden Tiergruppen eine toxinbedingte Demyelinisierung in den ersten 6 Versuchswochen eintrat und es nach Absetzen des Toxins zur spontanen Remyelinisierung bis zum Versuchsende kam. Anhand der Myelinfärbung mit LFB und für einzelne Bestandteile des Myelins wie PLP, MBP und MOG wurde deutlich, dass die IFN-β-k.o.-Tiere eine verminderte Demyelinisierung aufwiesen und in der frühen Remyelinisierungsphase (7.Woche) schneller remyelinisierten als die Kontrollen. Auch die elektronenmikroskopischen Auswertungen des 7 Wochenzeitpunktes bestätigten diese Beobachtung, durch eine signifikant größere Anzahl an myelinisierten im Verhältnis zu unmyelinisierten Axonen, im Vergleich mit den Kontrollen.

Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen stehen Untersuchungen von einer schwedischen Arbeitsgruppe (Teige et al., 2003), die IFN-β-k.o.-Mäuse im EAE-Modell einsetzten. Hier wurde beobachtet, dass die Interferon-β-k.o-Mäuse im Vergleich mit den Wildtyp-Tieren eine vermehrte Empfänglichkeit für die EAE zeigten, mit schwerwiegenderen neurologischen Symptomen, ausgeprägter Entzündungsreaktion und vermehrter Demyelinisierung. Auch Untersuchungen von Mastronardi et al. (2004), der unter anderem die Wirkung täglicher Injektionen von IFN-β bei 8 Wochen alten SJL-Mäusen im EAE-Modell untersuchte, stehen den Ergebnissen dieser Arbeit entgegen. Mastronardi beschreibt, dass die Behandlung von SJL-Mäusen mit IFN-β einen milderen Verlauf der EAE und eine geringere Astrozytose bewirkte als bei unbehandelten Tieren. Allgemein sind die Ergebnisse des EAE- Modells und des Cuprizonemodells aufgrund der Modelleigenschaften nicht direkt vergleichbar. Im Cuprizonemodell ist das auslösende, demyelinisierende Agens ein Toxin, die EAE beruht auf entzündlichen Mechanismen. So wäre z.B. besonders in der Induktionsphase der EAE die Wirkung des Interferon-β zu berücksichtigen, im Gegensatz zum Cuprizonemodell, in dem das Cuprizone kontinuierlich wärend der gesamten Demyelinisierungsphase den Mäusen zugeführt wird. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Unterschieden in den Arbeiten, wie z.B. das Geschlecht und der Stamm der verwendeten Mäuse, aufgrund derer die Vergleichbarkeit der beiden Arbeiten erheblich erschwert wird. In dem Versuchsaufbau dieser Arbeit wurde des weiteren kein externes IFN-β zugeführt, sondern die Wirkung des körpereigenen Interferons untersucht.

5.2.2 Oligodendrozytenrekrutierung

Entsprechend der Ergebnisse in den Myelinfärbungen und der elektronenmikroskopischen Ergebnisse, die eine schnellere Remyelinisierung in der 7. Versuchswoche aufwiesen, waren zum 6-Wochenzeitpunkt sowohl zentral im Balken als auch unterhalb des Ventrikulus tertius bei den IFN-β-k.o.-Tiere signifikant mehr NG2-positive Zellen vorhanden als bei den Kontrolltieren. Bipolare Oligodendrozytenvorläuferzellen sind während der physiologischen Entwicklung und auch unter pathologischen Bedingungen in der Lage von ihrem Entstehungsort, der SVZ weite Strecken zu migrieren, um das entstehende Gehirn zu besiedeln (Small et al., 1987), wie aus Entwicklungsstudien (Frost , 1996; Levison et Goldman, 1993) und Transplantationsstudien hervor ging (Espinosa de los Monteros, 1993; Lachapelle et al., 1983). Ein Teil der OPCs entwickelt sich nur bis zu einem Stadium, in dem sie NG2 und O4 Antigene exprimieren und bleiben in diesem unreifen Stadium im adulten ZNS bestehen (Dawson. et al., 2000). Diese NG2-Zellen reagieren auf Demyelinisierung mit rascher Proliferation und Neubesiedlung der Läsionen (Cenci di bello et al., 1999; Levine und Reynolds, 1999; Watanabee et al., 2002; Reynolds et al., 2003). Daher liegt die Schlussfolgerung nahe, dass IFN-β in der frühen Remyelinisierungsphase hemmend auf die Rekrutierung und/oder Aktivierung oder die Differenzierung von NG2-positiven OPCs wirkt. Durch welche Mechanismen dieser Effekt vermittelt wird, ist aus dieser Arbeit nicht abzuleiten, dafür sind gezieltere Versuche notwendig.

Die Spezifität des Markers NG2 wird zum Teil kontrovers diskutiert. Die NG2-positiven OPCs stellen Zellen der Oligodendrozytenlinie dar, die als Hauptfraktion im adulten ZNS zirkulieren und denen stammzellähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden (Dawson et al., 2000). NG2 detektiert auch sternförmige OPCs, daher existieren Hypothesen, dass es sich bei diesen Zellen auch um Mikroglia (Pouly et al., 1999) oder Astrozyten (Pouly et al.

2001) handeln könnte. Laut Peters (2004) wäre es sogar möglich, dass es sich bei den NG2-positiven Zellen um eine vierte Gliazellpopulation handelt. Im Gegensatz zu diesen Aussagen stehen mehrere Arbeiten, in denen NG2-positive OPCs nachgewiesen werden konnten (Nishiyama et al.,1996a; Ong und Levine, 1999; Stallcup und Beasley, 1987;

Keirstead et al., 1998a). Die Arbeitsgruppe von Wilson et al. (2006) identifizierte OPCs die sowohl den NG2 Marker als auch den PDGFαR in entzündlich demyelinisierten Läsionen exprimierten. Aufgrund der Morphologie und dem Verteilungsmuster der NG2-

positiven Zellen in diesem Versuchssetting gehen wir davon aus, dass es sich tatsächlich um OPCs handelt.

5.2.3 Mikroglia- und Makrophagendetektion

Aus den Untersuchungen der Mikroglia und Makrophagen in diesem Tierversuch wurde deutlich, dass die Zellzahlen für MAC-3-positive Zellen sowohl zentral als auch im Randbereich des Balkens in der 3. Versuchswoche in den Kontrolltieren signifikant höher lagen als in den IFN-β-k.o.-Tiere. In Studien von Hiremath und Saito (1998), die das selbe Tiermodell verwendeten, stiegen die Zellzahlen für Mikroglia und Makrophagen in der 3.

Woche unter 0,2% Cuprizonefütterung von C57Bl/6-Mäusen ebenfalls stark an. Doch konnte in diesen Untersuchungen bis zur 6. Woche eine weitere Zunahme von Mikroglia und Makrophagen im Corpus callosum beobachtet werden, die anhand des Markers RCA-1 identifiziert wurden. In unserem Versuchssetting fallen, nach dem Maximum in der dritten Woche, in der sechsten Versuchswoche die Zellzahlen für Mikroglia und Makrophagen wieder ab. Es wurde für diese Färbung der Marker MAC-3 eingesetzt und nicht RCA-1, dieser Unterschied begründet jedoch nicht den weiteren Anstieg der Zellzahlen in den Studien von Hiremath et al. Warum unter dem Einfluss von körpereigenem IFN-β mehr Mikroglia exprimiert werden als in den β-k.o.-Tiere ist ein interessanter Aspekt. IFN-β ist in der Lage Mikrogliagene (Kim et al., 2002) wie z.B. IFN-β-Chemokingene zu aktivieren (Rezzoniko et al., 2001). Denkbar wäre zusätzlich zu einer solchen direkten Wirkung des IFN-β dass aufgrund der produzierten Chemokine im Sinne eines “Schneeballprinzips“

zusätzlich noch mehr Mikroglia und Makrophagen aktiviert werden.

Die Aufgabe der Mikroglia und Makrophagen bei der De- und Remyelinisierung wird zum Teil kontrovers diskutiert. Mikroglia sind in MS-Läsionen in aktivierter Form zu finden und produzieren Entzündungsmediatoren wie z.B. IFN-γ (Hiremath und Saito, 1998).

Somit stellt sich die Frage ob Ihnen bei den Entzündungsvorgängen eine Art

“Aufräumfunktion“ zukommt, die es unter anderem erst ermöglicht, dass Remyelinisierungsvorgänge stattfinden können, oder ob der Mikrogliaeinfluss die Demyelinisierungsvorgänge weiter verstärkt. Letztere Behauptung wird gestützt von Ergebnissen aus dem Jahr 2004 (Kawanokuchi et al.), in denen IFN-β eine vermehrte Produktion von Entzüngungsmediatoren, wie TNF-α, IL-1 und NO bewirkte. Im Gegensatz dazu wurde 1997 von Chabot et al. in vitro über die Wirkung von IFN-β auf Mikroglia und Astrozyten beschrieben, dass es die NO-, TNF-α- und IL-1 –Produktion von aktivierten

Mikroglia und Astrozyten unterdrückt. Im Gegensatz zu den Ergebnissen dieser Arbeit aktivierten in den Untersuchungen von Teige et al. (2003) die IFN-β-k.o.-Mäuse im EAE-Modell unter anderem mehr Mikroglia und produzierten mehr TNF α als entsprechende Wiltyp-Mäuse, was in einer verstärkten Entzündungsreaktion mit chronischen neurologischen Ausfällen resultierte. Wahrscheinlich interferieren zusätzliche Faktoren wie z. B. Entzündungsmediatoren (T-Zellen) oder Zytokine/Chemokine die diese unterschiedlichen Ergebnisse in den beiden MS-Modellen hervorrufen. Auch in diesem Punkt wären weitere Untersuchungen notwendig, um die Ursachen und Zusammenhänge verstehen zu können.

5.2.4 Astrozytenexpression

Das Maximum der Astrogliose in diesem Versuch trat bei beiden Tiergruppen in der 6.

Versuchswoche auf, dem Zeitpunkt der maximalen Demyelinisierung. Dies bestätigt die 1998 publizierten Ergebnisse von Hiremath und Saito an C57Bl/6-Mäusen, die mit 0,2%

Cuprizone für 6 Wochen behandelt wurden (Hiremath et al., 1998). Sie beschrieben anhand der GFAP-Färbung einen Anstieg der Astrozyten im Corpus callosum von der dritten bis zur sechsten Versuchswoche, deren Maximum mit dem Höchstwert der Demyelinisierung in der fünften/ sechsten Versuchswoche zusammenfiel.

Des weiteren traten in den Kontrollmäusen in der 6. Versuchswoche deutlich mehr Astrozyten auf, als in den IFN-β-k.o.-Mäusen. Nach Absetzen des Cuprizone kommt es zwar zu einer Reduktion der Zellzahlen auf ca. die Hälfte vom 6-Wochenwert, doch insgesamt bleiben bei beiden Gruppen ähnlich hohe Zellzahlen bis zum Versuchsende bestehen. Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen steht die Arbeit von Mastronardi, in der unter dem Einfluss von IFN-β eine Reduktion der Astrozyten festgestellt wurde, die bei dem Einsatz einer Kombinationsbehandlung mit Vit.B12 noch deutlicher war. Dagegen konnte in dieser Arbeit bei Abwesenheit von IFN-β eine verminderte Aktivierung von Astrozyten gefolgt von einer verstärkten Remyelinisierung in der ersten Woche nach dem Absetzten des Cuprizone festgestellt werden. Somit lässt sich postulieren, dass durch IFN-β Astrozyten aktiviert werden können und ihrerseits hemmend auf den Verlauf der frühen Remyelinisierung einwirken können. Wie diese modulierenden Einflüsse im einzelnen aussehen bleibt zu ergründen, es erscheint naheliegend, dass verschiedene Proteine freigesetzt werden.

Es ist bekannt, dass IFN-β in Astrozyten eine Produktion sekundärer Botenstoffe, wie z.B.

IL-6 bewirkt. Sie können verschiedene Entzündungsmediatoren freisetzen, Einfluss nehmen auf die Permeabilität von Endothelzellen so wie der Mikrogliafunktion, resultierend in der Invasion von Immunzellen und Verstärkung der Entzündungsvorgänge.

Sie produzieren eine Vielzahl unterschiedlicher Moleküle inklusive Zytokinen, Prostaglandinen und NO wodurch sie eine Versorgerfunktion für die Mikroatmosphäre des CNS und der Mikroglia übernehmen (Xiao und Link, 1999). Astrozyten haben jedoch keinen durch IFN-β induzierten zytoprotektiven Effekt auf Oligodendrozyten, wie aus Arbeiten mit der Zellinie CG4 hervorging (Heine et al., 2006).

5.2.5 Axonale Schädigung

Axonaler Schaden konnte bei diesem Versuch mit dem Marker SMI-32 nicht festgestellt werden. Eine Hypothese für diese Beobachtung wäre, dass der Zeitraum von sechs Wochen Demyelinisierung zu kurz ist, um experimentell in diesem Modell axonalen Schaden auszulösen. Hierzu könnten weitere Versuche mit längerer Cuprizonegabe oder entsprechend der remittierenden Form der MS Versuche mit intermittierenden Toxingaben über einen längeren Zeitraum als sechs Wochen Aufschluss geben. Zusätzlich könnten andere Färbungen wie z.B. die Bielschowsky Silber Imprägnationsfärbung oder immunhistochemisch für das β-APP, welches einen Marker für Störungen des axonalen Transports darstellt weitere Informationen liefern.