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Diskussion des SR3- und SR6-Überblickkapitels

5. Überblick Schulreihenuntersuchungen der 3. und 6. Klassen (SR3+SR6)

5.5 Diskussion des SR3- und SR6-Überblickkapitels

Um die körperliche Entwicklung von Kindern und Ju-gendlichen in unserem Land beurteilen zu können, haben die hier erstmalig vorgestellten Auswertungs-ergebnisse der ärztlichen Reihenuntersuchungen einen hohen Stellenwert. Durch den Vergleich der Ergebnisse der SEU, der SR3 und SR6 lässt sich eine erste vorsichtige Einschätzung von gesundheitsre-levanten Trends in der jungen Bevölkerung Sachsen-Anhalts vornehmen. Die schon beschriebenen me-thodischen Schwierigkeiten in der Zuordnung der Heranwachsenden zu Gewichtsklassen (vgl. Kapitel 4.1.6.1) gelten auch in der Beurteilung der Daten der Dritt- und Sechstklässler. Der Vergleich von Gesund-heitsparametern bei Dritt- und Sechstklässlern in Sachsen Anhalt mit denjenigen in anderen Bundes-ländern gestaltet sich durch das Fehlen von reprä-sentativen Aussagen schwierig, denn die meisten Erhebungen beziehen sich auf Schulanfänger/innen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesge-sundheitsbehörden (AOLG) hat in den letzten Jahren eine jährliche Länderabfrage zur Prävalenz von Über-gewicht und Adipositas bei Kindern gestartet. Diese bezieht sich jedoch nur auf Einschüler, so dass ein di-rekter Vergleich mit Dritt- und Sechstklässlern nicht möglich ist.

Hinzu kommen Unterschiede in der Organisation und Ausführung von schulärztlichen Untersuchungen in Deutschland (vgl. Kapitel 2), die ebenfalls kaum Ver-gleiche zulassen.

Der Anteil von 17,4% übergewichtigen und 7,3% (Abb.

R6) adipösen Kindern der 3. Klassen in Sachsen-Anhalt lässt sich mit den Ergebnissen aus der KiGGS-Studie des Robert Koch-Institutes der Jahre 2003-2006 (Kur-th & Schaffra(Kur-th, 2007) annähernd vergleichen. Nach dieser Studie hatten Kinder in der Altersspanne von Drittklässlern in der für Deutschland repräsentativen Stichprobe zu etwa 15,4% Übergewicht und zu 6,4%

Adipositas. Allerdings bezogen sich die Erhebungen der KiGGS-Studie auf 7 - 10-Jährige, die Drittklässler in der vorliegenden Untersuchungspopulation wa-ren jedoch überwiegend 8-9 Jahre alt.

Der Trend, dass mit zunehmendem Alter der Anteil von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt zunimmt (21,2% der Sechstklässler), wurde auch in dem vom RKI veröffentlichten Be-richt „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein“ (2007) bestätigt. Ein genauer Vergleich ist durch die unterschiedliche Altersgrup-penaufteilung jedoch auch hier nicht möglich. Der Jahresbericht 2006 der Schulärztlichen Untersu-chungen in Nordrhein-Westfalen zeigte die Gewicht-sentwicklung von Schulanfängern/innen im Laufe der Schulzeit. Es wurden etwa 11% der Einschüler/

innen als übergewichtig oder adipös beschrieben, bei der Schulentlassung (nach 10 Jahren) haben etwa 24% der Jugendlichen Übergewicht.

Die Abhängigkeit der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas vom Sozialstatus kann in den Unter-suchungspopulationen der Dritt- und Sechstklässler nicht beurteilt werden. Bei den SR3 und SR6 erfolgt in Sachsen-Anhalt keine Erhebung des Sozialstatus der Kinder und Jugendlichen. Stattdessen konnte die Ab-hängigkeit der Häufigkeit von Übergewicht und Adi-positas von der sozialen Lage nur bei Sechstklässlern und nur indirekt, anhand der Art der besuchten Schul-art (Sekundarschule/Gymnasium), eingeschätzt wer-den. Es zeigte sich, dass sowohl Übergewicht als auch Adipositas bei Sekundarschüler/innen signifikant häufiger war als bei Gymnasialschüler/innen (Punkt 6.3, Abb. G3).

Neben genetischen Komponenten, krankheitsbe-dingter Gewichtszunahme, Medikamentenneben-wirkungen und dem Einfluss von Schlafstörungen/

unzureichendem Schlaf resultieren Übergewicht und Adipositas aus einer Kombination von Fehlernährung und Bewegungsmangel. Eine mögliche Entstehung oder Verstärkung von Übergewicht und Adipositas kann mit Beginn der Schule und der damit verbunde-nen bewegungsärmeren Zeit auftreten. Gleichzeitig können sich schon im frühen Kindes- und Jugendalter Präferenzen für bestimmte Lebensmittel entwickeln, die zum einen das Gesundheitsverhalten beeinflus-sen und zum anderen oft bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Dabei wird das Ernährungsver-halten der Kinder stark durch VerErnährungsver-haltensmuster der Eltern und Umgebungseinflüsse (Freunde, Medien) geprägt.

Diese Zusammenhänge geben einen deutlichen Hin-weis auf mögliche Schwerpunkte für Präventions-arbeit. Übergewicht und Adipositas „wachsen sich nicht einfach aus“, sondern Kinder mit einer erhebli-chen Gewichtsproblematik im Einschulalter nehmen im Laufe der Schulzeit weiter zu. Schon durch leichte Kalorienreduzierung und Bewegung kann sich der BMI der Kinder mit zunehmender Größe wieder nor-malisieren. Dabei sollten die Familien, Kindertages-stätten und Schulen mit einbezogen werden.

5.5.2 Blutdruck

Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofakto-ren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und gilt als eine der führenden Ursachen für Morbidität und Mortali-tät. Es gibt keine Langzeitstudien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Blutdruckwerten im Kin-desalter und kardiovaskulären Erkrankungen im Er-wachsenenalter belegen; dennoch festigt sich immer mehr die Vermutung, dass die essenzielle Hypertonie im Erwachsenenalter ihre Wurzeln oft bereits in der Kindheit hat (Neuhauser & Thamm, 2007). Empfoh-lene routinemäßige Blutdruckmessungen bei Vorsor-geuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter und während der Schuluntersuchungen lassen frühzeitig Kinder mit erhöhten Blutdruckwerten erkennen, um möglichst rechtzeitig auf das Gesundheitsverhalten

einzuwirken und, wenn notwendig, geeignete Be-handlungsmaßnahmen einzuleiten. Risikofaktoren wie Bluthochdruck in der Familie, Übergewicht und Adipositas, Herz- und Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus und Krankheitszeichen, die auf Bluthoch-druck hinweisen (Schwindel, Erbrechen, Kopfschmer-zen, Nasenbluten, Brustschmerzen, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit u. a.) sind bei Kin-dern Indikatoren zur Messung und Kontrolle des Blutdrucks.

Die Einordnung der systolischen und diastolischen Blutdruckwerte von Dritt- und Sechstklässlern in Sachsen-Anhalt in die bei der KiGGS-Studie

ermit-telten altersabhängigen Referenzwerte für Deutsch-land sind in der Abb. R13 aufgeführt.

Die Mediane der Blutdruckwerte von Mädchen der 3. Klassen (systolisch: 105 mmHg, diastolisch: 64 mmHg) bzw. Jungen der 3. Klassen (systolisch: 106 mmHg, diastolisch: 64 mmHg) sowie bei Mädchen der 6. Klassen (systolisch: 115 mmHg, diastolisch: 69 mmHg) bzw. bei Jungen der 6. Klassen (systolisch: 114 mmHg, diastolisch: 68 mmHg) lagen fast alle (Aus-nahme: diastolischer Blutdruck bei Mädchen der 3.

Klassen) deutlich oberhalb der entsprechenden 50.

Perzentile der deutschen Referenzpopulation.

Abb.R13: Mediane der Blutdruckwerte von Dritt- und Sechstklässlern in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu Referenzwerten für den systolischen und diastolischen Blutdruck von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Quelle: Neuhauser & Thamm, 2007):

SR3 SR6

Die Prävalenz von „hohem Blutdruck“ (mindestens milde Hypertonie) wurde bei den Dritt- und Sechst-klässlern nach einem eigenen Näherungsverfahren unter Einbeziehung anerkannter Grenzwerte für kind-liche Hypertonie abgeschätzt (vgl. Punkt 4.1.3.1). Der nach diesem Näherungsverfahren ermittelte Anteil von Kindern der 3. und 6. Klassen in Sachsen-Anhalt mit

„hohem Blutdruck“ (Hypertonie) lag beim systolischen Blutdruck (7% und 11%) etwas über und beim diastoli-schen Blutdruck (SR3: 14% und SR6: 18%) deutlich über der europäischen Referenzpopulation (vgl. Abb. R7 und de Man et al., 1991, Danne et al., 2006). Genaue Ver-gleichswerte anderer Bundesländer zur

Befundhäufig-auch im diastolischen Blutdruck steht wahrscheinlich mit dem Anstieg des Anteils übergewichtiger Kinder und Jugendlichen im Zusammenhang.

Bestehen bei einem Kind bestimmte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Adipositas und eine elterliche Hy-pertonie, sollten weitere Diagnosesicherungen wie die 24-Stunden-Blutdruckmessung folgen. Eine pa-thologische 24-Stunden-Blutdruckmessung gibt An-lass für weitere Abklärung. Dabei ist die Blutdruck-rhythmik (mit oder ohne Nachtabsenkung) erster Hinweis für eine genauere Beschreibung der Hyper-tonie (primäre oder sekundäre).

5.5.3 Screeningbefunde

Der Vergleich der Häufigkeiten positiver Screening-befunde von Dritt- und Sechstklässlern zwischen ver-schiedenen Bundesländern und Studien ist schwierig.

Wie auch bei der Einschätzung der Befundhäufigkei-ten der Einschüler/innen gibt es keine einheitlichen Befunddefinitionen und Erhebungsmethoden.

Dritt- und Sechstklässler zeigten ihre höchste Be-fundhäufigkeit in der Beeinträchtigung der Seh-schärfe (SR3: 13%, SR6: 19%), so dass etwa 13% bzw.

18% der Kinder eine Brille tragen. Genaue Vergleichs-möglichkeiten gestalten sich auch wegen der unter-schiedlichen Alterszusammensetzung in anderen Bundesländern nicht einfach. Im Jahresbericht 2006 Schulärztliche Untersuchungen in Nordrhein-West-falen zeigten die untersuchten Kinder bis einschließ-lich 11 Jahre ebenfalls die höchste Befundhäufigkeit (23%) in der Herabsetzung der Sehschärfe, gefolgt von Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates wie Haltungsschwäche mit 9% der untersuchten Kinder, ähnlich der Häufigkeit der Drittklässler in Sachsen-Anhalt (8%).

Vergleichsdaten für Schädigungen unterer Extremi-täten (SR3: 13%) waren nur unter Fußschäden von

<11-Jährigen (4%) im Jahresbericht 2006 Schulärztli-che Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen aufge-zeigt und bieten nur eine begrenzte Vergleichsmög-lichkeit.

Die Kinder der 3. Klassen in Sachsen-Anhalt mit Neu-rodermitis (5%) und Asthma bronchiale (3%) zeigten ähnliche Befundhäufigkeiten wie diejenigen Kinder in der KiGGS-Studie (Schlaud et al., 2007) bundes-weit (etwa 7% und 4%).

Die relativ geringe Häufigkeit von ADHS (SR3: 2,3%, SR6: 2,8%) im Vergleich zu anderen Studien in Deutschland wurde im Punkt 4.1.6.5 im Rahmen der SEU schon beschrieben und bietet wegen der Unter-schiedlichkeit in der Befunddefinition nur eine sehr begrenzte Möglichkeit zum Vergleichen in den Al-tersgruppen der Dritt- und Sechstklässler.

Die Zunahme von Befundhäufigkeiten zwischen SR3 und SR6 legt den Schluss nahe, dass sich der Gesund-heitszustand der Kinder mit zunehmendem Alter verschlechtert.

5.5.4 Anamnesebefunde

Einige ausgewählte Anamnesebefunde (aus dem Elternfragebogen) der Kinder und Jugendlichen bei den SR3 und SR6 (Abb.R10 und R11) lassen sich mit entsprechenden Werten aus den

Sonderpublikatio-nen der KiGGS-Studie und aus dem Landesmodul Schleswig Holstein der KiGGS-Studie (RKI, 2007) an-nähernd vergleichen. Als Vergleichspopulation die-nen hier 11-13-Jährige und 14-17-Jährige.

Angaben zu Allergien (Lebenszeitprävalenz) der Kin-der nahmen die höchste Befundhäufigkeit (etwa 13%) in beiden Klassenstufen ein. Die KiGGS-Studie (Schlaud et al., 2007) fasst Heuschnupfen, Neuroder-mitis, Asthma bronchiale und allergisches Kontaktek-zem zu allergischen Erkrankungen zusammen, etwa 15% der 11-17-Jährigen waren betroffen.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind die Allergien in all ihren verschiedenen Ausprägungen enorm an-gestiegen. Weltweite Studienergebnisse belegen eine deutliche Zunahme an Befundhäufigkeiten von Heuschnupfen und Asthma bronchiale in Abhän-gigkeit von Lebensart und Lebensraum. Dabei steht die Ursachenforschung mit der Identifizierung von möglichen allergieauslösenden und –fördernden Ri-sikofaktoren im Vordergrund. In Industrieländern mit

„westlichem“ Lebensstil sind allergische Erkrankun-gen stärker ausgeprägt als in Entwicklungsländern (Larbolette, 2010).

Die Angaben zur Schmerzlokalisation (derzeit) der Dritt- und Sechstklässler zeigten, dass Kopfschmerzen an erster Stelle standen, gefolgt von Bauchschmer-zen und SchmerBauchschmer-zen des Bewegungsapparates (Abb.

R10 und R11). Erkennbar ist eine steigende Tendenz der Häufigkeiten dieser 3 Befunde mit dem Alter der Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt.

Die repräsentative KiGGS-Studie gibt Auskunft über Hauptschmerz der Kinder nach detaillierter Lokalisa-tion, der in einer Mischung von Häufigkeit und Inten-sität die größte Belastung darstellt (Ellert et al., 2007).

Dabei gaben die befragten Kinder den Kopfschmerz ebenfalls als häufigsten Schmerzzustand an. Durch hohe schulische Belastungen, häufige Misserfolge und Störungen in der Beziehung zu den Eltern oder Gleichaltrigen kann es bei Jugendlichen oft zu psy-chosomatischen Beschwerden wie Kopfschmerzen und Nervosität kommen (ebenda).

Vergleiche der Anamnesebefundhäufigkeit von Übel-keit, Schwindel und Schlafstörungen müssen vorerst offen bleiben.

Im Fazit lässt sich auch hier feststellen, dass die Kin-der der 3. und 6. Klassen in Sachsen-Anhalt keine auffallend abweichenden Befundhäufigkeiten im Vergleich zu etwa Gleichaltrigen in anderen Bundes-ländern bzw. in der bundesweiten KiGGS-Studie zei-gen. Allerdings konnten nur vereinzelte Befunde mit anderen Bundesländern/Studien verglichen werden.