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Diskussion der Ergebnisse Meerschweinchen

5. Diskussion

5.2 Diskussion der Ergebnisse Meerschweinchen

Nach ANDERSON (1987), QUESENBERRY und CARPENTER (2004) sowie WASEL (2008) erkranken überwiegend übergewichtige Meerschweinchen an Podo-dermatiden. Nach ANDERSON (1987) sollen tragende Meerschweinchen besonders oft betroffen sein. Im Rahmen der eigenen Untersuchungen konnte diese Vermutung bestätigt werden, 64% aller erkrankten Meerschweinchen lagen über dem Normge-wicht und 55 % der betroffenen Meerschweinchen waren weiblichen Geschlechts.

Der Frage, ob diese Tiere zum Zeitpunkt der Untersuchung tragend waren, wurde nicht nachgegangen. Der auffällige Zusammenhang zwischen Gewicht und dem Auf-treten von Ballenentzündungen lässt sich dadurch erklären, dass es durch die hohen Körpermassen zu einem höheren Druck des Mittelfußes auf den Stallboden kommt und somit die Pfoten vermehrt belastet werden.

Zu harter Boden (WILKINSON u. HARVEY 1996) sowie Drahtboden (FEHR 1992;

QUESENBERRY 1994; WASEL 2008) sollen das Auftreten von Ballenentzündungen und Ballenabszessen begünstigen. Diese Ansicht unterstützen die eigenen Untersu-chungen, da sich ein auffälliger Einfluss des Käfig- bzw. Käfigbodenmaterials auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit nachweisen ließ. Metall- und Kunststoffböden stei-gern so das Risiko, dass die Meerschweinchen an Pododermatitis erkranken, signifi-kant. Sowohl Metall als auch Kunststoff sind relativ hart und die Gefahr, dass scharfe Kanten entstehen, an denen sich die Tiere verletzen können, ist bei diesen Materia-lien hoch. Außerdem absorbieren diese Böden keine Feuchtigkeit (wie z.B. Holz) und eine feuchte Einstreu begünstigt, wie weiter unten beschrieben, das Entstehen von

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Pododermatiden. Kein Zusammenhang konnte zwischen der Käfigbodenbeschaffen-heit und dem Auftreten von Pododermatiden nachgewiesen werden. Das liegt ver-mutlich daran, dass lediglich ein Besitzer seine Tiere auf einem gelochten Boden hält, alle anderen Meerschweinchen werden auf durchgängigen Böden gehalten.

Einige Autoren nehmen an, dass eine unsaubere Haltung die Entstehung von Bal-lenabszessen fördert (ISENBÜGEL u. FRANK 1985). Dazu gehören ein chend gereinigter Boden (BEYNON u. COOPER 1997) und feuchte oder unzurei-chende Einstreu (HAMEL 1990; WILKINSON u. HARVEY 1996). Diese Vermutungen wurden in dieser Untersuchung bestätigt, so konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Art der Einstreu bzw. der Häufigkeit, mit der die Einstreu gewechselt wird, und dem Auftreten von Pododermatiden festgestellt werden. Stroh als alleinige Einstreu weist einen auffälligen Einfluss auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit auf.

Sitzen die Meerschweinchen auf Spänen bzw. auf einem Stroh- Späne- Gemisch, erkranken deutlich weniger Tiere. Eine Erklärung wäre, dass die Späne mehr Feuch-tigkeit aufnehmen und die Tiere dadurch trockener sitzen. In Betrieben, in denen die Einstreu täglich gewechselt wird, erkranken signifikant weniger Meerschweinchen, als in Betrieben, in denen nur ein- oder zweimal in der Woche gemistet wird. Auch das unterstützt die Annahme, dass eine feuchte, unsaubere Einstreu das Auftreten von Pododermatiden begünstigt. Durch eine feuchte Einstreu können die Pfoten der Meerschweinchen aufweichen und ermöglichen so den Bakterien, die in der schmutzigen Einstreu vorhanden sind, rascher in die Haut einzudringen und die Pfo-ten damit anzugreifen.

Als weiterer begünstigender Faktor bei der Entstehung von Pododermatiden wird mangelnde Bewegungsmöglichkeit (GÖBEL u. EWRINGMANN 2005; HAMEL 1990;

WASEL 2008) diskutiert: Wie die eigenen Untersuchungen zeigen, liegt ein signifi-kanter Zusammenhang zwischen der Käfiggrundfläche, der Käfiggrundfläche pro Tier bzw. der Käfighöhe und dem Auftreten von Pododermatiden vor. Je kleiner die Flä-che ist, die den Tieren zur Verfügung steht, desto größer ist die WahrsFlä-cheinlichkeit, dass sie an Pododermatitis erkranken. Von den Meerschweinchen, die nach Aus-wertung der Fragebogenerhebung an Pododermatiden leiden, sitzen 82 % auf einer

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Fläche kleiner als 1 m², 100 % steht eine Käfiggrundfläche pro Tier kleiner als 0,4 m² zur Verfügung und 73 % sitzen in Käfigen mit einer Höhe zwischen 20 und 45 cm.

Betrachtet man den Charakter der betroffenen Meerschweinchen, werden 82 % der Meerschweinchen, die an Pododermatitis leiden, als ruhig beschrieben. Zusammen-fassend lässt sich feststellen, dass Meerschweinchen, die sich wenig bewegen, sei es, weil sie es aufgrund von Platzmangel nicht können oder weil sie sich aufgrund einer eher phlegmatischen Art weniger bewegen, signifikant häufiger an Pododerma-tiden erkrankt sind. Das könnte daran liegen, dass durch das ständige Sitzen mehr Druck auf den Mittelfuß gebracht wird und somit die Pfoten stärker belastet werden.

Die eigenen Untersuchungen zeigten allerdings, dass Meerschweinchen mit regel-mäßigem Freilauf nicht auffällig weniger Probleme mit Pododermatiden aufweisen als Meerschweinchen, die ausschließlich in Käfigen gehalten werden.

Ein Mangel an essentiellen Fettsäuren und Aminosäuren sowie Vitaminen soll eben-falls bei der Entstehung von Ballenentzündungen und Ballenabszessen eine ent-scheidende Rolle spielen (HAMEL 1990; WASEL 2008). Nach QUESENBERRY (1994) sind Meerschweinchen, die an Vitamin C Mangel leiden besonders gefährdet.

Bei den eigenen Untersuchungen dagegen konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen einem der Faktoren, die die Fütterung betreffen (Fütterungsintervall, Gabe von Fertigfutter, ad libitum Gabe von Fertigfutter, Gabe von Heu, ad libitum Gabe von Heu sowie Gabe von Saftfutter, Brot, Vitaminen, Mineralstoffen oder Lecksteinen), und dem Auftreten von Pododermatiden nachgewiesen werden.

Beim Vergleich zwischen Heim- und. Nutztieren wird in der vorliegenden Unter-suchung ein auffälliger Zusammenhang zwischen der Art der Haltung und dem Auf-treten wunder Läufe nachgewiesen: Meerschweinchen in Nutztierhaltung (Rasse-zucht) erkranken signifikant häufiger an Pododermatitis als Heimtiere. Kein Heimtier leidet an Pododermatitis. Betrachtet man dagegen die Nutztierhaltungen, sind von 1121 gehaltenen Meerschweinchen 28 Tiere, entsprechend 3 %, an Pododermatitis erkrankt. Im Mittel ergibt sich bei Betrachtung der betroffenen Tiere pro Züchter mit 25,64 % ein auffälliger Befund. Es gibt Meerschweinchenzüchter, bei denen die Be-triebsprävalenzen bei 40, 60 und 100 % liegen. In diesen Betrieben muss das

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lem der wunden Läufe als gravierend betrachtet werden, da neben erheblichen Ver-lusten auf Grund schlechter Gewichtszunahmen und mangelhafter Konzeption ein tierschutzrelevantes Problem vorliegt. Nach TETENS (2007) sind als Gründe für das Auftreten wunder Läufe besonders Reizarmut, Platzmangel und ungeeignete Böden zu nennen. Da diese Faktoren bei Heimtieren nur in den seltensten Fällen eine Rolle spielen dürften, könnte dies eine Erklärung dafür sein, dass Heimtiere auffällig weni-ger an Pododermatitis leiden als Nutztiere.

Über die Literatur hinaus konnte mit der eigenen Untersuchung ein auffälliger Zu-sammenhang zwischen dem Käfigstandort bzw. der Bereitstellung von Nagemöglich-keiten und dem Auftreten von Pododermatiden festgestellt werden. Über die Hälfte der an Pododermatitis leidenden Meerschweinchen werden in der Wohnung gehal-ten, während bei der Haltung in Außenställen signifikant weniger Meerschweinchen betroffen waren. Meerschweinchen, denen Nagematerial zur Verfügung steht, leiden signifikant häufiger an Pododermatiden als Meerschweinchen, denen kein Nagema-terial zur Verfügung steht. In dieser Untersuchung leiden über die Hälfte der Meer-schweinchen, denen Nagematerial zur Verfügung steht, an Pododermatiden. Da die-se Parameter bisher nicht im Schrifttum erwähnt werden, sollten zukünftige Studien diese Fragestellungen abklären.

Folgende Faktoren werden in der Literatur nicht im Zusammenhang zum Auftreten wunder Läufe erwähnt und ließen auch in dieser Untersuchung keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten von Pododermatiden erkennen: Meerschweinchenrasse, Rexfaktor, Kurzhaarigkeit, Verantwortlicher für Fütterung und Pflege der Meer-schweinchen, Gruppengröße, Gabe von Wurmkuren, Impfungen, Alter der betroffe-nen Tiere, zeitgleiches Auftreten einer Allergie, Hautkrankheit oder sonstigen Krank-heit mit der Pododermatitis.

55 % der betroffenen Meerschweinchen sind chronisch erkrankt, bei 45 % der betrof-fenen Tiere handelt es sich um eine akute, einmalig aufgetretene Erkrankung. An-hand der Fragebogenerhebung ließ sich feststellen, dass die chronischen Erkran-kungen so gut wie nie ausgeheilt werden konnten (83 %); wurden sie geheilt (17 %), dauerte es mindestens ein Jahr. Von den akuten Fällen wurden immerhin 60 %

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nerhalb von vier Wochen ausgeheilt. Die Prognose für Tiere, die chronisch an Podo-dermatiden leiden, ist demnach als relativ schlecht zu beurteilen. Das liegt wahr-scheinlich daran, dass bei chronischem Verlauf wesentlich mehr Strukturen geschä-digt sind als bei akutem Verlauf und dass die Schädigungen im chronischen Stadium deutlich schwerwiegender sind als im akuten Stadium.

Über die Hälfte der Meerschweinchenzüchter (55 %) haben aufgrund der wunden Läufe ihren Tierarzt konsultiert. Die anderen haben entweder selbstständig oder gar nicht behandelt. Die Präparate, mit denen behandelt wurde, waren prinzipiell aber die gleichen. Es wurde mit Bepanthensalbe, Zinksalbe, Vaseline, Tyrosur Puder oder Cutis N Tropfen behandelt. 45 % der Meerschweinchen wurden gar nicht behandelt.

Laut WASEL (2008) ist es wichtig, Ballenabszesse chirurgisch versorgen zu lassen.

Der Abszess muss gespalten und die Abszesshöhle sorgfältig gereinigt werden, ein bloßes Ausschneiden reicht nicht aus (QUESENBERRY 1994; QUESENBERRY u.

CARPENTER 2004). Im Rahmen dieser Studie wurde kein Meerschweinchen chirur-gisch versorgt. Daher lassen sich keine Aussagen zum Heilungserfolg bei chirurgi-scher Versorgung machen. ANDERSON (1987) sowie BEYNOON und COOPER (1997) empfehlen zur Behandlung von Ballenentzündungen die lokale Applikation einer antibiotikahaltigen Salbe mit oder ohne Zusatz von Kortikosteroiden. Wenn der Gesundheitszustand ansonsten gut ist, sollte möglichst auf die systemische Applika-tion von Antibiotika verzichtet werden (BEYNON u. COOPER 1997). Müssen Antibio-tika verabreicht werden, sollte dies nur nach mikrobiologischen Untersuchungen von Tupferproben der ulzerierten Wunden erfolgen, da die beteiligten Keime oft weitrei-chende Resistenzen aufweisen (GÖBEL u. EWRINGMANN 2005). In der eigenen Studie wurde kein Meerschweinchen mit Antibiotika- weder lokal noch systemisch- behandelt. Daher lassen sich auch hier keine Aussagen zum Heilungserfolg machen.

BERGHOFF (2003) empfiehlt tägliche Verbandswechsel mit Zink- Lebertransalbe über einen langen Zeitraum. Bei den mit Zinksalbe behandelten Meerschweinchen der eigenen Untersuchung heilte die Erkrankung bei 9 % der behandelten Tiere in-nerhalb einer Woche vollständig aus. Bei der Behandlung mit Bepanthensalbe heilte die Erkrankung bei je 9 % der betroffenen Tiere innerhalb einer Woche bzw. inner-halb eines Jahres vollständig aus. Bei je 9 % der Meerschweinchen, die mit Vaseline,

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Tyrosur- Puder bzw. Cutis- N- Tropfen behandelt wurde, heilte die Pododermatitis nie vollständig aus. Diese Behandlungsmethoden finden in der Literatur keine Erwäh-nung. Bei den Meerschweinchen, bei denen keine Behandlung durchgeführt wurde, heilte die Erkrankung bei 9 % der Meerschweinchen nach einem Monat vollständig aus, bei den restlichen 37 % heilten die wunden Läufe nie vollständig aus. Zusam-menfassend lässt sich feststellen, dass es keine Therapie gegen Pododermatiden bei Meerschweinchen gibt, die mit relativer Sicherheit zum Erfolg führt.

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