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Die Bedeutung von Biomarkern in der Risikostratifizierung

1. Einleitung

1.2 Die Bedeutung von Biomarkern in der Risikostratifizierung

Die Entwicklung von Methoden zur Messung kardialer Biomarker hat die klinische Diagnostik insbesondere im Bereich der Notfallmedizin in den letzten Jahrzehnten entscheidend vorangetrieben.

Als Biomarker werden beispielsweise Enzyme oder Proteine verwendet, die eine Krankheitsentwicklung, deren klinischen oder präklinischen Zustand und ihr Fortschreiten reflektieren. Sie dienen also möglichst als direkte und kausale Verbindung zum klinischen Ereignis [11].

Bereits vor über 60 Jahren wurde eine Studie zur Bedeutung der Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT, heute Aspartat-Aminotransferase, ASAT) im Rahmen des akuten Myokardinfarktes veröffentlicht [23]. Zahlreiche Studien schlossen sich an, die GOT, die Laktatdehydrogenase (LDH), die Creatinkinase (CK) und einige Isoenzyme waren bis in die 70er Jahre die Standardmarker in der Herzinfarkt-Diagnostik [48].

1979 fanden sie erstmalig Einzug in die Definition des akuten Myokardinfarktes durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) [64].

In der Weiterentwicklung der Enzym-Assays wurden klare Ziele definiert.

Der optimale Biomarker zur Diagnostik im Rahmen des akuten Koronarsyndroms muss myokardspezifisch sein, um schon früh eine hohe Sensitivität zu erreichen.

Er muss möglichst schnell nach myokardschädigendem Ereignis im Blut messbar und über mehrere Tage erhöht nachweisbar sein; die Messresultate sollten schnell verfügbar sein [36].

Einen Marker zu finden, der allein diese Eigenschaften vereint, erwies sich als sehr schwer. Die zuerst verwendete GOT ist zwar mit einem Anstieg bereits nach 6 Stunden relativ frühzeitig im Serum nachweisbar und ist auch für mehrere Tage erhöht messbar, ihr fehlt jedoch die sehr entscheidende Eigenschaft der Kardioselektivität. Ähnlich verhält es sich mit den in den Folgejahren als

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diagnostischer Standard genutzten LDH und CK, die ebenfalls auch im Rahmen anderer Erkrankungen erhöhte Plasmaspiegel aufweisen.

Auch das Muskelprotein Myoglobin wird als biochemischer Marker eingesetzt. Es ist mit einem Anstieg bereits 2 Stunden nach Infarktbeginn besonders schnell nachweisbar. Dafür erreicht es bei einer geringen Halbwertzeit auch nach ca. 24-36 Stunden wieder Normalwerte und macht eine Diagnosestellung im späteren Stadium nicht möglich. Zudem mangelt es ebenfalls an der Spezifität für das Herzmuskelgewebe. Myoglobin ist ebenso bei Skelettmuskelschäden, bei allgemeinen Muskelerkrankungen oder bei Niereninsuffizienz in erhöhten Konzentrationen messbar [54].

Abbildung 3 zeigt den zeitlichen Verlauf der für die Herzinfarktdiagnostik relevanten Biomarker.

Abbildung 3: Zeitlicher Enzymverlauf beim AMI, ---- = unterer Referenzwert (Abbildung nach

http://www.ruhr-uni-bochum.de/mh-lehre/lehre/vorlesungen/akutes_koronarsyndrom.pdf)

Um die Kardioselektivität der LDH und CK zu erhöhen, wurden Testverfahren entwickelt, mit denen die kardiospezifischeren Isoformen dieser Enzyme nachgewiesen werden können. Die CK-MB (Muscle-Brain type CK) als eine solche Isoform galt lange Zeit als Goldstandard in der Diagnostik des akuten Myokardinfarkts. Aber auch damit blieb eine diagnostische Lücke, da die CK-MB zudem bei Myokardschädigungen anderer Genese, inflammatorischen

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Geschehen, Traumata und Schädigungen der Skelettmuskulatur erhöht nachweisbar ist [3, 25].

Aktuell bilden die kardialen Troponine den Goldstandard in der Diagnostik, Risikostratifizierung und Prognose beim AMI [31] und sind seit 2012 Bestandteil der universalen Definition für den akuten Myokardinfarkt [52].

Unter den kardialen Troponinen versteht man das Kalzium bindende Troponin C (cTnC), das auf die myokardiale Kontraktion inhibierend wirkende Troponin I (cTnI) und das an Tropomyosin bindende Troponin T (cTnT). Gemeinsam mit Aktin, Myosin und dem Tropomyosin bilden sie das myokardiale Sarkomer und damit die funktionellen Einheiten der Kardiomyozyten [37]. In Abbildung 4 ist der Aufbau eines dünnen Filaments eines solchen Sarkomers schematisch dargestellt.

Abbildung 4: Troponin-Struktur

(Abbildung nachhttp://www.med4you.at/laborbefunde/lbef2/aktin_troponin.gif)

Eine wichtige Besonderheit des Troponins, verglichen mit den zuvor als Biomarker verwendeten Enzymen, ist seine hohe Kardiospezifität. In Studien der 90er Jahre wurde gezeigt, dass selbst bei Patienten mit Verletzungen an der Skelettmuskulatur oder nach einem Trauma im Gegensatz zur CK und CK-MB keine erhöhten Serumspiegel gemessen werden konnten [32].

Die als serologische Marker genutzten Troponine cTnT und cTnI kommen physiologisch hauptsächlich in gebundener Form in den Myofibrillen der Herzmuskelzellen vor. Im Herzmuskelgewebe hat das cTnT einen Anteil von

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10,8 mg/g, davon liegen nur 6-8% gelöst im Zytosol vor. Das cTnI hat einen myokardialen Konzentrationsanteil von 4,0-6,0 mg/g und ist zu 2,8-4,1% im Zytosol gelöst zu finden [8]. Kommt es im Rahmen eines Infarktes zum myokardialen Zelluntergang, wird zunächst das gelöst vorliegende Troponin freigesetzt. Die über mehrere Tage ansteigende Konzentration und die lange Nachweisbarkeit sind durch den Ischämie bedingten Zellabbau und der damit einhergehenden Freisetzung der im Troponinkomplex gebundenen Enzymbestandteile zu erklären [56].

Um die aktuelle Definition des akuten Myokardinfarktes zu erfüllen, muss ein

„Troponinwert oberhalb der 99. Perzentile eines normalen Vergleichskollektives (oberer Grenzwert) unter Verwendung eines Assays mit einer Messtoleranz (Varianzkoeffizient) ≤10% am oberen Grenzwert“ [1] vorliegen.

Dieser Wert ist in der Regel ca. 3 Stunden nach Symptombeginn im peripheren Blut messbar und auch für 7-14 Tage erhöht nachweisbar [12].

Neben dem akuten Koronarsyndrom können aber auch Tachykardie, Lungenarterienembolie, Aortendissektion, Myokarditis, Zustand nach kardiochirurgischer Operation, Nierenversagen und viele weitere Krankheitsbilder zu erhöhten Troponin-Serumkonzentrationen führen [12]. Unter anderem aus diesem Grund ist hervorzuheben, dass die Diagnose NSTEMI nicht allein auf Basis der laborchemischen Ergebnisse gestellt werden darf, sondern immer aus einer Kombination von Troponinerhöhung sowie z.B. typischer Klinik, echokardiographischer Auffälligkeiten oder koronarangiographischer Befunde entsteht [52].

Aufgrund der immer sensitiveren Assays zur Bestimmung von kardialen Troponinen, ist eine Detektion von immer kleineren Myokardschäden möglich.

Zudem bieten die neueren Tests auch bei Konzentrationen unterhalb der 99.

Perzentile ausreichend analytische Genauigkeit und machen damit eine frühere Diagnosestellung bzw. ein früheres rule-out des AMI möglich [59]. Mit der höheren Sensitivität gehen allerdings auch vermehrt falsch-positive Messergebnisse einher. Dadurch wird die korrekte Ersteinschätzung von Patienten, die sich mit Brustschmerzen in der Notaufnahme vorstellen, erschwert und gegebenenfalls unnötige Ressourcen verschwendet. Daher ist es von großer klinischer

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Bedeutung, die Grenzwerte für einen relevanten Anstieg, bzw. Abfall der Troponin-Konzentration, verglichen mit dem Ausgangswert, stets neu zu evaluieren [42].

Dementsprechend wurde, wie in Abbildung 5 dargestellt, zur Neuauflage der Leitlinien zum NSTEMI-ACS 2012 eine Änderung des „Ausschlussprotokolls“

vorgenommen. Dieses Vorgehen macht nun einen Ausschluss bereits nach 3 Stunden möglich, fordert aber zugleich ein typisches „Rise-and-fall-Muster“

insbesondere bei niedrigen Troponin-Konzentrationen, um die falsch-positiven NSTEMI-Diagnosen zu minimieren [1].

Abbildung 5: Algorithmus zur Verwendung von hochsensitivem (hs) TnT

bei Verdacht auf ACS (hsTroponinT= hochsensitives Troponin T; Abbildung nach [1])

Die messbaren Erhöhungen spiegeln jedoch nicht nur das Risiko für einen akuten Myokardinfarkt wider, sondern korrelieren ebenso mit dem Ausmaß des Zelluntergangs. Proportional zur Höhe des Anstiegs geht Myokardgewebe irreversibel unter [18]. Weiterhin kommt den Troponinen eine besondere Bedeutung in der Risikostratifizierung zu, da sie außerdem eine erhöhte Mortalität und eine erhöhte Ereignisrate im lang- und kurzfristigen Verlauf prognostizieren können [35].

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Auch wenn es sich bei den kardialen Troponinen um die bisher idealsten Biomarker und damit den Goldstandard zur Diagnostik und Risikostratifizierung im Rahmen des NSTE-ACS handelt, bleibt in der Frühphase nach Myokardschädigung ein Troponin-blindes Intervall. In den ersten 3 Stunden nach dem Infarktereignis kann eine Zellnekrose noch unentdeckt bleiben. Es gilt also eine Methode zu finden, die die Diagnose bereits vor Anstieg der Troponinkonzentrationen bestätigen, bzw. ein rule-out des AMI ermöglichen kann oder serielle Blutentnahmen unnötig macht.