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1. Einleitung

1.3 Was ist Copeptin?

Mit der Messung des neurohumoralen Biomarkers Copeptin ist eine vielversprechende Möglichkeit gefunden worden, die bisher bleibende diagnostische Lücke direkt nach Infarktgeschehen schließen zu können.

Copeptin ist ein von der Hypophyse sezerniertes Peptid, welches aus dem gleichen Prohormon wie Argininvasopressin (AVP) gebildet wird. Das Argininvasopressin ist auch bekannt als antidiuretisches Hormon (ADH).

Gemeinsam mit einem Signalpeptid, Neurophysin II und AVP bildet Copeptin als C-terminaler Teil das Provasopressin, vgl. Abbildung 6 [16].

Abbildung 6: Provasopressin

Zahlen geben die Position der Aminosäuren an (Abbildung modifiziert nach N.G. Morgenthaler)

Es bestehen zwei unterschiedliche Wege, auf denen AVP und Copeptin gebildet und prozessiert werden. Diese sind in Abbildung 7 veranschaulicht.

Bildungsorte sind dabei die supraoptischen und paraventrikulären Hypothalamuskerne. Auf axonalem Weg wird das Prohormon durch das Infundibulum zum Hypophysenhinterlappen transportiert und dabei werden die genannten Peptide abgespalten. Sie werden anschließend auf entsprechende Stimuli hin von der Neurohypophyse sezerniert.

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Der zweite Bildungsort sind die parvozellulären Neurone des Hypothalamus, der gleiche Ort, an dem auch die Releasing-Hormone gebildet werden. Das auf diese Weise gebildete ADH wirkt sofort auf die endokrinen Zellen des Hypophysenvorderlappens [28].

Abbildung 7: Bildungsort Provasopressin

(Abbildung nach http://www.acbrown.com/neuro/Lectures/Hpth/NrHpthOtpt.htm)

Das antidiuretische Hormon wirkt rezeptorvermittelt zum einen über die Nieren und hat Einfluss auf den Wasser- und Salzhaushalt, zum anderen wirkt es in hohen Dosierungen vasokonstriktiv.

Wie bereits angedeutet, existieren bestimmte Stimuli, die zu einer Peptid-Ausschüttung durch die Hypophyse führen. Hauptstimulus für die Vasopressin-Sekretion ist dabei ein Anstieg der Plasma-Osmolalität, aber auch ein verringertes effektives arterielles Blutvolumen, z.B. im Rahmen einer Herzinsuffizienz oder einer Leberzirrhose, aktiviert das ADH-System [44].

Ein für diese Untersuchung besonders relevanter Stimulus ist die Vasopressin-Sekretion aufgrund eines schweren, Stress-induzierenden Ereignisses. Als ein solches Ereignis kann auch der akute Myokardinfarkt gewertet werden [44]. Damit ist Vasopressin ein bedeutsamer Marker zur Abschätzung des endogenen Stresslevels, auch im Rahmen des akuten Koronarsyndroms.

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Da es mit 5-10 Minuten allerdings nur eine sehr kurze Halbwertzeit aufweist und in-vitro instabil ist, ist seine Bestimmung zur Risikoabschätzung im klinischen Alltag nicht zuverlässig. Diese Tatsache macht das sehr viel stabilere Copeptin interessant. Da es aufgrund seiner Bildung und Prozessierung in äquivalenten Mengen zu Vasopressin sezerniert wird und zudem über mehrere Tage stabil bleibt, erlangt es hohen diagnostischen Wert [46].

Die physiologische Bedeutung von Copeptin ist noch nicht abschließend geklärt.

In einer französischen Studie von 2001 konnte dargestellt werden, dass Copeptin an der korrekten räumlichen Faltung von ADH beteiligt und damit für ein funktionierendes Arginin-Vasopressin System von Bedeutung ist [2].

Die Abklärung endokrinologischer Fragestellungen, wie z.B. die Diagnostik des Diabetes insipidus, war lange Zeit durch die instabilen Eigenschaften des ADH und die nur eingeschränkt verfügbaren Messmethoden erschwert. Durch die Bestimmung von Copeptin als Surrogatmarker des ADH ist eine deutlich zuverlässigere Methode in der endokrinologischen Diagnostik in Aussicht [19].

Andere Studien geben ferner Anhalt dafür, dass die klinische Implementation von Copeptin-Bestimmungen auch die Diagnostik von Wasser- und Elektrolytstörungen erleichtern könnte [44].

Die klinische Relevanz von Copeptin als prognostischer Biomarker konnte ebenfalls durch zahlreiche Studien unterstrichen werden. So weist eine erhöhte Copeptin-Konzentration bei Patienten mit Herzinsuffizienz auf eine gesteigerte Morbidität und Mortalität hin, vermutlich sogar sensitiver als die Hyponatriämie als Prognoseparameter [44]. Bei 100 septischen Patienten auf einer Intensivstation konnte eine Korrelation zwischen Copeptin-Plasmakonzentration und Schweregrad der Sepsis sowie tödlichem Ausgang gezeigt werden [29]. An 900 Patienten mit AMI wurde dargestellt, dass eine hohe Plasmakonzentration von Copeptin auch hier ein prognostisch ungünstiger Faktor ist. Es weist demnach auf ein erhöhtes Mortalitätsrisiko sowie ein erhöhtes Risiko für eine manifeste Herzinsuffizienz hin [22]. Auch bei pulmonalen Krankheitsbildern wie der Pneumonie oder der exazerbierten COPD stellte sich Copeptin als zuverlässiger Prädiktor für Outcome und Hospitalisierung dar [26, 30, 47, 49].

Wie die genannten Studieninhalte zeigen, ist Copeptin kein kardiospezifischer Marker. Dennoch belegen unterschiedliche klinische Studien seinen Nutzen auch

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bei Patienten mit Angina pectoris. Insbesondere der frühe Anstieg von Copeptin nach einem Stress- bzw. Schmerzereignis, verglichen mit jenem der Troponine, macht dieses Hormon für den klinischen Gebrauch interessant. Während es bei der Diagnostik des akuten Koronarsyndroms mithilfe der bisherigen Biomarker ein Zeitintervall zwischen Schmerzbeginn und Anstieg der Laborparameter von mehreren Stunden zu überbrücken gilt, ist Copeptin bereits nach 30 Minuten im Blut nachweisbar, erreicht seinen Maximalwert nach etwa 90 Minuten und sinkt innerhalb von 24 Stunden auf seinen Ausgangswert [24]. Dies ist im Idealfall von zeitlichem Nutzen in der Diagnostik des ACS, birgt aber auch die Gefahr, die erhöhten Copeptin-Konzentrationen verpasst zu haben. Ein akuter Myokardinfarkt kann schon stattgefunden haben, der Copeptin-Plasmaspiegel ist allerdings bereits wieder gesunken und der akute Myokardinfarkt ist damit über diesen Marker nicht mehr zu erfassen.

Die gemeinsame Anwendung von Copeptin und dem bisherigen Goldstandard der Biomarker zur Diagnostik des akuten Koronarsyndroms, dem kardialen Troponin, könnte die Lösung der Problematik sein. In einigen Studien der letzten Jahre konnte gezeigt werden, dass eine signifikante Steigerung der diagnostischen Aussagekraft möglich ist, wenn Copeptin in die laborchemische Diagnostik bei Aufnahme miteinbezogen wird. Nicht erhöhte Troponin- und Copeptin-Werte haben demnach einen akuten Myokardinfarkt mit einer Sensitivität von 98,8%

ausgeschlossen und einen negativen prädiktiven Wert von 99,7% [41].

Diese hervorragenden Ergebnisse gilt es in großen Studien zu bestätigen, um Copeptin-Messungen und deren Nutzen für die Diagnostik beim ACS im klinischen Alltag zu etablieren.